Titel: Neues Verfahren zur Verwerthung des Chlormagnesiums in der chemischen Industrie; von Dr. Clemm in Dresden.
Fundstelle: Band 173, Jahrgang 1864, Nr. XXXII., S. 127
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XXXII. Neues Verfahren zur Verwerthung des Chlormagnesiums in der chemischen Industrie; von Dr. Clemm in Dresden. Aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1864, Bd. VIII S. 343. Clemm's Verfahren zur Verwerthung des Chlormagnesiums in der chemischen Industrie. I. Verwendung des Chlormagnesiums zur Chlorentwickelung und zur Fabrication von Bleichsalzen. Rohe Chlormagnesiumlauge wird bis auf etwa 44° Baumé eingedickt und alsdann in noch heißem Zustande mit soviel Braunsteinpulver gemischt, daß die Mischung auf jedes Aequivalent Hyperoxyd ungefähr 2 Aequivalente Chlormagnesium enthält. Die erkaltete und erstarrte Mischung wird nun in kleinen Stücken der Einwirkung von überhitztem Wasserdampf ausgesetzt. Es genügt die Erhitzung des Wasserdampfes bis auf 200° C.; zweckmäßig erhitzt man denselben jedoch bis auf 300° C. oder noch stärker. Das sich entwickelnde Chlorgas leitet man durch einen mit Braunsteinstückchen gefüllten Apparat (Tourilles oder aus Sandsteinplatten zusammengesetzte Kästen), in welchem die dem Chlorgas beigemischten Wasser- und Salzsäuredämpfe zurückbleiben, so daß aus demselben nur reines Chlorgas entweicht. Diese Methode der Chlorentwickelung hat vor dem gewöhnlich angewendeten Verfahren bedeutende Vorzüge. Bei letzterem müssen bekanntlich zur Zersetzung von Braunstein und Salzsäure Tourilles, gußeiserne Gefäße oder Steintröge, verwendet werden. Die beiden erstgenannten Apparate sind schon wegen ihrer geringen Capacität für größere Fabriken nicht anwendbar, außerdem aber sind sie bekanntlich allzu schneller Zerstörung durch die Säure und den unvermeidlichen Temperaturwechsel unterworfen. Die meisten Chlorkalkfabriken verwenden deßhalb Steintröge. Diese müssen von außen mit Wasserdampf erhitzt werden, denn das Einleiten von Dampf in die Mischung hat sich als ganz unpraktisch erwiesen, weil hierdurch die Salzsäure zu sehr verdünnt, in Folge dessen ihre Wirkung sehr geschwächt, und außerdem dem Chlorgas allzuviel Wasserdampf beigemischt wird. Das Erhitzen der steinernen Chlorentwickelungströge von außen beseitigt die genannten Uebelstände; aber es erfordert sehr große Mengen Dampf und wird schon hierdurch allzu kostspielig. Hierzu kommt, daß die steinernen Tröge wegen der Seltenheit der dazu qualificirten Steine ziemlich theure Apparate sind und sehr leicht zerspringen, weil sie dem Angriff der Säure und häufigem Temperaturwechsel ausgesetzt sind und demnach keine dicken Wände haben dürfen. Dampf- und Reparaturenconto bilden deßhalb jetzt drückende Lasten für den Chlorkalkfabrikanten. – Ein weiterer Nachtheil der gewöhnlichen Entwickelungsmethode ist, daß dazu nur hochgrädiger und stückiger Braunstein verwendet werden kann, weil Braunsteinpulver nur mittelst Rührapparaten mit der Säure gehörig zu mischen seyn würde, Rührapparate aber unhaltbar und folglich unmöglich sind. Es hat deßhalb der stückige Braunstein einen viel höheren Preis, als der pulverförmige. Alle die vorstehend geschilderten Uebelstände werden bei meinem neuen Verfahren größtentheils vermieden, und außerdem noch dazu ein Material verwendet, welches in manchen Gegenden, wie z.B. bei Staßfurt, in colossalen Quantitäten abläuft und den Umgebungen äußerst lästig wird, nämlich Chlormagnesium. Ich verwende zu meiner Methode der Chlorentwickelung große steinerne Kammern, welche nicht einmal aus Sandsteinplatten zusammengesetzt zu seyn brauchen, sondern auch gemauert seyn können, breite die trockene Mischung von MgCl und Braunstein auf dem Boden oder auf einem über denselben gelegten Rost aus und lasse den überhitzten Wasserdampf entweder von oben oder von unten in die Mischung einströmen. Die Chlorentwickelung erfolgt hierdurch sehr rasch; sie braucht nicht den 20sten Theil der Zeit, welche das jetzt übliche Verfahren erfordert, und es wird daher der Dampf- und Reparaturenconto nach meiner neuen Methode weit weniger belastet. Zweckmäßig ist es, zwischen den Chlorentwicklungsapparat und die Absorptionskammern einen kleinen Gasometer zu legen, welcher als Sammler und Regulator dient. Solche Chlorgasometer sind bekanntlich in manchen Papierfabriken schon längst in Anwendung und werden dort aus Holz, Gutta-percha und ähnlichen von Chlor unangreifbaren Materialien hergestellt. Einen anderen Theil des Chlormagnesiums behandle ich im Sulfat-Muffelofen mit überhitztem Wasserdampf, bis die Salzsäure ausgetrieben ist. Die zurückbleibende Magnesia verwende ich entweder für sich oder in Mischung mit Kalk zur Bereitung von Bleichpulver oder Bleichflüssigkeit auf bekannte Art. II. Verwendung des Chlormagnesiums zur Regeneration des Braunsteins. Die bei Zersetzung des Chlormagnesiums mit überhitztem Wasserdampf zurückbleibende Magnesia verwandelt sich, wenn sie längere Zeit der Einwirkung von Kohlensäure und Wasserdunst ausgesetzt wird, allmählich in neutrale kohlensaure Magnesia (MgO, CO² + 3 HO). Diese verwende ich nun zur Darstellung von kohlensaurem Manganoxydul in derselben Art, wie Dunlop zu gleichem Zwecke den kohlensauren Kalk verwendet, und das kohlensaure Manganoxydul verwandle ich auf bekannte Art – durch Rösten bei gelinder Temperatur – in Manganhyperoxyd. Ich verwende zu diesem Processe dieselben Apparate, welche für die Dunlop'sche Methode der Wiederbelebung des BraunsteinsBeschrieben im polytechn. Journal Bd. CLI S. 52. gebräuchlich sind, und hebe als neu nur die Anwendung der kohlensauren Magnesia an Stelle des kohlensauren Kalkes hervor. – Die erstere hat vor letzterem den großen Vorzug, daß sie bei Umsetzung des Manganchlorürs das Chlormagnesium und folglich auch die Salzsäure und die Magnesia zu regeneriren gestattet, während bei dem Dunlop'schen Verfahren nur Chlorcalcium erzeugt wird, welches bekanntlich weiterer Verwendung nicht fähig ist.Hinsichtlich der Abweichungen dieses Verfahrens von den durch Binks und Macqueen gemachten Vorschlägen verweisen wir auf die Mittheilung im polytechn. Journal Bd. CLXIX S. 231.A. d. Red.