Titel: | Eine berichtigende Entgegnung hinsichtlich des Glühverfahrens bei der Aufbereitung der Torföle; von Dr. J. J. Breitenlohner. |
Autor: | J. J. Breitenlohner |
Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. C., S. 392 |
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C.
Eine berichtigende Entgegnung hinsichtlich des
Glühverfahrens bei der Aufbereitung der Torföle; von Dr. J. J. Breitenlohner.
Breitenlohner, über das Glühverfahren bei der Aufbereitung der
Torföle.
Hr. Dr. Hermann Vohl in Cöln
hat am Schluß einer Abhandlung,Siehe dieses Journal Bd. CLXXIII S. 459. in welcher er die Grundsätze der trockenen Destillation bituminöser
Fossilien behufs Darstellung fester und flüssiger Kohlenwasserstoffe entwickelt,
mein GlühverfahrenSiehe dieses Journal Bd. CLXVII S. 378. rundweg mit der Bemerkung abgethan, daß alle Methoden, welche auf dem
Princip basiren die schweren Oele durch Einströmenlassen derselben in glühende
Gefäße in leichtere Oele zu verwandeln, für die Technik zu verwerfen sind.
Die Stelle in meiner Abhandlung über die Glühung der Oele wurde aber von Hrn. Dr. Vohl gänzlich
mißverstanden, und derselbe hat somit einen Gegenstand bekämpft, welcher
thatsächlich gar nicht existirte.
Ich theile mit Hrn. Dr. Vohl
vollkommen die erfahrungsmäßige Ueberzeugung, daß, wenn man Oele in glühende Gefäße
einströmen läßt, dadurch wohl die Bildung von brennbaren Gasen und
kohlenstoffreichen Hydrocarbüren bewirkt wird, aber nur in geringem Grade
gewissermaßen eine Spaltung der schweren Oele in wasserstoffreichere, condensirbare
Kohlenwasserstoffe eintritt; nur können diese Vorgänge wieder vielfach durch die Art
und Weise der Abführung des Processes modificirt werden.
Es wurden von mir die darauf bezüglichen, mehrfach abgeänderten Experimente von der
Ueberführung der Oele in Gas an durchgemacht, und im Laufe dieser Versuche die schon
länger bekannte Absicht, die schweren Oele durch Einströmenlassen derselben in
glühende leere oder mit verschiedenen porösen Materialien beschickte Gefäße in
leichtere Oele zu verwandeln, als nicht ausführbar wiedererkannt, wie ich es auch in
der betreffenden Abhandlung auseinandergesetzt habe.
Nachdem sonach auch ich das Einströmenlassen der Oele in glühende Gefäße oder
überhitzte Materialien als für die Torftechnik verwerflich bezeichnen mußte,
gelangte ich dahin, diese Methode insoferne zu verbessern, und praktisch und
nutzbringend zu machen, daß ich nicht die Oele, sondern die
Dämpfe dieser Oele durch glühende Abzugsrohre leitete.
Es ist offenbar ein sehr großer Unterschied, ob das Oel im flüssigen Zustande oder in
Dampfform mit glühenden Flächen in Berührung kommt. Das, was Hr. Dr. Vohl für den ersteren
Fall sagt, hat seine volle Richtigkeit. Läßt man Oele in geschlossenen Räumen auf
glühende Flächen fließen, so unterliegen dieselben in ihrer Gesammtheit einer
energischen und jähen Zersetzung, als deren Resultate Gase und kohlenstoffreiche
Körper auftreten, und sind die Oele zugleich roh und paraffinhaltig, so hat man es
je nach der Temperatur mehr oder weniger noch mit den Zersetzungsproducten des
Paraffins und der basischen und säureartigen Verunreinigungen derselben zu thun.
Nach meinem verbesserten Verfahren ist die Destillirblase mit der Glühvorrichtung und
diese mit einer ausgiebigen Kühlung verbunden, und man hat es völlig in seiner
Gewalt, einen stärkeren oder schwächeren Dampfstrom durch das Glührohr zu führen und
die nöthige Temperatur zu geben, da die Retorte und der Glühraum getrennte
Feuerungen besitzen. Man ist somit auch im Stande, je nach der Qualität der Oele
bezüglich ihres Paraffingehaltes einen größeren oder geringeren Antheil des
Blaseninhaltes diesen Proceß durchmachen zu lassen. Die Gase sind bei verständiger
Leitung gar nicht so bedeutend, am allerwenigsten aber können sie lästig seyn. Denn
will man sie nicht als vortreffliche Wärmequelle unmittelbar zum Proceß benutzen, so
führt man sie eben dorthin ab, wo sie nicht belästigen können. Die Ausbeute ist
natürlicherweise je nach der Qualität der Oele, wornach auch die Temperaturen
erfahrungsmäßig zu reguliren sind, eine wandelbare; sie steht jedoch in qualitativer
und quantitativer Hinsicht in gar keinem Verhältnisse zur Menge und Güte des
Destillats, welches man erhält, wenn man die Oele einfach auf glühende Flächen
fließen läßt. Der in der Retorte verbleibende Rückstand gestattet eine nutzbringende
Aufbereitung auf Paraffin, was bei der vorgedachten Methode natürlich nicht der Fall
seyn kann. Der Kostenpunkt der ganzen Manipulation ist gegenüber einer gewöhnlichen
Destillation nur um so viel größer, als der für den Glühraum erforderliche Aufwand
an Brennmaterial beträgt. Man kann den Apparat so compendiös einrichten, daß ein
einziger, umsichtiger und tüchtiger Arbeiter hinreicht, sowohl die beiden Feuerungen
zu bedienen, als auch den Abfluß zu beobachten und wegzuschaffen. Und ist auch eine zeitweilige
Unterstützung nöthig, so verursacht eine solche Hülfeleistung in einer Fabrik, deren
Betriebseigenthümlichkeit ab und zu Arbeitskräfte verfügbar hält, keinen
nennenswerthen Mehrbetrag der Kosten. Was endlich die Reinigung der Oele anbelangt,
so ist sie mit ungleich geringeren Schwierigkeiten verknüpft. Gleichviel, mögen nun
diese sogenannten indifferenten Hydrocarbüre mit den Verunreinigungen des Theeres
bloß mechanisch gemengt seyn, oder mögen sich die öligen Producte der trockenen
Destillation bituminöser Fossilien bei näherer Betrachtung als Gemische von Acetonen
und Aldehyden darstellen,Siehe dieses Journal Bd. CLXVIII S. 49 (51): Vohl,
über den Schwefelgehalt verschiedener ätherischen
Beleuchtungsmaterialien. mithin aus ihrem chemischen Indifferentismus heraustreten: es hat sich bei
der Behandlung der geglühten Oele stets gezeigt, daß die basischen und säureartigen
Verunreinigungen derselben mit wenig Mühe und Material abzuscheiden sind, ein
Erfolg, welcher auch wohl dadurch unterstützt wird, daß bei der nicht vollständig
abgeführten Destillation des Retorteninhaltes ein gewisser Theil von
empyreumatischen Körpern, welche in ihrer Flüchtigkeit oder Zersetzung um die
Siedepunkte des Paraffins spielen, zurückgehalten wird.
Die fertigen Oele, welche auf Photogen und Solaröl separirt werden, sind zur Speisung
von Photogen- und Mineralöllampen vorzüglich geeignet. Der ihnen zur Last gelegte
niedere Siedepunkt gibt durchaus keine Ursache ab, daß nach kürzerer oder längerer
Brenndauer eine Dampfbildung in der Dochthülle oder ein Rußen und Schwalchen der
Flamme eintritt; ihre geringere Dichte oder der niedere Siedepunkt ist hingegen sehr
erwünscht, und sie erweisen sich auch in diesem Falle keineswegs so kohlenstoffarm,
daß nicht eine körperhafte, compacte, starkleuchtende Flamme erzielt werden könnte.
Die Leuchterscheinungen sind somit vollkommen befriedigend, jedenfalls weitaus
befriedigender, als jene bei den vormals abgeblasenen Oelen, welche nur geeignet
gewesen wären, die Beleuchtung mit hiesigen Torfölen vollends in Mißcredit zu
bringen.
Dr. Vohl's Hinweis auf die
fractionirte Theerdestillation bei constantem Niveau behufs einer größeren Ausbeute
an leichtem Photogen ist für mein Glühverfahren nicht zutreffend, weil es sich bei
demselben eben darum handelt, nicht die schon vorhandenen leichten Oele noch mehr zu
qualificiren, sondern die großen, verbleibenden Quantitäten von schweren Oelen, welche sich dem
constanten Niveau zum Trotze ergeben, vortheilhafter zu verwerthen, als es sonst die
direct oder indirect aus dem Theer gewonnenen Oele in ihrer Gesammtheit
zulassen.
Setzen wir nun aber den Fall, ich arbeite thatsächlich nach dem Dafürhalten des Hrn.
Dr. Vohl, so finde ich
noch einige Bemerkungen beizufügen.
Es leuchtet nur schwer ein, wie auch bei directer Glühung die Bildung von Carbolsäure
eine bedeutende seyn soll, was wohl so zu verstehen ist, daß hierbei die Carbolsäure
erst gebildet wird, und zwar in bedeutender Menge. Man hat es bei Torf fast
ausschließlich mit Kreosot und sogenannten Pyrosäuren zu thun. Es mag seyn, daß bei
dem noch wenig aufgehellten Proceß der trockenen Destillation unter gewissen
Bedingungen eine Umsetzung des Kreosots in Carbolsäure oder Phenylsäure und den ihr
homologen Cresylalkohol stattfindet, es kann seyn, daß unbekümmert des Rohmaterials
je nach der angewandten Temperatur Kreosot und Carbolsäure vicariren; vorläufig weiß
man mit Sicherheit nur so viel, daß gewisse Fossilien bei der trockenen Destillation
vorwiegend Carbolsäure, andere vorwiegend Kreosot liefern, und zwar vom letzteren um
so mehr, je jünger das Fossil ist. Wie nun aber erst in Folge des Glühprocesses der
Torföle eine bedeutende Menge von Carbolsäure in das Destillat hineingeräth, ist
kaum zu erklären; es kann doch unmöglich ein Atom der als vorhanden zugestandenen
Carbolsäure in zwei oder mehrere Atome mit gleichzeitiger Gewichtsvermehrung
zerfallen. Nur dieses müßte, und dann sicher unter Gewichtseinbuße, den Mehrbetrag
der Carbolsäure schaffen, denn sonst wäre es schlechterdings nicht denkbar, daß aus
den Kohlenwasserstoffen in geschlossenen Räumen Carbolsäure entstünde, welche ein
sauerstoffhaltiger Körper ist. Uebrigens bleibt es sich völlig gleich, ob man es mit
Kreosot oder Carbolsäure zu thun hat, da keinesfalls gesagt ist, daß durch den
Glühproceß vorbereitete Oele der Aetzlaugen entbehren können.
Ferner erwähnt Hr. Dr. Vohl in
seiner Abhandlung, daß auf der Beueler Augustenhütte Versuche im Großen angestellt
wurden, durch Einströmenlassen der schweren Oele in glühende Retorten oder
Röhrensysteme leichtere, also wasserstoffreichere Oele zu erhalten und daß man sie
auch erhielt, nur waren sie zu leicht und wasserstoffreich, als daß sie zu
Leuchtzwecken hätten verwendet werden können. Waren aber die Producte der Beueler
Augustenhütte wirklich so leicht und wasserstoffreich, wie ich sie zu erhalten
nimmermehr vermochte, so müßte man, wenn auch sie Gestehungskosten sich höher
stellen, immerhin zu einem der artigen Erfolge gratuliren, nachdem die Mineralölessenzen,
als Surrogate zu verschiedenen industriellen Erzeugnissen, einen höheren Werth als
für Leuchtöle behaupten, und gerade für so leichte Oele die Abblasemethode angezeigt
wäre.
Wenn aber auch eine Fabrik mit der directen Glühung ungünstig arbeitet, so kann
daraus noch nicht die apodiktische Schlußfolgerung gezogen werden, daß dasselbe auch
bei einer anderen Fabrik der Fall seyn muß; die ältere und neuere industrielle
Geschichte hat dieß oft und genugsam bewiesen.
Es war nicht Ziel und Zweck meiner Abhandlungen über Aufbereitung des Torftheers mich
bemerkbar oder Reclame zu machen, sondern fern von Wichtigthuerei und
Geheimnißkrämerei das getreulich der Oeffentlichkeit zu übergeben, was ich auf
diesem Gebiete erfahren und durchgemacht habe. Ich bin gern und stets bereit,
Aufklärung allenfallsiger Irrthümer, wo sie begründet ist, mit Dank anzuerkennen und
würde eine solche auch von Hrn. Dr. Vohl, welcher sich im Gebiete der trockenen Destillation
unläugbar vielfache Verdienste erworben hat, nicht von mir gewiesen haben. Da aber
sein Angriff auf einem gröblichen Irrthum beruht, so konnte ich es mir im Interesse
des Gegenstandes nicht versagen, Vorstehendes als Berichtigung des Sachverhaltes zu
entgegnen, womit ich auch die ganze Angelegenheit ein für allemal als abgethan
betrachte.