Titel: | Theoretische und praktische Untersuchungen über die Entstehung der positiven photographischen Bilder; von Girard und Davanne. |
Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. LXXVI., S. 307 |
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LXXVI.
Theoretische und praktische Untersuchungen über
die Entstehung der positiven photographischen Bilder; von Girard und Davanne.
Aus den Comptes rendus, t. LVIII p. 634 et
699.
Girard und Davanne, theoretische und praktische Untersuchungen über
die Entstehung der positiven Lichtbilder.
Die photographischen Bilder, namentlich die sogenannten positiven Abzüge, sind das
Resultat interessanter Umwandlungen, welche man, ohne sie näher untersucht zu haben,
als Anomalien zu betrachten versucht seyn könnte. Bei jeder neuen Operation schwankt
der Farbenton, die Schärfe, die Intensität, die Haltbarkeit der Producte innerhalb
sehr weiter Grenzen, ohne daß die Ursachen dieser Schwankungen klar vorliegen.
Obgleich bisher unerklärt, müssen diese Umwandlungen doch in die Kategorie der
gewöhnlichen chemischen Reactionen gewiesen werden. Die Richtigkeit dieses Satzes
klar zu beweisen, ist der Zweck der langen Reihe von Untersuchungen, mit denen wir
uns seit bereits zehn Jahren beschäftigen und deren Resultate wir der
(französischen) Akademie hiermit in kurzer Uebersicht vorlegen.
Zur Erzeugung eines positiven Abzugs nimmt der Photograph ein mit Albumin, Gelatine
oder Stärkekleister überzogenes Papierblatt, tränkt dasselbe mit einem löslichen
Chlormetalle (Chlornatrium) und unterwirft es dann der empfindlich machenden
Einwirkung einer Silberlösung. Nun ist das Blatt zur Belichtung vorbereitet; unter
einen – negativen – Abzug gebracht, reproducirt es die zartesten
Details desselben im
umgekehrten Sinne. In diesem Momente hat das Bild einen schönen, starken Glanz,
allein dieser würde sehr bald vergehen, wenn ihn der Photograph nicht mit Hülfe von
Reagentien, welche die nicht belichteten Theile des angewendeten Silbersalzes
aufzulösen vermögen, fixirte, und sein Colorit würde sich auf die rothen Töne,
welche es in Berührung mit den Fixirungsmitteln annimmt, beschränken, wenn es nicht
schließlich der Einwirkung von färbenden Flüssigkeiten unterworfen würde, welche man
Tonungsmittel nennt.
Wir haben diese verschiedenen Operationen Schritt für Schritt verfolgt, und bei einer
jeden von ihnen neue Thatsachen beobachtet, von denen wir hier eine kurze Uebersicht
geben wollen.
Das Papier. – Es ist eine den Photographen
wohlbekannte Thatsache, daß Abzüge, welche unter ganz gleichen Bedingungen aber mit
Papier von verschiedenen Bezugsquellen dargestellt worden, gänzlich verschiedene
Töne annehmen. Wir haben die Ursache dieser Schwankungen in dem Einflusse des
Ueberzugs von organischer Substanz gefunden, welchen das photographische Papier bei
seiner Präparation erhält. Ein auf nicht präparirtem Papier dargestellter Abzug
erscheint beim Herausnehmen aus dem Entwickelungsbade grau und flach; zeigt hingegen
auf Papier, welches mit Gelatine, Albumin oder Stärke überzogen ist, stets rothe und
glänzende Farbentöne, deren Kräftigkeit mit der Dicke des Ueberzugs zunimmt. Es
entsteht nämlich in diesem Falle zwischen den organischen Bestandtheilen des
Ueberzugs und den Silberverbindungen eine wirkliche Verbindung, ein wahrer Farblack, dessen Einwirkung bis zur Vollendung des Abzugs
sich geltend macht. Die Richtigkeit dieser Behauptung läßt sich unmittelbar und ganz
leicht beweisen. Unterwirft man ein Gemenge von Chlorsilber und salpetersaurem
Silberoxyd längere Zeit der Einwirkung des Lichtes und behandelt es dann mit
unterschwefligsaurem Natron, so erhält man als Rückstand ein graues Metallpulver;
versetzt man hingegen das erwähnte Gemenge von Silbersalzen mit Gelatine, Albumin
oder Stärke, so erhält man bei gleicher Behandlung eine Substanz, welche nach und
nach zu einem rothen glänzenden Firnisse austrocknet, in welchem die Analyse die
Gegenwart von Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff nachweist. Dieser Lack,
welcher Silber und organische Stoffe enthält, spielt bei der Erzeugung des
photographischen Bildes eine bedeutende Rolle, auf deren Wichtigkeit zurückzukommen
wir weiter unten, bei näherer Erörterung der Ursachen, denen das Verderben der
Abzüge zuzuschreiben ist, Veranlassung haben werden.
Chemische Präparirung des Papiers. – Die erste
Operation, der das Papierblatt unterworfen werden muß, ist die Tränkung mit einem löslichen
Chlormetalle; gewöhnlich wendet man zu diesem Zwecke Chlornatrium an, jedoch sind
von den Photographen mehrere andere Chlormetalle, denen besondere Eigenschaften
zugeschrieben werden, empfohlen worden. Wir haben den Nachweis geliefert, daß die
Verschiedenheiten in der Wirkungsweise dieser Chlormetalle mehr scheinbar, als
wirklich begründet sind; sie werden nämlich einzig und allein durch den wandelbaren
Säureüberschuß bedingt, welchen diese Salze enthalten. Mit einem und demselben
Chlormetalle kann man sehr verschiedene Färbungen der Abzüge erhalten; dieselbe
Chlorverbindung gibt, je nachdem ihr überschüssige Säure oder überschüssiges Alkali
beigemischt ist, stets einen mehr in's Rothe fallenden Ton, als wenn sie in
neutralem Zustande angewendet wird. Dieses Resultat findet seine Erklärung ganz
ungezwungen in der normalen Wirkung der Säuren und Alkalien auf die zum Ueberziehen
des Papiers angewendeten organischen Substanzen.
Das Sensibilisiren oder Empfindlichmachen. –
Nachdem das Papier mit Chlornatrium getränkt und getrocknet worden ist, kommt es in
ein Bad von salpetersaurem Silberoxyd; nach der Entfernung aus diesem Bade besteht
die sensible Oberfläche des Papierblattes aus Chlorsilber, ferner aus einer
Verbindung von Gelatine, Albumin oder Stärke mit salpetersaurem Silberoxyd und
drittens aus nicht gebundenem, überschüssigem salpetersauren Silberoxyd. Zur
Darstellung eines schönen Abzugs ist die Gegenwart dieser drei Substanzen
unerläßlich; Chlorsilber allein gibt ein mattes, oberflächliches Bild, welches sich
freilich sehr rasch erzeugt; durch das überschüssige freie Silbernitrat erhält dieß
Bild die nöthige Tiefe, und der organische silberhaltige Lack gibt ihm die
charakteristische rothe Färbung. Das sensibilisirende Bad kann in seinem Gehalte
sehr variiren; in unserer ausführlichen Abhandlung haben wir die Wirkungen dieser
Schwankungen sorgfältig untersucht. Jenes Bad kann neutral, sauer oder alkalisch
seyn; in den beiden letzteren Fällen ist die Wirkung dieselbe wie wenn das
Chlorsilberbad mit Säure oder Alkali versetzt worden wäre.
Die Belichtung. – Die Bestimmung des auf der
sensibeln Fläche, von deren Zusammensetzung wir so eben sprachen, in Folge der
Einwirkung des Lichtes stattfindenden Vorganges ist vom theoretischen Gesichtspunkte
aus sicherlich der wichtigste Punkt der uns hier beschäftigenden Untersuchungen.
Allgemein wird angenommen, daß das Chlorsilber durch die Einwirkung der
Sonnenstrahlen eine Zersetzung erleidet und einen Theil seines Chlorgehalts abgibt;
allein in der Wirklichkeit ist die Frage weit verwickelter, als dieß beim ersten
Anblick der Fall zu seyn scheint, denn es ist zu untersuchen, sowohl was aus dem Chlorsilber, als auch
was aus der organischen Silberverbindung und aus dem freien Silbernitrat wird.
Beschäftigen wir uns zunächst mit dem Chlorsilber. Lange Zeit galt die Annahme, daß
diese Substanz durch das Licht zu Silberchlorür (Subchlorid), Ag²Cl, reducirt
werde; wir haben indessen nachgewiesen, daß dieß nicht der Fall ist, und wir nehmen
an, daß die zersetzten Theile des Chlorids vollständig in Chlor und Silber zerlegt
wurden. Wir haben diesen Cardinalpunkt dadurch festgestellt, daß wir zunächst die
Löslichkeit des durch die Einwirkung des Lichtes auf das Silberchlorid entstandenen
Productes in heißer Salpetersäure nachwiesen, während die Unlöslichkeit des Chlorürs
Ag²Cl in diesem Reagens eine der wesentlichsten Eigenschaften des
letztgenannten Salzes ausmacht; dann aber bewiesen wir auch, daß jenes Product,
nachdem es mittelst unterschwefligsaurem Natrons von nicht reducirtem Silberchlorid
befreit worden, keine Spuren von Chlor mehr enthält.
Allerdings ist gegen den letztgenannten Beweis angeführt worden, daß das Chlorür,
Ag²Cl, durch das als Fixirungsmittel angewendete unterschwefligsaure Natron
möglicherweise in Chlorid, AgCl, welches sich dann im erwähnten Natronsalze löste,
und in metallisches Silber zersetzt werden könnte. Indessen ist der einzige zu
Gunsten dieser Hypothese angeführte Versuch von Belang die Veränderung im Colorite
des belichteten Abzuges, welche beim Contacte mit dem Fixirungsmittel stattfindet.
Nun werden wir aber den Beweis liefern, daß diese Veränderung von einer ganz anderen
Ursache, nämlich von einer Hydratisirung, einer Wasseraufnahme des organischen
Silberlacks bedingt wird und daß man dasselbe Resultat erhält, wenn man das Bild
bloß den Dämpfen von kochendem Wasser aussetzt. Das Silberchlorid wird demnach durch
die Einwirkung des Lichtes in Chlor und in metallisches Silber verwandelt.
Durch das in Folge dieser Zersetzung frei werdende Chlor wird dem freien
salpetersauren Silberoxyd die wichtige Rolle ertheilt, welche es in der positiven
Photographie spielt. Ein mit Silberchlorid allein dargestellter Abzug ist, wie schon
gesagt, stets flach und ohne Effect, bei Gegenwart von überschüssigem Nitrat
hingegen erhält er großen Glanz. Dieses Resultat läßt sich leicht erklären: die
Einwirkung des Lichtes auf eine gleichmäßige Fläche von Silberchlorid findet nämlich
sehr bald ihre Grenzen in der durch die oberflächliche Reduction der
Silberverbindung erzeugten undurchsichtigen Schicht; ist aber das Silberchlorid mit
freiem Silbernitrat gemengt, so bilden sich neben den Theilen die sich reduciren und
unter dem Einfluß des Chlors, welches diese entbinden, neue Antheile von
Silberchlorid, auf welche das Licht dann einwirken kann, weil diese Antheile vorher, im Zustande von
Nitrat, einen selbständigen Platz einnahmen und noch nicht von reducirtem Silber
bedeckt sind. Auf diese Weise erzeugen sich anstatt eines flachen Bildes
verschiedene über einander liegende Ebenen, welche dem Bilde die nöthige Tiefe
geben.
Gleichzeitig mit der Reduction des Silberchlorids zu metallischem Silber reducirt
sich auch die organische Silberverbindung und bildet eine Art von unlöslichem Lack,
welcher sich hernach beim Contacte mit den alkalischen Fixirungsmitteln hydratisirt
und dem Abzuge einen sehr deutlichen rothen Ton ertheilt.
Die Anwendung dieser Fixirungsmittel eröffnet die zweite Reihe der in der positiven
Photographie erforderlichen Manipulationen.
Die Fixirung. – Wir bewiesen im Vorstehenden, daß
das Bild, wie es aus dem Expositionsrahmen kommt, aus unveränderten, d.h. von den
Wirkungen des Lichts unberührt gebliebenen Silberverbindungen und aus metallischem
Silber besteht, dessen Gemenge mit dem organischen silberhaltigen Lacke den
gefärbten Partien einen reichen, violettrothen Ton gibt. Zweck der Fixirungsmittel
ist zunächst, die nicht reducirten Verbindungen zu lösen und zu entfernen, sie haben
aber auch noch eine andere Wirkung. Nachdem das Bild in das Fixirungsbad eingetaucht
worden, verliert es bald sein violettes Colorit und überzieht sich mit einer
deutlich ziegelrothen Schichte. Lange Zeit nahm man an, daß sich bei diesem Vorgange
das Silberchlorür Ag²Cl in Silberchlorid, AgCl, welches im Fixirungsmittel
löslich ist, und in metallisches Silber verwandle. Wir haben nachgewiesen, daß diese
Erscheinung in anderer Weise erklärt werden muß; dieselbe besteht in einer bloßen
Hydratisirung des organischen Silberlacks, welcher bei der Berührung mit dem stets alkalischen Fixirungsmittel anschwillt, wodurch
sich dessen ursprüngliche Färbung verändert. Diese Veränderung der Färbung läßt sich
auch in der That nicht bloß bei einem photographischen Abzuge, sondern auch bei dem
Lacke für sich allein hervorbringen, wenn man jenen oder diesen den Dämpfen von bis
auf 80° C., oder bis zum Kochen erhitztem Wasser aussetzt. Bei der Fixirung
von reinem, am Tageslichte reducirtem Silberchlorid findet etwas Aehnliches durchaus
nicht statt.
Das gebräuchlichste Fixirungsmittel ist unterschwefligsaures Natron. Die Anwendung
von Ammoniak und Cyankalium ist mit Nachtheilen verknüpft, welche wir in unserem
größeren Aufsatze ausführlich dargelegt haben. Das unterschwefligsaure Natron ist
hingegen frei von solchen, wenn es mit Sorgfalt angewendet wird; es löst die nicht
belichteten Silberverbindungen leicht auf, ohne auf die durch das Licht gefärbten
Stellen merklich einzuwirken; auch hinterläßt es in dem Abzuge keine Schwefelverbindung, welche
später das Verderben des Bildes veranlassen könnte. Die einzigen Vorsichtsmaßregeln,
welche bei Anwendung des Hyposulfits zu beobachten sind, bestehen darin: 1) das
Blatt durch wiederholtes Auswaschen in Wasser von dem in ihm noch enthaltenen
überschüssigen Silbernitrat sorgfältig zu befreien; 2) aus demselben auch die
Salpetersäure, womit es bei der Belichtung imprägnirt worden, zu entfernen, was
durch Zusatz von etwas doppelt-kohlensaurem Natron zum Waschwasser leicht zu
bewirken ist; 3) stets darauf zu sehen, daß die Lösung des unterschwefligsauren
Natrons niemals vollkommen mit Silbersalzen gesättigt ist.
Beim Fixiren werden alle auf der Platte befindlichen nicht belichteten Verbindungen
in unterschwefligsaures Silberoxyd, AgO, S²O², verwandelt. Dieses Salz
kann aber nur durch Vermittelung von mindestens 2 Aequivalenten unterschwefligsaurem
Natron gelöst bleiben; sind diese nicht vorhanden, so entsteht anstatt des löslichen
Doppelsalzes (AgO, S²O²) + 2(NaO, S²O²) die in Wasser
unlösliche Verbindung (AgO, S²O²) + (NaO, S²O²), welche
in dem Abzüge ein schwefelndes Element zurückläßt, das sich durch Auswaschen nicht
beseitigen läßt.
Vor Kurzem hat Meynier zu Marseille als neues
Fixirungsmittel das Schwefelcyanammonium (Rhodanammonium)
empfohlen. Dieses Salz scheint vor dem unterschwefligsauren Natron bedeutende
Vorzüge zu haben; allein sein noch ziemlich hoher Preis hat seine Verwendung in der
Praxis bisher verhindert.
Das Tonen. – Das Tonen ist, vom künstlerischen
Standpunkte aus, unter den Operationen, womit wir uns hier beschäftigen müssen, die
wichtigste; überdieß ist sie, vom wissenschaftlichen Gesichtspunkte aus, die
interessanteste. Die ziegelrothen Töne, welche die Abzüge im Fixirungsbade annehmen,
mißfallen dem Auge; dieselben durch angenehmere Färbungen zu ersetzen, ist der Zweck
des Tonens. Seitdem wir vor einigen Jahren nachgewiesen haben, von welchem
nachtheiligen Einfluß bezüglich des Verderbens der Lichtbilder die bis dahin übliche
Anwendung alter oder angesäuerter Bäder von Hyposulfit zum Tonen ist, werden hierzu
fast ausschließlich die Goldsalze, namentlich das Chlorgold, angewendet.
Das Tonen mit Goldsalzen, gleichviel ob es vor oder nach dem Fixiren geschieht,
erfolgt dadurch, daß sich Gold dem Silber substituirt. Vielfache, unter den
mannichfaltigsten Bedingungen und Verhältnissen ausgeführte Versuche haben uns
gezeigt, daß das Gold, sowohl das metallische Silber, als das einen Bestandtheil des
organischen Lacks bildende Silber ersetzt. Im Allgemeinen findet man auf einem getonten Abzuge 4 Theile
Silber, welche durch 1 Theil Gold vergoldet sind; so lange man das Bild auch im
Tonbade lassen mag, so verschwindet das Silber doch niemals vollständig; selbst nach
dreißigstündigem Contacte mit häufig erneuerten Goldlösungen enthält der Abzug noch
eine Quantität Silber, welche etwa den vierten Theil vom Gesammtgewichte der
Metalle, aus denen er besteht, ausmacht.
Der Vorschriften zur Bereitung des Goldbades gibt es unzählige; wir haben dieselben
in drei, scharf charakterisirte Classen gebracht. Es sind dieß:
1) Die sauren Präparate, in denen das käufliche saure Goldchlorid, eine Verbindung von Goldchlorid mit
Chlorwasserstoffsäure (AuCl³, HCl), welcher man oft noch
Chlorwasserstoffsäure hinzusetzt, figurirt. In diesen Bädern verliert das Bild 3
Aequiv. Silber, welche sich in Chlorid umwandeln, und nimmt dagegen 1 Aequiv. Gold
auf. In Folge dieses quantitativen Mißverhältnisses zwischen entzogenem Silber und
aufgenommenem Golde, sowie auch in Folge des sauren Zustandes der Lösung,
verschwinden die lichten Partien des Bildes häufig.
2) Die neutralen Präparate, bei deren Anwendung man sehr
merkwürdige Resultate erhält. Man stellt sie mittelst Kaliumgoldchlorid (KCl,
AuCl³ + 5 HO) dar, indem man die etwa vorhandenen geringen Mengen von freier
Säure mit Kreide genau sättigt. Sich selbst überlassen, entfärben sich die auf diese
Weise bereiteten und im passenden Grade verdünnten Bäder im Verlauf von vier und
zwanzig Stunden; das Goldchlorid, AuCl³, scheint sich in Goldchlorür, AuCl,
umgewandelt und das dabei frei gewordene Chlor auf die vorhandenen Verbindungen so
reagirt zu haben, daß sie sich oxydirten und zweifelsohne das Chlorkalium in
chlorsaures Kali umgesetzt wurde. Die Wirkung der neutralen Bäder ist eine sehr
regelmäßige; in ihnen findet das Tonen binnen wenigen Minuten statt, und da hierbei
gegen 1 Aequivalent sich ablagernden Goldes dem Bilde nur 1 Aequiv. Silber entzogen
wird, so gewinnt der Ton des Bildes an Kraft und wird reicher. Ueberdieß sind
derartige Bäder fortwährend zum Arbeiten brauchbar; man hat ihnen nur nach jeder
neuen Reihe von Abzügen eine der durch die früheren Operationen entzogenen gleiche
Menge Goldsalz wieder zuzusetzen.
3) Die alkalischen Präparate. Bei diesen wird der eben
besprochene Neutralisationspunkt durch Zusatz eines Ueberschusses von einem
alkalischen Salze, von kohlensaurem, essigsaurem, phosphorsaurem etc. Natron
überschritten. Auch bei Bädern dieser Art scheint sich das Goldchlorid zu Chlorür zu
reduciren; letzteres erlangt aber in Gegenwart des Alkaliüberschusses eine
eigenthümliche Stabilität; schon nach wenigen Tagen ist das Bad zum Tonen ganz unbrauchbar, obgleich es
dann wenigstens noch zwei Drittheile von dem angewendeten Golde enthält. Solche
Bäder geben nur in der verhältnißmäßig kurzen Periode, während welcher die Reduction
des Goldchlorids zu Goldchlorür vor sich geht, gute Resultate.
Das Verderben oder Verbleichen der Lichtbilder und die
Wiederbelebung derselben. – Seit 1855 haben wir nachgewiesen, daß
das Verbleichen der photographischen Abzüge, d.h. ihr
Gelbwerden, durch eine Schwefelung derselben veranlaßt wird. Diese Theorie haben
unsere neueren Untersuchungen bestätigt. Alle verblichenen Bilder enthalten
Schwefel, dessen Menge oft der Menge des in ihnen enthaltenen Silbers entspricht;
ebenso verdirbt jedes der gleichzeitigen Einwirkung von schwefelnden Verbindungen
und Wasser ausgesetzte Lichtbild und wird gelb.
Eine genügende Erklärung der gelben Färbung der geschwefelten Bilder erschien stets
schwierig, da bekanntlich fein zertheiltes Schwefelsilber violettschwarz ist. Es
gelang uns, die Erklärung dieser Thatsache in der Wirkung der zum Ueberzuge des
Papiers angewendeten organischen Substanzen zu finden. Wenn man Schwefelsilber in
Gegenwart von Albumin, von Gelatine oder von Stärke niederschlägt, so erhält man
anstatt der eben erwähnten schwarzen Verbindung einen gelben, Schwefelsilber und
organische Substanz enthaltenden Körper. Dieses Product bildet sich auch auf dem
Abzüge und die gelbe Färbung, welche letzterer in diesem Falle annimmt, ist nur die
Folge der Schwefelung des organischen Silberlacks.
Drei Quellen schwefelnder Verbindungen können das Verbleichen der Bilder veranlassen;
diese sind: 1) die alten, gesättigten oder sauren Hyposulfitbäder; 2) das in Folge
ungenügenden Auswaschens im Papier zurückgebliebene unterschwefligsaure Silberoxyd;
3) ein Schwefelwasserstoffgehalt der Atmosphäre. – Die beiden erstgenannten
Ursachen der Schwefelung lassen sich leicht vermeiden, wenn man beim Fixiren und
Tonen die Methoden befolgt, deren praktische Bedingungen wir angegeben haben; die
dritte jener Ursachen ist von nur geringer Bedeutung, und wenn der Abzug durch das
Tonen stark vergoldet wurde, so wird ihr Einfluß beinahe gleich Null. Jedenfalls ist
derselbe weit geringer, als die Einwirkung schwefelwasserstoffhaltiger Ausdünstungen
auf Oel- und Pastellgemälde.
Es geht demnach aus unseren Untersuchungen hervor, daß das Verderben oder Verbleichen
keineswegs das normale Loos der positiven photographischen Abzüge, daß es vielmehr
sehr leicht ist, mittelst der Silberverbindungen Bilder von beinahe absoluter
Haltbarkeit herzustellen. Wenn übrigens ein Lichtbild in Folge der Anwendung von
schlechten Präparaten gelb wird, so kann man sein gänzliches Verderben verhüten und
seinen ursprünglichen Glanz wenigstens theilweise dadurch wieder herstellen, daß man
es in einer concentrirten Lösung von neutralem Kaliumgoldchlorid neuerdings
tont.
Behandlung der Rückstände. – Die außerordentliche
Ausdehnung, welche die Photographie binnen verhältnißmäßig kurzer Zeit gewonnen, hat
diese Frage zu einer sehr wichtigen gemacht; die von diesem Kunstzweige consumirte
Silbermenge ist enorm und erreicht in Paris allein jährlich die Summe von mehreren
Millionen Franken. Unseren Analysen zufolge bleiben nur 3 Procent von der in Arbeit
genommenen Silbermenge in gefärbtem Zustande auf dem Bilde und 97 Procent würden
unwiederbringlich verloren seyn, wenn man dem Photographen nicht ein leicht und
schnell ausführbares Mittel zur Behandlung seiner Rückstände an die Hand geben
würde. Zu diesem Zwecke sind zahlreiche Verfahrungsweisen vorgeschlagen worden; wir
haben dieselben sämmtlich probirt und ebenso auch neue Methoden aufgesucht; das
Verfahren, welches, wir als das geeignetste anrathen können, besteht in der
Anwendung von metallischem Kupfer, welches, in Form von Blechstreifen in die
silberhaltigen Lösungen gebracht, selbst wenn dieselben viel Hyposulfit enthalten,
binnen zwei bis vier Tagen das Silber als Metallschwamm ausfällt.