Titel: | Geschützwirkung unter Wasser. |
Autor: | Dy |
Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. CI., S. 412 |
Download: | XML |
CI.
Geschützwirkung unter Wasser.
Mitgetheilt vom Artillerie-Hauptmann
Dy.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Ueber Geschützwirkung unter Wasser.
Wenn es noch irgend eines Beweises für das Zeitgemäße der verdienstlichen Bemühungen
des Submarine-Ingenieurs Wilhelm Bauer bedürfen sollte, – dessen
Küstenbrander-Project bekanntlich (vergl. Allgem. Militär-Zeitung Nr.
39 v. 1. I.) im September dieses Jahres von einer, durch den königl. preußischen
Kriegs- und Marineminister zur Prüfung desselben eingesetzten Kommission als
„in seinen Principien richtig, wohl ausführbar und aller Voraussicht
nach überaus werthvoll“ erkannt worden ist, – so liefern
diesen Beweis die englische und die amerikanische Literatur durch die Wichtigkeit,
welche sie allen auf Taucherschiffe bezüglichen Erfahrungen und insbesondere auch
der unterseeischen Wirkung von Kanonengeschossen etc. zuwenden. – So findet
sich z.B.
1) schon in den vom Artillerie-Hauptmann Hartmann
zu Hannover in's
Deutsche übertragenen und 1859 bis 1860 gepflogenen Verhandlungen der englischen
Institution of Civil Engineers über die Construction der
Geschützrohre, ein Vortrag Whitworth's, welcher die von
diesem Ingenieur construirten flachköpfigen Geschosse als vorzüglich zum Eindringen
in's Wasser geeignet darstellt, und zum Belege hiefür die Wirkung von vorn flachen
24 Pfund schweren Projectilen anführt, welche mit 2 1/2 Pfd. Pulverladung –
aus einer der im Dienste gebräuchlichen 52 Zoll langen Bronze-Haubitzen, die
Hr. Whitworth 1856 mit Zügen versehen hatte, –
während einer Reihe von an Bord des „Excellent“ angestellten
Versuchen abgeschossen wurden. Das Geschütz war hierbei gesenkt, und es gieng das
abgeschossene Projectil dann in schräger Richtung durch 30 Fuß Wasser, durch 8 Zoll
Eichenholz, zerbrach dabei die Ständer der 3 Fuß unter Wasser stehenden eichenen
Zielscheibe und grub sich endlich noch viele Fuß tief in die Erde oder Mulde des
Grundes ein. – Hr. Whitworth versichert, dieß sey
damals für das erste Beispiel gehalten worden, daß ein Geschoß mit solcher Gewalt
durch Wasser gedrungen sey, und würden sphärische oder vorn runde Langgeschosse
unter denselben Bedingungen abgeschossen, so drängen sie nicht unter die
Wasseroberfläche, sondern wendeten sich, und kämen wieder aus dem Wasser heraus.
– Ferner enthält
2) der zu New-York erscheinende Scientific
American vom 23. Januar 1864 unter der Ueberschrift „Firing cannon under water“ folgenden
hierauf bezüglichen Artikel:
„Voriges Jahr wurde mitgetheilt, daß es einem Ingenieur zu Boston gelungen
sey, das Abfeuern von Geschützen jeden Kalibers unter Wasser zu ermöglichen.
– Hierauf bezügliche höchst interessante Versuche, welche zu Portsmouth
in England angestellt worden sind, werden folgend beschrieben:
„Innerhalb der Fluthmarke des Hafens war ein Gerüst errichtet und auf
diesem ein Armstrong-110 Pfänder aufgestellt, welcher bei niedrigem
Wasserstande geladen und gegen eine, ebenwohl im Fluthbereiche stehende Scheibe
gerichtet wurde. Das Abfeuern des Geschützes geschah vermittelst einer Röhre,
sobald Scheibe und Geschütz etwa 6 Fuß tief unter Wasser standen. Die Entfernung
von Scheibe und Geschützmündung betrug 20 bis 25 Fuß. – Das Material der
Zielwand bestand einmal in Pfählen und Planken von Eichenholz, welche bis zu
einer Stärke von 21 Zoll zusammengefügt waren, ein zweitesmal in dem an eine
Schlammbank angelehnten Rumpfe des „Gripers,“ eines alten
Schiffes, und endlich ein drittesmal aus eisernen Kesselplatten, welche bis zur
Stärke von 3 Zoll aufeinander genietet und durch Bauholz gestützt waren.
– Die Wirkung
der Voll- und Hohlgeschosse des unter Wasser stehenden Geschützes war
gegen jede dieser Zielwandarten erstaunenswerth. Die Holzscheibe erschien
vollständig durchbohrt, die Eisenscheibe in Stücke gebrochen sowie theilweise in
die Holzunterstützung hineingetrieben, und der Schiffsrumpf endlich wurde von
den Vollgeschossen ganz durchbohrt, so daß Ströme von Wasser in denselben
eindrangen, bis schließlich eine im Innern desselben crepirende
Percussionsgranate die Planken des Rumpfes auf fünf und drei Fuß
Flächenausdehnung öffnete, die Rippen desselben zerriß und seine Deckbalken
emporwarf.
„Unser Geschütz-Bureau muß auf diesen Gegenstand achten. Wenn es
praktisch ausführbar ist, Kanonen unter Wasser zu laden und abzufeuern, so
erhält die Hafenvertheidigung dadurch eine neue Hülfe und Panzerschiffe, mögen
sie über Wasser auch noch so stark bekleidet seyn, sind gegen eine solche unter
Wasser feuernde Batterie ebenso schwach und vertheidigungslos, als selbst die
schwachwandigste Holzfregatte.“ – Weiter veröffentlicht
3) dieselbe Zeitschrift in der Nummer vom 27. Februar 1864 unter derselben
Ueberschrift: „Firing cannon under
water“ die von R. B. Forbes gegebene
Nachricht, daß nach von Hrn. Woodbury angestellten
Messungen der Rücklauf eines Geschützes, welches 5 Fuß tief unter Wasser abgefeuert
wurde, geringer war, als der desselben Geschützes, wenn das Abfeuern unter sonst
gleichen Umständen zu einer Zeit geschah, wo die Ebbe das Geschütz von dem darüber
stehenden Wasser befreit hatte. Unmittelbar nach dieser Notiz folgt dann, unter dem
Titel: „Submarine Artillery“ und
unter Hinweisung auf die Wichtigkeit, welche diesem Zweige des Kriegswesens jetzt
überall beigelegt zu werden scheine, weiter noch Nachstehendes:
„Das Abfeuern der Geschütze unter Wasser ist schon seit einer Reihe von
Jahren erfolgreich von Robert Fulton versucht worden,
und in dem Frühjahre 1862 habe ich auch selbst Versuche angestellt, welche den
Beweis dafür liefern sollten, daß sich die Geschütze wirkungsvoll und ohne zu
zerspringen unter Wasser abfeuern lassen. Ein's der dazu verwendeten
Geschützrohre war zwölfpfündig, glatt, von Bronze, ungefähr 1800 Pfd. wiegend
und ein zweites bestand in einem gezogenen Gußeisenrohr von nahezu demselben
Kaliber und demselben Gewichte. Beide Rohre wurden auf Blockräderlaffeten in
einem gewöhnlichen Kasten-Dock Ost-Boston's so aufgestellt, daß
ihre Mündung in eine Stückpforte hineinragte, welche durch eine vor derselben
angebrachte Thür wasserdicht verschlossen werden konnte. Sobald das Geschütz
geladen und zum besseren Ausfüllen der Stückpforte, am Kopfe des Rohres auf etwa
einen Fuß Länge mit gefettetem Tauwerk umgeben worden war, schloß man seine Rohrmündung durch eine
dünne und getalgte Büchse, und brachte es dann durch die, den umwickelten
Geschützkopf fest umschließende Schartenöffnung, die äußere Schießschartenthür
öffnend, zum Abfeuern vor, wobei, wenn dieses rasch geschah und die Pfortenthür
eiligst wieder geschlossen wurde, nur wenig Wasser in den Schießraum eindrang,
obgleich die Stückpforte fünf Fuß unter Wasser lag. – In der Entfernung
von 12 Fuß von dieser Stückpforte war als Zielscheibe eine 2 Fuß starke Holzwand
von ungefähr 8 Fuß in's Quadrat aufgehängt. Das Abfeuern des Geschützes und das
Schließen der Stückpfortenthür nach demselben geschah, da man ein Zerspringen
des Rohres fürchtete, durch entsprechende Vorrichtungen von außen her. Das
glatte Rohr, mit 2 1/2 Pfund Pulverladung und einem ungefähr 17 Pfund schweren
Langgeschoß abgefeuert, ergab einen nur schwachen Knall, wenig Rücklauf und
geringe Percussionswirkung des Geschosses, indem letzteres nur etwa 6–8
Zoll tief in die Holzscheibe eindrang. – Bei Verstärkung der Ladung bis
auf 3 Pfd. Pulver betrug der Rücklauf des Geschützes aber schon 7 bis 8 Fuß, und
die Eindringungstiefe des Geschosses etwa 20 Zoll. – Das gezogene
Geschützrohr lieferte ähnliche Resultate, und es war durch diesen Versuch mit
nur lose hängender Holzscheibenwand also vollständig dargethan worden, daß die
Bordwand gewöhnlicher Eisen- oder Holzschiffe von Geschossen der
bezeichneten Art in einer Tiefe von 5 Fuß unter dem Wasserspiegel und auf
ungefähr 12 Fuß Abstand durchbohrt werden wird. „Dieser Versuch,
welchen Hr. J. P. Woodbury als seine Erfindung in
Anspruch nimmt, wurde, wegen mangelhaften Zustandes des alten und theilweise
geborstenen Docks, nicht weiter fortgesetzt. – Robert Fulton dagegen hängte sein
Versuchs-Geschützrohr im Wasser auf und gab vermittelst einer zum
Zündloche des Geschützes geführten Röhre Feuer. – In dem oben
angegebenen Falle sollte das Dock den Ladungsraum eines Schiffes vorstellen,
dessen Schießscharten, zur Verwendung submariner Artillerie im Kriegsfalle,
mit Stopfbüchsen zu versehen seyn würden, in denen der entsprechend
eingerichtete Rohrkopf wasserdicht vor und zurück geht, und welche von
demselben, wenn das Geschütz in seinem Rücklaufe gehörig gehemmt ist, auch
noch nach dem Abfeuern des letzteren wasserdicht verschlossen bleiben, so
daß endlich, wenn nach dem Schließen der äußeren Stückpfortenläden das
Geschütz zum Laden zurückgebracht wird, nur so viel Wasser in das
Kasematten-Innere eindringen kann, als in der Seele des Rohres etc.
Raum gefunden hatte.“
Schließlich wird dann noch mitgetheilt, daß der mit R. B. F. unterzeichnete Einsender des
Artikels wegen einer dahin einschlagenden Erfindung mit den Navy-Department in Unterhandlung stehe, daß auch noch ein Ingenieur
von New-Bedford, Hr. Durfee, sich mit dieser Sache
beschäftige und daß der Congreß dem Navy-Department also Geld zur Prüfung weiterer Vorschläge
bewilligen möge. – Endlich bespricht
4) der Scientific American vom 30. April 1864 auch noch
ein von Hrn. Benjamin Bates erfundenes Pfeilgeschoß-Geschütz, durch welches die Schiffe
auch unter der Wasserlinie auf das Aeußerste gefährdet erscheinen sollen und dessen
Einrichtung nach Angabe des Erfinders darin besteht, daß ein glattgebohrtes
Vorderladungsgeschützrohr, Fig. 24, zur Aufnahme vom
cylindrischen Schweiftheile des aus zwei Cylindern verschiedenen Durchmessers
bestehenden Pfeilgeschosses entweder in seinem Bodenstücke durchbohrt oder mit noch
einer zweiten Bohrung versehen wird. Im erstern Falle kann der aus dem Bodenstücke
des Geschützes heraustretende Geschoßschaft durch einen Ueberzug geschützt werden.
Schneidet man in den Geschoßschaft Schraubengewinde ein, deren Muttergewinde als
Drallrohr dann zugleich auch in die Durchbohrung des Rohrbodenstücks eingeschraubt
wird, so erlangt man hierdurch mit geringen Kosten und ohne das Rohr durch das
Einschneiden von Vertiefungen zu schwächen, die Vortheile des gezogenen Rohres und
behält zugleich die Möglichkeit, das Geschütz als glattes verwenden zu können, bei,
indem man die Oeffnung im Geschützboden nur zu verschließen braucht, um auch
sphärische Voll- und Hohlgeschosse aus einem solchen Rohre verfeuern zu
können. – Ein derartiges Geschütz verfeuert also, je nach Erforderniß,
sphärische Voll- und Hohlkugeln sowie Pfeilgeschosse als glattes Geschütz,
oder auch, wenn das verlangt wird, letzere Projectile als gezogenes Geschütz und es
läßt sich ein jedes der bisherigen glatten Geschütze mit Leichtigkeit und geringem
Kostenaufwande für dieses neue Geschützsystem verwerthen.
Die Pulverkraft wird auf das Projectil durch eine auf die Basis seines Kopfes
angeschobene Scheibe übertragen, welche letztere, mit einem Bleirande umgeben,
zugleich den Spielraum auf ein zulässiges Minimum beschränkt und die Führung des
Geschosses im Rohre übernimmt. Während der Fortbewegung des Projectils im
widerstehenden Mittel der Luft oder des Wassers wird dann die Scheibe durch den
Luftdruck etc. vom Schafte des Geschosses abgestreift und so dem letzteren seine
anfängliche Gestalt wiedergegeben.
Ein solches Pfeilgeschoß bleibt, wie Versuche ergeben haben, stets tangential zu
seiner Flugbahn und behält daher den Geschoßkopf stets nach vorn, was als ein großer
Vorzug dieser, sowohl als Voll- wie als Hohlgeschoß zu verfeuernden
Geschoßgattung bezeichnet wird. – Das Wasser soll dieses Geschoß ferner, ohne
daß es bei Berührung der Wasseroberfläche seine Flugrichtung ändert, mit größter
Leichtigkeit durchschneiden, wodurch bei seiner Anwendung die Maschinen und
Schrauben feindlicher Dampfer, sowie die unter der Wasserlinie liegenden Magazine
etc. feindlicher Schiffe überhaupt sehr gefährdet erscheinen dürften.
Hiernach sind also flachköpfige Langgeschosse zum Treffen von unter Wasser liegenden
Zielobjecten ebenso vorzüglich geeignet, als sie sich in ihrer Wirkung gegen
Panzerplatten bewährt haben, welche letztere Erscheinung Hr. Whitworth, als erster Verwender dieser Geschoßart, dahin erklärt, daß
während ein vorn rundes Geschoß beim Anschlage an eine dicke schmiedeeiserne Platte
die Partikeln derselben zur Seite zu schieben habe und also den großen Widerstand
der seitlich gelegenen Massentheilchen mit überwinden müsse, bei einem vorn flachen
Geschosse der Plattenwiderstand genau auf die Stelle beschränkt werde, wo das flache
vordere Geschoßende aufschlug; der Widerstand sey in diesem Falle also der
Geschoßrichtung gerade entgegengesetzt und nicht seitwärts gerichtet, so daß bei
genügenden Bewegungsmomenten und gehöriger Festigkeit des Geschosses immer ein dem
Querschnitt des letzteren entsprechendes Loch in der Platte entstehen müsse.
Endlich sind die ad 4) gegebenen Mittheilungen über
das von Benjamin Bates construirte Pfeilgeschoß auch noch
aus dem Grunde interessant, weil in Deutschland die Idee zur Herstellung eines
derartigen Projectils schon in verschiedenen Modificationen cultivirt worden ist und
weiter die dem Geschoß von Bates entsprechende
Geschützeinrichtung zum Zwecke einer besonderen Art von der Mündung aus zu ladender
Geschütze neuerdings in England durch Th. A. Blakely in
Vorschlag gebracht wurde, worüber nächstens berichtet werden soll.