Titel: | Ueber schmalspurige Eisenbahnen für Pferde- und Locomotivenbetrieb als geeignetes Transportmittel für viele Zweige der Industrie. |
Fundstelle: | Band 170, Jahrgang 1863, Nr. CVII., S. 404 |
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CVII.
Ueber schmalspurige Eisenbahnen für
Pferde- und Locomotivenbetrieb als geeignetes Transportmittel für viele Zweige
der Industrie.
Aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd.
VII S. 476.
Ueber schmalspurige Eisenbahnen für Pferde- und
Locomotivenbetrieb.
In der Versammlung des Cölner Bezirksvereins deutscher Ingenieure vom 2. Januar 1863
hielt Hr. Buch einen Vortrag in diesem Betreff.
Der Vortragende deutete zuerst die Nothwendigkeit an, geeignete Transportmittel für
viele Zweige der Industrie suchen zu müssen, da die Förderungsstellen vielfach,
sowohl von den Consumtionsorten, wie auch von zweckmäßigen Transportmitteln weit
entfernt lägen, so daß oft schätzbare Materialien für die Industrie ganz werthlos
seyen. Man habe daher an
das Abgeordnetenhaus mit der Bitte sich gewendet, die Staatsregierung zur Förderung
der schmalspurigen Eisenbahnanlagen zu veranlassen und zwar:
1) durch unentgeltliche Abgabe eines Banquets der dem Staate oder dem
Bezirksstraßenfond zugehörigen Chausseen zum Auflegen der Schienen, insofern diese
Chausseen hinlängliche Breite hätten;
2) eine Staatsprämie von 100,000 Thlr. pro Meile für die
zuerst zur Ausführung gelangenden 100 Meilen schmalspuriger Eisenbahnen, sey es, daß
solche mit Pferden oder Locomotiven betrieben würden, zu bewilligen, insofern diese
Anlagen dem öffentlichen Verkehr dienen. Die Staatsregierung sey diesem Antrage in
soweit entgegen gekommen, daß sie ihren zur Zeit der Industrieausstellung nach
London gesendeten Commissarien aufgetragen habe, den dort aufgestellten Locomotiven
und Wagen für schmalspurige Eisenbahnen besondere Aufmerksamkeit zu schenken und
über die angestellten Proben zu berichten.
Da ein Pferd im Stande sey auf einem gut liegenden Schienengeleise die 6 bis 10fache
Last fortzubewegen, wie auf der besten Straße, so ließen sich die Vortheile einer
Pferdebahn um so mehr ausnutzen, in je günstigerem Verhältnisse das Anlagecapital
derselben zu der Masse des zu transportirenden Materiales stände. Daß aber die bis
jetzt bestehenden Pferdebahnen, worunter namentlich die oberschlesischen gemeint
seyen, traurige Erfahrungen gemacht hätten, sey keineswegs ein Grund, fernere
Anlagen von Pferdebahnen zu verwerfen, und sowohl in der unzweckmäßigen Anlage
dieser Bahnen, wie auch in dem zu hohen Anlagecapital zu suchen. Der Zweck der
Anlage bei den oberschlesischen Eisenbahnen sey durch
unrichtige Grunddispositionen fast vollständig verfehlt worden; man habe, anstatt
der Hauptlinie ein für den Haupttransport günstiges Gefälle zu geben und die
Nebenbahnen nach der Hauptlinie einzurichten, zu viel von den verschiedenen
Höhenlagen der einzelnen Werke sich leiten lassen und mit großem Kostenaufwands eine
Wellenlinie geschaffen, welche den Transport sehr vertheuert. Von den 12 Meilen
Länge der Bahn seyen 4/5 Steigungen, die bis 1 : 30 giengen, meistens aber 1 : 60
seyen und 5/6 Curven. Der Preis derselben habe laut Directionsbericht von 1859 pro Meile auf 253,888 Thlr. 13 Sgr. sich belaufen, zu
welchem hohen Preise jedoch auch die verschiedenen angestellten unglücklichen
Experimente mit der Anlage geführt hatten. So sey man z.B. vom Pferdebetriebe zum
Locomotivenbetriebe übergegangen, habe den starken Steigungen entsprechend, schwere
Maschinen beschaffen müssen, die später auch das Auswechseln der unzweckmäßig
geformten Schienen, sowie das Umbauen sämmtlicher Wagen bedingten und zuletzt doch
als unpraktisch sich erwiesen hätten, da im Winter bei Regen und Schneefällen auch das schlechte
Bettungsmaterial und die mangelhafte Unterstopfung der Schwellen mit Veranlassung
zur Wiedereinstellung des Locomotivbetriebes gegeben hätten.
Vom 1. October 1860 an sey die Bahn an einen Unternehmer verpachtet, welcher wieder
den Pferdebetrieb eingerichtet hat, pro Meile und
Centner 2 Pf. Pacht zahlt und bei einem vereinfachten Verwaltungsverfahren ein
ziemliches Geschäft macht. Von 1855 bis 1860 habe die Bahn 1,412,219 Thlr.
verausgabt und 1,377,063 Thlr. eingenommen, also 35,156 Thlr. eingebüßt.
Um zu zeigen, wie rentabel gut angelegte Pferdebahnen sind, beschrieb der Vortragende
nun die Pferdebahn der Bröhlthaler Eisenbahngesellschaft,
die von Hennef nach Rupichteroth führt, welches circa 3
Meilen seitwärts von der Cöln-Gießener Eisenbahn abliegt. Der Werth des
Kalksteines sey an der Gewinnungsstelle Ruppichteroth 2 1/2 bis 3 Sgr. pro 1000 Pfd., die Transportkosten von dort betrügen auf
einer guten Chaussee mindestens 15 Sgr. pro 1000 Pfd.,
dagegen per Pferdebahn incl.
Ueberladen auf die Waggons der Cöln-Gießener Eisenbahn nur 4 1/2 bis 5 Sgr.,
also circa 1/3 der obigen Kosten; mit Eisenerz und
anderen Transportgegenständen stellten sich ähnliche Verhältnisse heraus.
Da Ruppichteroth bedeutend höher als Hennef läge, so habe die 5240 Ruthen lange
Hauptbahn größtentheils von dort nach Hennef Gefälle, sey jedoch so angelegt, daß
auf eine gewisse Strecke Gefälle eine entsprechende horizontal oder steigend folge,
damit die Züge, welche ohne irgend eine Zugkraft von Ruppichteroth nach Hennef
fahren, jedoch mit der gehörigen Anzahl Bremswagen versehen sind, nicht in
beschleunigte Geschwindigkeit gerathen. Das stärkste Gefälle der Hauptbahn sey 1 :
80; das der 660 Ruthen langen Zweigbahn von Schönberg nach Grube Sperber 1 : 45. Ein
Pferd sey daher im Stande, auf der Hauptbahn zu Berg 175 Ctr. zu ziehen, gleich 3
1/2 leeren Waggons à 50 Ctr. Eigengewicht, oder
einen mit 100 Ctr. beladenen und einen halben leeren Waggon. Als Bahnplanum sey das
rechtsseitige Banquet der Chaussee benutzt, mit der sie gleichzeitig vermittelst
einer gemeinschaftlichen Brücke, auf 7 Steinpfeilern ruhend, bei Warth die Sieg
überschreite. Der kleinste Curvenradius sey 120 Fuß; nach diesem seyen auch die
Weichen (Schiebeweichen) angelegt. Die Höhe der Schienen betrüge 2 Zoll 10 Linien,
ihre Entfernung von Mitte zu Mitte 2 Fuß 6 Zoll und das Profil sey dem des
preußischen Normalprofils ähnlich; das Gewicht der Schienen sey 7 Pfd. pro laufender Fuß, und eine Belastung derselben mit 200
Ctr. auf 21 Zoll freie
Lage ließ keine bleibende Biegung zurück. Die Ladungsfähigkeit der Wagen betrüge bei
50 Ctr. Eigengewicht 100 Ctr., und seyen dieselben mittelst eines dachförmigen
Bodens und in Scharnieren aufgehängten Seitenbracken zum Selbstentladen
eingerichtet. Das Obergestell sey der größeren Stabilität wegen sehr leicht, das
Untergestell dagegen ziemlich kräftig gebaut. Die elastischen Zug- und
Stoßvorrichtungen seyen vereinigt und mittelst zweier Apparate aus Gummiringen mit
durchgehenden Zugstangen hergestellt. Zum Anhängen der Wagen bediene man sich
sogenannter Patentkuppelungen. Die Tragfedern seyen aus Gußstahl hergestellt und die
Achslager, welche sich in Achsgabeln auf- und niederbewegen können, auf
Oelschmiere von unten eingerichtet.
Verschiedene Versuche, welche mit Achsen und Rädern gemacht worden seyen, hätten
ergeben, daß sich die Räder aus Schalenguß, sowohl Speichen- als
Scheibenräder, schlecht bewährt haben, weil es fast unmöglich sey, die harte Schale
am Umfange der Räder gleichmäßig herzustellen; man wäre daher in der letzten Zeit zu
schmiedeeisernen Speichenrädern von 2 1/2 Fuß Durchmesser mit Puddelstahlbandagen
übergegangen. Ein Satz hiervon wiege 740 Pfund und würde bezahlt mit 90 Thaler pro 1000 Pfd. Die Fabrikanten, Firma: Englerth, Cünzer und Fuhse in
Eschweiler, garantirten 3000 Meilen bis zum ersten Abdrehen und 1 Jahr lang für
jeglichen Schaden am Radgestelle. Die Achsen, denen man früher unrichtige
Stärkeverhältnisse gegeben hätte, seyen jetzt den Achsen größerer Eisenbahnen
ähnlich construirt, jedoch mit dem Unterschiede, daß hier des besseren Passirens der
Curven wegen ein Rad lose auf der Achse sey.
Schließlich erwähnte der Vortragende noch, daß man beabsichtigte, die Bahn für den
Locomotivenbetrieb einzurichten, und schon Schritte dieserhalb gethan habe.