Titel: | Chemische Untersuchungen über den Weizen, das Weizenmehl und das Brod; von J. A. Barral. |
Fundstelle: | Band 170, Jahrgang 1863, Nr. XLII., S. 138 |
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XLII.
Chemische Untersuchungen über den Weizen, das
Weizenmehl und das Brod; von J. A.
Barral.
Aus den Comptes rendus, t. LVI p. 834.
Barral's chemische Untersuchungen über den Weizen, das Weizenmehl
und das Brod.
1. Ueber den Weizen.
Ich habe den Weizen, wie alle meine Vorgänger, hinsichtlich seines Gehalts an näheren
Bestandtheilen, insbesondere an nährenden Stoffen und an Mineralsubstanzen
untersucht; dabei habe ich aber den Einfluß festzustellen gesucht, welchen das
angewandte Culturverfahren und der dem Boden zugesetzte Dünger auf die
Zusammensetzung des geernteten Weizens ausüben, und insbesondere wollte ich
ermitteln, ob die starken Erträge, welche die Landwirthschaft mit Recht anstrebt,
nicht den Gehalt des Weizens an eigentlich nährenden Bestandtheilen und namentlich
an Kleber vermindern.
Zu diesem Zwecke habe ich einerseits auf einigen der von mir besuchten zahlreichen
Landgüter geeignete Weizenproben ausgewählt, und andererseits selbst Culturen
ausgeführt, indem ich dieselbe Weizenart in dem gleichen Boden mit Anwendung der
verschiedensten Dünger baute; dabei habe ich selbst gesäet, alle Culturarbeiten
überwacht und bei der Ernte und dem Dreschen Alles gewogen und analysirt. Aus
sämmtlichen von mir
beobachteten Thatsachen glaube ich schließen zu können, daß für dieselbe
Weizenabart, in dem gleichen Boden und bei denselben meteorologischen Umständen, der
Ertrag per Hektare und der Procentgehalt an
stickstoffhaltigen Substanzen je nach der Düngung im Verhältniß von 1 : 2 variiren
können; wenn dabei aber die Ernte eine verhältnißmäßig schwache war, so stellte sich
auch der geringste Klebergehalt heraus.
So ergab bei einem meiner Culturversuche der Durchschnitt der Stickstoffbestimmungen
für die vier Felder wo der Ertrag der geringste war, und welche entweder gar nicht
gedüngt wurden oder den ärmsten Dünger erhielten, nur 1,898 Stickstoff in 100
trockenem Weizen; vergleicht man damit den Durchschnitt der Stickstoffbestimmungen
für die vier Felder wo der Ertrag der höchste und der angewandte Dünger der
kräftigste war (nämlich peruanischer Guano, phosphorsaures Ammoniak, Cloakeninhalt,
endlich ein aus Blut und Poudrette zusammengesetzter Dünger), so erhält man 2,055
Stickstoff in 100 trockenem Weizen. Wenn also die Landwirthe durch eine bessere
Cultur die Ernten vergrößern, so verbessern sie zugleich den erzeugten Weizen.
Dieses Resultat meiner Analysen ist von Wichtigkeit, denn es widerlegt die
Behauptung eines Berichterstatters für die allgemeine Londoner
Industrie-Ausstellung vom J. 1862: „daß die Güte des Weizens im
umgekehrten Verhältniß mit dem Fortschritt der Landwirthschaft an jedem Orte
stehe; oder daß die neuesten Länder, diejenigen welche einen Jungfernboden
besitzen und ohne Beihülfe künstlichen Düngers produciren, ein sehr schönes und
an Kleber sehr reiches Korn gäben; während hingegen in den Ländern wo die
Landwirthschaft sehr vorgeschritten ist, die Getreidearten oft arm und
degenerirt seyen.“ In der That ergab die Analyse des Weizens von
Australien, welcher als einer der schönsten in der Ausstellung anerkannt wurde und
auch im Handel die höchsten Preise erzielt, nur 2,16 Stickstoff oder 12,5 Kleber in
100 trockenen Korns, ein Gehalt welcher sehr oft von dem Weizen unserer Culturen
übertroffen wird. Nur auf unseren schlechten Feldern, den am wenigsten productiven,
wo man seit langer Zeit bei zweijähriger Koppelwirthschaft und ohne hinreichende
Düngung Getreide erntet, vermindert sich der Klebergehalt des Weizens, während
zugleich der Ertrag ein niedriger bleibt.
2. Ueber das Weizenmehl.
Das Mahlsystem der Paris versorgenden Mühlen besteht hauptsächlich darin, das
Weizenmehl nach mehrmaligem Durchgang durch die Steine in mehrere Producte, je nach
ihrer Feinheit und Weiße, zu zertheilen.Das in Frankreich gebräuchliche Mahlsystem und Brodbereitungsverfahren ist
beschrieben in „Chevreul's Bericht über
das Verfahren der Brodbereitung von Mège-Mouriès,“ im polytechn.
Journal Bd. CXLIV S. 209.A. d. Red. Man läßt also die verschiedenen Theile des Mehles nicht beisammen, so daß
bloß die Kleie ausgezogen würde. Hierbei mahlt man nicht stark genug, daher der
Kleie sowohl Mehl als das Cerealin von Mège-Mouriès noch anhaften, und überdieß erzeugt man
unvollständiges Mehl (wie Dumas solches Mehl richtig
benannt hat). Daraus erklärt es sich, daß während 100 trockener Weizen über 2
Stickstoff oder über 12,5 Kleber enthalten und in 150 Proben als geringster
Stickstoffgehalt 1,54 gefunden wurde, die Analyse des Pariser Mehls mir folgende
Resultate ergab:
Procente Stickstoff.
Procente Kleber.
Griesmehl der Pastetenbäcker, welches 20 Fr. mehr
kostet als der Sack Weizenmehl erster
Sorte
1,87
11,69
Weizenmehl von einer der sechs Sorten
1,96
12,25
Weizenmehl
deßgl.
1,74
10,87
Weizenmehl
deßgl.
1,42
8,88
Weizenmehl
deßgl.
1,11
6,94
Pariser Mustermehl
1,61
10,06
Weizenmehl erster Sorte, bei einem Bäcker gekauft
1,16
7,25
Dagegen enthält das vollständige Weizenmehl, wie es in England und auch in der
Scipion-Mühle zu Paris dargestellt wird, durchschnittlich beinahe 2 Proc.
Stickstoff.
Man ersieht hiernach, daß es sehr wichtig ist, bei dem Weizenmehl nicht bloß seinen
Wassergehalt zu berücksichtigen, sondern auch seinen Klebergehalt zu bestimmen, was
übrigens schon der Bäckermeister Boland
Man s. sein Verfahren um die Tauglichkeit des Weizenmehls zum Brodbacken
mittelst des Aleurometers zu bestimmen, im polytechn. Journal Bd. CXI S. 117. vorgeschlagen hat.
Im Allgemeinen findet man in allem käuflichen Weizenmehl mehr Wasser und weniger
Stickstoff als im Weizenkorn. Die Verminderung des Stickstoffverhältnisses beträgt
über ein Viertel, und da man in Frankreich aus 100 Weizen nur 70 Mehl gewinnt, so
kann man annehmen, daß bei dem jetzt so weit getriebenen System, weißes Brod zu
fabriciren, die Hälfte der nährenden Bestandtheile des Weizens für die Nahrung des
Menschen verloren geht.
3. Ueber das Brod.
Ich habe das Brod von mehr als 150 Bäckereien in Paris, von mehreren Bäckereien des
Burgfriedens, von der Spitalbäckerei am Scipion-Platz in Paris, endlich das Hausbrod
auf dem Lande untersucht. Der Analyse habe ich 36 verschiedene Brode unterzogen.
Das mittlere Verhältniß der Kruste zur Krume ist 24 zu 76 für 100 Brod; die äußersten
Verhältnisse der Kruste waren 15 und 42 Proc.
Während der Gehalt der Kruste an gebundenem Wasser zwischen 8,67 und 35,44 Proc.
gefunden wurde, hielt sich derjenige der Krume zwischen 33,16 und 49,20 Proc.; der
Wassergehalt des ganzen Brodes hält sich in den äußersten Grenzen von 31,19 und 46,9
Procent. Die Luxusbrode enthalten im Allgemeinen weniger als 36 Proc. Wasser; die
anderen Brode enthalten nahezu 40 Proc.
Rivot hat sich bei seinen Untersuchungen über das
BrodPolytechn. Journal Bd. CXLIII S.
380. mit dem Unterschiede beschäftigt, welchen die Kruste und die Krume des
Brodes hinsichtlich der Mineralsubstanzen darbieten können. Er fand mehr Asche in
der Kruste, nachdem er die beiden Theile des Brodes auf den gleichen
Trockenheitsgrad gebracht hatte; daraus schloß er, daß die Kruste während des
Backens einen merklichen Verlust an organischer Substanz erleiden müsse, er
untersuchte jedoch nicht weiter, worin dieser Verlust bestehen kann. Indem ich den
Stickstoffgehalt der Kruste und der Krume des Brodes nach Peligot's Verfahren bestimmte, gelangte ich zu dem unerwarteten Resultat,
daß die Kruste immer mehr stickstoffhaltige Substanzen enthält als die Krume des
Brodes. Im Zustand der Trockene ist das mittlere Verhältniß des Stickstoffs der
Kruste zum Stickstoff der Krumme 2,37 Proc. zu 1,93 Proc. oder 123 zu 100. Im
normalen Zustand des Brodes ist die Differenz des Gehaltes noch viel beträchtlicher;
das mittlere Verhältniß des Stickstoffs der normalen Kruste zum Stickstoff der
normalen Krume ist nämlich 1,97 Procent zu 1,06 Procent, oder 186 zu 100, also fast
2 zu 1. Manchmal steigt das Verhältniß auf 2,5 zu 1. Mit anderen Worten, die
Personen welche Brodkruste anstatt Krume essen können, nehmen bei gleichem Gewichte
ein Nahrungsmittel von doppeltem Ernährungswerth. Ueberdieß habe ich gefunden, daß
die Kruste im Wasser löslicher ist als die Krume. Hiermit haben wir die Erklärung
für den Vorzug, welchen man dem gutgebackenen Brode vor dem ungenügend gebackenen
geben muß, für den von den Aerzten ertheilten Rath den jungen Kindern mit Kruste
bereitete Brodsuppe zu geben, für die Anwendung des mit Kruste gemachten Brodwassers
etc.
Ich theile schließlich die wichtige Thatsache mit, daß das von der
Scipion-Bäckerei in Paris mit vollständigem Mehle fabricirte Brod, welches die
Seine-Präfectur per Kilogr. um 5 Centimes
wohlfeiler als das Brod erster Qualität der Pariser Bäcker verkaufen läßt, meistens
im Verhältniß von 150 zu 100 mehr stickstoffhaltige Substanzen enthält. Dieß ist die
volle Bestätigung meiner vergleichenden Untersuchungen über den Weizen und über das
vollständige und unvollständige Weizenmehl.
Nachtrag.
Ueber die Brodkruste und den Kleber. – Im
Vorstehenden habe ich als Resultat meiner Untersuchungen mitgetheilt, daß im
Zustande gleicher Trockene die Kruste des Brodes stickstoffhaltiger ist als die
Krume, und beigefügt, daß nach meinen Versuchen die Kruste auch in Wasser löslicher
ist. Man hat mir mit Recht bemerkt, daß diese größere Löslichkeit schon von Payen nachgewiesen wurde, welcher fand, daß sie von der
während des Backens erfolgenden Umwandlung des Stärkmehls in Dextrin (geröstetes
Stärkmehl oder Leiocome) herrührt.
Meine Untersuchungen ergaben aber noch ein anderes wichtiges Resultat. Wenn man
nämlich gleiche Gewichte trockener Kruste und trockener Krume mit Wasser erschöpft,
so findet man, daß der lösliche Theil der Kruste 7 bis 8 Procent Stickstoff enthält,
hingegen der lösliche Theil der Krume nur 2 bis 3 Proc. Die größere Löslichkeit der
Kruste rührt auch besonders daher, daß der Kleber der Kruste, direct der
Backofen-Temperatur von 200 bis 220° C. ausgesetzt, eine merkwürdige
Umwandlung erlitten hat. Man kann sagen, daß der lösliche Theil der Kruste
stickstoffhaltiger als die Fleischbrühe ist.
Eine solche Schlußfolgerung verdiente durch directe Versuche bestätigt zu werden.
Hierzu brachte ich Kleber in hinreichend starke Glasröhren, verschloß dieselben an
der Lampe und setzte sie in einem Oelbad einer Temperatur von 220° C. aus.
Bei diesem Versuch sieht man, daß der Kleber bald in flüssigen Zustand übergeht.
Diese, unter dem Einfluß des Wasserdampfes und des Druckes bewerkstelligte
Verflüssigung desselben veranlaßt eine Entbindung von Kohlensäure; denn wenn man die
Röhre, worin der Kleber flüssig geworden ist, zerbricht, so findet eine schwache
Explosion statt, und wenn man das Gas sammelt, so findet man daß es Kohlensäure
enthält, hingegen keine Spur mehr von Sauerstoff. Die erhaltene braune Flüssigkeit
ist ziemlich alkalisch und besitzt einen eigenthümlichen Geruch; nach dem Filtriren
wird sie durch die Säuren gelb gefällt, wogegen die Alkalien und der Alkohol keine
Reaction hervorbringen.
Ich verfolge diese Thatsachen, welche mir ein neues Licht auf die Brodbildung zu
werfen scheinen. (Comptes rendus, t. LVI p. 1118.)