Titel: | Ueber ein neues Verfahren zur Reinigung der schweren Oele des Steinkohlentheers und über einen in diesen Oelen enthaltenen neuen Kohlenwasserstoff; von A. Béchamp. |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. CXII., S. 474 |
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CXII.
Ueber ein neues Verfahren zur Reinigung der
schweren Oele des Steinkohlentheers und über einen in diesen Oelen enthaltenen neuen
Kohlenwasserstoff; von A. Béchamp.
Aus den Comptes rendus,
t. LIX p. 47, Juli 1864.
Béchamp, über ein neues Verfahren zur Reinigung der schweren
Oele des Steinkohlentheers.
Mit dem Collectivnamen schwere Steinkohlentheer-Oele
bezeichnet man ein Gemenge mehrerer Hydrocarbüre oder flüssiger Kohlenwasserstoffe,
aus welchem das Benzin bereits abgeschieden ist. Ich habe mich speciell mit dem
Theile dieser Oele beschäftigt, dessen Siedepunkt zwischen 110° und
170° C. liegt. Durch Behandlung mit verdünnter Schwefelsäure und verdünnter
Kalilauge lassen sich diese Oele nicht in einen Zustand überführen, in welchem durch
fractionirte Destillation die verschiedenen in ihnen enthaltenen Kohlenwasserstoffe
von einander getrennt werden können.
Während ich mich mit der Fabrication des Anilins und der verschiedenen aus demselben
darstellbaren Farben beschäftigte, machte ich die Beobachtung, daß sich Zinnchlorid
im Benzin selbst unmittelbar mit dem Anilin und den übrigen Basen des
Steinkohlentheers verbinden kann.
Die sogleich mitzutheilende Behandlungsweise beruht ganz auf der leichten Bildung
jener Zinnverbindungen, auf welche ich damals aufmerksam machte.Comptes rendus vom 3. September 1860. Das wasserfreie Zinnchlorid ist in den Hydrocarbüren des Steinkohlentheers löslich,
wogegen seine Verbindungen mit den etwa darin vorhandenen Basen in den Hydrocarbüren
unlöslich sind; wenn man demnach Zinnchlorid in diese schweren Oele gießt, so
entsteht ein die Zinnverbindungen enthaltender Niederschlag.
Ich habe schwere Theeröle von verschiedenen Fabriken untersucht; sie waren klar, nur
schwach gefärbt, von sehr starkem, unangenehmem Geruche, der von der Gegenwart
mehrerer übelriechender Basen und verschiedener anderer Producte herrührt, welche
bei der Destillation mit übergehen, sobald die Temperatur 110° bis
120° übersteigt, und die Reinigung dieser Kohlenwasserstoffe sehr erschweren.
Meine Behandlungsweise war die folgende.
Mittelst eines vorläufigen Versuchs wird die zur vollständigen Fällung der die
Hydrocarbüre verunreinigenden basischen Verbindungen erforderliche Menge von
rauchendem Zinnchlorid bestimmt; darauf wird eine der Portion, welche man zu
reinigen beabsichtigt, proportionale Quantität der Zinnverbindung hinzugefügt (nach
der Beschaffenheit der Proben bedarf man davon 60 bis 100 Gramme auf 5 Liter). Es
entsteht sofort ein pulverförmiger oder schleimiger Niederschlag, welcher sich am
Boden des Gefäßes bald ansammelt.Es bedarf wohl kaum der besondern Bemerkung, daß sich die in diesem
Niederschlage enthaltenen organischen Basen sehr leicht abscheiden lassen
und daß man aus demselben beträchtliche Mengen Anilin gewinnen kann. Die darüber stehende Flüssigkeit wird vor jeder weiteren Behandlung der
Destillation unterworfen. Nachdem die Hydrocarbüre übergegangen, sind in der Retorte
noch größere oder geringere Mengen übelriechender, theerartiger Stoffe vorhanden,
welche bei weiterem Erhitzen viel Naphtalin abgeben.
Bevor man zur fractionirten Destillation der Hydrocarbüre schreitet, rührt man
dieselben mit Wasser, welches durch kohlensaures Natron alkalisch gemacht worden,
zur Entfernung jeder Spur von überschüssigem Zinnchlorid, tüchtig um. Mittelst
dieses Verfahrens, welches sich leicht für die Technik verwendbar machen läßt, wird
der Siedepunkt des Gemisches der flüssigen Kohlenwasserstoffe bedeutend erniedrigt
und zwar in solchem Grade, daß durch Destillation aus einem mit Chlorcalcium
gesättigten Wasserbade noch viel Benzin (ein Zehntel bis ein Sechstel) aus den
Steinkohlentheerölen gewonnen werden kann, welche von diesem Körper Nichts mehr
abgeben. Durch Behandlung des Rückstandes mittelst fractionirter Destillation erhält
man neue Quantitäten Benzin und auf diese Weise lassen sich leicht mehrere bereits
bekannte Hydrocarbüre nebst einem neuen abscheiden, welches im Steinkohlentheer
bisher noch nicht nachgewiesen war, nämlich:
Benzin,
siedet
zwischen
80° u. 86° C.,
Toluen,
„
„
110° u. 114°
Xylen,
„
„
126° u. 130°
neues Hydrocarbür, siedet zwischen
138° u. 140°
Cumen,
siedet
zwischen
148° u. 151°
Cymen
„
„
172° u. 175°
Neues Hydrocarbür aus dem Steinkohlentheer. – Bei
sorgfältiger Rectificirung der zwischen 130° und 150° erhaltenen
Destillationsproducte beobachtete ich mehrfach, daß das Thermometer bei ungefähr
140° längere Zeit hindurch denselben Stand behielt, bei einer Temperatur
also, welche zwischen dem Siedepunkte des Xylens und dem des Cumens ziemlich in der
Mitte liegt. Ich habe nun die verschiedenen Fractionirungen auf engere Grenzen
eingeschränkt, indem ich den Gang der Destillation öfter unterbrach und die
übergegangenen Producte sammelte; bei Verarbeitung von ungefähr 15 Litern Rohölen
(die von verschiedenen Proben herstammten) gelang es mir hierbei 1 Liter eines
flüssigen, bei 140° siedenden Kohlenwasserstoffes abzuscheiden. Bei
nochmaliger Rectification gieng das Ganze zwischen 139° u. 140° über.
Diese Constanz des Siedepunktes spricht direct gegen die etwaige Annahme, daß der
betreffende Körper ein Gemisch von Xylen und Cumen sey. Zu vollständigerer Reinigung
schüttelte ich das neue Hydrocarbür mit einem Viertel seines Volums concentrirter
Schwefelsäure, welche sich noch schwach gelb färbte; darauf wusch ich es mit
alkalisch gemachtem Wasser, trocknete es über Chlorcalcium und rectificirte es über
wasserfreier Phosphorsäure und zuletzt über Natrium. Nach dieser Behandlung fixirte
sich sein Siedepunkt zwischen 138° u. 139°. Durch nochmaliges
Aufbewahren über Natrium und Rectificiren über letzteres gelang es mir schließlich,
etwa 900 Kubikcentimeter eines von Anfang bis zuletzt zwischen 139° u.
140° siedenden Productes zu erhalten.
In diesem Zustande ist das neue, sehr stark lichtbrechende Hydrocarbür vollkommen
klar und farblos, und von einem an den des Benzins, oder vielmehr des Toluens
erinnernden, jedoch angenehmeren Geruche. Außer durch die Constanz seines
Siedepunktes unterscheidet sich dieser Körper noch durch andere Eigenschaften
deutlich von den anderen Homologen des Benzins.
Es ist bereits zwei Jahre her, daß mir die Isolirung dieses Körpers, von welcher ich
damals der Akademie der Wissenschaften zu Montpellier Mittheilung machte, gelang;
andere Arbeiten hielten mich von weiterer Verfolgung des Gegenstandes ab; doch habe
ich denselben neuerlich in Gemeinschaft mit Hrn. Moitessier wieder aufgenommen.