Titel: Neue Kreuze und Netze für Fernröhren, welche unveränderlich sind und sich von etwaigem Staub ohne besondere Vorsicht reinigen lassen.
Autor: F. W. Breithaupt
Fundstelle: Band 172, Jahrgang 1864, Nr. LXVII., S. 259
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LXVII. Neue Kreuze und Netze für Fernröhren, welche unveränderlich sind und sich von etwaigem Staub ohne besondere Vorsicht reinigen lassen. Ueber neue Kreuze und Netze für Fernröhren. Spinnen-Cocons geben bis jetzt anerkannt die besten Fäden für Kreuze in Fernröhren zu Beobachtungszwecken ab; da dieselben jedoch auch an mancherlei wesentlichen Mängeln leiden, so wurden schon öfter andere Substanzen, die jene ersetzen sollten, vorgeschlagen. Es existiren Fäden von Gold, Silber und Platin, Glasfäden, sogar Siegellack- und Kautschukfäden; jedoch leiden fast alle an dem Uebelstand, daß sie bedeutend stärker sind, als Spinnenfäden, oder es sind diejenigen, welche letzteren nahe kommen, nur mit besonderem Kostenaufwand herzustellen. Dazu kommt noch, daß das genaue Aufspannen der Fäden große Fertigkeit erfordert, weßhalb man auch kleine Maschinen, sowohl zum Eintheilen der Fadenträger (Blenden), als auch zum Auflegen der Fäden erfand und ausführte. Man erhält aber nur immer ein veränderliches und meistens sogar ein sehr vergängliches Fadenkreuz oder -Netz. Die Mängel, denen alle jetzt gebräuchlichen Kreuze mehr oder weniger unterworfen sind, sind namentlich: ihre leichte Zerstörbarkeit; die oft sehr bedeutenden Veränderungen, ja das Unbrauchbarwerden derselben beim Temperatur- und Feuchtigkeitswechsel; die kaum mögliche genau rechtwinkliche Stellung der Fäden zu einander; endlich die schwierige Herstellung der Kreuze. Diesem allen wird abgeholfen durch ein Kreuz oder Netz, welches in beliebiger Anordnung, Feinheit oder Stärke auf einer dünnen Glasplatte eingeschnitten ist, welch' letztere auf eine sehr einfache Weise im Ocular an derselben Stelle, wo sonst das Fadenkreuz sich befindet, angebracht wird. Wir fertigen seit einiger Zeit solche Kreuze und verwenden dieselben statt der bisherigen Fadenkreuze. Die Vortheile, welche sich für diese sehr einfache Vorrichtung ergeben haben, sind nun: 1) große Haltbarkeit (mit der Zerstörung des angewandten Glastäfelchens würden auch die Gläser des Fernrohrs zertrümmert werden); 2) Unveränderlichkeit des Kreuzes etc. in jeder Temperatur – mithin Ermöglichung zuverlässigerer Messungen, was besonders den Gruben-Instrumenten sehr zu statten kommen wird; 3) die verbürgte genaue Herstellung der Rechtwinklichkeit oder sonstiger Anordnung des Kreuzes oder Netzes, welche bei Spinnenfäden gewöhnlich sehr in Frage steht; 4) die Möglichkeit, ein solches Kreuz von angesetztem Staub etc. reinigen zu können. Angeregt durch den so oft von unseren Bestellern, namentlich den Markscheidern, geäußerten Wunsch, dauerhaftere und zuverlässigere Fäden zu besitzen, kamen wir bei der Anfertigung von Glasmikrometern auf die Idee, in ähnlicher Weise Kreuze und Netze für Fernröhren an Meßinstrumenten darzustellen, und ist es nur zu verwundern, daß dieser Gedanke nicht schon längst ausgeführt wurde, da doch Zahn bereits im Jahre 1685 Glasmikrometer in Fernröhren vorschlug, 70 Jahre später Tobias Meyer dieselben zuerst anwandte und Fraunhofer sie seiner Zeit so bedeutend vervollkommnete, daß dieselben für Fernröhren, Mikroskope u.s.w. nunmehr rasch eine große Verbreitung fanden. In Betreff der vorliegenden Glaskreuze äußerte Hr. Dr. Börsch, Lehrer der praktischen Geometrie etc. an dem hiesigen polytechnischen Institut, als er die zuerst ausgeführten bei uns sah, daß er sich ebenfalls schon längere Zeit mit diesem Gedanken getragen habe und dessen Ausführung habe anempfehlen wollen. Aus unserem mechanischen Institut haben, wie bereits erwähnt, seit einiger Zeit eine namhafte Zahl von Bestellern geodätischer Instrumente Kreuze auf Glas in ihre Fernröhren erhalten. Zwar wurden, wie gegen alles Neue, so auch hiergegen anfangs hin und wieder Bedenken erhoben; doch waren diese theils für die Praxis völlig unbegründet, theils konnten sie den erlangten Vortheilen gegenüber nicht in Betracht kommen. Cassel, im April 1864. F. W. Breithaupt u. Sohn,        mathematisch-mechanisches Institut in Cassel.