Titel: | Ueber die Gewinnung des Cadmiums zu Engis in Belgien; von Dr. Stadler in Engis. |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. LXXII., S. 287 |
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LXXII.
Ueber die Gewinnung des Cadmiums zu Engis in
Belgien; von Dr. Stadler in Engis.
Aus dem Journal für praktische Chemie, 1864, Bd.
XCI S. 359.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Stadler, über die Gewinnung des Cadmiums zu Engis in
Belgien.
Rohmaterial. – Die in Engis verarbeiteten Erze
enthalten etwas Cadmium, doch sind dessen Mengen höchst unbedeutend. Leider
existiren bis jetzt wenige Analysen, und der Verf. kann hier nur die Resultate
zweier von Hrn. Flathe gemachten anführen, hat aber die
Absicht, später selbst deren verschiedene mit den Erzen vorzunehmen.
Flathe fand in roher Blende
(mine du Dos)
0,21
Proc.
Cadmium.
(mine de la
Molliène)
0,13
„
„
Durch die Röstung wird dieser Cadmiumgehalt noch ganz bedeutend herabgedrückt, so daß
die Erze, wenn sie zur Reduction in die Zinköfen kommen, nur noch einige
Hunderttel, oft nur Tausendtel enthalten (im Mittel 0,02 bis 0,03 Proc.).
Unmittelbar nach der Beschickung der Reductionsröhren a,
Fig. 8,
mit dem üblichen Gemisch aus Erz und Steinkohlenklein werden an die zur Aufsammlung
des Zinks dienenden Thonröhren b conische Röhren aus
Eisenblech c angesetzt, in denen sich das zuerst zur
Verflüchtigung kommende und an der Luft wieder verbrennende Cadmium als braunes
Gemenge von Cadmiumoxyd und kohlensaurem CdO niederschlägt (poussières des allonges), verunreinigt durch mehr oder weniger
Zinkoxyd.
Die allonges genannten Ansatzröhren bleiben so lange, als
die aus den Reductionsröhren schlagende Flamme noch bräunlich brennt, und es ist von
Wesenheit, sie ja nicht allzulange (bis die blauweise blendende Zinkflamme
erscheint) anzusetzen, weil sonst der Cadmiumstaub zu sehr mit Zinkoxyd und
metallischem Zink vermischt würde, was der späteren Verarbeitung, wie der Verf.
zeigen wird, großen Eintrag thut.
Außer diesem Material sammelt man auch noch das vor der Oeffnung d der Thonröhren (tubes) b liegende Gemenge von Kohle, Thon, Zinkoxyd, Zink und
Cadmiumoxyd etc. (poussières des tubes), und
mischt es mit den poussières des allonges; das
Gemenge bildet die als Rohmaterial zur Cadmiumfabrication benutzten poussières cadmiféres.
Die pouss. des allonges enthalten 20 bis 30 Proc.
Cadmium; bis jetzt gefundenes Minimum 20,73 Proc. (Künzel), Maximum 28,29 Proc. (Stadler); im Mittel
25 Proc.; der Gehalt der crasses des tubes schwankt
zwischen 0 und 0,5 Proc. , im Mittel 0,20 Proc. Das Gemenge beider pouss. cadmiféres, wie es in's Magazin geliefert
wird, hatte in der letzten Zeit, nach dem Mittel von 31 Analysen, die der Verf.
gemacht hat, einen Gehalt von 1,70 Proc. (Maximum 2,87 Proc., Minimum 1,07); der am
häufigsten vorkommende Gehalt ist 1,50 bis 1,60 Proc. Außerdem enthalten diese pouss. cadmiféres noch circa 40 Proc. Zink.
Beispiele:
49,14
Proc.
Zn
45,10
Proc.
Zn
1,50
„
Cd
1,00
„
Cd
Flathe.
36,16
Proc.
Zn
42,36
Proc.
Zn
1,25
„
Cd
1,25
„
Cd
Künzel.
100 Theile Erz geben durchschnittlich 3/10 Theile Cadmiumstaub.
Anreicherung des Rohmaterials. – Hat sich im
Magazin eine Menge von 15 bis 20000 Kilogr. dieses Materials angehäuft, so wird eine
Campagne begonnen. Der hierzu nöthige Ofen, Fig. 9, hat völlig
dieselbe Construction wie ein Lütticher Zinkofen, nur ist er viel kleiner und
enthält 15 Röhren (von derselben Größe wie die Zinkröhren) in drei Reihen. Die
Röhren sind von Gußeisen, ebenso die zur Auffangung des metallischen Cadmiums
dienenden Vorlagen (tubes), während die tubes der anderen Röhren, in denen der Staub
angereichert wird, nur aus Thon gefertigt sind.
Ehemals waren thönerne Röhren in Gebrauch, deren Anwendung man aufgegeben hat, weil
der allzuflüchtige Cadmiumdampf durch die Wandungen drang und dadurch große Verluste
stattfanden.
Ist der Ofen angeheizt, so mengt man den Staub mit etwas Steinkohlenklein, chargirt
ihn in die eilf, in Fig. 9 nicht mit + bezeichneten Röhren und setzt tubes und allonges an, in denen der
angereicherte Staub aufgefangen wird. Nach 12 Stunden entleert man die RöhrenDer ausgebrauchte Staub (crasses
zinciféres) enthält immer noch etwas Cadmium,
durchschnittlich 0,4 Proc. (Beispiel: 0,35; 0,35; 0,40) und 40 bis 50 Proc.
Zink (Künzel z.B. 53,30; 51,51; 44,70 Proc.). Er
wird als Zinkerz an die Zinköfen abgegeben und bei seiner Verhüttung
daselbst wieder, wie aus den Erzen, eine gewisse Menge Cadmiumstaub
gewonnen. 100 Kilogr. Rohmaterial geben circa
85,91 Kilogr. crasses zinciféres (Maximum
110 Kilogr., Minimum 61 1/2 Kilogr.). und füllt sie mit einer neuen Ladung, die abermals 12 Stunden bleibt
u.s.f.
Der angereicherte Staub (pouss. enrichies) enthält im
Mittel 6 Proc. Cadmium, und 100 Kilogr. Rohmaterial geben 13 Kilogr. reiches. Der
Gehalt kann auch hier bedeutend schwanken (hauptsächlich in Folge der Temperatur des
Ofens); so fand der Verf. z.B.:
17,19
Proc.
Cadmium,
7,39
„
„
4,66
„
„
3,94
„
„
Die vorhergehenden Tags und Nachts gewonnenen pouss.
enrichies werden nun in die vier mit + bezeichneten Röhren a,
Fig. 10,
geladen, unter Zusatz von etwas Kohlenklein, und an deren Mündung a' auch etwas Kohle gelegt; dann legt man die Vorlagen
b an und verschließt deren Oeffnung b' mit einem in der Mitte durchbohrten Holzpfropf,
welcher das Austreten größerer Mengen Cadmiumdampfes verhindert, den Verbrennungs-
etc. Gasen aber freien Lauf läßt. Ueberdieß werden dann auch noch die allonges c angelegt.
Gleichzeitig werden die übrigen Tiegel mit rohem Staub zum Anreichern gefüllt und so
täglich fortgefahren, bis die Vorräthe erschöpft sind. Täglich reichert man 200 bis
300 Kilogr. Staub an und reducirt die Tags vorher erhaltenen 26 bis 39 Kilogr.
angereicherten Oxydes.
Bei dieser ganzen Arbeit muß die Temperatur des Ofens (und das ist eine Hauptsache)
nur so hoch gehalten werden, als zur Reduction und Verflüchtigung des Cadmiums
nothwendig ist (schwache Rothgluth); steigert man die Hitze zu sehr, so wird auch
Zink in Massen reducirt und verursacht folgende Unannehmlichkeiten:
Das gewonnene Cadmium ist stark zinkhaltig (wie z.B. das zuletzt gegossene stets,
weil man zuletzt, um alles Cadmium auszuziehen, gezwungen ist, die Temperatur etwas
hoch zu treiben).
Die eisernen Retorten werden äußerst heftig von Zink angegriffen und in kurzer Zeit
durchlöchert (darüber unten Näheres).
Je größer daher, wie oben angedeutet, der Zinkgehalt des Rohmaterials, desto
gefährlicher eine zu hohe Temperatur. Hat die Destillation begonnen, so wird alle
Stunden das reducirte Cadmium aus den tubes gezogen und
in eiserne Formen gegossen. Ehemals zog man das Metall erst nach Verlauf mehrerer
Stunden, was der Verf. jedoch, wie gesagt, aus folgenden Gründen geändert hat.
Erstens reagirt das in geschmolzenem Zustande längere Zeit in den gußeisernen tubes oder Vorlagen verweilende Cadmium auf dieselben,
ebenso wie das Zink, d.h. es löst Eisen auf, verliert dadurch an Güte und, wie es
scheint, vorzüglich an Biegsamkeit. Je länger zweitens das Metall in den Vorlagen
bleibt, desto eher hat etwa reducirtes Zink Gelegenheit, dasselbe zu verunreinigen,
was beim jetzigen Verfahren für die ersten Portionen Cadmium gänzlich vermieden
wird.
Das Product wird in drei Classen gesondert:
1ste Qualität, reines Cadmium von annähernd richtigem spec. Gewicht, leicht biegsam
und dabei wie Zinn schreiend, auf frischen Bruchflächen eine Art Fettglanz
zeigend.
2te Qual. (zu 75 Proc. reines Cadmium im Mittel), schwer biegsam, doch ohne zu
brechen.
3te Qual. (zu 40 Proc. reines Cadmium im Mittel), läßt sich nicht ohne zu brechen
biegen, äußerst krystallinisch.
Aus 13 Kilogr. angereicherten Staubes (= 100 Kilogr. Rohmaterial) zieht man
durchschnittlich:
0,345
Kilogr.
Cadmium
1ster
Qualität,
0,121
„
„
2ter
„
0,189
„
„
3ter
„
Der Rückstand der vier Röhren beträgt im Mittel 8,34 Kilogr. und enthält noch 0,30
Proc. Cadmium (0,26 Proc., 0,24 Proc., 0,40 Proc.); er findet keine weitere
Verwendung.
(NB. Die im Vorhergehenden und Folgenden angeführten
Zahlen sind nach der letzten dreimonatlichen Campagne und unter Zugrundelegung von
gegen 150 AnalysenDie cadmiumhaltigen Rohstoffe und dergl. analysirt der Verf. auf folgende
Art:Je nach dem wahrscheinlichen Reichthum des Stoffes werden 2 bis 5 Grm. mit
Schwefelsäure unter Zusatz von etwas Salpetersäure behandelt, die Lösung
sammt dem Ungelösten zur Trockne verdampft und stark erhitzt. Dadurch wird
ein gut Theil der Eisensalze zersetzt, während CdO, SO³ (und ZnO,
SO³) unzersetzt bleibt. Man kocht mit Wasser aus und filtrirt; nur
eine Spur von dem in unserem Material fast stets vorhandenen Blei geht in
Lösung, die Hauptmenge bleibt als PbO, SO³ ungelöst. Aus dem schwach
angesäuerten Filtrate wird durch Schwefelwasserstoffgas alles Cadmium und
Blei nebst einem Theil des Zinks ausgefällt. Der Niederschlag wird mehrmals
durch Decantiren ausgewaschen und dann in der Wärme mit überschüssiger
Schwefelsäure behandelt; Schwefelblei bleibt ungelöst, während alles Cadmium
und Zink in Lösung geht. Aus dem stark sauren Filtrate wird nun das Cadmium
als Schwefelcadmium ausgefällt und als solches gewogen. Je nach den
Umständen, wenn sehr viel Zink und sehr wenig Cadmium vorhanden ist, muß die
Fällung aus schwach saurer Lösung wiederholt werden, ehe man zur letzten
Fällung schreitet.Der Gehalt des metallischen Cadmiums an reinem Cadmium (und Zink) wird aus
dem spec. Gewicht berechnet unter Zugrundelegung der Formel:(x – 6,8)100/18 oder
(x – 6,8) 5,555 = Cadmium,worin x das spec. Gewicht
des zu untersuchenden Gemisches aus Zink und Cadmium bezeichnet. Die
Resultate sind zwar nichts weniger als absolut genau, aber für unsern Zweck
vollständig hinreichend. Das spec. Gewicht bestimmt der Verf. nach der von
Phipson (polytechn. Journal Bd. CLXVI S. 79)
angegebenen Methode, die, was Schnelligkeit betrifft, nichts zu wünschen
übrig läßt und bei einiger Uebung auch vollständige Genauigkeit gestattet,
wie sich der Verf. durch Versuche überzeugt hat. berechnet).
Uebersicht. – 100 Kilogr. Cadmiumstaub zu 1,70
Proc. Cadmium, entsprechend 1,70 Kilogr., geben:
Kilogr.
Cadmium.Kilogr.
des im Staubenthaltenen
Metalles.Proc.
85,91 Tiegelrückstände zu 0,4 Proc.
=
0,340
=
20,00
13 angereicherter Staub zu
6 Proc.
=
0,780
=
45,88
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
1,120
=
65,88
Verlust durch Verflüchtigung
0,580
=
34,12
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Wie oben
1,700
100,00
Die 13 Kilogr. angereicherten Staubes
=
0,780
=
45,88
geben:
8,34 Tiegelrückstände zu 0,30 Proc.
=
0,020
=
1,17
0,345 Cadm. 1ster Qual. zu 100
„0,121 „
2ter Qual. zu 75
„0,189 „
3ter Qual. zu 40
„
===
0,3450,0910,076
0,542
=
30,12
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
0,532
=
31,29
Verlust durch Verflüchtigung
0,248
=
14,59
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Wie oben
0,780
=
45,88
Also:
Kilogr.
des im Rohmaterialenthaltenen Cadmiums.
Ausgezogen
0,512
Cadmium
oder
30,12 Proc.
Verloren
in den Rückständendurch
Verflüchtigung
0,3600,828
„„
„„
21,17 „48,71 „
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
1,700
100,00 Proc.
Die Hütte zu Engis ist diejenige, welche in Europa die größte Cadmiumproduction
aufzuweisen hat. Sie producirt jährlich über 110 Kilogr. erster Qualität und etwa 50
Kilogr., die im Metall zweiter und dritter Qualität enthalten sind und durch weitere
Operationen gewonnen werden müssen.
Nach Kerl producirte die Lydogniahütte in Schlesien 201
1/2 Pfd., und nach der amtlichen Productionsübersicht betrug 1860 und 1861 die
jährliche Menge in ganz Preußen 2 Ctr.; dabei übertrifft das Cadmium von Engis das
schlesische weit an Reinheit und Güte.
Ein wirklich industrielles Verfahren zur Verarbeitung der zwei letzten Sorten ist
noch nicht bekannt. Früher versuchte man durch Destillation Zink und Cadmium zu
trennen. Es wurden anfangs Thongefäße, glasirte und unglasirte, angewendet; durch
deren Porosität aber und wegen der Flüchtigkeit der Cadmiumdämpfe (das Metall
sickerte förmlich durch die Wandungen) hatte man solche Verluste, daß der Gebrauch
von dergleichen Gefäßen aufgegeben werden mußte. Alsdann destillirte man aus
eisernen Retorten. Abgesehen von ungeheuren Verlusten durch Verflüchtigung, die auch
hier nicht zu vermeiden waren; abgesehen davon, daß das Destillat stets noch
zinkhaltig war, mußte man von dieser Methode auch deßhalb Abstand nehmen, weil die
Gefäße durchlöchert wurden, gußeiserne fast sofort, schmiedeeiserne nach ein bis
zwei Tagen. Das Cadmium- und Zinkgemisch schmilzt, und bei der zur Erzeugung des
Cadmiumdampfes nöthigen Temperatur wirkte das flüssige Zink dermaßen auf das Eisen
ein, daß die Wandungen unter Bildung einer Legirung förmlich aufgezehrt wurden.