Titel: Ueber die vortheilhafteste Bereitungsweise der Ameisensäure, nach Berthelot.
Fundstelle: Band 170, Jahrgang 1863, Nr. XX., S. 70
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XX. Ueber die vortheilhafteste Bereitungsweise der Ameisensäure, nach Berthelot. Aus Böttger's polytechnischem Notizblatt, 1863, Nr. 17. Berthelot’s Bereitungsweise der Ameisensäure. Da die Ameisensäure gegenwärtig eine sehr häufige Anwendung in der Photographie findet, so dürfte die Beschreibung der vortheilhaftesten Bereitungsweise derselben hier ganz an seinem Platze seyn. Die gewöhnlichen Darstellungen der Ameisensäure mittelst Braunstein, Zucker oder Stärke und verdünnter Schwefelsäure u.s.w. sind bekanntlich sehr umständlich. Mit Glycerin, das man jetzt sich so leicht verschaffen kann, erhält man nach den Beobachtungen Berthelot's aus krystallisirter Oxalsäure sehr leicht große Mengen Ameisensäure. Zu dem Ende bringt man in eine geräumige mit Kühlvorrichtung und Vorlage versehene Retorte 1 Kilogr. Oxalsäure und 1 Kilogr. syrupförmiges käufliches Glycerin mit 100 bis 200 Grm. Wasser. Man erhitzt dann dieses Gemisch circa 12 bis 15 Stunden lang auf 80° R. Nach Ablauf dieser Zeit ist alle Oxalsäure in genanntem Gemische in Ameisensäure und Kohlensäure verwandelt. Die Kohlensäure entweicht hierbei gasförmig, ein wenig Wasser mit Ameisensäure beladen destillirt in die Vorlage, während bei der genannten Temperatur die übrige ganze Masse der erzeugten Ameisensäure mit dem unzersetzt bleibenden Glycerin vereinigt in der Retorte zurückbleibt. Man kann daher die Ameisensäure in der Retorte ohne Weiteres mit kohlensaurem Bleioxyd sättigen und aus dem Bleisalze, durch Zerlegung desselben mittelst Schwefelsäure, die concentrirte Ameisensäure gewinnen. Besser aber gewinnt man sie dadurch, daß man den Inhalt in der Retorte, nachdem derselbe wie gesagt 12 bis 15 Stunden lang einer Temperatur von höchstens 80° R. ausgesetzt worden war, mit 1/2 Liter (1 Pfund) Wasser verdünnt und destillirt, und das abdestillirende Wasser in der Retorte dann immer von Neuem ersetzt. Wenn circa 6 bis 7 Liter Wasser auf diese Weise durch Destillation in die Vorlage übergegangen sind, so ist fast alle Ameisensäure in dem Destillate, in der Retorte dagegen das Glycerin wieder unverändert, so daß dasselbe zu einer neuen Ameisensäure-Bereitung dienen kann. Aus 3 Kilogrm. käuflicher Oxalsäure gewinnt man durchschnittlich 1,05 Kilogrm. concentrirte Ameisensäure (Ameisensäurehydrat). Man hat bei der Bereitung, die überaus leicht ist, nur darauf zu sehen, daß die Zersetzung nicht plötzlich statt hat; man muß die Operation langsam vor sich gehen lassen, was überdieß gar keine Unbequemlichkeit herbeiführt, da man sie kaum zu überwachen braucht. Andernfalls, namentlich wenn man zu rasch und zu hoch, etwa bis 152 bis 160° R., erhitzt, entweicht mit der Kohlensäure auch Kohlenoxydgas, weil sich nämlich bei dieser Temperatur die im Glycerin der Retorte enthaltene Ameisensäure zersetzt.