Titel: | Ueber die Leinenindustrie des Zollvereins. |
Fundstelle: | Band 169, Jahrgang 1863, Nr. CIII., S. 388 |
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CIII.
Ueber die Leinenindustrie des
Zollvereins.
Ueber die Leinenindustrie des Zollvereins.
Von dem Berichterstatter über die Leinenwaaren und Gespinnste der vorjährigen
Londoner Industrie-Ausstellung, dem kgl. preuß. Regierungsassessor Hrn. Bossart zu Minden, wird auch die
Zollvereins-Leinenindustrie (in den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung
des Gewerbfleißes in Preußen, 1862 S. 242) im Allgemeinen besprochen. Er äußert sich
hierüber folgendermaßen:
Es kann für denjenigen, welcher der Entwickelung der Leinenindustrie im Zollverein
aufmerksam gefolgt ist, wohl kaum zweifelhaft seyn, daß das
Minden-Ravensbergische und vorzugsweise Bielefeld in dem letzten Jahrzehnt
die bedeutendsten Anstrengungen gemacht macht hat, der dort alteinheimischen Leinenindustrie
wieder einen höheren Aufschwung zu verschaffen und, gestützt auf die in
Großbritannien gemachten Erfahrungen, zunächst wenigstens das ihr noch gebliebene
Terrain zu behaupten.
Seit der letzten Pariser Ausstellung im Jahre 1855 hat sich die Maschinenspinnerei
von Flachsgarnen nicht allein consolidirt, sondern auch bedeutend erweitert. Die
Actien-Spinnerei „Vorwärts,“ welche damals nur 5000
Spindeln zählte, hat gegenwärtig 10,716 im Betrieb.
Die im Jahre 1855 noch erst im Bau begriffene Actienspinnerei
„Ravensberg“ arbeitet jetzt mit 22,000 Spindeln, und wird
binnen wenigen Wochen auf ihren vollen Betrieb von 24,000 Spindeln gesetzt seyn.
Neben ihr hat sich die Schönfeld'sche Spinnerei in
Herford auf ihrem alten Standpunkte von 3000 Spindeln erhalten.
Mehrere Bleichen und Appreturanstalten sind seit jener Zeit im
Minden-Ravensbergischen nach Irländischem Muster neu angelegt oder
umgestaltet worden.
Die vor Kurzem etablirte Garnbleiche der Ravensberger Spinnerei, welche täglich 80
bis 100 Centner Garn zu bleichen im Stande ist, kann ihrem Umfange nach dem größten
Etablissement Englands dieser Art, dem des Hrn. Gill in
Horsforth bei Leeds, an die Seite gestellt werden.
Mit der Power-loom-Weberei ist in jenem
Theil Westphalens wenigstens ein Anfang gemacht. Außer 30 Power-looms für glatte Leinen, welche in der Spinnerei
„Vorwärts“ aufgestellt sind, ist vor kurzem eine
Maschinenweberei für feinere und gröbere glatte Leinen von dem Fabrikanten Piderit in Bielefeld eingerichtet, und dort zunächst eine
geringe Zahl von Stühlen in Betrieb gesetzt worden.
Einen erfreulichen Aufschwung nimmt die mechanische Weberei für Segeltuche von Helling in Borgholzhausen,Im Königreiche Hannover arbeitet die Fabrik der Herren Stelling und Comp. (in der
Residenzstadt Hannover) mit ganz entschiedenem Erfolge. welche gegenwärtig mit 72 Stühlen arbeitet.
Das Fabricat derselben, welches bald nach der Eröffnung des Betriebes allgemeinen
Beifall auf dem Markte fand, hat auch auf der Ausstellung die vollste Anerkennung
von Seiten der Jury der Classe XIX sich erworben. Der Plan, eine Power-loom-Weberei im größeren Maaßstabe
für Leinen, Drelle und Damaste in Bielefeld auf Actien zu errichten, ist bereits in
Folge der auf der Londoner Ausstellung gemachten Erfahrungen aufgefaßt und seiner
Verwirklichung nahe geführt worden.
Mit Recht läßt sich daher wohl die Minden-Ravensbergische Leinenindustrie,
ungeachtet des bei weitem bedeutenderen Umfanges der schlesischen Leinenindustrie,
sowohl wegen ihrer rascher vorgeschrittenen Entwickelung als wegen ihrer größeren
Concentration, für eine Vergleichung des Standpunktes der deutschen und der
englischen Leinenindustrie als die maaßgebende betrachten.
Es ist noch in den letzten Jahren selbst in industriellen Kreisen vielfach darüber
gestritten worden, ob es für die deutsche Leinenindustrie zweckmäßig sey, den Gang
der englischen einzuschlagen, und sich, soweit als irgend angänglich, auf
mechanische Kräfte zu stützen. Der Streit wird gegenwärtig nur noch sehr vereinzelt
geführt und kann als zu Gunsten der englischen Methode entschieden angesehen
werden.
Dagegen wird jetzt häufiger von Leinenfabrikanten und Leinenhändlern die Frage
aufgeworfen, ob der englischen und selbst der belgischen Concurrenz gegenüber die
deutsche Leinenindustrie noch günstige Elemente zu ihrem Fortbestehen und ihrer
Entwickelung besitzt.
Diese Frage wird leider häufig verneinend beantwortet, glücklicher Weise jedoch mehr
aus Gründen, welche
aus dem neuesten Entwickelungsgange der deutschen Leinenindustrie zu folgen
scheinen, als aus einer durch genaue Berechnung der Productions-Factoren
gewonnenen Ueberzeugung.
Die Thatsache, daß der deutsche Leinenhandel in dem letzten Jahrzehnt auf immer
engere Grenzen zurückgeführt worden, und der früher blühende überseeische Export
schlesischer Leinen gegenwärtig als erloschen anzusehen ist, diese Thatsache kann
leider nicht bezweifelt werden.
Ihr gegenüber steht jedoch eine andere, erfreuliche und hoffnunggebende, die
unbestreitbare Ausdehnung und Consolidation der Leinengarn-Spinnereien.
Die Zahl der Spindeln für Leinengarn stellt sich zur Zeit im Zollvereinsgebiet auf
ungefähr 158,000, und bleibt mithin nicht weit hinter der Zahl der 180,000 Spindeln
Belgiens zurück.
Vergleicht man hiermit die in Großbritannien arbeitende Spindelzahl, so ergibt sich
allerdings für dieses Land ein Vorsprung, der wohl schwerlich weder von Deutschland
noch von Belgien abgewonnen werden wird. Nach dem dem englischen Parlament in diesem
Jahre erstatteten Berichte beläuft sich die Zahl der in Großbritannien beschäftigten
Flachsspindeln auf 1,216,679, und es steht diese in Folge der ungünstigen
Conjuncturen der letzten Jahre gegen die im Jahre 1856 vorhanden gewesene
Spindelzahl von 1,288,043 noch um etwas zurück, selbst wenn zu jener die inzwischen
entstandenen 36 Jute-Fabriken mit 32,982 Spindeln hinzugerechnet werden.
Daß die Flachs- und Hede-Spinnerei im Zollvereinsgebiete, und hier
gerade die dem Umfange nach bedeutendste, nämlich die Ravensberger Spinnerei in
Bielefeld, durchschnittlich mit günstigem Erfolge arbeitet, beweist indeß, daß die
Leinenindustrie auch bei uns in dem neuen Boden frische Wurzeln geschlagen hat und
einer gesunden Entwickelung fähig ist.
Die weitere und entscheidende Frage ist hiernach, ob es möglich und an der Zeit ist,
behufs einer solchen Entwickelung den nächstliegenden Schritt zu thun und allgemein
zur mechanischen Weberei überzugehen. Diese Frage ist bereits in dem amtlichen
Berichte der allgemeinen Pariser Ausstellung des Jahres 1855 berührt, indeß dabei
vor sanguinischen Hoffnungen in dieser Beziehung gewarnt worden. Man hat folgende
vier Punkte, als den damaligen Erfahrungen entsprechend, aufgestellt:
1) Da, wo die gewöhnliche Menschenkraft ein befriedigendes Gewebe
herzustellen im Stande ist, liefert der Power-loom, zumal in Bezug auf Schwere und Dichtigkeit, keine
bessere Qualität des Fabricats.
2) Die Kettenfäden, vermöge der geringeren Elasticität des
Leinengarns, brechen, wenn die Anzahl der Schläge eine zu große wird, und um
dieses Brechen möglichst zu verhüten, wird man genöthigt, bessere und deßhalb
kostspieligere Garne zu benutzen.
3) Der Einschlag dagegen verhält sich indifferent und es können
selbst Handgespinnste dazu verwendet werden.
4) Lose und batistartige Gewebe sind mehr für Power-looms geeignet, als dichtere, und es
tritt bei denselben, selbst bei bedeutend feineren Garnen, ein Brechen der Kette
seltener ein.
Nach den neueren Erfahrungen können diese Aufstellungen nicht mehr als zutreffend
angesehen werden.
Zu 1. Das Gewebe des Power-loom ist dem Handgewebe
deßhalb vorzuziehen, weil es eine größere Gleichmäßigkeit besitzt. Die Dichtigkeit
des Gewebes richtet sich ganz nach der Construction des loom, der Aufnahme- und Nachlaß-Bewegung.
Zu 2. Die Stärke des Schlages ist Sache der Construction, und es wird die Elasticität der Kettenfäden
durch ein geeignetes Schlichtverfahren in genügender Weise hergestellt.
Zu 3. Es ist hier bereits bemerkt, daß der Einschlag sich indifferent verhält,
Handgespinnste werden übrigens zum Einschlag thatsächlich nicht verwendet.
Zu 4. Die Bemerkung ist thatsächlich nicht mehr richtig. Es werden alle Sorten von
Leinwand, von der gröbsten bis zur feinsten, von der losesten bis zur dichtesten,
auf Power-loom hergestellt.
Die Anwendbarkeit und Anwendung des mechanischen Webstuhls für alle Arten von
Leinengeweben, glatten, gemusterten und Drellen, steht durchaus außer Zweifel.
Ein jeder kann sich hierüber durch einen kurzen Besuch englischee Power-looms-Webereien die vollste
Ueberzeugung verschaffen.
Ein Zweifel über diesen Punkt existirt auch in Großbritannien nicht mehr. Der beste
Beweis hierfür liegt in der ungemein raschen Ausdehnung der mechanischen Webereien
Englands, welche sich selbst in den letzten 6 Jahren, trotz der ungünstigen
Verhältnisse, trotz eingetretener Handelskrisen und trotz der nachtheiligen Folgen,
welche der amerikanische Krieg auch für den Leinenmarkt gehabt hat, nicht
unerheblich vermehrt haben.
Im Jahr 1856 waren nach den amtlichen Ermittelungen des Parlaments in Großbritannien
in Thätigkeit:
I. mechanische Webereien:
1) in England und Wales
19
mit
1452
Stühlen,
2) „ Schottland
25
„
3995
„
3) „ Irland
13
„
1033
„
–––––––––––––––––––––––––––––––––––
Summe
57
mit
6480
Stühlen,
II. mechanische Webereien und Spinnereien:
1) in England und Wales
17
mit
535
Stühlen,
2) „ Schottland
17
„
1016
„
3) „ Irland
9
„
685
„
–––––––––––––––––––––––––––––––––––
Summe
43
mit
2236
Stühlen,
mithin in der Totalsumme 100 mechanische Webereien, theils
allein, theils in Verbindung mit Spinnereien, mit 8716 Power-looms.
Für das Jahr 1861 stellt sich die Anzahl der arbeitenden mechanischen Webereien und
Power-looms wie folgt:
I. mechanische Webereien:
1) in England und Wales
27
mit
1062
Stühlen,
2) „ Schottland
41
„
3896
„
3) „ Irland
15
„
1446
„
–––––––––––––––––––––––––––––––––––
Summe
83
mit
6294
Stühlen,
II. mechanische Webereien und Spinnereien:
1) in England und Wales
14
mit
466
Stühlen,
2) „ Schottland
24
„
2061
„
3) „ Irland
19
„
2491
„
–––––––––––––––––––––––––––––––––––
Summe
57
mit
5456
Stühlen,
also in der Totalsumme auf 140 Fabriken mit 11,750 Power-looms.
In der Zwischenzeit jener 6 Jahre hat sich sonach die Zahl mechanischer Webereien um
40 und die Zahl der Power-looms um 3061 vermehrt.
Der Zuwachs ist ein noch
größerer, wenn man den mechanischen Webereien auf Flachs die in den letzten Jahren
in Schottland entstandenen 27 Jute-Webereien mit 554 Power-looms hinzurechnet.
Dem Beispiele Englands folgend, haben Belgien und Frankreich und in neuester Zeit dem
Vernehmen nach selbst Rußland die mechanischen Leinewebereien als eine unbedingte
Nothwendigkeit der weiteren Entwickelung ihrer Leinenindustrie erkannt, und es hat
namentlich Belgien mit gewohnter Thatkraft das neue System anzuwenden begonnen.
Diese offenliegenden, aus praktischen Erfahrungen hervorgegangenen Thatsachen haben
ihr volles Gewicht auch für die Leinenindustrie im Gebiete des Zollvereins. Es tritt
hier jedoch noch ein Grund zur Annahme jenes Systems hinzu, welcher bisher ein
Haupthinderniß bei der Bekämpfung des siegreichen Einflusses englischer
Leinenindustrie auf dem Markte war, nämlich die Mangelhaftigkeit der deutschen, mit
der Hand gewebten Leinen bezüglich der Bleiche und Appretur. Daß dieser Mangel
vorzugsweise den Manipulationen beim Weben mit der Hand zugeschrieben werden muß,
und daß auf Maschinen gewebtes Leinen ungleich leichter und besser zu bleichen und
zu appretiren ist, als jenes, darüber herrscht bei Fachmännern wohl kaum noch ein
Zweifel. Der Grund hiefür liegt darin, daß das Schlichtverfahren für den
mechanischen Webestuhl ein durchaus anderes ist und seyn muß, wie für den Handstuhl.
Der Handweber gebraucht, weil ihm das Schlichten in der Regel selbst überlassen
wird, zu diesem Proceß gewöhnlich die schlechtesten und unreinsten Materialien, ein
Verfahren, welches später den Bleichproceß entschieden erschwert und selten
vollständig gelingen läßt. Bei der mechanischen Weberei wird das Schlichten durch
eine besondere Maschine besorgt, welche nicht allein mit reinen und guten
Materialien versehen ist, sondern auch die Schlichte gleichmäßiger vertheilt. Ist
eine Spinnerei mit einer Power-looms-Weberei verbunden, so kann für mittlere Sorten
Leinen die Schlichte ganz erspart und der Bleichproceß noch mehr begünstigt werden,
wenn das Garn nicht vollständig getrocknet, sondern mit einem zurückbleibenden Grade
von Feuchtigkeit sofort auf die Ketten- und Schuß-Spulmaschinen (warp and weft winding machines) gebracht wird.
Es ist ferner zu beachten, daß mechanische Webereien größeren Umfangs zugleich eine
Theilung der Arbeit in der Bleiche veranlassen, welche dem Bleichverfahren eine
größere Gleichförmigkeit in der Behandlung und bessere Gelegenheit zur Gewinnung
praktischer Erfahrungen gewährt.
Die Ungleichartigkeit der Gewebe, welche den zollvereinsländischen Bleichereien in
Massen zur Bearbeitung zugehen, gibt einen Hauptentstehungsgrund für die Klage ab,
daß das Bleichresultat im Allgemeinen so häufig kein befriedigendes ist.
Daß das britische Klima und noch mehr das irische den Bleichproceß vor dem unseren
begünstigt, soll nicht bezweifelt werden. Indeß wird auf diesen Punkt in der Regel
zu viel Gewicht gelegt, da die Rasenbleiche, wenn auch ein nothwendiger Bestandtheil
des Bleichverfahrens, doch nur eine Nebenrolle in demselben spielt.
Es kann hiernach die Frage über den Vorzug des mechanischen Webestuhls vor dem
Handstuhl in technischer Beziehung als abgeschlossen angesehen werden, und die
vorhin aufgestellte Frage, ob im Zollvereinsgebiete mit der Einführung mechanischer
Webereien vorzugehen sey, reducirt sich einfach auf eine Frage kaufmännischer
Berechnung.
Daß letztere sich den Verhältnissen nach verschieden stellt, ist
selbstverständlich.
Im Allgemeinen nimmt man in England an, daß sich die Generalkosten der mechanischen
Weberei den Löhnen für die Herstellung eines Gewebes auf dem Handstuhl
gleichstellen, wenn der Dampfwebestuhl gerade doppelt so viel webt, wie der
Handweber. Hierbei sind jedoch die Arbeitslöhne in der mechanischen Weberei außer
Ansatz gelassen.
Das Verhältniß zwischen den Kosten der einen und anderen Art der Weberei ist hiernach
überschläglich leicht zu berechnen. Bei einem 80gängigen Stück webt der Hand weder
durchschnittlich 14 Tage, der Power-loom noch
nicht 3; das Verhältniß stellt sich mithin hier zu Gunsten des Power-loom's fast wie 1 : 5.
Der Webelohn des Handwebers beläuft sich im Minden-Ravensbergischen für das
Stück jener Art auf ungefähr 3 Thlr. Bei dem Power-loom wird es darauf ankommen, welche Uebung die Arbeiter
bereits besitzen. Sind dieselben eingelernt, so kann der Einzelne, namentlich für
gewisse Sorten Leinwand, bequem zwei Stühle übernehmen.
Jene generelle Berechnung wird sich unter günstigen Bedingungen auch für die
Zollvereins-Verhältnisse als zutreffend erweisen. Es läßt sich jedoch nicht
verkennen, daß sich hier auch in den Hauptfactoren die Berechnung etwas
modificirt.
Vergleicht man die Verhältnisse Minden-Ravensbergs mit denen Englands, so
gelangt man zu folgenden Resultaten:
1) Hinsichtlich der Beschaffung des Rohmaterials stehen Minden-Ravensberg und
Irland auf gleicher Stufe.
Die englischen und schottischen Spinnereien verbrauchen zum größten Theil
ausländischen Flachs – russischen, preußischen, belgischen und holländischen,
– Irland vorzugsweise eigenen.
Der Marktpreis für die irischen Flachse stellt sich mit dem Preise, zu dem das
Material in Bielefeld zu haben ist, durchschnittlich gleich, für die englischen und
schottischen aber etwas niedriger.
Die gröberen und mittleren Nummern Garne können bei uns zu demselben Preise producirt
werden, wie in Großbritannien, die feineren noch nicht.
2) Die Kohle hat in Bielefeld den gleichen, zu Zeiten einen etwas geringeren
Durchschnittspreis, wie in Irland. Sie ist dagegen nicht ganz so billig, wie in
England und Schottland.
3) Die Maschinen, wenn von Großbritannien bezogen – und die Power-looms müssen noch von da bezogen werden,
– sind hier in Folge der Fracht und der Verpackung für den Seetransport etc.
wohl um 20 Proc. theurer als dort.
4) Ungünstiger für die hiesigen Verhältnisse, namentlich durch die höheren Preise des
Eisens, stellen sich auch die Kosten für die Errichtung der erforderlichen
Fabrikgebäude.
5) Die Arbeitslöhne halten sich durchschnittlich gleich hoch mit denen Englands und
Schottlands, und etwas höher als die irischen.
Es ist hierbei jedoch noch zu beachten, daß der geübte englische Arbeiter
außerordentlich viel leistet.
Es geht hieraus hervor, daß England unter den gegenwärtigen Verhältnissen, namentlich
so lange das Eisen einen hohen Schutzzoll genießt, unter theilweise etwas
günstigeren Bedingungen arbeiten wird, wie die Länder des Zollvereins.
Auch muß dabei ferner in Betracht gezogen werden, daß Großbritannien durch die
Concentration seiner Leinenindustrie auf bestimmte Punkte, Durchführung des Systems
der Theilung der Arbeit, ungemeine Entwickelung seines Creditsystems und durch seine
Capitalfülle ungleich vortheilhaftere Fundamente für seine Industrie gewonnen
hat.
Es sind jedoch alle diese Bedenken, welche zum Theil auch unserer Wollen- und
Baumwollen-Industrie entgegengestellt werden können, nicht so durchgreifender
Art, daß um ihrethalben von der weiteren Entwickelung der Leinenindustrie auf dem
von Großbritannien eingeschlagenen Wege Abstand zu nehmen wäre.
Zunächst handelt es sich nicht um den Beginn eines Kampfes mit England auf dem
Weltmarkte, sondern um die Behauptung des Zollvereinsmarktes, ein Ziel, welches im Hinblick auf den
früheren Flor der deutschen Leinenindustrie gewiß nicht zu hoch gestellt ist.
Es handelt sich ferner um die Frage, ob das durch den mechanischen Webestuhl
hergestellte Gewebe neben seiner größeren Vollkommenheit, auch seinen
Productionskosten nach, dem Handgewebe, wie es gegenwärtig gefertigt wird,
vorzuziehen ist, und es wird diese Frage in den meisten Fällen, namentlich bei
Segeltüchern, Sacktüchern, gröberen und mittleren Sorten von Leinen, bejahend
entschieden werden müssen.
Endlich handelt es sich darum, daß bei Errichtung von mechanischen Webereien von vorn
herein alle Momente für die Ermäßigung der Productionskosten auf das Sorgfältigste
erwogen werden.
Zur besseren Uebersicht über die hierbei in Betracht zu ziehenden Verhältnisse wird
nachstehend noch der generelle Betriebsplan einer sich auf die Verhältnisse im
Zollvereinsgebiet stützenden mechanischen Weberei beigefügt:
Die zollvereinsländische Leinenindustrie hat einmal durch Errichtung von
Garnspinnereien den ersten Schritt zur Wiederbefestigung ihrer Stellung und zwar mit
Erfolg gethan, der zweite muß gleichfalls genommen werden, soll nicht der erste
nutzlos seyn.
Die Errichtung von mechanischen Webereien ist eine absolute Nothwendigkeit für uns
geworden, wenn wir nicht eine weitere Rückwärtsbewegung der ganzen Leinenindustrie
und den allmählichen Untergang derselben herbeiführen wollen.
Plan für eine mechanische
Weberei.Dieser Plan ist mit Hülfe des Civilingenieurs Heinrich Landwehr zu Bielefeld ausgearbeitet, welcher sich während seines
mehrjährigen Aufenthalts in Großbritannien fast ausschließlich mit allen die
Leinenfabrication betreffenden technischen Fragen beschäftigt hat.Wer sich genauere Information in dieser Beziehung zu verschaffen wünscht,
möge sich an die gedachte Adresse wenden.
Unter den gegenwärtigen Verhältnissen des Leinengeschäfts im Zollverein ist bei
Errichtung einer mechanischen Leinenweberei von folgenden Grundsätzen
auszugehen:
1) Die Anlage ist zunächst allein auf den zollvereinsländischen Markt zu
berechnen.
2) Sie ist so herzustellen, sowohl was die in Anwendung zu bringende Dampfkraft, als
den Umfang der Fabrikräume betrifft, daß sie der Aufstellung einer größeren Anzahl
Stühle und im Allgemeinen einer weiteren Ausdehnung fähig ist.
3) Damit sich das Etablissement nach den Bedürfnissen des Marktes richten kann, sind
die gewöhnlichen Stühle auf glatte Leinen (Plain-linen-looms) so zu construiren, daß sie ohne Mühe in
Drellstühle umgewandelt werden können.
4) Es erscheint zweckmäßig, neben dieser Art von Power-looms auch Damaststühle, und zwar von verschiedenen
Breite-Dimensionen, für das Verfertigen von Tafeltüchern und Servietten
aufzustellen, und einige Stühle für Bettzeuge (sheeting-looms) von nicht zu geringer Breite einzuschalten.
5) Die Anlage ist von Anfang nicht zu groß zu bemessen, und ist deßhalb dem
nachfolgenden Kostenüberschlage ein Etablissement von 50 Stühlen zu Grunde gelegt
worden.
Kostenüberschlag.
1)
10 light plain-linen-looms zu 9 Pfd. St. 10
Sh.
95 Pf. St. –
Sh.
2)
10 middle plain-linen-looms à 13 Pfd.
St.
130
„ –
„
3)
15 Drell-Stühle à 14 Pfd. St.
210
„ –
„
––––––––––––––––––––
Latus
435 Pfd. St. – Sh.
Transport
435 Pfd. St. – Sh.
4)
10 Damast-Stühle von verschiedenen Dimensionen,durchschnittlich 18
Pfd. St.
180
„
– „
5)
5 Bettzeug-Stühle (sheeting-looms) von
verschiedenenDimensionen
110
„ –
„
6)
eine Garnerweichungsmaschine
12
„
10 „
7)
2 Kettspulen-Maschinen (warp windig
machines)zu 60 Spindeln à 18
Sh. 6 Pence für die Spindel
111
„
– „
8)
2 Schlichtmaschinen à 90 Pfund St. (dressing machines)
180
„
– „
9)
1 Aufbäumemaschine (beaming machine)
40
„
– „
10)
2 Schußspulmaschinen (weft winding
machines)zu 50 Spindeln à 18
Sh. pro Spindel
90
„
– „
11)
Für Garnbäume, Schützen, Picker, Lederriemen,Oelkannen, Bürsten,
Scheren, Ständer u. Heddles
200
„
– „
––––––––––––––––––––
Summe
1472 Pfd. St. 10 Sh.
oder 9816 Thlr. 20 Sgr.
12)
Eine 30 Pferdekraft Dampfmaschine mit variablerExpansion und einem 30
Pferdekraft Dampfkessel,3 Atm. Ueberdruck
4300
„ – „
13)
Vorwärmer, Regulator
270
„ – „
14)
Transmissionen, Röhren
3000
„ – „
––––––––––––––––––
Summe
17386 Thlr. 20 Sgr.
Rechnet man für den erforderlichen Grund und Boden, die Fabrikgebäude mit
Kessel- und Maschinenhaus circa 13000 Thlr., so
stellt sich die Totalsumme der Anlage mit Hinzurechnung von Fracht und Zoll auf
ungefähr 36000 Thlr. (Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1863, S.
120.)