Titel: Darstellung des Anilins; von Dr. Albert Kremer in Stettin.
Autor: Albert Kremer
Fundstelle: Band 169, Jahrgang 1863, Nr. XCIX., S. 378
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XCIX. Darstellung des Anilins; von Dr. Albert Kremer in Stettin. Kremer's Darstellung des Anilins. Nitrobenzol wird durch Erwärmen mit Wasser und Zinkstaub ohne Gegenwart einer Säure oder eines Alkalis in Anilin umgewandelt. Der Vorgang wird durch folgende Gleichung veranschaulicht: C¹²H⁵NO⁴ + 6 Zn + 2 HO = 6 ZnO + C¹²H⁷N. Zinkstaub ist das Product, welches bei der Darstellung des Zinks zuerst übergeht; er enthält 80 bis 95 Proc. höchst fein zertheiltes Zink; der Rest ist hauptsächlich Zinkoxyd. Der Apparat, in welchem die Operation ausgeführt wird, besteht in einer Retorte, die mit einem aufwärts und einem abwärts gerichteten Kühler verbunden ist. An dem Rohr, welches die Retorte mit dem aufwärts gerichteten Kühler verbindet, befindet sich noch ein kleines, abwärts gerichtetes, durch einen Hahn verschließbares Probirrohr, welches gestattet, die aus dem aufwärts gerichteten Kühler in die Retorte zurückfließenden Producte von Zeit zu Zeit zu untersuchen. In das Destillationsgefäß bringt man zuerst 2 bis 2 1/2 Theile Zinkstaub (je nach dem Gehalt desselben an nicht oxydirtem Zink), dann 5 Theile Wasser und zuletzt 1 Theil Nitrobenzol, und erwärmt gelinde. Nach kurzer Zeit beginnt eine ziemlich heftige Einwirkung, welche indessen bald nachläßt, und bei der oben angegebenen Wassermenge und nicht zu starkem Feuer kein Uebersteigen befürchten läßt. Man verstärkt dann allmählich das Feuer, so daß die Masse stets in starkem Sieden begriffen ist. Mit den Wasserdämpfen steigen jetzt Dämpfe von Anilin und noch unzersetztem Nitrobenzol in den Kühler. Von Zeit zu Zeit sammelt man durch das Probirrohr etwas von den aus dem Kühler zurückfließenden Producten und schüttelt das hierbei erhaltene Oel mit verdünnter Salzsäure. Wenn es sich vollständig löst, ist die Umwandlung beendigt. Man unterbricht dann die Verbindung der Retorte mit dem aufwärts gerichteten Kühler und leitet die Destillationsproducte in den abwärts gerichteten Kühler. Man destillirt so lange als noch reichlich Wasserdämpfe übergehen. Mit denselben destillirt, wenn die oben angegebene Wassermenge angewendet wurde, alles Anilin über; das zuletzt übergehende Wasser enthält nur wenig Anilin beigemengt. Wollte man die beinahe trockene Masse stärker erhitzen, so würde man kein Anilin mehr erhalten, sondern nur geringe Mengen eines rothen, krystallinischen Körpers, nämlich Azobenzol C¹²H⁵N. Die Vorzüge dieses Verfahrens vor dem jetzt gebräuchlichen (nach Béchamp) sind folgende: 1) Es liefert eine weit größere Ausbeute. Von 100 Theilen solchen Nitrobenzols, wie es in einer englischen Fabrik zur Darstellung des Anilins benutzt wird, erhielt ich in verschiedenen Versuchen 63 bis 65 Theile Anilin, abgesehen von dem in dem überdestillirten Wasser gelösten Anilin. Dieses Wasser kann bei der Darstellung von Anilinviolett verwendet werden. 2) Es liefert ohne weitere Rectification ein so reines Product, wie es bis jetzt im Handel nicht vorkommt. Die Kosten des Verfahrens sind nicht bedeutend, da der Zinkstaub, wie mir auf meine Anfrage von einer Hütte mitgetheilt wurde, um 1 Thlr. pro Centner billiger als Rohzink abgegeben werden kann, und der Rückstand in der Retorte, da er beinahe reines Zinkoxyd ist, höher als irgend ein anderes geröstetes Zinkerz verwerthet werden kann. Statt des Zinkstaubes kann auch pulverförmiges, durch Reduction von Eisenoxyd bei niedriger Temperatur erhaltenes Eisen verwendet werden. Es bewirkt indessen die Reduction des Nitrobenzols weit langsamer als Zinkstaub.