Titel: Ueber einige Einwirkungen von Hitze auf Flüssigkeiten; von W. R. Grove.
Fundstelle: Band 172, Jahrgang 1864, Nr. XXIX., S. 130
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XXIX. Ueber einige Einwirkungen von Hitze auf Flüssigkeiten; von W. R. Grove. Grove, über die Erscheinung des Siedens der Flüssigkeiten. Erhitzt man vollständig luftfreies Wasser unter dem Recipienten einer Luftpumpe, um die Wiederaufnahme von Luft zu verhindern, indem man einen hindurchgeleiteten Platindraht mit einer Batterie in Verbindung bringt, so geht das Kochen nicht ganz in der gewöhnlichen Weise vor sich. Es finden nämlich von Zeit zu Zeit Ausbrüche von Dampf statt, zwischen denen die Flüssigkeit vollkommen ruhig, ohne irgend ein Symptom der Siedetemperatur, erscheint, und zwar mit einer solchen Regelmäßigkeit, daß der Apparat als Uhr hätte dienen können. Das ganze Experiment kann zur Illustration des Geyserphänomens, vielleicht sogar zu seiner Erklärung dienen, wenn man annimmt, daß die Quellen, durch die der Geyser gespeist wird, vollständig luftfrei sind. Da bei dieser Anordnung des Versuchs der Verf. sich natürlich nicht davon überzeugen konnte, ob nicht ein kleiner Rest von Luft in dem Wasser zurückgeblieben sey, so wurde derselbe in der Weise wiederholt, daß in einem U-förmig gebogenen Glasrohre von 5 Fuß Länge, dessen eines Ende geschlossen war, eine kleine Schicht luftfreies Wasser auf dieselbe Weise wie oben erhitzt wurde. Dasselbe wurde von der äußeren Luft dadurch abgesperrt, daß man den Rest des Rohres mit Olivenöl füllte, dasselbe umkehrte und mit seinem offenen Ende in ein Gefäß mit gleichem Oele münden ließ. Auch hierbei wurden dieselben Erscheinungen beobachtet, wenn auch die Ausbrüche nicht so plötzlich eintraten. Dieses Experiment wurde Tage lang fortgesetzt und man bemerkte dabei, daß nach jedem Ausbruche der Dampf, der sich im Oele condensirte, eine kleine Gasblase von ungefähr derselben Größe zurückließ, die sich bei der eudiometrischen Analyse als Stickstoff auswies. Ein ähnlicher Versuch, der ohne Erhitzung durch Elektricität mit einer Spirituslampe ausgeführt wurde, hatte dasselbe Resultat. Obgleich es unwahrscheinlich ist, daß durch das Olivenöl etwa Luft von außen in das Wasser gedrungen wäre, da dieses selbst diese kleinen Gasblasen nicht absorbirte, so stellte der Verf. dennoch zur Controle einen ähnlichen Versuch an, bei welchem er statt Olivenöl Quecksilber anwandte, und zwar mit demselben Resultate. Es ist also möglich, daß zum Sieden einer Flüssigkeit überhaupt stets ein Kern eines aufgelösten Gases vorhanden seyn muß und daß durch Einwirken von Hitze Flüssigkeiten, in denen kein Gas aufgelöst ist, zersetzt werden müssen, um zu sieden. Betrachtungen dieser Art führten den Verf. darauf, elementare Flüssigkeiten zu untersuchen. Ein Glasrohr mit Brom wurde zur Vertreibung aller Luft vor einer Spirituslampe erhitzt und sodann schnell zugeschmolzen. Nachdem es durch den angeschmolzenen Platindraht abermals erhitzt worden war, wurde es unter Wasser aufgebrochen. Es zeigte sich eine geringe Menge permanenten Gases, welches reiner Sauerstoff war. Das Gleiche war der Fall, als der Verf. Chlorjod anwandte. Phosphor und Schwefel gaben bei ähnlichen Versuchen ziemlich bedeutende Mengen von Phosphor- und Schwefelwasserstoffgas. Der Verf. schließt aus diesen Versuchen, daß noch nie die Erscheinung des Siedens gesehen worden ist, ohne daß sich gleichzeitig ein permanentes Gas entwickelt habe, herrührend entweder von chemischer Zersetzung oder von der Entwickelung eines in geringen Mengen aufgelösten fremden Gases. Das Kochen einer Flüssigkeit wird daher nicht bloß durch Erhitzung bis auf eine gewisse Temperatur hervorgebracht, sondern ist eine weit complicirtere Erscheinung. (Chem. Soc. Journal, August 1863, 2. ser., vol. I p. 263; chemisches Centralblatt 1864, Nr. 14.)