Titel: | Verfahren um zerrissene runde Eisen- oder Gußstahl-Drahtseile bei Fördermaschinen-Anlagen wieder zusammenzuflicken. |
Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. LXVIII., S. 276 |
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LXVIII.
Verfahren um zerrissene runde Eisen- oder
Gußstahl-Drahtseile bei Fördermaschinen-Anlagen wieder
zusammenzuflicken.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Verfahren um zerrissene runde Eisen- oder
Gußstahl-Drahtseile bei Fördermaschinen-Anlagen wieder
zusammenzuflicken.
Es ist gewiß schon jedem Techniker, welcher mit Eisendrahtseilen bei
Förderungsmaschinen-Anlagen zu thun hat, der Fall vorgekommen, daß ein Seil,
welches sonst noch gut war, entweder dadurch eine schlechte Stelle bekam, daß eine
sogenannte Seilklinke in das Seil gerieth, oder daß eine einzelne Litze desselben,
oder auch nur mehrere Drähte einer Litze entzwei rissen, weil diese Stelle durch
irgend einen Zufall mehr gelitten hatte als das übrige Seil.
Manchmal ist nun das Seil so lange, daß das kürzere Ende abgehauen und abgeworfen
werden kann, während das längere Ende noch lange genug ist um als Förderseil dienen
zu können. Sehr oft, und beinahe meistentheils ist dieses aber nicht der Fall und
das Seil muß als zur Förderung zu kurz und dadurch untauglich abgelegt werden.
Auf der Seilschacht-Maschinenanlage der königl. Steinkohlengrube
„Gerhard“ bei Saarbrücken, wo flache Förderung stattfindet,
die Seile aber zuerst flach, dann saiger und zuletzt auf die wirkliche Förderlänge
wieder flach laufen, zudem über mehrere Seilscheiben gehen, sowie überhaupt viele
Reibung auszuhalten haben, kam der Fall, daß ein sonst noch zur Förderung recht
gutes Seil an einer einzelnen Stelle sehr gelitten hatte und deßhalb abgelegt werden
mußte, so oft vor, daß man auf den Gedanken verfiel, an diesen Eisendrahtseilen,
welche aus der Fabrik des Hrn. G. Heckel zu St.
Johann-Saarbrücken hervorgingen, die schlechte Stelle auszuhauen und beide Enden, ähnlich
wie bei den Hanfseilen, wieder zusammenzuspitzen.
Nach mehrfachen Versuchen gelang es auch einen festen Verband herzustellen, welcher
nach den damit gemachten Erfahrungen, der Festigkeit in der Construction des ganzen
Seiles trotzt und beinahe nichts mehr zu wünschen übrig läßt.
Dieser Verband wird auf folgende Weise hergestellt:
Nachdem die schlechte Stelle ausgehauen ist, werden beide Enden auf die Hälfte der
Litzenzahl getrennt, das Seil also getheilt. Diese Theilung geschieht auf eine Länge
von 15 Lachter an jedem Ende. Hierauf werden die Seilenden so übereinander gelegt,
daß die aufgedrehten Enden die Punkte a und a' des Seiles in Fig. 24, wo die Theilung
stattfand, noch um 5 Lachter übergreifen; alsdann werden zwei Enden d und c, von jedem Seile
eines, so nach ihren alten Schraubenwindungen in einander gedreht, daß sie zusammen
ein ganzes Seil bilden und das Seil die Form der Fig. 25 hat.
Die Enden c und d ragen 5 und
die Enden e und g 15 Lachter
hervor; letztere werden nun ebenfalls auf 5 Lachter Länge abgehauen.
Die Verbindung der beiden Seile ist nun erfolgt, man hat nur mehr die vier Enden
wegzubringen, welches folgenderweise geschieht:
Ein jedes Ende wird in seine einzelnen Litzen aufgedreht und diese werden eine nach
der andern um das Seil gewickelt, in Zwischenräumen von 4–5 Fuß 3 bis 4 mal
durch das Seil gesteckt und die Drähte, welche nach der letzten Durchziehung kurz am
Seil abgehauen worden sind, werden nach der Richtung von welcher die Litze ausgieng
umgebogen und mittelst eines Kupferhammers fest an das Seil geschlagen. An solches
fertig geflicktes Seil hat die in Fig. 26 dargestellte Form
und sieht aus als wenn es an zwei verschiedenen Stellen geflickt wäre. Die beiden
zugespitzten Stellen a und a' werden natürlich um die doppelte Stärke einer Litze im Durchmesser
stärker als das übrige Seil, was jedoch, da die einzelnen Litzen nach und nach
abgehauen werden und hierdurch die Knoten allmählich zu- und abnehmen, in den
meisten Fällen zulässig ist.
Auf dem vorstehend angeführten Förderschachte waren die Seile mit
15 Förderwagen à 5 Ctr
7500 Pfd.
1 Schleppwagen
1500 „
und
15 . 10 = 150 Ctr. Steinkohlen
=
15000 „
––––––––––––––––––––––––––
in Summa
mit
24000 Pfd.
ohne Seilgewicht bei flacher Förderung belastet, und liefen
solche geflickte Seile, welche außerdem hätten abgelegt werden müssen, noch mehrere
Monate. Ja in einem
Falle, wo gerade kein Reserveseil vorhanden war, wurde ein Seil sogar an zwei
verschiedenen Stellen geflickt, ohne daß dieß einen nachtheiligen Einstich für die
Festigkeit des Seiles zeigte.
Auf dem Hohbergschachte derselben Grube wurden die Förderseile auf dieselbe Weise
zusammengespitzt, und mit demselben Erfolg.
Auf dem v. Manteuffel-Schacht des königl. Steinsalzbergwerkes zu Staßfurt bei
Magdeburg hat der Verfasser ein Seil, welches zur saigeren Förderung dient, ganz
nach demselben Verfahren zusammengespitzt, und gieng dasselbe bei einer
durchschnittlichen Förderung von täglich 6000 Ctr. nachher noch circa 2 Monate, wo dasselbe wegen Zerreißens einer
Litze, was im ganzen Seil oberhalb des Flickens geschah, abgelegt werden mußte.
Dieses Seil war aus der Fabrik der HHrn. Felten und Gillieaume zu Cöln am Rhein, und belastet mit:
2 Förderwagen à. 5 Ctr.
1000 Pfd.
30 Ctr. Steinsalz
3000 „
20 Ctr. Förderkorb
2000 „
––––––––
in Summa:
6000 Pfd.
ausschließlich des Seilgewichtes.
Erfahrungsmäßig ist die Dauer bei guten Eisendrahtseilen durchschnittlich 10 Monate;
gewinnt man also durch Flicken, wie im vorliegenden Falle, auch nur 2 Monate, so hat
man dadurch schon 1/5 der ganzen Seilkosten gespart, was nicht unerheblich ist.
Ein anderer, bedeutende Kosten ersparender Fall ist der, daß man von zwei alten
abgelegten Förderseilen die Enden, welche auf der Fördertrommel gelegen hatten,
abhaut und zu einem neuen Seile zusammenspitzt. Diese Enden haben regelmäßig weniger
gelitten als das übrige Seil, und werden auf diese Weise ebenfalls vollständig
ausgenutzt.
Zum Zusammenspitzen eines Seiles sind mit vier geübten Arbeitern ungefähr zwei
Stunden erforderlich, in welcher Zeit der Verfasser, welcher einige Jahre auf der
königl. Steinkohlengrube „Gerhard“ als Aufsichtsbeamter des
Maschinenbetriebes beschäftigt war und in dieser Eigenschaft auch die Förderseile zu
beobachten hatte, diese Arbeit stets verrichtete. Oftmals, man kann fast sagen
immer, nimmt das Abnehmen des alten und das Auflegen eines neuen Förderseiles
dieselbe Zeit, gewöhnlich aber noch mehr, in Anspruch. Es ist daher bei
Förderungsanlagen, wo es darauf ankommt die Förderung möglichst wenig zu
unterbrechen, ein sehr großer Vortheil, ein schlechtes Seil, wenn auch nur momentan,
wieder so herstellen zu können, daß damit gefördert werden kann. Und sehr oft wird
man, um eben den geringsten Stillstand in der Förderung zu bezwecken, Seile, welche
man sonst ablegen würde, flicken und so bis zum nächsten Sonntag, wo die Förderung ohnedieß steht,
laufen lassen, und erst dann ein Auflegen von dem Reserveseil vornehmen, weil man
eben durch das Flicken rascher davonkommt und so Zeit gewinnt.
Zum Zusammenspitzen bedient man sich zweier, an einer Seite spitz zugeformter
Rundeisen von circa 1 Fuß Länge und 3/4'' Durchmesser.
Dieselben werden von entgegengesetzten Seiten mittelst eines Hammers behutsam
zwischen den Litzen durchgetrieben, ohne die Drähte derselben zu verletzen. Hierauf
werden diese Eisen nach entgegengesetzter Richtung gedreht und so wird die Oeffnung
zum Durchstecken der Litzenenden gewonnen. Ist dieselbe durchgesteckt, so wird sie
mittelst einer stumpfen Kneifzange fest angezogen, so wie es überhaupt darauf
ankommt, daß die umgewickelten und durchgesteckten Litzenenden straff am Seile
anliegen, und nach der Durchsteckung wird das Seil mit einem Kupferhammer wieder
zugeschlagen.
Es läßt sich auf die vorbeschriebene Weise jedes Seil, gleich viel wie viel Litzen
dasselbe hat, flicken, indem man bei ungerader Litzenzahl bei der Theilung des
Seiles auf eine Seite eine Litze mehr nimmt als auf die andere, und nachher beim
Zusammendrehen, von einem Seile das Ende mit gerader, und vom anderen Seil das Ende
mit ungerader Litzenzahl zu einem ganzen Seil in einander windet. – Am besten
lernt man die Maschinenwärter und Schürer zu dieser Arbeit an, damit man im
eintretenden Falle den mindesten Zeitverlust hat, was auch, da dieselben in der
Regel schon intelligentere Leute sind, recht gut thunlich ist.
Alle vom Verfasser ausgeführten derartigen Zusammenspitzungen von Förderseilen, deren
nicht wenige sind, haben sich gut bewährt und es zeigte sich niemals wieder ein
Bruch oder Loslassen der geflickten Stelle, sondern die Seile mußten immer eher
wegen einer anderen schadhaften Stelle oder deßhalb abgelegt werden, weil das Seil
ausgenutzt war; dieses Verfahren ist daher sehr zu empfehlen.
Staßfurt, den 17. Januar 1864.
Eichenauer, Maschinenwerkmeister
beim königl. Steinsalzbergwerk zu Staßfurt.