Titel: Die von dem Ingenieur R. Teichmann zu Basel construirte mechanische Vorrichtung beim Maschinenbau, zur Umwandlung der rotirenden Bewegung in eine geradlinige.
Fundstelle: Band 170, Jahrgang 1863, Nr. LXVIII., S. 246
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LXVIII. Die von dem Ingenieur R. Teichmann zu Basel construirte mechanische Vorrichtung beim Maschinenbau, zur Umwandlung der rotirenden Bewegung in eine geradlinige. Aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, 1863 S. 101. Mit Abbildungen auf Tab. V. Teichmann's mechanische Vorrichtung beim Maschinenbau, zur Umwandlung der rotirenden Bewegung in eine geradlinige. Unter den Preisaufgaben, welche der Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen für die Jahre 1859 und 1860 gestellt hatte, befand sich eine, die zur Construction einer neuen mechanischen Vorrichtung aufforderte, durch deren Anwendung beim Maschinenbau eine mit gleichmäßiger Geschwindigkeit rotirende Bewegung in eine abwechselnd vor- und rückgehende geradlinige Bewegung verwandelt wird. Die Bedingungen, denen die Lösung zu entsprechen hatte, waren folgende: 1) die ganze Länge des Hubes muß beliebig auf jedes bestimmte Maaß verändert werden können; 2) die Bewegung nach der einen Richtung muß mindestens mit einer doppelt so großen Geschwindigkeit, als die nach der entgegengesetzten Richtung vor sich gehen; 3) der Wechsel des Hubes, d.h. der Uebergang vom Vor- zum Rückgange, oder umgekehrt, darf nicht plötzlich, sondern muß durch ein allmähliches Abnehmen der Bewegung bis zum momentanen Stillstande und demnächstigen Wiederzunehmen in ähnlicher Weise geschehen, wie bei einer einfachen Kurbelbewegung der Uebergang durch den todten Punkt erfolgt; 4) der übrige Theil der Hubbewegung von einem Wechsel bis zum andern muß mit gleichmäßiger Geschwindigkeit erfolgen; endlich 5) muß die Vorrichtung so construirt seyn, daß sie namentlich bei Maschinen größerer Art, z.B. Hobelmaschinen, Nuthenbohrmaschinen, Mangeln u.s.w. angewendet werden kann. Die meisten der eingereichten Projecte suchten die Lösung der Aufgabe durch wesentlich neue und complicirte Mechanismen zu erreichen, welche aber der einen oder anderen jener Bedingungen gar nicht oder nur unvollständig genügten und deßhalb von der mit der Prüfung der Vorlagen beauftragten Commission verworfen wurden. Im Herbst vorigen Jahres wurde nun von Hrn. R. Teichmann in Basel die hier ausführlicher zu besprechende Construction vorgelegt. Die Prüfungscommission erkannte in derselben die vollständige Lösung der Aufgabe und beantragte demgemäß die Ertheilung des Preises an Hrn. Teichmann, welche durch Beschluß des Vereins in der Sitzung vom 2. März d. J. erfolgte. Herr Teichmann geht von der bekannten, an Metallhobelmaschinen häufig angewandten Construction aus, nach welcher die Bewegung des Schlittens mittelst einer Zahnstange erfolgt. Diese ganze Vorrichtung ist mit allen den Modificationen, durch welche der Wechsel in Richtung und Geschwindigkeit der Bewegung der Zahnstange, so wie die Begrenzung des Weges derselben bewirkt wird, als den Forderungen der Aufgabe entsprechend zu betrachten, sofern man von der dritten, oben gestellten Bedingung absieht. Herr Teichmann modificirt nun diese Construction der Art, daß sie durch die von ihm angegebene Verbesserung auch der genannten dritten Bedingung genügt. Um nämlich den Schlitten oder sonstigen Maschinentheil, dem die gewünschte Bewegung ertheilt werden soll, nicht plötzlich die Bewegungsrichtung wechseln zu lassen, schaltet er zwischen demselben und der Zahnstange einen dritten Theil, einen Knaggen, ein, welcher die Bewegung der Zahnstange auf den Schlitten überträgt und in verlangter Weise abändert. Dieser Theil ist mit der Zahnstange fest verbunden, doch so, daß er sich horizontal um den Befestigungspunkt drehen kann; er greift in einen am Schlitten angebrachten Schlitz und nimmt den Schlitten mit. In Fig. 1 seyen A, A' zwei mit der Zahnstange fest verbundene Zapfen, auf denen horizontal drehbar die quadrantförmigen Stücke A, B, C und A', B', C' sitzen. Bei B und B' tragen diese Theile je ein viereckiges, ebenfalls drehbares Stück, welches in dem an dem Tisch der Hobelmaschine angebrachten Zförmigen Schlitz c, b, a, b', c' gleitet. Die Bewegung der Zahnstange soll von links nach rechts stattfinden und durch Verschiebung des Parallelogramms E, E' F, F', durch welche die Ausrückung des Treibriemens bewirkt wird, umgekehrt und ihre Geschwindigkeit verdoppelt werden. Indem nun das Viereck B gegen die rechts liegende Wand des Schlitzes c, b, a, b', c' stößt, führt es den Schlitten mit der Geschwindigkeit der Zahnstange mit, bis sich das Stück A, B, C in dem Schlitz d am Zapfen D fängt. In Folge dieses Hindernisses kann das Viereck B jetzt nicht mehr an der gleichmäßig fortschreitenden Bewegung des Zapfens A Theil nehmen, sondern muß sich auf einem Kreisbogen bewegen, als dessen Mittelpunkt der Zapfen D und als dessen Radius die Entfernung dieses Zapfens von der Bewegungsrichtung des Zapfens A zu betrachten ist. Demgemäß ist der Schlitz d nach einer Kreislinie gebildet, deren Radius dem Radius jenes Kreisbogens gleich ist, deren Mittelpunkt aber in B liegt. Bei dieser Bewegung gelangt das Viereck B, indem es mit dem ganzen Stück C, B, A um A Kreisbögen beschreibt, in den rechtwinckelig abführenden Ast c des Schlitzes c, b, a, b', c', während gleichzeitig die Rolle C bei ihrer Kreisbewegung um A die Stange E, E' fortstößt, dadurch die Ausrückung des Treibriemens und folglich auch die rückgängige Bewegung der Zahnstange mit dem Zapfen A, A' bewirkt. Von dem Augenblick an, wo also das Viereck B gezwungen ist, sich auf einem Kreisbogen um D zu bewegen, stellt sich die fortschreitende Bewegung des Schlittens als Projection dieses Bogens dar. Die Retardirung, die der Schlitten in seiner Bewegung erfährt, ist nicht dieselbe wie bei der gewöhnlichen Kurbelbewegung, da das Viereck B bei gleichen Bewegungsstrecken von A nicht gleiche Bogentheile durchläuft, wie Fig. 2 zeigt. Man findet nämlich die Stellung von B, wenn man in den einzelnen Stellungen von A mit der Entfernung von AB Kreise schlägt: die Durchschnittspunkte derselben mit dem um D beschrieben gedachten Kreisbogen bezeichnen die Stellungen von B. Nachstehend möge die algebraische Entwickelung folgen, welche Hr. Teichmann zur Darstellung der Schlittenbewegung gegeben hat. In Figur 3 sey AB₀ die Stellung der Mittelpunkte von A und B beim Eintritt der verzögerten Bewegung; AB₁ die Stellung im todten Punkt, AB eine beliebige Stellung (zwischen AB₀ und AB₁); AA = s. d. i. der von A zurückgelegte, der Zeit proportionale Weg der Zahnstange; Bb = x der entsprechende Weg der Hobelmaschine; Bb = BK = y die Entfernung des Vierecks B von der Bewegungsrichtung des Zapfens A; AB = DB = a die Entfernung zwischen den Zapfen A und B. BBB₁ ist der um den Zapfen D beschriebene Kreisbogen. Aus Betrachtung der rechtwinckeligen Dreiecke DBK und ABb ergibt sich: I. x² = a² – (ay = 2ayy² ferner: Textabbildung Bd. 170, S. 248 Diese Werthe für y und y² in I. eingesetzt: Textabbildung Bd. 170, S. 248 Der Werth sx repräsentirt das Zurückbleiben des Schlittens gegen die Zahnstange und muß für s = 0 Null werden, weßhalb nur das negative Vorzeichen der Wurzel gelten kann Für s = a ist sx = a (1 – 1/2√3) x = (a/2)√3 = 0,866a Für s = 2a wird sx = a x = a In Fig. 2 sind acht aufeinander folgende Stellungen von B gezeichnet, welche gleichen Zeitintervallen entsprechen. Man ersieht daraus, daß die fortschreitende Bewegung anfänglich langsamer, später aber schneller als bei der Kurbelbewegung abnimmt; sie beträgt nach der obigen Rechnung in der ersten Zeithälfte: 0,866 a daher in der zweiten nur: 0,133 a. Wie schon früher erwähnt worden ist, wird das Parallelogramm E, E', F, F' durch die Rolle C bei der Drehung des Stückes A, B, C um A verschoben und dadurch der Treibriemen ausgerückt. In Folge dessen tritt die rückgängige, beschleunigte Bewegung des Schlittens ein, welche so lange währt, als B sich in dem Ast c, b des Schlitzes befindet. Wenn hingegen B aus b in den Hauptarm b, a, b' des Schlitzes tritt, kann es keine WirkungWikung mehr auf den Schlitten ausüben. Daher würde derselbe stillstehen, wenn nicht B' in demselben Augenblick nach b' gelangte und hier dem Schlitten die gleichmäßig fortschreitende Bewegung der Zahnstange ertheilte. Diese Bewegung behält der Schlitten so lange, bis sich B' am Zapfen D' fängt und dadurch die Bewegung des Schlittens in derselben Weise wie beim Vorgange verzögert. Da die Stellung der Zapfen beliebig verändert werden kann, so läßt sich hierdurch der Weg des Schlittens ganz nach Wunsch begrenzen. Die Verschiebung der Stange F, E, welche die Ausrückung des Riemens bewirkt, erfolgt etwas früher als der Eintritt in den todten Punkt, der Bewegungswechsel der Zahnstange wird aber niemals mit der Bewegung von F, E zusammenfallen, sondern stets etwas später eintreten. Sollte derselbe dennoch zu früh erfolgen, so kann man dem dadurch abhelfen, daß man die zweite Hälfte der Bewegung von F, E theilweise einem Gewicht überträgt. Uebrigens würde, wenn die rückgängige Bewegung der Zahnstange auch wirklich früher einträte, der Schlitten keinen bemerkbaren Stoß erfahren, da die Geschwindigkeit desselben während der ganzen Hälfte der verzögerten Bewegung schon zu gering ist. Eine Bewegung der Zahnstange über den todten Punkt würde dagegen innerhalb gewisser Grenzen nur die Wirkung haben, daß der Tisch während einer kurzen Zeit einen völligen Stillstand erleidet. Fig. 4 und 5 erläutern die Vorrichtung in ihrer Anwendung an einer Hobelmaschine; wir lassen die darauf bezügliche, von Hrn. Teichmann gegebene Beschreibung hiermit unverändert folgen: A, A'', A''' sind drei Riemenrollen, von denen A' mit der Welle B fest verbunden, A'' lose aufgesteckt und A''' mit dem Getrieb C fest verbunden, jedoch auf der Welle drehbar ist. Auf derselben Welle B festgekeilt ist ein Getrieb D, das mittelst des Vorgeleges E das Rad F umtreibt, welches mit dem Getriebe C ebenfalls in Eingriff ist. Je nachdem nun der treibende Riemen auf A' oder A''' sich befindet, wird das Rad F mit doppelter Uebersetzung vorwärts oder mit einfacher Uebersetzung, also beschleunigter Bewegung, rückwärts getrieben. Diese abwechselnd langsam vorwärts- oder schnell rückwärtsgehende Bewegung wird durch das auf derselben Welle F sitzende Getriebe G der Zahnstange H mitgetheilt. Letztere ist durch die mit langen schwalbenschwanzförmigen Köpfen versehenen Schrauben J mit dem Tische der Hobelmaschine so verbunden, daß sie sich unter demselben der Länge nach verschieben kann. Seine fortschreitende Bewegung wird dem Tische V durch eines der beiden Schubstücke K, L, M und K', L', M' so lange unverändert mitgetheilt, bis sich dieses Schubstück mit seinem kreisförmigen Schlitze an einem der beiden Anstoßzapfen N, N' (Fig. 5) fängt, wodurch bewirkt wird, daß sich dasselbe um N dreht. Hierbei bewegt sich einerseits das drehbare Viereck L in dem betreffenden Schlitze, der am Tisch der Hobelmaschine befestigten Platte O zur Seite, und die Bewegung des Tisches nimmt nach und nach bis zur Ruhe ab. Andererseits drückt die Rolle M das Lineal P zur Seite und schiebt dadurch mittelst des Gabelhebels Q den Treibriemen von A' nach A''' oder umgekehrt, wodurch die Bewegung der Zahnstange gewechselt wird. Die Anstoßzapfen N, N' können durch die Schraubenspindeln R, R' der Länge der Maschine nach verschoben und es kam dadurch der Eintritt des Curswechsels beliebig verändert werden.

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