Titel: Chemisch-technische Notizen; von Prof. Dr. Rud. Wagner.
Autor: Johannes Rudolph Wagner [GND]
Fundstelle: Band 172, Jahrgang 1864, Nr. XCVII., S. 380
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XCVII. Chemisch-technische Notizen; von Prof. Dr. Rud. Wagner. Wagner's chemisch-technische Notizen. 1) Zur Alkoholbestimmung. – Ich bediene mich seit einigen Jahren ausschließlich des Ebullioskopes, und zwar des von Tabarié, das ich mir von Hrn. Huggershof in Leipzig anfertigen ließ, wenn es sich um technische Alkoholbestimmungen in Wein und Bier handelte. Aus einem Vortrage, den ich vor einiger Zeit in der Würzburger physikalisch-medicinischen Gesellschaft über die verschiedenen Methoden der Alkoholbestimmung, namentlich über die Ebullioskope von Tabarié, Conaty, Brossard-Vidal, Pohl u.a. hielt, seyen folgende Versuchsergebnisse hier angeführt. I. Wein (Leiste) aus Würzburg gab im Ebullioskop 8,93 Vol. Proc. im Vaporimeter 9,25    „      „ im Hallymeter 9,14    „      „ durch Destillation in Salleron's Apparate 9,02    „      „ II. Eine Mischung von Alkohol und Wasser, die im Alkoholometer 12,5 Vol. Proc. ergab, zeigte                                  im Ebullioskop 12,40 Vol. Proc. nach Salleron 12,85   „       „ im Vaporimeter 12,97   „       „ III. Bier (aus Erlangen) zeigte                                  im Vaporimeter   3,10 Vol. Proc. im Ebullioskope   3,22    „      „ IV. Bier (aus München, Bockbier) zeigte                                  im Vaporimeter   4,25 Vol. Proc. im Ebullioskope   4,10    „      „ Seitdem habe ich das Ebullioskop vielfach bei Bierprüfungen angewendet und nehme keinen Anstand, es dringend zu empfehlen. Das lästige Schäumen der siedenden Flüssigkeit wird, wie Mohr vorgeschlagen, durch Zusatz von etwas Gerbsäure verhütet. 2) Zur Verarbeitug des Kryoliths. – Schließt man den Kryolith behufs seiner Verarbeitung auf schwefelsaure Thonerde und Soda mit Hülfe von Kalk auf, so findet das Unangenehme statt, daß alles Fluor des Kryoliths in Gestalt von Fluorcalcium zurückbleibt, welches eine zweckmäßige Verwendung noch nicht gefunden hat. Bei Anwendung von Schwefelsäure dagegen bilden sich große Mengen von Flußsäure, die man auch als ein höchst lästiges Product betrachtet. Diese Flußsäure könnte jedoch zweckmäßige Verwendung finden zum Aufschließen des Feldspathes und ähnlicher Gesteine behufs der Gewinnung von Potasche. Es wäre ferner der Mühe werth zu versuchen, ob das Fluor des Kryoliths während seiner Verarbeitung nicht in Gestalt von Fluorsilicium entfernt werden könnte, dadurch, daß man den fein gemahlenen Kryolith vor seiner Behandlung mit Schwefelsäure mit Kieselerde mengt. Das Fluorsilicium gibt mit Wasser zusammengekocht Kieselsäuregallerte, die ein höchst werthvolles Nebenproduct ist und nach dem Trocknen von neuem zum Aufschließen von Kryolith, oder zur Bereitung von Wasserglas, zur Fabrication von Cement, zur Entkalkung des Rübensastes, des rohen Glycerins in den Stearinsäurefabriken, zum Entkalken und Reinigen des Wassers für den Dampfkessel, zur Fabrication von alaunfestem Ultramarin u. dgl. verwendet werden kann, während die von der Kieselerde getrennte stark saure Flüssigkeit, die Kieselfluorwasserstoffsäure in technischer Hinsicht alle Beachtung verdient; sie ist anzuwenden vorgeschlagen worden bei der Herstellung künstlicher Steine, zum Härten des Gypses und zur Fixirung von Farben in der Stereochromie, als Surrogat der Weinsäure in der Färberei und Druckerei, beim Weißsieden der Stecknadeln, zur Fabrication der Soda direct ausans dem Kochsalze nach dem Vorschlage von L. Lechatelier und Keßler, zur Potaschegewinnung aus Abraumsalz, den Mutterlaugen der Salinen, dem Meerwasser, der Schlempekohle der Rübenzuckerfabrication, kurz in allen Fällen, wo Kali neben Natron vorkommt. Die Kieselfluorwasserstoffsäure enthält im Wesentlichen die wirksamen Bestandtheile des Wasserglases, um derentwillen dasselbe in vielen Fällen industrielle Anwendung findet, und diese Bestandtheile noch dazu in der geeignetsten Form. Eine höchst wichtige Eigenschaft der Kieselfluorwasserstoffsäure, einer Säure, die ohne Umstände in Steinzeug- oder Glasgefäßen aufbewahrt werden kann, ist die, daß sie im concentrirten Zustande beim Erhitzen Kieselerde löst und sich in Fluorsilicium und Fluorwasserstoffsäure umwandelt. Daß diese interessante Säure von Seite der Chemiker einer genauen Untersuchung dringend bedürftig ist, liegt nach obigen Andeutungen auf der Hand. Fluorsilicium und dessen Umsetzungsproducte mit Wasser werden in der Zukunftstechnologie zuverlässig eine hervorragende Rolle spielen. (Die Fortsetzung folgt.)