Titel: | Ueber die Enthülsung der Samenkörner auf chemischem Wege, von Lemoine. |
Fundstelle: | Band 170, Jahrgang 1863, Nr. CXX., S. 443 |
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CXX.
Ueber die Enthülsung der Samenkörner auf
chemischem Wege, von Lemoine.
Aus den Comptes rendus, t. LV p. 627.
Lemoine, über die Enthülsung der Samenkörner auf chemischem
Wege.
Um die bisher nur allein übliche Enthülsung der Samen mit harter Schale auf
mechanischem Wege, durch ein chemisches Verfahren zu
ersetzen, welches schnell und sicher zum Ziele führt und sehr einfach in der
Ausführung ist, wendet der Verfasser die Behandlung der respectiven Samen mit harten
Tegumenten mit Schwefelsäure an und erläutert sein Verfahren durch Beispiele wie
folgt:
In eine Holzkufe werden 100 Kilogramme Getreide eingethan und 15 Kilogramme
Schwefelsäure von 66° Baumé (etwa 1,84 spec. Gewicht) darauf gegossen:
die Mischung wird etwa 15–20 Minuten lang umgerührt und hierauf werden 50
Kilogrm. Wasser hinzugefügt, welches nach einigen Augenblicken Berührung und stetem
Umrühren abgegossen wird. Dieses erste Waschwasser wird aufbewahrt. Nach
hinlänglichem Auswaschen und Neutralisation der letzten Spuren Säure, durch Soda
oder Potasche, wird das Getreide auf mit Leinwand überzogene Rahmen aufgeschüttet,
auf welchen es schon nach einer Stunde so trocken geworden ist, daß es, ohne an die
Hand anzuhaften, angefaßt werden kann; auf ähnliche, neue, Leinewandrahmen
aufgeschüttet, trocknet das Getreide, an der Luft, nach einigen Tagen völlig
aus.
Die Enthülsung des Roggens, des Hafers, findet auf dieselbe Weise statt; bei Gerste
muß eine geringe Erwärmung der Mischung angewendet werden.
Die Samen von Croton tiglium, der Sonnenblume, Bohnen
aller Art, Linsen, Erbsen, Wicken, Buchecker, werden auf dieselbe Art, bei geringer
Erwärmung der Mischung und nach 25 Minuten Einwirkung vollständig enthülst, so daß
durch die Waschung mit Wasser die durch die Einwirkung der Schwefelsäure veränderten
Hülsen leicht entfernt werden können, wodurch die Samen, von der Schale befreit,
rein zurückbleiben; ja selbst Wallnüsse, Haselnüsse, bittere und süße Mandeln,
können nach dem beschriebenen Verfahren schon ohne alle Anwendung von Wärme von
ihren harten Schalen befreit und die Samen bloßgelegt werden.
Elsner bemerkt hierzu in seinen
chemisch-technischen Mittheilungen des Jahres 1862–1863, S. 90:
„Es ist zu erwarten, daß die gewöhnlichen Roßkastanien, demselben Verfahren unterworfen, gleichfalls von ihrer
harten Schale werden können befreit werden, was für die Darstellung des
Stärkemehls aus Roßkastanien im Großen von Wichtigkeit seyn dürfte.
Für die so eben ausgesprochene Ansicht scheint auch das Ergebniß nachfolgenden
Versuches zu sprechen:
Einige Roßkastanien, die jedoch schon mehrere Monate nach ihrer völligen Reife in
einem trockenen Raum gelegen hatten, und deren Schale so hart war, daß sie
mittelst eines scharfen Messers kaum und nur sehr schwierig von dem eigentlichen
Kerne losgelöst werden konnte, wurden, wie oben angegeben, in Schwefelsäure von
1,84 spec. Gewicht eine halbe Stunde lang unter schwacher Erwärmung und
Umrührung eingelegt, wobei sich die Schwefelsäure dunkelbraun färbte; hierauf
wurde die Schwefelsäure vorsichtig mit Wasser (etwa mit dem zweifachen Volumen)
verdünnt und diese Mischung mehrere Stunden hingestellt unter öfterem Umrühren;
da sich die harte Schale jedoch noch nicht in dem geeigneten Zustande zum
Ablösen befand, so wurde die verdünnte Säure noch so lange mit den Kastanien
gelinde erwärmt, bis ein Versuch ergab, daß sich die harte Schale der Kastanien
mittelst eines Messers leicht und bequem von dem eigentlichen mehligen Kern
ablösen ließ. Der Kern selbst war mit einer braunen, gummiähnlichen Masse
überzogen, die sich durch Abwaschen mit Wasser leicht entfernen ließ; zurück
blieben endlich die fast ganz entbitterten mehligen Früchte mit weißer Farbe; es
ist möglich, daß die Früchte mit harter Schale zur
Enthülsung auf oben angegebenem Wege zweckmäßiger frisch angewandt werden müssen, wo die Schale noch nicht so hart ist,
als wenn sie schon längere Zeit gelegen haben; ebenso hat Lemoine schon bemerkt, daß sich die Ricinus-Samen nicht so
leicht auf chemischem Wege enthülsen lassen.“