Titel: | Ueber die Rufimorsäure; von Dr. Rud. Wagner. |
Autor: | Johannes Rudolph Wagner [GND] |
Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. CX., S. 458 |
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CX.
Ueber die Rufimorsäure; von Dr. Rud. Wagner.
Wagner, über die Rufimorsäure.
Durch die Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure auf Moringerbsäure oder Maclurin
entsteht eine rothgefärbte Säure, die von mir im Jahre 1850 entdeckt und mit dem
Namen Rufimorsäure bezeichnet wurde. Die analytischen Ergebnisse und mehrere der
Eigenschaften der neuen Säure erweckten in mir damals den Gedanken, daß die
Rufimorsäure mit der kurze Zeit vorher von de la Rue
untersuchten Carminsäure identisch seyn möchte.
Ich schloß meine Abhandlung (Journal für praktische Chemie, Bd. LII S. 468) mit den
Worten: „Später anzustellende vergleichende Versuche mit der aus der
Cochenille und dem Kermes dargestellten Carminsäure werden zeigen, ob beide
Säuren in der That identisch sind.“ Die
veränderte Richtung meiner Studien in den nächsten Jahren gestattete mir nicht, die
chemische Untersuchung wieder aufzunehmen; praktische Versuche, von mir und
Technikern aus dem Gebiete der Färberei, lehrten dagegen, daß die Rufimorsäure,
welche mit Leichtigkeit in großer Menge dargestellt werden kann, auf animalisirtem
Baumwollzeuge Farben hervorbringe, die den Krappfarben ähnlich sind; doch stehen sie
letzteren nach. Im Jahre 1859 erlaubte es mir meine Zeit, mich von neuem dem Studium
der Rufimorsäure hinzugeben. Ich fand hierbei sehr bald, daß die meisten der
Eigenschaften der neuen Säure mit denen der Carminsäure nicht übereinstimmten, daß
dagegen die Aehnlichkeit mit der von Robiqnet entdeckten
Rufigallussäure so hervortrat, daß ich meine Untersuchung zunächst auf letztere
ausdehnte. Die Ergebnisse meiner Arbeit sind in den Verhandlungen der
physikalisch-medicinischen Gesellschaft (1859) Bd. X S. 86 veröffentlicht.
Bei der Untersuchung der bei 110° C. getrockneten Rufimorsäure erhielt ich
Zahlen für den Kohlenstoff und Wasserstoff, welche mich auf folgende procentische
Zusammensetzung führten:
Kohlenstoff
54,8
Wasserstoff
4,0
Sauerstoff
41,2
–––––
100,0
Diese Zahlen würden der Formel C¹⁶H⁷O⁹ oder
C¹⁶H⁶O⁸, HO entsprechen. Durch Trocknen bei einer
Temperatur über 110° wird das Wasseratom vielleicht entfernt werden können,
wodurch man die Formel C¹⁶H⁶O⁸ erhielte. Die
Rufimorsäure und die Rufigallussäure würden in diesem Falle einer homologen Reihe
angehören:
Rufimorsäure
C¹⁶H⁶O⁸
Rufigallussäure
C¹⁴H⁴O⁸
Läßt man dagegen die Formel C¹⁴H⁷O⁸ für die bei
100° getrocknete Rufimorsäure gelten, so würde sich die Rufigallussäure
atomistisch von der Rufimorsäure dadurch unterscheiden, daß erstere 3 At.
Wasserstoff weniger enthält.
Die Zersetzungsproducte beider Säuren machen es höchst wahrscheinlich, daß hierbei
Körper der Chinonreihe sich bilden.
Als ich daran gehen wollte, die beiden rothen Säuren in Hinsicht auf Färberei und
Zeugdruck einer gründlichen Untersuchung zu unterwerfen, wozu mir bereits die
Mitwirkung einer Kattundruckerei zugesichert war, betraten die rothen und violetten
Theerfarbstoffe die industrielle Arena, um in dem kurzen Zeitraum von drei Jahren
eine Umwälzung in der Färberei hervorzurufen die ihres Gleichen in der Geschichte
der Technologie nicht hat. Unter solchen Auspicien zog ich es vor, auf eine weitere
Untersuchung der Rufimorsäure zu verzichten.
Ich stimme mithin vollständig mit Bolley überein, daß
Rufimorsäure und Carminsäure verschiedene Substanzen sind. Zu dem gleichen Resultate
ist übrigens vor Jahren schon Dr. Hugo Müller in London gelangt, wie mir derselbe bei
Gelegenheit der internationalen Ausstellung im Sommer 1862 mittheilte.
Würzburg, im März 1864.