Titel: Zwei neue Kautschuk-Quellen; von Dr. Otto Buchner.
Autor: Otto Buchner
Fundstelle: Band 172, Jahrgang 1864, Nr. XXXVIII., S. 146
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XXXVIII. Zwei neue Kautschuk-Quellen; von Dr. Otto Buchner. Buchner, über zwei neue Kautschuk-Quellen. Bei der immer größer werdenden Bedeutung des Kautschuks und seiner immer mehr sich ausbreitenden Anwendung ist es von größter Wichtigkeit, daß dieses unschätzbare Material in hinreichender Menge in den Handel gebracht werde, und dabei doch billig genug, um seiner Anwendung weiteren Vorschub zu leisten. Daher muß die Entdeckung einer neuen Kautschukquelle mit Freude begrüßt werden. Heute können wir selbst zwei solche Quellen namhaft machen, eine in Südamerika, die andere in Java. Im Februar d. J. kam aus Britisch Guyana durch W. Holmes eine Kiste mit Proben einer neuen Kautschukmasse in London unter dem Namen Balata an. Schon 1862 war unter den in London ausgestellten Gegenständen ein Stück der getrockneten Milch des Kugelbaums (Bullet tree) [Sapota Mülleri Miq.?] von etwa 1/2 Pfund Gewicht. Herr C. Hancock in London, ein im Gutta-percha-Handel sehr bewanderter Mann, sprach sich nach Versuchen, die er damit anstellte, sehr günstig über diesen Stoff aus, während weniger Erfahrene abweichender Ansicht waren. Holmes stellte von Juli 1862 an Untersuchungen an, wie der Stoff billig zu erhalten wäre und wie er rasch zum Gerinnen zu bringen und zu trocknen sey. Seine Versuche waren mit den besten Erfolgen gekrönt; er kann nun die Balata nicht nur in beliebiger Menge gewinnen, er bewirkt auch durch Zumischen eines einfachen und billigen Mittels das Gerinnen, ohne daß die wesentlichste Eigenschaft der Balata, die Elasticität, darunter leidet. Dieser Stoff steht zwischen Kautschuk und Gutta-percha; mit ersterem hat er die Elasticität, mit letzterer die Zähigkeit gemein, doch erweicht und schmilzt er erst bei einer höheren Temperatur als diese. Holmes hält die Balatamilch für das beste Mittel, um Zeuge wasserdicht zu machen, und nach seiner Methode zubereitet, für das beste Isolirmittel für galvanische Leitungen. Der Kugelbaum hat einen prächtigen Stamm von oft 30 bis 40 Zoll im Quadrat, und kann das Holz sehr gut zu baulichen Zwecken verwendet werden. Wenn die Milch ganz frisch ist, so schmeckt sie so mild, daß sie manchmal anstatt Kuhmilch verwendet wird. Auch die Frucht schmeckt köstlich. Der Baum ist in manchen Theilen von Guyana und in vielen Bezirken des nördlichen Südamerikas sehr häufig, so daß zu erwarten steht, daß in kurzer Zeit die Balata ein wichtiger Gegenstand der Ausfuhr seyn wird. Bekanntlich stammt der allermeiste Kautschuk des Handels von einer Feigenart (Ficus elastica), welche auf Java und anderen Inseln jener Gegend sehr häufig ist; er führt da den Namen Getah-Karet. Eine andere Art ist neuerlich unter dem Namen Akar-Karet in den Handel gebracht worden und stammt von einer Schlingpflanze, welche in die Familie der Apocyneen gehört. Diese Karet wird durch Einschnitte in den Stamm erhalten; nachdem der Saft zusammengeflossen ist, einige Tage offen an der Luft stand und trocknete, wird er eingesammelt und dann in Stücke von bestimmter Größe, ungefähr von 1 Kattie (1,23 Zollpfund) Gewicht geknetet. Bis jetzt ist das Einsammeln noch sehr unvollkommen und unregelmäßig, wodurch die ursprünglich weiße Karet durch Beimengen von Holzsplittern und anderen fremden Bestandtheilen verunreinigt und dunkel gefärbt wird. In den höheren Theilen des Landes, wo die Akar-Karet in Masse wächst, ist das Einsammeln und Verwerthen des Harzes noch sehr wenig bekannt; daher ist bis jetzt auch nur eine geringe Menge in den Handel gebracht worden. Es rührt dieß hauptsächlich daher, daß das Land andere Producte in Menge liefert, deren Werth der Bevölkerung bekannt ist; diese setzt daher auf ihr Einsammeln, namentlich auf das der Gutta-percha mehr Vertrauen, um so mehr, als die Karet wegen der seitherigen unvollkommenen Reinigung beim Einsammeln von den Händlern weniger gesucht ist. Die Akar-Karet besitzt alle Eigenschaften des Kautschuks; dazu ist sie trocken und nicht klebrig und noch elastischer. Doch enthält sie in dickeren Stücken leicht Wassertheilchen eingeschlossen, welche Gährung und so einen unangenehmen Geruch veranlassen. Deßhalb werden beim Einsammeln keine dickeren Stücke geknetet und diese in viereckige Klötzchen von 1/2 bis 1 Zoll Dicke geformt. Dadurch bleiben nicht nur weniger Wassertheilchen eingeschlossen, sondern es können auch Splitter leichter gefunden und beseitigt werden. Die Karet ist besonders in den höher liegenden Gegenden so häufig, daß bei gehöriger und sorgfältiger Einsammlung auf eine jährliche Production von 1500 Pikols (zu 61,5 Kilo) gerechnet werden könnte. Der Preis per Pikol stellt sich auf etwa 20 Gulden; für die Ausfuhr nach Singapore wird durchschnittlich 1 1/4 Gulden per Pikol gezahlt. Gießen, im April 1864.