Titel: | Ueber die Anwendbarkeit des Baryts in der Sodafabrication; von Dr. Rudolph Wagner. |
Autor: | Johannes Rudolph Wagner [GND] |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. LI., S. 206 |
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LI.
Ueber die Anwendbarkeit des Baryts in der
Sodafabrication; von Dr. Rudolph Wagner.
Wagner, über die Anwendbarkeit des Baryts in der
Sodafabrication.
In der jüngsten Zeit sind wiederholt Vorschläge über die Benutzung gewisser
Barytpräparate zur Herstellung der Soda im Großen gemacht worden, die zum großen
Theil nicht neu, zum Theil auch nicht ausführbar sind. Seit einer Reihe von Jahren
mit Versuchen über die industrielle Verwerthung des Schwerspaths und Witherits
beschäftigt, war ich in der Lage, einige Erfahrungen in Bezug auf die angeregte
Frage mir erwerben zu können, die ich, obgleich meine Arbeiten noch keineswegs zum
Abschluß gekommen sind, doch veröffentlichen will, um theils zu größeren Arbeiten in
der angedeuteten Richtung anzuregen, theils auch um Irrthümer auszumerzen, die in
Bezug auf die Anwendbarkeit der Barytpräparate zur Sodafabrication in die technische
Chemie sich eingeschlichen haben.
Alle Methoden, die im Laufe der Zeit in Hinsicht auf die Anwendung der
Barytverbindungen zur Sodabereitung vorgeschlagen wurden, lassen sich auf folgende
Principien zurückführen:
1) Zersetzen des kohlensauren Baryts durch schwefelsaures Natron in der Weise, daß
kohlensaures Natron und Barytweiß sich bilden;
2) Zersetzen des schwefelsauren Natrons durch zweifach-kohlensauren Baryt, in
welchem Falle neben schwefelsaurem Baryt zweifach-kohlensaures Natron
entsteht;
3) Zersetzen des schwefelsauren Natrons durch Aetzbaryt;
4) Zersetzen von Natronsalpeter mit Aetzbaryt, in welchem Falle schwer löslicher
Barytsalpeter und Aetznatron sich bilden;
5) Verwendung des Witherits anstatt der Kreide oder des Kalksteines bei der
Zersetzung des Sulfates nach dem gewöhnlichen Leblanc'schen Verfahren.
I. Was die Zersetzung des schwefelsauren Natrons durch
kohlensauren Baryt betrifft, so sind die ersten hierauf sich beziehenden
Versuche vor länger als 30 Jahren von Kastner in Erlangen
angestellt worden, die Ergebnisse waren in keiner Weise befriedigend. Kastner schlug den trockenen Weg ein. Anthon in Prag, welcher im Jahre 1840 die Versuche Kastner's wiederholte, fand, daß die Zersetzung des
Sulfates durch den Witherit nur unvollständig vor sich gehe und die geschmolzene
Masse nur mit großer Schwierigkeit auszulaugen sey.
Zweckentsprechender schien der nasse Weg zu seyn. Kölreuter, Director der Sodafabrik zu Villingen am Schwarzwalde, war der
erste, der ihn betrat. In seiner im Jahre 1828 veröffentlichten ArbeitJournal für technische und ökonomische Chemie, Bd. I S. 365 und polytechn.
Journal Bd. XXVII S. 138. schreibt er vor: durch Fällen von Chlorbarium mit kohlensaurem Ammoniak
erhaltenen kohlensauren Baryt nach dem Auswaschen noch in Breiform in eine Auflösung
von Glaubersalz zu bringen und mit dieser eine Stunde lang umzurühren. Ein Theil
trocken gedachter kohlensaurer Baryt zersetze zwei Theile krystallisirtes
Glaubersalz und gebe 1 1/2 Thle. krystallisirte Soda. Die Vorschläge Kölreuter's blieben nicht unbeachtet und wurden unter
anderem in Mitscherlich's Lehrbuch der Chemie
aufgenommen.Mitscherlich, Lehrbuch der Chemie, Berlin 1847;
Bd. II S. 117. Bei genauer Prüfung zeigte sich freilich, daß die Zersetzung des
schwefelsauren Natrons selbst beim grüßten Ueberschusse des kohlensauren Baryts und
durch anhaltendes Sieden nicht vollständig erfolgt. Zu diesen Ergebnissen gelangten
1832 Erdmann
Journal für ökonomische und technische Chemie, Bd. XIV S. 462. und Buchner.Repertorium der Pharmacie (1832) Bd. XLI S. 402. Dessenungeachtet erhielt C. Lennig
Bayerisches Kunst- und Gewerbeblatt, 1857 S. 82. aus Philadelphia im Jahre 1851 ein Patent in mehreren deutschen Staaten auf
ein Verfahren, mittelst kohlensauren Baryts aus Glaubersalz Soda darzustellen,
nachdem
Keßler
Keßler, Génie
industriel, 1859 S. 109. von neuem auf die Zersetzung des kohlensauren Baryts behufs der Fabrication
von Soda aufmerksam gemacht hatte. In neuester Zeit hat G. Hoffacker
Wagner's Jahresbericht 1863, S. 232., ohne seiner Vorgänger Erwähnung zu thun, die nämliche Methode in Vorschlag
gebracht; Versuche zur Entscheidung der Frage, ob in der That die Zersetzung
vollständig ist und unter welchen Bedingungen sie am besten erfolgt, scheinen nicht
angestellt worden zu seyn.
H. Rose
Poggendorff's Annalen (1855) Bd. XCIV S. 492. sagt in seiner berühmten Arbeit „Ueber die Zersetzung unlöslicher
Salze vermittelst der Lösungen auflöslicher Salze“, daß, wenn man
kohlensauren Baryt mit einer Auflösung von schwefelsaurem Natron behandelt, sehr
bald eine Zersetzung stattfindet und der kohlensaure Baryt sich in schwefelsauren
verwandelt. Nach einiger Zeit enthält der schwefelsaure Baryt keinen kohlensauren
Baryt mehr. Auch beim Kochen des kohlensauren Baryts mit schwefelsaurem Alkali sey
die Zersetzung vollständig.
Bei Wiederholung der Versuche fand ich die Angaben Rose's
bestätigt, doch handelt es sich eben in dem vorliegenden Falle nicht um die
Darstellung von reinem schwefelsauren Baryt, sondern um die Bereitung von
kohlensaurem Natron, und alle meine Versuche zeigten mir, daß eine vollständige
Umwandlung des Barytcarbonats in Sulfat, also eine technische Ausnutzung des
ersteren nicht zu erwarten ist, wenn nicht schwefelsaures Natron in großem
Ueberschusse angewendet wird. Als Resultat der Einwirkung von Glaubersalz auf
kohlensauren Baryt erhält man daher stets ein sulfathaltiges kohlensaures
Natron.
J. Malaguti
Annales de chimie et de physique 1857, (3) t. LI p. 344. gelangte, als er gleiche Aequivalente von kohlensaurem Baryt und
schwefelsaurem Natron mit der nöthigen Menge Wasser kochen ließ, zu folgenden
Resultaten:
Dauer des Siedens.
Zersetzung, ausgedrücktin
Hundertstel-Aequivalenten.
–
Stunde
30
Minuten
56,57
1
„
–
„
60,57
2
„
–
„
67,71
4
„
–
„
71,88
6
„
–
„
71,37
8
„
–
„
73,80
10
„
–
„
73,80
12
„
–
„
75,88
14
„
–
„
73,80
16
„
–
„
75,54
Nun, vorstehende Versuche zeigen wohl zur Genüge, daß an eine
technisch-lucrative Umwandlung des Glaubersalzes in Soda mit Hülfe von
kohlensaurem Baryt auf nassem Wege nicht gedacht werden darf, möge man bei
gewöhnlicher Temperatur oder bei Siedehitze arbeiten.
II. Ein besseres Resultat erzielt man, wenn man zur Zersetzung des schwefelsauren
Natrons sich des zweifach-kohlensauren Baryts
bedient. In diesem Falle ist es möglich, mit gleichen Aequivalenten beider Salze
eine vollständige Umsetzung herbeizuführen. Bei meinen im Jahre 1857 ausgeführten
VersuchenWagner's Jahresbericht 1857, S. 104. wurde zunächst kohlensaurer Baryt in Wasser suspendirt und durch die
milchige Flüssigkeit Kohlensäuregas geleitet, bis durch Bildung von Barytbicarbonat
eine klare Flüssigkeit entstanden war, aus welcher durch Zusatz einer äquivalenten
Menge von Glaubersalzlösung schwefelsaurer Baryt sich ausschied, während zugleich
zweifach-kohlensaures Natron sich bildete. Die durch Glühen des letzteren
Salzes erhaltene Kohlensäure sollte zur Umwandlung neuer Mengen von kohlensaurem
Baryt in Bicarbonat benutzt werden. Später fand ich, daß eine vollständige
Ueberführung des kohlensauren Baryts in zweifachkohlensaures Salz nicht nöthig sey,
und daß eine verhältnißmäßig geringe Menge von Barytbicarbonat die Zersetzung des
schwefelsauren Natrons vollständig machen könne.
A. W. Hofmann
A. W. Hofmann, Reports by the Juries, London
1863, p. 32. sagt in seinem Berichte über die Chemikalien auf der letzten
Industrieausstellung zu London, daß bei Wiederholung meiner Versuche Kuhlmann in Lille befriedigende Resultate erhalten habe,
aber nur, als er einen Druck von 4 bis 5 Atmosphären anwendete. Ich glaube jedoch,
daß in dieser Angelegenheit das letzte Wort noch nicht gesprochen worden ist.
III. Die Zersetzung des schwefelsauren Natrons durch
Aetzbaryt ist schon seit vielen Jahren Gegenstand der Versuche von
Technikern gewesen. So erhielt der Apotheker Henry Fuller
in London im Jahre 1819 ein Patent auf die Zerlegung des Glaubersalzes durch
Barytwasser, um Soda zu gewinnen. Ein Patent für den nämlichen Gegenstand ließ sich
Samuel im Jahre 1838 für England ertheilen; derselbe
bereitet sich Aetzbaryt, indem er Schwefelbarium mit Kupferoxyd kocht, und mit der
erhaltenen Lösung Glaubersalz zersetzt. Anthon (in Prag)
erhielt im Jahre 1840, als er Samuel's Verfahren im
Großen prüfte, durchaus befriedigende Resultate und hielt schon damals diese Methode
dort, wo Aetzbaryt wohlfeil herzustellen ist, für sehr vortheilhaft. Auch G. Hoffacker
Wagner's Jahresbericht 1863, S. 233; polytechn.
Journal, Bd. CLXIX S. 76. (in Stuttgart) empfiehlt dieses Verfahren. Auf Grund vielfacher Versuche
über die leichte und vollständige Zersetzbarkeit des schwefelsauren Natrons durch
Aetzbaryt in allen möglichen Concentrationsgraden und Temperaturverhältnissen, wobei
ich namentlich auch den Angaben H. Rose's
Poggendorff's Annalen Bd. XCV S. 106. beipflichten muß, daß eine Lösung von Natronhydrat den schwefelsauren Baryt
nicht verändert, wenn nur dafür Sorge getragen ist, daß die Kohlensäure der Luft
abgehalten ist, schließe ich mich der jüngst von A. W. Hofmann
A. W. Hofmann, Reports by the Juries, London
1863, p. 64. ausgesprochenen Ansicht vollständig an, daß die fabrikmäßige Darstellung von
wohlfeilem Aetzbaryt eine Umwälzung in dem bisherigen Verfahren der Sodafabrication
bewirken würde.Das aus der Fabrik von Delaune in
Courrières bei Calais in den Handel kommende Barythydrat (gegen 10
fl. der Zollcentner) enthält viel Schwefelbarium.
IV. Die Zerlegung des Natronsalpeters mit Aetzbaryt hat
für die Technik nur in ganz besonderen, durch die Oertlichkeit bedingten Fällen, wo
es sich um die Gewinnung von Barytsalpeter handelt, Bedeutung, und kann daher hier
füglich übergangen werden.
V. Was die Verwendung des Witherits anstatt der Kreide oder des Kalksteins bei der
Zersetzung des Sulfates nach dem gewöhnlichen Leblanc'schen Verfahren der Sodafabrication betrifft, so rühren die ersten
hierauf sich beziehenden Vorschläge von G. Reinar
Wagner's Jahresbericht 1858, S. 118. her. Der nach dem Auslaugen der rohen Soda bleibende, aus Bariumoxysulfuret,
unterschwefligsaurem Baryt und kohlensaurem Baryt bestehende Rückstand soll auf
Barytpräparate verarbeitet werden. Die anzuwendenden Gewichtsmengen der Materialien
werden seyn 100 Thle. Sulfat, 200 Thle. Witherit und 75 Thle. Backkohle. Nun die
Versuche, die ich im Kleinen anstellte, gaben mir durchaus ungenügende Resultate; in
allen Fällen enthielt die durch Auslaugen gewonnene Flüssigkeit beträchtliche Mengen
von Schwefelnatrium, selbst wenn die doppelte Menge Witherit genommen worden war.
Der Baryt scheint eben in weit geringerem Grade als der Kalk die Eigenschaft zu
besitzen, den Schwefel in unlösliche Verbindungen überzuführen. Damit ist aber auch,
ganz abgesehen von dem Kostenpunkt, der Anwendung des Witherits bei dem Leblanc'schen Verfahren das Urtheil gesprochen. A. W. Hofmann
A. W. Hofmann, Reports by the Juries, London
1863, p. 32. sagt, als er bei Gelegenheit der Schilderung der chemischen Producte auf der
Londoner Ausstellung die
Reinar'schen Vorschläge erwähnt, mit völligem Rechte:
„Es ist schwer die Vortheile zu erkennen, die aus der Ersetzung des
kohlensauren Kalkes durch eine Substanz hervorgehen sollen, deren Atomgewicht
mehr als dreimal größer ist. Es muß mithin eine viel größere Masse in dem Ofen
erhitzt und bearbeitet werden, wobei endlich ein Rückstand bleibt, der sich zur
Darstellung von Barytpräparaten weit weniger eignet als der natürliche
kohlensaure Baryt selbst.“