Titel: | Ueber das Entfetten und Enttheeren der Wolle mittelst Schwefelkohlenstoff nach Moison's Verfahren; von Professor A. Payen. |
Fundstelle: | Band 170, Jahrgang 1863, Nr. LXXXIV., S. 290 |
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LXXXIV.
Ueber das Entfetten und Enttheeren der Wolle
mittelst Schwefelkohlenstoff nach Moison's Verfahren; von Professor A. Payen.
Aus den Annales du Conservatoire des arts et
métiers, t. III p. 55.
Mit einer Abbildung.
Payen, über Moison's Verfahren zum Entfetten der Wolle mittelst
Schwefelkohlenstoff.
Die bisherige Anwendungsweise des Schwefelkohlenstoffs, um der Wolle das Fett zu
entziehen, veranlaßte eine solche Veränderung des Faserstoffes, daß man auf dieses
Mittel verzichten mußte; nun ist aber durch eine gar nicht bedeutende Abänderung des
Verfahrens der Erfolg dieser Methode im Großen gesichert.
Hr. Moison hat das Verfahren zum Ausziehen des Fettes und
Theeres mittelst Schwefelkohlenstoff vervollkommnet und zur Ausbeutung desselben
eine sehr interessante Fabrik bei Mouy (Oise-Departement) gegründet. Seine
Methode beruht auf dem Auflösungsvermögen und auf der Flüchtigkeit des
Schwefelkohlenstoffs; der größte Theil des Schwefelkohlenstoffs, welcher zum
Ausziehen des Fettes und Theeres gedient hat, wird dabei durch continuirliche
Destillation und Condensation wieder gesammelt. Bei dieser anscheinend leichten
Operation waren jedoch nicht unbedeutende Schwierigkeiten zu überwinden, um
einerseits ein regelmäßiges und vollständiges Entfetten der Wolle zu erzielen,
andererseits den Schwefelkohlenstoff, womit die Wolle nach dem Entfetten getränkt
bleibt, ohne Benachtheiligung derselben auszutreiben und zu sammeln.
Kochendes Wasser und noch besser Wasserdampf, welche man durch entfettete Wolle
treibt, verflüchtigen und verjagen den Schwefelkohlenstoff vollständig, aber nicht
ohne den Faserstoff zu verändern: unter dem gemeinschaftlichen Einfluß des Wassers,
der Wärme und des Schwefelkohlenstoffs wird nämlich die Wolle hart, klebrig und
erhält eine gelbliche, mehr oder weniger braune Farbe.
Diese Uebelstände verschwinden, wenn man das Entfetten durch Eintreiben des
Schwefelkohlenstoffs in zusammengepreßte Wolle (welche nicht zu viel Feuchtigkeit
enthält) bewerkstelligt, vorausgesetzt daß nach dem Entfetten das Austreiben dieser
flüchtigen Flüssigkeit nur mittelst eines durch die Wollmasse getriebenen Stromes
warmer Luft (von höchstens 70 bis 80° Celsius) geschieht. Zur leichten
Ausführung dieser Operation hat Hr. Moison den in folgender
Figur abgebildeten Apparat construirt.
Textabbildung Bd. 170, S. 291
A ist eine gußeiserne Kufe, welche mittelst eines
gußeisernen Deckels luftdicht geschlossen werden kann. Sie ist mit einem Mantel von
Eisenblech umgeben, welcher zwischen sich und der Kufe rings herum einen Raum von
einigen Centimetern frei läßt. Mittelst eines Rohres kann man Dampf in diesen
Zwischenraum treiben, um die Kufe zu erwärmen, wenn das Einblasen der warmen Luft
auf die Wolle beginnen soll.
Der Deckel ist in der Nähe seines Umfangs mit einer kreisförmigen Nuth versehen, die
mit Blei gefüllt ist. Durch den Druck, welchen man mittelst gegliederter Bolzen auf
den eckigen Rand der Kufe ausübt, macht der Bleistreifen die Fuge luftdicht.
Einige Centimeter über dem Boden dieser Kufe befindet sich ein durchlöcherter
falscher Boden oder ein gußeiserner Rost, auf welchen man die zu entfettende Wolle
legt.
Eine durchlöcherte gußeiserne Scheibe ist an drei eisernen Stangen befestigt, welche
an ihrem oberen Theile mit Schraubengewinde versehen, am unteren Theile aber glatt
sind, und deren jede durch eine auf dem Deckel angebrachte Stopfbüchse geht. Diese
Scheibe dient zum Comprimiren der Wolle durch die Gewinde am oberen Ende der
Stangen, welche mittelst drei entsprechender Muttern eine wahrhafte Presse bilden.
Nachdem die Kufe mit 100 Kilogr. Wolle gefüllt ist, wird diese auf ihr halbes Volum
zusammengepreßt.
Eine Saug- und Druckpumpe C von Gußeisen mit
massivem Kolben nimmt nach Belieben durch ihr Saugrohr den Schwefelkohlenstoff aus
einem Behälter von
Eisenblech D und führt ihn durch ihr Druckrohr unter den
durchlöcherten falschen Boden.
Ein in der halben Höhe der Kufe angebrachtes Rohr führt die Flüssigkeit, welche nach
ihrem Filtriren durch die Wolle mit fetten, theerigen oder harzigen Stoffen beladen
ist, in eine Blase B.
Dieses Destillirgefäß wird durch Dampf mittelst eines Doppelbodens oder noch besser
eines eisernen Schlangenrohrs erhitzt.
Am Boden der Blase ist ein Hahn angebracht, um die Fette nach der Destillation und
dem Einströmenlassen von Wasserdampf abziehen zu können.
Ein zweites, aber mit Löchern versehenes und zwischen den Spiralen des ersteren
angebrachtes eisernes Schlangenrohr dient um Wasserdampf durch die fetten oder
harzigen Stoffe streichen zu lassen, dessen Zweck ist, die letzten Spuren von
Schwefelkohlenstoff zu verjagen, bevor man diese Stoffe aus der Blase durch den Hahn
am Boden abfließen läßt.
Das in einer (mit sich erneuerndem kaltem Wasser gespeisten) Kühlvorrichtung J angebrachte Schlangenrohr L steht mit dem Helm der Blase B in Verbindung
und führt den condensirten Schwefelkohlenstoff in den Behälter D durch das am unteren Theil des Kühlers austretende
Rohrende.
Die Saug- und Druckpumpe E entnimmt durch ihr
unteres Rohr die Luft im Schwefelkohlenstoff-Behälter D über der Flüssigkeit und treibt sie durch ihr oberes (mit einer Hülle
M versehenes) Rohr in die Auslaugkufe A, auf die in dieser Kufe comprimirte Wolle.
Das umhüllte Rohr M umgibt das Luftrohr concentrisch auf
einem Theil seiner Länge; es dient zum Erwärmen der Luft vor ihrem Eintritt in die
Kufe A; dieses Einblasen von warmer Luft hat, wie
erwähnt, den Zweck den in der Wollmasse zurückgehaltenen Schwefelkohlenstoff zu
verdrängen und dann zu verdunsten. Nachdem die Luft die Wolle durchdrungen hat,
gelangt sie durch ein vom Boden der Kufe ausgehendes Rohr in die zweite Schlange H des Kühlers und so abgekühlt wieder in den Behälter
D, von welchem sie ausgieng.
Ein Gasometer G mit ledernem Blasebalg oder mit Glocke in
einer KufeBei letzterer Anordnung, welche derjenigen der Gasometer in den Gasanstalten
ähnlich ist, hat man dafür zu sorgen, daß das Wasser im Winter nicht
gefriert; hierzu genügt es, in dasselbe ein wenig Dampf einströmen zu
lassen. steht mit dem ganzen Apparat durch ein Rohr in Verbindung, welches im
Schwefelkohlenstoff-Behälter über dem Flüssigkeitsstand angebracht ist.
In das Rohr zwischen der Kufe A und der Blase B, sowie in die Enden von jeder der Schlangen, welche aus der
Kühlvorrichtung in den Behälter D hinabreichen, wird je
ein kurzes Rohrstück von dickem weißem Glase eingeschaltet, um den Gang des
Apparates besichtigen und leiten zu können.Diese gläsernen Stücke lassen sich leicht in jedem dieser Rohre einschalten;
sie werden durch einen mit weingeistigem Gummilack-Firniß getränkten
Verband dicht gemacht. Jedes dieser Rohre ist mit einem kleinen Hahn versehen, damit man von der
während der Operation ablaufenden Flüssigkeit ein wenig zur Untersuchung abziehen
kann.
Die Hähne 1) zwischen der Pumpe E und dem
Schwefelkohlenstoff-Behälter, 2) zwischen der Kufe A und der Schlange H sind Dreiweghähne.
Ersterer Dreiweghahn ist dazu bestimmt, nach Belieben Luft außerhalb des Apparates
anzusaugen, um die mit Schwefelkohlenstoff-Dampf beladene Luft zu verjagen,
welche die Kufe nach der Operation erfüllt; der andere Dreiweghahn hat den Zweck,
diese verdorbene Luft durch ein besonderes Rohr außerhalb des Locals zu leiten,
damit sie die Arbeiter nicht belästigt.
Die ganze Operation wird folgendermaßen geleitet:
Nachdem man die Wolle so trocken als möglich in die Kufe A gebracht und darin zusammengepreßt hat, wird letztere dicht
verschlossen; dann setzt man die Pumpe C in Bewegung.
Indem der eingetriebene Schwefelkohlenstoff von unten nach oben durch die Wollmasse
dringt, bewirkt er nach und nach das Entfetten derselben. Das Eintreiben von
Schwefelkohlenstoff wird fortgesetzt, bis die an dem eingeschalteten gläsernen
Rohrstück beobachtete Farbe der in das Ueberlaufrohr abziehenden Flüssigkeit
anzeigt, daß das Entfetten beendigt ist; zu größerer Sicherheit kann man einige
Tropfen Flüssigkeit durch den unter dem Ueberlaufrohr angebrachten sehr kleinen Hahn
ablassen und dieselbe auf einer Glastafel verdunsten, wobei keine Spur von Fett
zurückbleiben darf.
Nach beendigter Operation des Entfettens ist es von der höchsten Wichtigkeit, den
Schwefelkohlenstoff womit die Wolle getränkt bleibt, auszutreiben und zu sammeln,
und zwar ohne die Wollfaser zu benachtheiligen und ihre Nüance (sie mag weiß oder
gefärbt seyn) zu ändern. Dieß läßt sich ohne alle Schwierigkeit mittelst folgender
Vorsichtsmaßregeln bewerkstelligen.
Sobald die Pumpe zum Eintreiben des Schwefelkohlenstoffs abgestellt und die Hähne
geschlossen wurden, setzt man das Gebläse in Thätigkeit, nachdem man die
Verbindungshähne geöffnet hat. Die Luft gelangt durch das Rohr M
Zwischen diesem umhüllten Rohr und der Pumpe muß man ein sehr langes
gekrümmtes Rohr einschalten, welches durch die Luft abgekühlt wird und den
Schwefelkohlenstoff-Dampf condensirt; noch besser wäre es, dieses
lange Rohr durch einen Strom kalten Wassers abzukühlen, weil der
Schwefelkohlenstoff bei den mittleren Temperaturen der atmosphärischen Luft
und um so mehr während der Sommerhitze eine ziemlich beträchtliche Spannung
hat. in die Kufe über der Wolle und durchdringt dieselbe. Bei den ersten
Kolbenspielen wird der größte Theil des in der Wolle zurückgehaltenen
Schwefelkohlenstoffs von oben nach unten verdrängt und lauft reichlich durch das
Rohr und die in den Schwefelkohlenstoff-Behälter mündende Schlange H ab. Das Einblasen wird fortgesetzt, bis sich keine
Flüssigkeit in der Schlange mehr verdichtet, wovon man sich durch das am äußeren
Ende dieser Schlange angebrachte Glasrohr überzeugt.
Die Luft, welche das Gebläse abgibt, erwärmt sich auf ihrem Wege nach der Kufe
mittelst des Umhüllungsrohres M auf eine Temperatur,
welche 70 bis 80° C. nicht überschreiten darf; indem diese Luft durch die
Wollmasse dringt, verdunstet sie den Schwefelkohlenstoff, dessen Siedepunkt
48° C. ist und gelangt, mit flüssigem und dampfförmigem Schwefelkohlenstoff
gemengt, in die Schlange H, worin sich letzterer
verdichtet. Von da zieht sie in den Behälter D, um
neuerdings von der Pumpe angesaugt zu werden. Das Einblasen dauert beiläufig drei
Stunden. Nachdem es seinen Zweck vollständig erfüllt hat, wird die entfettete und
vom zurückgehaltenen Schwefelkohlenstoff befreite Wolle trocken aus der Kufe genommen.
Bei dieser Operation erfolgt also das Austreiben des Schwefelkohlenstoffs zuerst
durch eine bloße mechanische Verdrängung, hernach durch eine wirkliche Destillation,
welche der eingetriebene warme Luftstrom in der Wollmasse veranlaßt; diese Luft
kühlt sich nach dem Austritt aus der Kufe durch ihre Circulation im Apparat ab, um
wieder erwärmt in die Kufe zurückzukehren. Würde man die Luft continuirlich
erneuern, so fände ein beträchtlicher Verlust an Schwefelkohlenstoff statt; er wäre
proportional der angewandten Luftmenge auf ihrem Sättigungspunkt bei der Temperatur
der Kühlvorrichtung.
Vortheile dieser Industrie. – Sie gestattet: 1)
die getheerte, von den Zeichen der Hämmel herrührende Wolle zu reinigen, welche
bisher verloren gieng, weil man sie als werthlos betrachtete; 2) die Abfälle vom
Kratzen der eingefetteten Wolle auf eine vollständige und ökonomische Weise zu
entfetten, und die darin enthaltenen Oele zu sammeln.Zum Einfetten der Wolle benutzt man hauptsächlich das sogenannte entschwefelte, nämlich auf 250° C.
erhitzte Repsöl, ferner Baumöl, endlich Oelsäure aus den
Stearinkerzenfabriken.
Diese Oele, welche durchschnittlich 32 Proc. vom Gewicht der eingefetteten Wolle
betragen, werden jetzt zur Seifenfabrication, zum Oelen der Felle in der
Sämischgerberei etc. verwendet.
Das neue Verfahren wird auch zum Entfetten der Abgänge angewandt, welche man nach
beendigtem Entschweißen und Trocknen der Wolle durch das Schlagen erhält. Das
entfettete Product wird als Dünger an die Landwirthe verkauft, und ist eben so
wirksam und leicht zu verbreiten wie die Scherwolle.Ein Theil der Scherwolle geht gegenwärtig verloren oder wird vielmehr
schlecht angewendet; man benutzt sie nämlich manchmal beim Walken der Tuche,
um ihre kurzen Fasern in die Zwischenräume einzuführen, so daß sie bis 10
Proc. vom Gesammtgewicht betragen kann; eine solche Beimischung macht das
Tuch kernhafter und sanft anzufühlen, ertheilt ihm auch ein sammetartiges
Ansehen; da aber beim Gebrauch später die Scherwolle wie ein Pulver daraus
verschwindet, so dürfte diese Neuerung als ein Betrug zu betrachten
seyn.
Die Theile der Vließe, worauf die Zeichen der Hämmel angebracht wurden, sind mit
Theer oder braunem Pech imprägnirt, bisweilen mit Harzen, manchmal auch mit
Oelfirniß, womit man Ocker oder andere Mineralfarben abgerieben hat. Letzterer wird
vom Schwefelkohlenstoff nicht aufgelöst und klebt die Wollflocken zusammen; man ist
daher genöthigt diese Wolltheile mit der Hand auszulesen, da sie bloß als Zusatz zum
Dünger verwendet werden können.
Jedenfalls muß die mit den Zeichen der Hammel versehene Wolle besonders behandelt
werden; die theerigen oder harzigen Stoffe, welche der Schwefelkohlenstoff auszog,
werden mit Kohksklein oder Staubkohle gemischt und als Brennmaterial unter den
Dampfkesseln benutzt.
Die Weißeste Wolle vom Putzen der Kratzen verwebt die Fabrik zu Mouy selbst; man
verkauft sie, je nach ihrer natürlichen Feinheit, zu 3 bis 5 Frc. das Kilogramm,
wenn die ähnliche neue Wolle 7 bis 9 Frc. kostet; die blau gefärbte Wolle, welche
ebenfalls ausgelesen wird, verkauft man zu 2 Frc. 50 Cent.
Die gefärbte Wolle behält ihre Nüancen, selbst die zarten, wie Violett und Rosenroth;
ein Beweis, daß sie durch die Behandlung mit Schwefelkohlenstoff keine Veränderung
erlitten hat.