Titel: Ueber die Verwendung der Maisfaser zur Fabrication von Papier und Geweben; von Al. v. Auer, Director der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien.
Autor: Alois Auer [GND]
Fundstelle: Band 170, Jahrgang 1863, Nr. XXI., S. 71
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XXI. Ueber die Verwendung der Maisfaser zur Fabrication von Papier und Geweben; von Al. v. Auer, Director der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien. von Auer, über die Verwendung der Maisfaser zur Fabrication von Papier und Geweben. Im zweiten Juniheft dieses Journals (Bd. CLXVIII S. 466) wurde aus den „Neuen Gewerbeblättern für Kurhessen“ ein Aufsatz: „über die Verwendung des Maisstrohes zur Erzeugung von Papier und Geweben, von Dr. Kühnert mitgetheilt, welcher mich zu folgenden berichtigenden Bemerkungen veranlaßt. Hr. Dr. Kühnert knüpft seine Bedenken hinsichtlich der Maisfasern-Fabrication an eine von ihm aufgestellte Berechnung der Maisproduction Oesterreichs. Diese Berechnung ist aber wegen einiger ganz willkürlichen Voraussetzungen, worauf sie basirt ist, ganz und gar unrichtig. Der Verfasser nimmt an, daß Oesterreich etwa 2,740,000 Joch à 54,546 preuß. Quadratfuß mit Mais bebaue. Diese Angabe bleibt nach den neuesten statistischen Ausweisen weit hinter der Wirklichkeit zurück. Aber angenommen selbst seine Ziffer wäre richtig, so würde seine Berechnung des Lischen-Ertrages dennoch ein ganz unrichtiges Resultat ergeben und zwar wegen nachstehender unbegründeten Annahmen: Auf je 4 par. Quadratfuß, sagt Dr. Kühnert, kommt, dicht gesäet, eine Pflanze; auf jede Pflanze 2 Kolben gerechnet, gibt dieß, da die trockenen Lischen von zwei Kolben zusammen 1 Gramm wiegen, 13636 Gramme, oder etwa 27 Pfd. Lischen auf ein Joch von 2 1/4 preußischen Morgen; darnach wiegen die Lischen von ganz Oesterreich nahezu 740,000 Centner etc. Dieser Rechnung stelle ich folgende Thatsache gegenüber: Ich habe in verschiedenen Gegenden der Monarchie, auf Maisfeldern von verschiedener Fruchtbarkeit des Bodens und Dichtigkeit der Anpflanzung, die von einem Joch gewonnenen Kolbenblätter (Lischen) sammeln, trocknen und wägen lassen, und habe gefunden, daß deren Gewicht zwischen 4 Centner als Minimum und 8 Centner als Maximum variirte, so daß die Durchschnittsziffer auf 6 Centner per Joch angenommen werden kann. Der Lischenertrag der von Hrn. Dr. Kühnert auf 2,740,000 Joch angenommenen Maisfelder der österreichischen Monarchie würde demnach 14,444,000 Centner und nicht 740,000 Centner betragen, eine Differenz, die so bedeutend ist, daß ich nicht begreifen kann, wie Hr. Dr. Kühnert eigentlich zu seiner Berechnung gekommen ist. An der Hand eines praktischen Oekonomen geschah es sicher nicht. Denn, wenn auch angenommen werden mag, daß die hessischen Landwirthe ihren Mais dünner pflanzen, als die österreichischen, und daß der dortige Boden minder ergiebig ist, als hier zu Lande, so kann doch unmöglich die Differenz so bedeutend seyn, daß die Berechnung ein zwanzigfach verschiedenes Resultat ergeben konnte, wofern Hr. Dr. Kühnert seine Berechnung nicht auf ganz unrichtige Voraussetzungen gestützt hat. Bedenklich bleibt es immer, bei Berechnungen dieser Art, wie Dr. Kühnert es gethan, von all zu kleinen Maaß-Einheiten auszugehen, weil ein sehr unbedeutender Fehler sich durch die fortgesetzten Multiplicationen nothwendig ins Ungeheuerliche vergrößern muß. Von der einzelnen Pflanze auszugehen, um zum Lischenerträgniß der ganzen österreischen Monarchie zu gelangen, ist ein Berechnungsmodus, bei dem colossale Irrthümer fast unvermeidlich sind. Da geht man jedenfalls weit sicherer, wenn man auf dem Wege des Experiments zunächst das Durchschnitts-Lischen-Erträgniß eines Joches festzustellen sucht, um daraus das Gesammt-Lischen-Erträgniß zu berechnen. Da nun die Bedenken des Hrn. Dr. Kühnert, wie er ausdrücklich sagt, aus dem angeblich geringen Lischen-Erträgniß entspringen, dieses Erträgniß aber in Wirklichkeit zwanzigmal größer ist als er berechnet hat, so fallen auch alle seine daran geknüpften Schlußfolgerungen in sich selbst zusammen. Uebrigens ist auch der historische Hergang der Maispapier-Fabrication in Oesterreich nicht ganz so, wie Hr. Dr. Kühnert solchen im Eingang seines Artikels geschildert hat. Die Sache verhielt sich folgendermaßen: Anfangs wurde die ganze Pflanze zur Papierfabrication verwendet. Die Folge war, daß das Papier sehr ungleich wurde, unverhältnißmäßig viel Hülfsmaterial erforderte und bedeutende Transportkosten in Anspruch nahm. Ein namhafter Fortschritt wurde schon dadurch erzielt, daß man nur den zur Papierfabrication geeignetsten Theil der Pflanze, nämlich die Lischen, verwendete; denn das Papier wurde dadurch wesentlich besser, und wegen Verminderung der Transportkosten und geringeren Verbrauchs an Hülfsmaterial bedeutend wohlfeiler. In eine neue Phase trat die Maispapier-Fabrication durch die Anwendung der Spinn- und Webbarkeit der Maisfaser. Dadurch wurde zwischen Maisfasern und Papier ein ähnliches Verhältniß hergestellt, wie zwischen diesem und der Flachs- und Hanffaser. Sowie diese dem Menschen erst als Gewebe dient, und erst nach ihrer Abnützung der Papiermaschine verfällt, so von jener Entdeckung an die Maisfaser. Doch nicht bloß als Hader dient diese der Papierfabrication, auch die Abfälle, die sich beim Spinnen und Weben ergeben und welche aus kurzen Fasern und Leim bestehen, liefern Papier. Was nicht zu Gespinnst und Papier verwendet wird, das gibt, mit gewöhnlichem Mehl vermengt, ein sehr schmackhaftes Brod. Es bleibt demnach kein Theil des Pflanzenblattes unbenützt. Durch diese mehrfache Verwerthbarkeit der Maispflanze ist es möglich, Maispapier von vortrefflicher Beschaffenheit zu billigen Preisen herzustellen. Bereits sind in der k. k. Papierfabrik Schlögelmühle die Einrichtungen so getroffen, daß in einer Woche 1000 Centner Lischen verarbeitet werden können. Es sind nämlich daselbst 6 Lischen-Kochkessel aufgestellt, von denen jeder täglich 30 Centner Lischen verarbeiten kann, was auf das Jahr 46,800 Centner für alle 6 Kochkessel ausmacht. Es sind bereits alle Einrichtungen getroffen, um von der bevorstehenden Mais-Ernte 50,000 Centner Lischen anzukaufen. Die Anschaffung und Aufstellung der Kochkessel, die Einrichtungen zur Magazinirung, die Anschaffung des Hülfsmateriales zur Verpackung etc. sind bewerkstelligt worden, ohne eine Dotation von Seite der Regierung in Anspruch zu nehmen. Die von dem Reichsrath angebotene Dotation wurde sogar von der Oberleitung der k. k. Papierfabrik ausgeschlagen. Aus diesen Umständen dürfte jeder Unbefangene einen Beweis entnehmen, daß die Rentabilität der Maisfaser-Fabrication denn doch nicht so problematischer Natur seyn muß, wie Hr. Dr. Kühnert zwischen den Zeilen zu verstehen gibt.Hr. v. Auer hatte die Güte, dem Herausgeber dieses Journals, um ihn von der Qualität der von der kaiserlichen Papierfabrik Schlögelmühle bis jetzt erzielten Maisfaser-Producte zu überzeugen, einige Proben derselben zu übersenden; er bemerkt hinsichtlich derselben: „Die feinen Post- und gefärbten Papiere sind mit entsprechenden Hadern gemischt; dieß ist auch bei den Cigaretten-Papieren der Fall, denn es ist wegen des starken Gehalts an natürlichem Leim, welcher der Maisfaser sehr innig anhängt, Cigaretten-Papier aus reiner Maisfaser nicht herzustellen; die im Handel vorkommenden Maiscigaretten-Papiere werden für unvermischt ausgegeben, was der Wahrheit widerspricht.“ Durch das Vorerwähnte finden auch einige auf das Maispapier bezügliche irrige Ausdrücke in dem Artikel von C. Schinz „über ein Lumpensurrogat für die Papierfabrication“ im zweiten Augustheft dieses Journals (Bd. CLXIX S. 312) ihre Berichtigung. Wien, am 31. August 1863.