Titel: | Die Fabrication der Panzerplatten in England; von Ingenieur-Major Oppermann in Hannover. |
Fundstelle: | Band 170, Jahrgang 1863, Nr. CXIV., S. 431 |
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CXIV.
Die Fabrication der Panzerplatten in England; von Ingenieur-Major
Oppermann in Hannover.
Aus der Zeitschrift des hannoverschen Architekten- und
Ingenieurvereins, 1863 S. 203.
Oppermann, über die Fabrication der Panzerplatten in
England.
Die Anfertigung von Panzerplatten im Großen beschränkt sich bis jetzt in England auf
sechs Eisenwerke, nämlich Messrs.
Beale zu Rotherham, Mersey
steel and iron Comp. zu Liverpool, Thames iron
works zu Blackwall bei London, John
Brown
and
Comp. zu Sheffield, Butterley iron works zu Alfreton und Messrs.
Mare
and
Comp. zu Millwall bei London, in welchen
ausschließlich englisches, auf die gewöhnliche Weise aus den Erzen gewonnenes
Schmiedeeisen verarbeitet wird. Geprüft werden die fertigen Platten dadurch, daß man
sie im kalten Zustande überhämmert und dabei auf den reinen Klang achtet, so wie daß
man eine einzelne Musterplatte, aus einer Anzahl gleichartiger, der Geschoßwirkung
aus einem schweren Geschütz aussetzt und nach dem Widerstande, welchen die
Musterplatte leistet, die Güte und Haltbarkeit der übrigen beurtheilt.
Die Fabrication der Panzerplatten ist eine zweifach verschiedene, je nachdem, mit
unmittelbarer Benutzung der im Puddelofen befindlichen Frischluppe, die Platten
ausgewalzt, oder aus altem Schmiedeeisen (Brucheisen) unter dem Dampfhammer
ausgehämmert werden. In beiden Fällen wird das Bestreben dahin gerichtet, die Fasern
des Eisens, wie sie nothwendig durch das Walzen oder Hämmern entstehen, nach allen
Richtungen sich kreuzen zu lassen, damit die Platten keine schwachen Stellen
erhalten.
1) Anfertigung der gewalzten Panzerplatten. – Die
Beschickung eines Puddelofens von 4 1/2 Ctr. wird zu Luppen von je 1 1/2 Ctr.
geformt, von denen zwei doppelt zusammengeschlagen und unter dem Frischhammer
(Schwanzhammer) zu einem Kolben von 3 Ctr. gebildet werden. Der Schwanzhammer ist
hierbei dem Dampfhammer vorzuziehen, weil sein Schlag, unabhängig von der Führung
des Maschinisten, gleichmäßiger und von stets derselben Gewalt ist. Nachdem die
Kolben neu erhitzt sind, werden sie zu Stäben von 5 Zoll × 3/4 Zoll
ausgewalzt und in drei oder vier Stücke von höchstens 3/4 Ctr. zerschnitten, wobei
man Gelegenheit erhält, die Beschaffenheit des Eisens zu prüfen, welche dem
gewöhnlich im Handel mit „best“
bezeichneten Eisen gleichkommen soll. Zwei oder drei dieser Stäbe werden dann mit
einer gleichen Zahl
ähnlich geformter, aber aus Bruchschmiedeeisen gewalzter Stäbe zu einem Packet von 2
1/2 Ctr. zusammengepackt.
Die Stäbe aus Bruchschmiedeeisen erhält man, indem ein aus Stücken alten
Schmiedeeisens zusammengepackter Ballen erhitzt unter dem Schwanzhammer geschweißt,
zu einem Stabe von 5 oder 10 Zoll Breite bei 3/4 Zoll Dicke ausgewalzt und
zerschnitten wird, dessen Stücke also mindestens ein Mal mehr raffinirt sind, als
die Stäbe aus der Frischluppe und daher von der im Handel mit „best best“ bezeichneten Eisensorte seyn
werden.
Das 2 1/2 Centner schwere Packet dieser beiden verschiedenartigen Eisenstabsorten
wird geglüht und zu einer quadratischen Platte von 3 Fuß Seitenlänge bei 5/8 Zoll
Dicke ausgewalzt, deren Gewicht durch Abputzen der Ränder auf 2 Ctr. verringert und
deren Qualität nach der üblichen Scala mit „3 × best“ bezeichnet werden muß. Vier von
diesen quadratischen Platten werden weißglühend unter den Walzen zu einer Platte von
8 Fuß × 4 1/4 Fuß und 1 Zoll Dicke vereinigt, welche 7 oder 8 Ctr. wiegt und
von der Qualität „4 × best“
ist. Dasselbe Verfahren wiederholt man mit vier dieser letzteren Platten, woraus
eine größere Platte von 10 Fuß × 4 1/4 Fuß bei 1 1/2 Zoll, 26 Ctr. schwer und
von der Qualität „5 × best,“
hervorgeht. Endlich wird die Anfertigung der Panzerplatte damit beendigt, daß vier
der letzten größeren Platten von je 1 1/4 Ctr. Gewicht zusammen weißglühend gemacht
und unter den Walzen vereinigt werden, wobei die Breite von 4 1/4 Fuß beibehalten,
die Dicke von 6 Zoll auf 4 1/2 Zoll verringert, die Länge aber von 10 Fuß auf 12 bis
14 Fuß ausgedehnt wird. Zu dem Zwecke muß die Platte zwei bis drei Mal die Walzen
Passiren, was für jeden Durchgang wenig mehr als eine Minute Zeit erfordert,
ungeachtet des ungeheuren Gewichts und der daraus entspringenden Nothwendigkeit, die
Walzen zum Stehen zu bringen, bevor sie zum zweiten Durchgang rückgängig gemacht
werden, um auf diese Weise das außerordentlich schwierige Heben der Platte über die
Walzen hinweg zu vermeiden. Die Qualität des ganzen in der fertigen Panzerplatte
enthaltenen Eisens muß nach der üblichen Scala mit „6 × best“ bezeichnet werden, was insofern von
Wichtigkeit erscheint, als erfahrungsgemäß feststeht, daß gutes Schmiedeeisen durch
sechs- bis achtmaliges Erhitzen und Bearbeiten sich verbessert, über das
hinaus aber verschlechtert. Zur Verwendung fertig gemacht wird die Panzerplatte
schließlich dadurch, daß die rauhen Enden abgeschnitten und sowohl Seiten-
als Endflächen behobelt werden, wobei ein Gewicht von etwa 4 1/2 Tonnen übrig
bleibt.
In der Industrie-Ausstellung von 1862 waren von John
Brown und Comp. zu Sheffield zwei besonders
ausgezeichnete gewalzte Panzerplatten ausgestellt, von denen die eine 21 2/3 Fuß lang, 4 1/6 Fuß
breit, 6 1/2 Zoll dick und 10 Tonnen 12 Ctr. schwer, während die andere 24 Fuß lang,
3 2/3 Fuß breit, 5 Zoll dick und 7 Tonnen 17 Ctr. schwer war.
2) Anfertigung der gehämmerten Panzerplatten. – Das
dabei ausschließlich zur Verwendung kommende Material ist altes, bereits ein Mal
bearbeitetes Schmiedeeisen, z.B. alte Eisenbahnschienen, Radreifen, Kesselbleche,
Nägel u.s.w., welches im Handel unter der Bezeichnung Brucheisen oder Ramaßeisen
(scrap-iron) begriffen wird. Dasselbe wird
sorgfältig ausgewählt, in Ballen zusammengepackt, zum Weißglühen erhitzt, unter dem
Dampfhammer geschweißt und zu Stäben von 1 1/2 Ctr. ausgeschmiedet (best iron). Nachdem dann zwei dieser Stäbe wiederum
ihrer ganzen Länge nach geschweißt und ausgehämmert sind, zerschneidet man sie in
kurze Stücke (best best iron) von passender Länge, um
daraus ein Packet von 2 Ctr. zu bilden, in welchem die Eisenfasern nach
verschiedenen Richtungen sich kreuzen. Dieses Packet wird weißglühend zu einer rohen
Schwarte von 1 1/2 bis 2 Zoll Dicke ausgehämmert (3 × best iron), von welchen vier zusammengelegt und unter dem Dampfhammer zu
einer größeren Platte von 1 3/4 Zoll Dicke geschweißt und ausgeschmiedet werden, so
daß letztere, nachdem sie an ihren Rändern besäumt ist, 7 Ctr. wiegt (4 × best iron). Durch Zusammenschweißen und Aushämmern wird
dann zunächst aus vier dieser größeren Platten ein starker eiserner Baum von etwa 1
Fuß Durchmesser und 1 1/4 Tonne Gewicht ausgeschmiedet, welcher das eine Ende der
Panzerplatte bilden soll, vorerst aber der leichteren Handhabung wegen rund gelassen
und in einen Krahn gehängt wird, der sich von dem Glühofen nach einem Dampfhammer
von 5 bis 7 Tonnen bewegt. Weitere vier der größeren 7 Ctr. schweren Platten werden
darauf zu einer gleichmäßigen Masse von 1 1/4 Tonne ausgehämmert, welche mit Nr. 1
bezeichnet werden mag (5 × best iron). Diese
Masse Nr. 1 wird an das vordere Ende des dazu vorbereiteten eisernen Baums
geschweißt, auf 4 1/2 Zoll Dicke ausgeschmiedet, auf ihren Flächen geebnet und an
ihrem vorderen Ende so zugeschärft, daß daran eine ebenso gebildete Eisenmasse Nr. 2
von 1 1/4 Tonnen unter dem Dampfhammer geschweißt werden kann. Nachdem dies
geschehen und beide vereinigten Massen Nr. 1 und Nr. 2 zusammen zu der Dicke von 4
1/2 Zoll und der verlangten Breite ausgehämmert sind (6 × best iron), ist ein Stück der Panzerplatte von 2 1/2
Tonnen hergestellt. Dieses Stück, dessen Flächen unter dem Hammer geebnet werden,
erhält wiederum an seinem vorderen Ende die nöthige Vorbereitung zum Anschweißen
einer wie früher erzeugten Eisenmasse Nr. 3, welche nach ihrem Aushämmern auf die
verlangte Dicke und Breite, zusammen mit Nr. 1 und Nr. 2 die Länge der Panzerplatte
vergrößert und ihr Gewicht auf 3 3/4 Tonnen vermehrt. Für die bisher übliche Größe
der Panzerplatten wird es schließlich genügen, den bis dahin rund gelassenen
eisernen Baum auch zu der Plattenform auszuhämmern, wodurch das gewöhnliche Gewicht
der Panzerplatte von etwa 4 1/3 Tonnen erreicht ist, und für welche dann zum
Gebrauch nur übrig bleibt, die rauhen Enden abzuschneiden, so wie Seiten- und
Endflächen zu behobeln.
Dieß Verfahren des Aushämmerns besitzt gegenüber dem Walzen einen doppelten Vortheil.
Einmal ist man dabei hinsichtlich der Dimensionen der Panzerplatten ziemlich
unbeschränkt und nur an die Stärke der Krahne, so wie an die Größe der Oefen und
Hämmer gebunden, welche mehr der Erweiterung fähig zu seyn scheinen, als Walzwerke.
Mittelst eines Dampfhammers von 20 Tonnen, wie er bei Krupp zu Essen in Westphalen thätig ist, wird es keine Schwierigkeiten
haben, Panzerplatten von 12 Zoll und mehr Dicke zu erzeugen. Der zweite wichtigere
Vortheil dieser Fabricationsart besteht aber darin, daß die Schweißung der
verschiedenen Parzellen, aus welchen jede Platte erzeugt werden muß, durch die
wiederholten Schläge des Hammers weit besser und gleichmäßiger geschieht als durch
den Druck der Walzen. In Folge davon zeigen gehämmerte Platten auf ihren
Bruchflächen eine völlig homogene Masse, während bei gewalzten sich mehr oder
weniger Lamellenablösungen, selbst bis zu einer schieferigen Textur, erkennen
lassen, was begreiflich auf ihren Widerstand gegen die Geschoßwirkung von
erheblichem Einfluß seyn muß. In wie geringem Grade gehämmerte Panzerplatten geneigt
sind, beim Anschlagen oder Eindringen schwerer Geschosse Sprünge zu erhalten, zeigte
unter anderen eine auf dem Fabrikhofe der Thames iron
works zu Blackwall aufgestellte 4 1/2 zöllige gehämmerte Musterplatte,
gegen welche aus dem 95 Ctr. schweren glatten 68pfünder mit 22 Pfund Pulverladung
(um 6 Pfund vermehrte Ordonnanzladung) auf eine Entfernung von nur 50 Yards gefeuert
war. Dabei hatte eine gußeiserne Vollkugel nur einen Eindruck von etwa 2 Zoll Tiefe
mit entsprechender rückwärtiger Ausbauchung, jedoch ohne jegliche Seitenrisse
hinterlassen, nachdem sie selbst zerschellt war. Eine schmiedeeiserne Vollkugel,
welche nur etwa 1 1/2 Fuß von diesem Eindruck entfernt getroffen hatte, war zur
Hälfte in die Panzerplatte eingedrungen und darin stecken geblieben, ohne ringsum
den geringsten sichtbaren Sprung zu verursachen, selbst nicht nach einem nur 3 Zoll
davon abstehenden Bolzenloche.
Im Gegensatz damit haben 1859 zu Portsmouth angestellte Schießversuche erwiesen, daß
eine 4 1/2zöllige gewalzte Panzerplatte durch drei nahe bei einander auftreffende
gußeiserne 68pfünder Vollkugeln aus einer Entfernung von 200 Yards vollständig in
Stücke gebrochen werden kann. In der großen Industrieausstellung von 1862 hatte die
Mersey steel and iron Comp. zu Liverpool eine
gehämmerte Panzerplatte vorzüglicher Beschaffenheit ausgestellt, welche 21 1/4 Fuß
lang, 6 1/4 Fuß breit, 5 1/2 Zoll dick und über 13 Tonnen schwer war, und dabei
bemerkt, daß diese Platte ohne Schwierigkeit hätte 15 bis 20 Fuß länger geliefert
werden können, wenn dazu der Raum in dem Fabrikgebäude vorhanden gewesen wäre.