Titel: Die Dungmittel auf der internationalen Industrie-Ausstellung zu London im Jahre 1862; von Dr. Robert Hoffmann, Docent der Agriculturchemie am Polytechnicum in Prag.
Fundstelle: Band 170, Jahrgang 1863, Nr. XLIV., S. 145
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XLIV. Die Dungmittel auf der internationalen Industrie-Ausstellung zu London im Jahre 1862; von Dr. Robert Hoffmann, Docent der Agriculturchemie am Polytechnicum in Prag.Aus dem Centralblatt für die gesammte Landescultur, herausgegeben von der k. k. patriotisch-ökonomischen Gesellschaft im Königreiche Böhmen“, Jahrgang 1863, Nr. 17–20. Hoffmann, über die Dungmittel auf der Londoner Industrie-Ausstellung im J. 1862. Die Weltgeschichte, wie die Entwicklungsgeschichte einzelner Zweige unseres Wissens und der einzelnen Industriezweige hat ihre Epochen. Ich stehe keinen Augenblick an, die Einführung der künstlichen Dungmittel in der Landwirthschaft als den Markstein einer solchen neuen Epoche zu bezeichnen. Es reicht diese Epoche nicht weit zurück, man muß ihren Beginn in das Jahr 1840 mit Liebig's und Boussingault's beginnender Wirksamkeit versetzen. Welchen riesigen Fortschritt hat aber seit diesen dreiundzwanzig Jahren die Verwendung von sogenannten Dungmitteln des Handels gemacht! England, das bis 1840 noch keine Düngerfabrik hatte, besitzt deren jetzt in allen Theilen des Landes. Nach englischen Ausweisen ergeben sich die folgenden für Dungmittel des Handels im Jahre 1861 verausgabten Geldsummen: Guano 30,000,000 fl., Knochenmehl 2,400,000 fl., Superphosphate 10,750,000 fl., schwefelsaures Ammoniak 900,000 fl., Chilisalpeter 1,950,000 fl., verschiedene andere Dungmittel 500,000 fl., demnach in Summe 46,500,000 fl. Auch in Deutschland und Frankreich mehren sich die Düngerfabriken mit jedem Tage, seitdem Friedrich Kropp 1802 zuerst die Idee der Knochenmehldüngung faßte. Wie weit in der That die Anwendung dieser Hülfsmittel mit Vortheil für den Landwirth verbunden ist oder nicht, gehört nicht hierher; hier soll eben nur dargethan werden, in welcher Weise die Hülfsdüngemittel auf der Londoner Weltausstellung im Jahre 1862 vertreten waren. Es fanden sich im Gesammten 55 Aussteller von Dungmitteln, die sich nach den einzelnen Ländern in folgender Art ordnen.     England (Carr Th. in Birkenhead, London-Manure Comp.,Mackay und Comp. in Iverneß, Paling und Comp. Newark,Patent Nitro-Phosphate Co., Whitworth G. und Comp.) 6     Preußen (Lehmann Jr., Hoffmann u. Comp., Hirschin Königsberg, Runge in Oranienburg, Amende in Berlin, BerlinerDampfknochenmehlfabrik, E. Dobert, Szitnick in Königsberg,W. Vilter in Berlin, Staßfurter Salinendirection) 9     Frankreich (J. A. Spiers, Grivel, Chateau und Baglefin Paris, Krafft in Paris, Chodzko, Rohart und Sohn, Lajoye,Dumis-Giraud, Demolon und Conhéry in Paris, A. Pers inParis, Maupas und Schloïsse in Barle-Duc, E. Trévoux in Lyon,Lervoux und Comp. in Nantes, P. Sallens, Reiß in Pieuze) 15     Schweden (Friestedt A. W. in Stockholm, Hasselgren,Kylberg H., Kylberg J., Waren C. F. u. Comp. in Gothenburg,Wallberg F. in Stockholm) 6     Oesterreich (Fichtner's Söhne in Atzgersdorf, Administrationder k. k. Salzwerke) 2     Dänemark (Möller H. C. in Kiel, Weil M. und Comp. inCopenhagen) 2     Belgien (Bortier in Westflandern) 1     Bayern (Heufeld, Martius) 2     Baden (Clem-Lenning in Mannheim) 2     Norwegen (Lysaker in Christiania) 1     Hannover (Stackmann und Retschy in Lehrte) 1     Portugal (B. J. J. da Mota) 1     Frankfurt (Frankfurter Actiengesellschaft) 1     Württemberg (Schweickhard in Tübingen, WürttembergerActiengesellschaft, Reuß u. Comp. in Heilbronn) 3     Spanien (Maniares in Sevilla, Garcia de Venuesa, Munozin Madrid) 3 Was die Qualität der Dungmittel anbelangt, so war der phosphorsaure Kalk in verschiedenen Formen am meisten vertreten. Wir fanden den phosphorsauren Kalk als Hornpulver, Knochenmehl, Knochenasche, Spodiummehl, gedämpfte Knochen, Nitrophosphat, Phosphorit, Apatit, Koprolithen, Superphosphat u. dgl. Ueber das Knochenmehl läßt sich eben weiter nichts sagen, als daß es unter den ausgestellten Düngerpräparaten reich vertreten war und zwar von Ausstellern aller Länder, und wir wollen nur die angegebenen Preise einiger Aussteller, des Knochenmehles angeben: Fichtner in Atzgersdorf, Knochenmehl erster Sorte 100 Zollpfund um 4 fl. 20 kr., Knochenmehl aufs feinste gemahlen 6 fl., Knochenmehl in Griesform 5 fl.,Was die Knochenmehlfabrik von J. Fichtner u. Söhne anbelangt, so ist dieselbe die größte, so viel mir bekannt ist, in Oesterreich und erfreut sich allenthalben des besten Rufes in Bezug auf Solidität der Waare.Die Fichtner'sche Fabrik zu Atzgersdorf bei Wien wurde im Jahre 1853 begründet und begann mit der Erzeugung von Superphosphat, von Superphosphat gemengt mit Ammoniaksalzen, künstlichem Guano aus Pferdefleisch und Candirungspulver. Nach zweijährigen Erfahrungen gab die Fabrik bis auf das Knochenmehl und Superphosphat die Erzeugung von allen genannten Dungmitteln auf, begann aber hiefür sogenanntes fermentirtes Knochenmehl in den Handel zu bringen, welches sich in einem leichter zersetzbaren Zustande befindet, indem es schon bis zu einem gewissen Grade einen Zersetzungsproceß hat durchmachen müssen. Fichtner erzeugt dieses Präparat derart, daß zu dem ursprünglichen Knochenmehl weder etwas zugegeben wird, noch etwas verloren geht. Das fermentirte Knochenmehl, welches ausgestellt war, wurde mit 3 fl. 54 kr. der Zollcentner angeboten.Schrötter analysirte das Fichtner'sche Knochenmehl, wobei sich die folgenden Resultate ergaben:Knochenleim38,78phosphorsaurer Kalk etc.46,10kohlensaurer Kalk4,88Wasser5,79Sand, Alkalisalze4,45––––––100,00 Berliner Dampfknochenmehlfabrik: 100 Zollpfund zu 3 Thaler. Vilter in Berlin 2 3/4 Thaler. Des sogenannten Dampfknochenmehles (steamed bone dust) müssen wir erwähnen, weil es von keiner englischen Fabrik ausgestellt war, sondern nur von fremdländischen; so von der Frankfurter Actiengesellschaft für landwirthschaftlich-chemische Fabricate; Kuhnheim in Berlin mit 7,41 Stickstoff, 54,80 Phosphaten; ferner Lehmann in Königsberg, R. Amende in Berlin, Friestedts in Stockholm u.a. In England, so viel mir bekannt wurde, findet es keine Anwendung; die Stockholmer Fabrik offerirt 100 Zollpfund zu 3 bis 2 1/2 Thaler. Die gedämpften Knochen werden bekanntlich derart bereitet, daß man Knochen mit gespanntem Wasserdampf behandelt; es wird hierdurch ein Theil des in ihnen enthaltenen Leimes gelöst, nach dem Erkalten werden die Knochen zerkleinert. Es hat ein solches Knochenmehl weniger stickstoffhaltige Stoffe, dessen ungeachtet sehen die Praktiker dasselbe als schneller und kräftiger wirkend als das gewöhnliche Knochenmehl an. In Sachsen ist es unter der Bezeichnung Strehlaer Knochenmehl bekannt. Das von der Berliner Dampfknochenmehlfabrik ausgestellte derartige Knochenmehl ist fast so fein wie Mehl. Nach einer Analyse von Anderson hat es die folgende Zusammensetzung: Feuchtigkeit     6,15 Proc. organische Substanz   34,65    „ phosphorsaurer Kalk   48,41    „ kohlensaurer Kalk     3,91    „ alkalische Salze     1,25    „ unlösliche Mineralsubstanz     5,63    „ –––––––––– 100,00 Proc. Stickstoff     4,57    „ Für die Feinheit, wie für einen Stickstoffgehalt von 4 bis 5 Proc. und einen Gehalt an phosphorsaurem Kalk von 48 bis 50 Proc. wird von der Fabrik bei einem Preis von 3 1/6 Thaler garantirt. Die Fabrik zu Lehrte bietet gedämpftes Knochenmehl zu 2 Thaler 21 1/2 Silbergr. den Zollcentner an. Unter der Bezeichnung Nitrophosphat finden sich von mehreren Fabrikanten Düngerpräparate ausgestellt, die im Wesentlichen aus phosphorsaurem Kalk und einer stickstoffhaltigen organischen Substanz, Blut, Guano u. dgl. bestehen. Die Patent-Nitrophosphat-Compagnie (London, Fenchers Street) hatte ein derartiges Präparat ausgestellt. Es bildet aschgraue, ziemlich compacte Klumpen und soll nach Angabe 35 Proc. löslicher Phosphate, 3,5 Proc. unlöslicher Phosphate und 4 Proc. Ammoniak enthalten. Als Rohstoffe aus welchen dieser Dünger bereitet wird, stellte die Fabrik Apatit aus Norwegen, Phosphorit aus Estremadura, Koprolithen, Knochenkohle, Knochen, Schwefelsäure und Blut aus. Der Nitrophosphat ist ziemlich identisch mit dem sogenannten guanisirten Knochenmehl, das von mehreren Fabriken Deutschlands erzeugt wird und sich in der Ausstellung ebenfalls fand. Es dürfte hier am Orte seyn, einiges über die Nitrophospat- oder Blutdünger-Gesellschaft (Patent nitrophosphat or blood manure Company) zu erwähnen. Dieselbe wurde 1855 gegründet und hat ihre Werke in der Nähe der Victoria-Docks in der Hudsons-Bai. Zur Erzeugung des Nitrophosphates werden Koprolithen und Knochenmehl, zu deren Aufschließen selbsterzeugte Schwefelsäure und Blut verwendet. Steine verwandeln die Koprolithen, Quetschmaschinen und Mahlwerke die Knochen in feines Pulver. In großen Gefäßen und unter Umrühren wird mit Dampfkraft Phosphatpulver, Blut und Schwefelsäure untereinander gemengt und zwar je nach Bedarf in verschiedenen Verhältnissen. An Blut sollen jährlich 60,000 Eimer, an Knochen 200,000 Ctr. und an Schwefelsäure gegen 140,000 Ctr. verbraucht werden; nebstdem noch schwefelsaures Ammoniak, Salz, Oelkuchen, Wolle u. dgl. zur Erzeugung verschiedener Düngerpräparate. Man gibt an, die Fabrik producire jährlich gegen 400,000 Ctr. Dünger. Phosphorsaurer Kalk als Mineral war von mehreren Fabrikanten ausgestellt, und zwar finden wir Phosphorit von Amberg in Bayern, ausgestellt von Dr. Martius in Erlangen; es wurde dieses Phosphatlager bekanntlich 1855 von Dr. Th. Martius entdeckt und wird jetzt bedeutend ausgebeutet. Apatit aus Schweden, ausgestellt von Dahll in Krayerö. Phosphorite aus Estremadura und Apatite aus Jumelle (Spanien), von der Nitrophosphat-Compagnie. Phosphorite hatte auch Blundell in Hull ausgestellt, und zwar isländischen, spanischen und norwegischen. Eine Analyse des Apatits aus Schweden lieferte Völcker. Es enthielten 100 Gewichtstheile: I. II. Wasser   0,47   0,396 Phosphorsäure 41,25 42,280 Kalk 50,62 53,350 Chlorcalcium   6,41   2,160 EisenoxydThonerde   0,29  0,38   0,920 Kali   0,04 Natron   0,13 unlösliche Stoffe   0,28   0,990 –––––– ––––––– 100,36 100,106 Der Phosphorit von Estremadura ist von lichtgelber Farbe und ziemlich hart. Er kommt in ungeheuren Massen in Lagrosa, in der Nähe von Trunilla (Estremadura) vor. Dieser Phosphorit wurde von R. Manjarres in Sevilla eingesendet und zeigte nach Völcker die folgende Zusammensetzung: I. II. Wasser   0,66   1,42 Kalk 42,68 41,47 Phosphorsäure 36,36 33,55 Eisenoxyd und Thonerde   8,81   5,19 Fluorcalciumunlösliche Stoffe 11,47 18,37 –––––– ––––– 100,00 100,00 Das als Apatit von Jumelle von Munoz eingesendete Mineral war krystallisirt; in Jumelle bricht man es in großer Menge. Nach einer Analyse von Völcker besteht es aus: Wasser 0,298 Phosphorsäure 37,024 Kalk 52,954 Magnesia 0,269 Eisenoxyd 1,170 Thonerde 0,943 Ceroxyd 1,790 Fluorkalium und Fluornatrium 1,033 Chlor Spur Fluoride und Verlust 4,179 ––––––– 100,000 Hier anzureihen sind die Koprolithen, feste, steinartige Gebilde, die man bekanntlich als Excremente gewisser Thiere früherer Schöpfungsperioden ansieht. Solche Koprolithen finden sich besonders in ausgedehnten Lagen in England, in geringerer Menge in Frankreich. Was die englischen Koprolithenlager anbelangt, auf welche Dr. Buckland 1822 zuerst hinwies, so finden sich dieselben in Norwich, in Norfolk, Folkstone, in Kent, in den Gegenden von Sussex, Forkam, in Surrey an der Ostküste von Suffolk, auf der Insel Wight, bei Bristol und anderen Orten. Zu Zwecken der Dünger-Erzeugung werden sie namentlich in Henebury, bei Wallongfort, von der Londoner Düngercompagnie, ferner in der Nähe von Norfolk, Bedfordshire ausgebeutet. Man bezeichnet die Koprolithen dieser Fundorte als Cambridge'sche oder Grünsandsteinkoprolithen (Cambridgeshire or green-sand coprolithes). Sie waren der Ausstellung eingesendet von J. Mathews, der Londoner Düngercompagnie, und von Packard und Comp. in Ipswich. Sie bilden bis eigroße, mehr oder weniger harte Massen von grünlicher Farbe. Völcker lieferte die folgende Analyse der Grünsandsteinkoprolithen: I. II. III. Wasser   4,63   4,01   3,52 Kalk 43,21 45,39 46,60 Magnesia   1,12   0,48   1,06 Eisenoxyd   2,46   1,87   2,08 Thonerde   1,36   2,57   1,41 Phosphorsäure 25,29 26,75 27,01 Kohlensäure   6,66   5,13   5,49 Schwefelsäure   0,76   1,06 Chlornatrium   0,09   Spur Kali   0,32   5,84 Natron   0,50   0,73 Silicate   3,64   6,22   6,04 Fluoride und Verluste   4,96   4,95   6,79 ––––––––––––––––––––––– 100,00 100,00 100,00 (Die Fortsetzung folgt im nächsten Heft.)