Titel: | Ueber die chemische Natur des Roheisens und die Heteromorphie der Metalle in ihren isomorphen Mischungen; von Rammelsberg. |
Fundstelle: | Band 170, Jahrgang 1863, Nr. LVIII., S. 193 |
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LVIII.
Ueber die chemische Natur des Roheisens und die
Heteromorphie der Metalle in ihren isomorphen Mischungen; von Rammelsberg.
Aus den Monatsberichten der Akademie der Wissenschaften zu
Berlin, 1863 S. 188.
Rammelsberg, über die chemische Natur des Roheisens und die
Heteromorphie der Metalle in ihren isomorphen Mischungen.
Durch die Untersuchungen Karsten's ist es außer Zweifel
gesetzt, daß der Kohlenstoff im Roheisen theils in chemischer Verbindung, theils als
Graphit beigemengt vorkommt. Jener, der chemisch gebundene, nimmt beim Auflösen des
Roheisens in Säuren (Chlorwasserstoffsäure) an der Zersetzung Theil, der letztere
ist indifferent. Der gebundene Kohlenstoff verhält sich ähnlich dem Schwefel,
Phosphor und vielleicht auch dem Kiesel, von welchen sich beim Auflösen ihrer im
Roheisen enthaltenen Verbindungen mit Eisen flüchtige Verbindungen mit Wasserstoff
bilden, so zwar, daß der Schwefel dadurch vollständig, der Phosphor theilweise
entfernt wird und selbst der Kiesel beim Auflösen von Kieseleisen nach Calvert eine, jedoch ebenfalls nur kleine Menge
Siliciumwasserstoff bilden soll. Wenn die zum Auflösen des Kohlenstoffeisens
dienende Säure concentrirt ist, wird von dem chemisch gebundenen Kohlenstoff nichts
im freien festen amorphen Zustande abgeschieden, sondern derselbe verwandelt sich
vollständig in jene stark riechende flüchtige ölartige Verbindung, die großentheils
in dem freien Wasserstoffe verdunstet, und nur in kleiner Menge in der sauren
Flüssigkeit sich auflöst.
Karsten hatte aus vielfachen Versuchen den Schluß
gezogen: die beiden in ihren physikalischen Eigenschaften verschiedenen Arten des
Roheisens, das graue und das weiße, sind hauptsächlich chemische Verbindungen von Kohlenstoff und
Eisen, aber das graue ist mit ausgeschiedenem Kohlenstoff (Graphit) gemengt. Daher
hinterläßt weißes Roheisen beim Auflösen in Säuren keinen kohligen Rückstand.
Als Bromeis die Eisenhüttenproducte der Werke von
Mägdesprung (Anhalt-Bernburg) untersuchte (Annalen der Chemie und Pharmacie,
Bd. XLIII) S. 241), fand er nichts destoweniger in allen dortigen Arten weißen
Roheisens eine nicht unbedeutende Menge Graphit, und zwar in der ausgeprägtesten
Art, dem Spiegeleisen, sogar etwas mehr als in den übrigen. Nach C. Bromeis ist nämlich der Gehalt an Kohlenstoff im
Mägdesprunger
Gebunden
Graphit
Summe
grellen weißen Roheisen
3,518
0,500
3,018
gaaren „ „
2,908
0,550
3,458
Spiegeleisen
3,10
0,72
3,820
so daß etwa 1/5 des Kohlenstoffs in diesen Eisenarten als
Graphit vorhanden ist.
Aber das Spiegeleisen von Mägdesprung steht in dieser Beziehung nicht allein da. Der
Verfasser hat neuerlich dasjenige von der Lohhütte bei Müsen (Siegen), welches nach
Karsten 5,8 Procent gebundenen Kohlenstoff enthält,
näher geprüft, und darin ebenfalls Graphit gefunden, den man in der That schon durch
eine Loupe hie und da in den Höhlungen der silberweißen Blätter erkennen kann. (In
seiner vor 13 Jahren erschienenen Metallurgie hat der Verf. schon bemerkt, daß beim
Erkalten größerer Massen von Spiegeleisen die Graphitbildung nie ganz zu verhindern
ist.) Als 108,266 Grm. in concentrirter Chlorwasserstoffsäure bei Luftabschluß
aufgelöst wurden, blieb ein dunkler Rückstand, der nach wiederholtem Kochen mit
frischer Säure und Auswaschen, in einer Platinschale mit mäßig starker Kalilauge
übergossen, eine heftige Entwickelung von Wasserstoffgas zeigte, indem sich das
Siliciumoxyd, welches mit dem Graphit gemengt war, als Kieselsäure auflöste (und der
vorher schwache Geruch der flüchtigen Kohlenstoffverbindung stark hervortrat). Nach
dem Digeriren wurde die alkalische Flüssigkeit abfiltrirt, die Waschwasser giengen
trübe hindurch und als die Ursache dieser Trübung ergab sich Titansäure, welche allerdings nur bei Anwendung so großer Mengen Material
im Roheisen selbst nachzuweisen ist. (Die aufgelöste Kieselsäure wurde = 1,345 =
0,628115 Kiesel = 0,58 Proc. gefunden, wobei die in der sauren Auflösung des Eisens
enthaltene nicht in Anschlag gebracht ist. Karsten gibt
im Ganzen nur 0,524 Proc. Kiesel an.) Der rückständige Graphit färbte Aether und
Alkohol beim Kochen schwach gelblich; er wurde schließlich noch mit Säure und Wasser
ausgewaschen und scharf getrocknet. Er hatte nun ein ganz reines Ansehen und wog 1,848 Grm., d.h. er
betrug 1,707 Proc. des Roheisens. Beim Verbrennen in Sauerstoff hinterließ er 5,56
und 5,85 – im Mittel 5,7 Proc., so daß seine wahre Menge, wenigstens
annähernd, 1,742 Grm. = 1,61 Procent des Roheisens ist. Nimmt man nun den gesammten
Kohlenstoffgehalt dieses Roheisens mit Karsten zu 5,8
Procent an, so macht der chemisch gebundene nur 4,2 Proc. aus.
Ungeachtet, wie hiernach erwiesen ist, zwischen den blättrigen Massen des
Spiegeleisens sich Ausscheidungen von Kohlenstoff finden können, wird doch Niemand
bezweifeln, daß das Spiegeleisen selbst ein homogener und physikalisch wohl
charakterisirter Körper ist. Aber höchst selten gelingt es, wirkliche Krystalle zu
finden, denn die Masse stellt nur ein Aggregat blättriger polyëdrischer
Theile dar (gleich dem Zink), deren Neigungen nichts Constantes haben. Nur einmal
hat der Verfasser in Höhlungen kleine Krystalle gefunden, rechtwinklig vierseitige
Tafeln, die an zwei gegenüberstehenden Seiten eine Zuschärfung von 112° 24'
zeigten (Winkel der Zuschärfungsfläche gegen die Tafelfläche = 123 3/4°). Die
unvollkommene Ausbildung läßt nicht entscheiden, ob diese Krystalle zweigliedrig
sind, wie es den Anschein hat.
Es ist also gewiß gerechtfertigt, das Spiegeleisen als eine chemische Verbindung von
Kohlenstoff und Eisen zu betrachten (die freilich etwas Kieseleisen und
Phosphoreisen sowie die entsprechenden Manganverbindungen einschließt), und Karsten hat es in der That für das Roheisen mit dem
Maximum des Kohlenstoffgehalts angesehen, der nach ihm stets 5–6 Proc.
beträgt.
Allein diese Ansicht ist ganz unbegründet; das Spiegeleisen kann sehr ungleiche,
größere oder kleinere Mengen Kohlenstoff enthalten, ohne in seinen äußeren
Eigenschaften verändert zu werden. Will man nicht die älteren Versuche Berthier's anführen, der im Spiegeleisen höchstens 3,6
Proc. Kohlenstoff fand, so muß doch das Mägdesprunger Spiegeleisen, welches nach C.
Bromeis gar nur 3,1 Proc. gebundenen Kohlenstoff
enthält, Karsten's Ansicht mindestens zweifelhaft
erscheinen lassen. Um aber Gewißheit über diesen Punkt zu erlangen, hat der Verf.
selbst das Spiegeleisen von Mägdesprung zu verschiedenen Zeiten auf seinen
Kohlenstoffgehalt untersucht:
Verbrennung mit chromsaurem Bleioxyd
= 3,823 Proc.
Methode von Weyl
= 3,90 „
Zerlegung durch Kupferchlorid
= 3,786 „
Bromeis hatte gefunden
= 3,82 „
Es wäre denkbar, daß im Spiegeleisen ein anderer elektro-negativer Körper
gleichsam als Vertreter des Kohlenstoffs vorhanden wäre. Dieß könnte wohl nur der
Kiesel seyn. Allein die Analysen zeigen gerade das Umgekehrte: die kohlenreichen
Spiegeleisen (Müsen, Sayn) sind auch die kieselreichen, und umgekehrt. In jenen ist
mehr als ein halbes Procent Kiesel enthalten, in dem Mägdesprunger nur 0,17 Proc.,
und in den steyrischen, die nach Buchner auch nur
3,75–4,14 Proc. Kohlenstoff enthalten, soll gar nur 0,01–0,27 Proc.
Kiesel sich finden.
Vor längerer Zeit suchte Gurlt zu beweisen
(Bergwerksfreund Bd. XVIII), daß es zwei bestimmte Carburete des Eisens gibt,
Viertel- und Achtel-Carburet Fe⁴C und Fe⁸C und daß das
Spiegeleisen das erstere, das oktaëdrisch krystallisirte graue Roheisen das
letztere sey. Die Berechnungen aber, worauf diese Annahmen sich stützen sollen, sind
ganz hypothetisch, selbst wenn die Zusammensetzung des Spiegeleisens constant wäre,
was sie nicht ist. Man kann allerdings die Hypothese aufstellen, daß die
Verbindungen des Kohlenstoffs mit Eisen im Roheisen analog zusammengesetzt sind dem
Kieseleisen, Phosphoreisen und Schwefeleisen, die darin vorkommen, und daß das
Mangan isomorph dem Eisen sey. Berechnet man aber das Atomverhältniß jener
elektro-negativen Körper zu dem dieser elektro-positiven, so erhält
man für das Spiegeleisen von
Müsen
1 : 4,5
Mägdesprung
1 : 5,3
mithin keineswegs das Verhältniß von 1 At. : 4 Atomen.
Aber ebensowenig existirt das angebliche Achtel-Carburet, Fe⁸C, von dem
Gurlt behauptet, es erscheine als krystallisirtes
graues Roheisen. Nicht selten tritt bekanntlich der Fall ein, daß graues Roheisen
deutliche Oktaëder bildet, die zwar nicht meßbar, höchst wahrscheinlich
jedoch regulär sind. Der Verf. stellt folgende vier Analysen solchen krystallisirten
Roheisens zusammen:
1) Vom Harz (wahrscheinlich von Rothehütte). Von dem Verfasser untersucht.
2) Von Lauchhammer; spec. Gewicht = 6,39 – 6,43. Ebenfalls vom Verf.
untersucht. (Aus Wiesenerzen erblasen.)
3) Von Gleiwitz. Von Gurlt analysirt.
4) Von der Lölling in Kärnthen. Von R. Richter
analysirt.
1.
2.
3Gurlt's Angabe von 2,46 Proc. gebundenen
Kohlenstoffes erscheint nicht weniger problematisch als die, daß nur
Spuren von Phosphor vorhanden
seyen..
4.
Graphit
2,604
2,519
2,84
2,122
Kohlenstoff
0,201
0,373
2,46
0,967
1.
2.
3.
4.
Kiesel
1,896
1,148
0,26
0,972
Phosphor
0,065
0,406
?
0,021
Schwefel
0,069
0,043
?
0,008
Arsenik
–
–
–
0,005
Das Atomverhältniß dieser elektro-negativen Körper und des Eisens Mangans)
ist
in 1 = 1 : 19
2 = 1 : 21
3 = 1 : 8
4 = 1 : 12,5
also nur in der von Gurlt selbst
untersuchten Probe so, wie allgemein von ihm vorausgesetzt. Auch die Berechnung
anderweitiger guter Analysen grauen Roheisens lehrt, daß stets auf 1 Atom
Kohlenstoff (Kiesel, Phosphor) weit mehr als 8 Atome Eisen kommen.
Wir sehen also: weißes und graues Roheisen sind unter günstigen Umständen fähig, in
bestimmten Formen zu krystalliren; eine Einlagerung frei ausgeschiedenen
Kohlenstoffs verhindert die Bildung der Krystalle oder die krystallinische
Ausbildung der Masse nicht. Beide bestehen aus Kohleneisen, Kieseleisen und
Phosphoreisen, deren Zusammensetzung nicht immer dieselbe, überhaupt im Einzelnen
nicht zu ermitteln ist. Wenn aber die Zusammensetzung, d.h. das Verhältniß der
Bestandtheile in krystallisirenden Körpern schwankend ist, ohne daß die Form sich
ändert, so darf man den Grund sicherlich in der Isomorphie der Körper suchen, und
eine solche dürfte beim Roheisen als einzig mögliche Erklärung seiner Constitution
gelten.
Das Eisen im reinen metallischen Zustande kennt man zwar nicht krystallisirt, allein
Stabeisen und Meteoreisen haben die Structur regulär krystallisirter Körper.
Der Kohlenstoff krystallisirt als Diamant regulär.
Der Kiesel oder das Silicium krystallisirt regulär.
Der Phosphor krystallisirt regulär.
Die wesentlichen Bestandtheile des Roheisens treten also für sich in denselben
Krystallformen auf, und wenn diese auch regulär sind, so hat es doch nichts
Unwahrscheinliches, daß alle diese Elementarstoffe isomorph sind, so daß der Verf.
glaubt, man könne das Roheisen als eine isomorphe Mischung seiner Bestandtheile
ansehen, woraus dann die Wechsel in seiner Zusammensetzung sich erklären. Der
Kohlenstoff ist, seiner Ansicht nach, als chemisch gebundener, in einem regulär
krystallisirten Roheisen in der Diamantmodification enthalten.
Ueberhaupt gibt es ja eine Anzahl regulär krystallisirter isomorpher Mischungen von
Metallen, theils solcher, welche aus zwei regulären Metallen bestehen, wie die
Legirungen von Gold und Silber, von Blei und Silber (Werkblei) und Silber und
Quecksilber (die natürlichen Amalgame AgH²g und AgHg³), theils
solcher, deren eines Metall für sich gewöhnlich nicht regulär auftritt. Aber
offenbar ist die Heteromorphie eine durchgreifende Eigenschaft elementarer Körper
und eben so gut bei den Metallen wie beim Schwefel- und Kohlenstoff
vorhanden. Die sechsgliedrigen (Antimon, Arsenik, Tellur, Wismuth, Zink, Palladium,
Iridium, Osmium) und das viergliedrige dem Bor isomorphe Zinn sind sicherlich unter
Umständen fähig, in den Formen des regulären Systemes aufzutreten (s. Elsner, Journal für praktische Chemie Bd. XXII S. 344 und
Cooke, dass. Bd. LXXXIV S. 479), gleichwie Gold,
Silber, Kupfer, Blei etc., oder auch das Zinn sechsgliedrig seyn können.
Schon vor längerer Zeit hat der Verf. in seinem Lehrbuche der Metallurgie (regulär)
krystallisirtes Messing, aus je 1 At. Kupfer und Zink bestehend, angeführt (Rammelsberg, Lehrbuch der Metallurgie S. 20), und
dasselbe ist später auch von G. Rose bestätigt worden
(Poggendorff's Annalen Bd. CVII S. 448). Besonders interessant aber sind die regulär
krystallisirten isomorphen Mischungen von gewöhnlich regulären sechsgliedrigen
Metallen, welche die Mineralogen mit dem Namen Speiskobalt, Tesseralkies und
Weißnickelkies bezeichnen. In ihnen ist das Arsenik als regulär krystallisirtes
enthalten. Ihre chemische Zusammensetzung ist dermaßen variabel, daß sie ganz
allgemein nur als RmAsn zu bezeichnen sind, eine Folge jener zweifachen Isomorphie, einerseits
der elektro-positiven Metalle (Nickel, Kobalt, Eisen), andererseits dieser
und des Arseniks. Kommen auch Mischungen RAs unter den Speiskobalten und als
Weisnickelkies vor, so überwiegen doch ebenso oft die elektro-positiven
Metalle (R⁴As³) gleichwie das Arsenik (R³As⁴,
R²As³).
Ferner gibt es sechsgliedrig krystallisirte isomorphe Mischungen von Metallen, und
zwar nicht bloß solche, deren beide Bestandtheile gewöhnlich sechsgliedrig sind, wie
das Tellurwismuth, vielleicht auch das Osmiridium, sondern auch solche, deren eines
Metall für gewöhnlich eine andere Form zeigt. Hierher muß man Rothnickelkies
(Ni²As) und Antimonnickel (Ni²Sb) rechnen, und gewiß krystallisiren
manche Legirungen ebenfalls sechsgliedrig, wiewohl es selten gelingt, ihre Form
näher zu bestimmen.
Unter den Hüttenproducten von Schlackenwalde in Böhmen hat der Verf. eine solche
Legirung gefunden, die äußerlich von schöner Goldfarbe, innen aber weiß ist. Die
conprismatischen Krystalle sind nur insofern meßbar, als man sich überzeugen kann,
daß sie sechs Flächen haben, deren Neigung sammt und sonders = 120° ist (die
Winkel waren oft sehr nahe 120°, im Ganzen zwischen 118° und
121°). Das spec. Gewicht ist = 6,994 und die Zusammensetzung
Zinn
80,83
Kupfer
18,91
–––––
99,74
was am genauesten der Mischung Cu³Sn⁷
entspricht, sich aber auch nicht weit von CuSn² entfernt. (Kocht man eine
solche Legirung mit Chlorwasserstoffsäure, so entsteht eine farblose Auflösung,
welche Kupferchlorür und Zinnchlorür enthält.)
Diese Thatsachen finden ihre Bestätigung in anderen schon länger bekannten. Eine
krystallisirte gelblichweiße Kupfer-Zinnlegirung, deren spec. Gewicht = 7,53,
und welche aus 77,63 Proc. Zinn und 21,88 Proc. Kupfer besteht, d.h. CuSn²
ist, krystallisirt nach Miller in regelmäßig
sechsseitigen Prismen, die senkrecht zur Achse spaltbar sind (Poggendorff's Annalen
Bd. XXXVI S. 478).
Diese Legirungen sind insomorphe Mischungen von sechsgliedrigen Formen, entstanden
aus dem gewöhnlich regulären Kupfer und dem gewöhnlich viergliedrigen Zinn.
Von viergliedrigen Legirungen sind mehrere bekannt. Schmilzt man Zinn mit Gold
zusammen, so entstehen gut meßbare Krystalle, deren Goldgehalt von 27,5 bis 43 Proc.
schwankt, d.h. welche = AuSn⁹ bis AuSn⁵ sind. Sie sind von Miller gemessen worden (Journal für praktische Chemie,
Bd. LXXXIV S. 319) und stellen nach ihm durch Vorherrschen der Endfläche tafelartige
Combinationen von Quadratoktaedern beiderlei Ordnung dar, die nach der Endfläche
vollkommen spaltbar sind. Unter den Oktaedern kommen mehrere den beim Zinn
beobachteten so nahe, daß diese Legirungen offenbar mit dem Zinn isomorph sind, und
das Gold darin ebenfalls viergliedrig krystallisirt ist.
Unter den Hüttenproducten von Schlackenwalde hat der Verf. eine Legirung von Zinn und
Eisen in feinen Nadeln von hellgrauer Farbe gefunden, die zum Theil bunt angelaufen
sind. Nach seinen Messungen sind es quadratische Prismen mit gerader Abstumpfung der
Kanten, so daß Winkel von 90° und 135° immer wiederkehren. Das spec.
Gewicht ist = 7,354. Die Analyse gab:
Zinn
92,01
Eisen
8,05.
––––––
100,06
entsprechend FeSn⁵ oder FeSn⁶, welche Formeln
91,3–92,64 Proc. Zinn verlangen.
Schon früher hat Lassaigne die Mischung Fe³Sn vom
spec. Gewicht = 8,733 als quadratische Nadeln beschrieben, und kürzlich theilte Nöllner mit (Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. CXV S.
233; polytechn. Journal Bd. CLVII S. 397),
daß beim Auflösen von Bancazinn mikroskopische Krystalle = FeSn²
zurückbleiben, deren spec. Gewicht = 7,446 ist.
Die einzige bis jetzt bekannte zinnfreie Legirung, welche hierher gehören dürfte, ist
das Goldamalgam von Mariposa in Californien, welches nach Sonnenschein (Zeitschrift der geologischen Gesellschaft Bd. VI S. 243) =
AuHg³ ist, ein spec. Gewicht = 15,47 hat, und mikroskopische quadratische
Prismen bildet. Gewiß würde es sehr interessant seyn, wenn sich die viergliedrige
Form des Goldes und Quecksilbers an dieser isomorphen Mischung beider constatiren
ließe.
Wir kommen endlich zu den zweigliedrigen Legirungen, welche aus der isomorphen
Mischung von Metallen hervorgehen. Hierher gehört zuvörderst das Antimonsilber,
dessen ältere Analysen auf verschiedene Mischungen, Ag⁴Sb und Ag⁶Sb
hindeuten. Durch Zusammenschmelzen von Antimon und Zink erhält man in
krystallisirter Form theils Zn²Sb, theils Zn³Sb, welche offenbar dem
Antimonsilber isomorph sind (Cooke, Poggendorff's Annalen
Bd. XCVI S. 584).
Eine Wismuthlegirung, nahe = CuNi³Bi⁵, deren spec. Gewicht = 9,46,
zeigt, wie Miller fand (Philosophical Magazine, 1856, Juli), dieselben Rhombenoktaeder wie Zn²Sb. Vielleicht stimmt auch die Form des
Arsenikeisens damit überein.
Hier finden wir also einerseits Antimon (Arsenik), andererseits Silber, Zink, Nickel
und Kupfer (Eisen) in zweigliedriger Form.
Ist das Spiegeleisen zweigliedrig, so gehört es zu diesen isomorphen Mischungen, und
die Formverschiedenheit des weißen und grauen Roheisens ist Folge der Heteromorphie
ihrer isomorphen Constituenten.