Titel: Ueber die Darstellung von Alkohol aus Leuchtgas.
Fundstelle: Band 175, Jahrgang 1865, Nr. LXXX., S. 318
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LXXX. Ueber die Darstellung von Alkohol aus Leuchtgas. Ueber Darstellung von Alkohol aus Leuchtgas. Das industrielle Publicum interessirte sich eine Zeit lang sehr für einen Proceß der Darstellung von Alkohol mittelst Leuchtgas zu sehr billigem Preise (25 Fr. per Hektoliter); von dem auf diesem Wege erzeugten Alkohol wurde ein Liter als eine der Hauptmerkwürdigkeiten der letzten Londoner Industrie-Ausstellung erwähnt.Eine Notiz über dieses Verfahren von Payen wurde im polytechn. Journal Bd. CLXVII S. 236 mitgetheilt. Einige französische und andere Zeitschriften brachten sogar die Mittheilung, daß eine solche Alkoholfabrik zu St. Quentin im Gange sey, in welcher auf der einen Seite des angewendeten Apparats die Steinkohle aufgegeben werde, während auf der anderen Seite der fertige Alkohol abfließe. Dieß sind nun allerdings starke Uebertreibungen gewisser Resultate, welche eine in St. Quentin zur Ausbeutung eines dem technischen Chemiker Cotelle ertheilten PatentsDas Patent, welches sich Alph. Cotelle in St. Quentin auf sein Verfahren in England ertheilen ließ, wurde im Mechanics' Magazine vom 8. April 1864 veröffentlicht. zusammengetretene Gesellschaft erhalten hat. Dieses Patent basirt auf dem Versuche, mittelst dessen Berthelot schon i. J. 1855 die künstliche Darstellung von Alkohol gelang, indem er ölbildendes Gas, C⁴H⁴, von Schwefelsäure absorbiren ließ und es dadurch in Aethylschwefelsäure (Weinschwefelsäure), also in eine Verbindung verwandelte, welche sich mittelst längst bekannter Processe in Alkohol umsetzen läßt. Cotelle wendet bei seinem Verfahren Leuchtgas an, welches bekanntlich 4 bis 12 Proc. ölbildendes Gas enthält. Er scheidet letzteres durch Schwefelsäure aus dem Leuchtgase ab, so daß ein zum Heizen ganz gut geeignetes Gasgemisch von C²H⁴, CO, H etc. zurückbleibt und das Rohmaterial sehr wenig kostet, namentlich wenn die Fabrication auf den Gruben, beziehungsweise den Verkohkungsplätzen, stattfindet, so daß das aus den Kohksöfen entweichende Gas verwerthet werden kann. Zur Erzeugung von 1 Hektoliter 90procentigen Alkohols gebraucht Cotelle nicht mehr als 40 Kubikmeter ölbildendes Gas, welche Menge etwa 2 Tonnen der zu St. Quentin angewendeten nordfranzösischen Kohle entspricht. Die Schwierigkeit liegt aber nicht allein in der Darstellung von C⁴H⁴ es ist außerdem noch ein bedeutendes Quantum von concentrirter Schwefelsäure erforderlich (10 Theile Schwefelsäurehydrat auf 1 Theil Alkohol). Vor der Anwendung zeigt die Säure 66° Baumé, nach ihrer Benutzung nur 20 bis 25°. Sie muß dann, um zu einem neuen Processe dienen zu können, entweder wieder concentrirt oder aber in ihrem verdünnten Zustande anderweitig verwerthet werden. Demnach sind entweder Concentrationsapparate oder Bleikammern erforderlich, denn zur Erzeugung von 1 Hektoliter Alkohol sind 1500 Kilogr. Schwefelsäure von 66° Baumé erforderlich. So tritt uns eine Reihe von Schwierigkeiten entgegen, welche bis jetzt noch nicht überwunden sind, aber täglich mehr schwinden. Uebrigens ist Cotelle's Verfahren sehr interessant und wir wollen dasselbe kurz beschreiben. Das Gas wird zunächst von Schwefelwasserstoff und Ammoniak befreit und über concentrirter Schwefelsäure getrocknet, darauf mittelst eines Aspirators durch einen verticalen Cylinder von Glas oder Steinzeug gesogen, der mit fein durchlöcherten Scheidern versehen ist, durch welche die zur Auflösung oder Absorption des ölbildenden Gases bestimmte Schwefelsäure in fein zertheiltem Zustande hindurchfließt und dabei das Gas aufnimmt. Die Absorption findet sehr langsam statt, so daß an vierzig Siebböden oder Scheider nöthig sind, um die Säure hinlänglich zu vertheilen und mit dem C⁴H⁴ zu sättigen. Die auf diese Weise erhaltene Aethylschwefelsäure wird mit dem Fünffachen ihres Volums Wasser versetzt und in diesem verdünnten Zustande der Wirkung eines Dampfstromes unterworfen, welcher das alkoholische Product in die Condensationsgefäße überführt. Die in denselben verdichtete alkoholische Flüssigkeit wird zur Entfernung jeder Spur von etwa mit übergegangener Schwefelsäure nochmals über etwas Kalk destillirt und dann zu Alkohol von 90° rectificirt. Der bei diesem Verfahren erhaltene Rückstand besteht, wie schon erwähnt, aus Schwefelsäure von 20 bis 25° Baumé und einem Gasgemisch, dessen Zusammensetzung der des aus gewöhnlicher Steinkohle erhaltenen Gases, minus Schwefelwasserstoff, Ammoniak und ölbildendes Gas, entspricht. Dieses Gasgemisch läßt sich mit Vortheil als Brennmaterial benutzen.Wie man aus Vorstehendem ersieht, ist die Alkoholdarstellung aus Steinkohlengas ein sehr kostspieliger Proceß und der resultirende Alkohol höchst unrein. A. d. Red. (American Journal of science.)