Titel: | Versuche über Sodabereitung; von Prof. C. Brunner. |
Autor: | Karl Brunner |
Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. XXXIX., S. 127 |
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XXXIX.
Versuche über Sodabereitung; von Prof. C. Brunner.
Brunner, über Sodabereitung.
Die technische Darstellung von kohlensaurem Natron geschieht gegenwärtig wohl
ausschließlich nach dem Leblanc'schen Verfahren. Dasselbe
zerfällt, wie man weiß, in zwei Operationen, nämlich in die Bereitung von
schwefelsaurem Natron und in die Zersetzung dieses Salzes durch Glühen mit Kohle und
kohlensaurem Kalk. Dieser letztere Proceß ist das Wesentliche des Leblanc'schen Verfahrens und scheint von seinem Erfinder
mehr auf empirischem als auf theoretischem Wege aufgefunden worden zu seyn. Die
bisher von dem Vorgange gegebene Erklärung ist in der neuesten Zeit von Unger, Scheurer-Kestner und H. Rose von Neuem theoretisch untersucht und einigermaßen
verschieden dargestellt worden.
Mittlerweile wurde die Frage aufgeworfen, ob es nicht möglich seyn dürfte die
ziemlich unsichere und jedenfalls etwas umständliche Operation durch eine einfachere
zu ersetzen, nach welcher aus schwefelsaurem Natron ohne einen solchen Glühproceß
das kohlensaure Salz dargestellt werden könnte. Kölreuter
schlug vor das Glaubersalz durch kohlensauren Baryt zu zersetzen; allein Erdmann und Buchner fanden,
daß diese Zersetzung durch Kochen einer Auflösung von Glaubersalz mit kohlensaurem
Baryt nur sehr unvollkommen gelingt. Es war dieses wohl zu erwarten, da umgekehrt
eine Lösung von kohlensaurem Natron beim Kochen den schwefelsauren Baryt, wenigstens
theilweise, zersetzt. Einen rationelleren Weg schlug Wagner
Wagner's Jahresbericht 1857, S. 104; polytechn.
Journal Bd. CLXXIII S. 209. vor. Nach ihm sollte man kohlensauren Baryt in Wasser suspendiren, durch die
milchige Flüssigkeit so lange kohlensaures Gas leiten bis sie durch Bildung von
löslichem doppelt-kohlensaurem Baryt klar geworden, und diese Flüssigkeit
durch eine Lösung von schwefelsaurem Natron zersetzen. Eine Reihe von Versuchen
führte mich auf eine Modification dieses Verfahrens, welche wohl geeignet seyn
dürfte in Ausübung gebracht zu werden und daher hier eine Stelle finden mag.
Bringt man in eine Lösung von 1 Theil Glaubersalz (in wasserfreiem Zustande genommen)
in 30–40 Wasser 2 Thle. künstlich bereiteten kohlensauren Baryt und läßt
durch die Flüssigkeit bei gewöhnlicher Temperatur unter öfterem Umrühren oder
Schütteln einen mäßigen Strom kohlensauren Gases streichen, so geschieht die
Zersetzung in nicht langer Zeit (bei kleineren Mengen, von etwa einigen Grammen in 1
Stunde). Die vom entstandenen schwefelsauren Baryt abfiltrirte Lösung gibt mit
Chlorbarium nicht die geringste Trübung; sie enthält nun zweifachkohlensaures Natron
nebst einer kleinen Menge zweifach-kohlensauren Baryts. Durch Kochen wird
unter Entwickelung von Kohlensäure letzterer niedergeschlagen und durch Abdampfen
der filtrirten Lösung zur Trockene vollkommen reines kohlensaures Natron erhalten,
dessen Gewicht genau die theoretische Menge beträgt.
Soll nun dieses Verfahren in technische Anwendung gebracht werden, so handelt es sich
zunächst um eine möglichst billige Beschaffung von kohlensaurem Baryt. Daß diese
nicht durch Niederschlagen eines aufgelösten Barytsalzes mit kohlensauren Alkalien
geschehen kann, ist klar, wenn man bedenkt daß, abgesehen von der Darstellung eines
Barytsalzes, zur Fällung eines solchen ein gleiches Aequivalent kohlensaures Alkali
nöthig wäre als das nachher darzustellende kohlensaure Natron beträgt. Selbst der
geringere Werth der Potasche oder des auf verschiedene Weise als Nebenproduct
darstellbaren kohlensauren Ammoniaks dürfte keine günstige Berechnung geben. Unter
diesen Umständen mußte zunächst der natürlich vorkommende Witherit in Betracht
gezogen werden.
Eine Reihe von Versuchen ergab das Resultat, daß allerdings dieses Mineral zu unserem
Zwecke unter folgenden zwei Bedingungen geeignet ist:
1) dasselbe muß in möglichst fein gemahlenem, am besten geschlämmtem Zustande
angewendet werden;
2) es muß ein Ueberschuß desselben, d.h. etwa die doppelte Menge als von künstlichem
Salze, also beiläufig die vierfache Menge des (wasserfreien) Glaubersalzes genommen
werden.
Der Grund dieses letzteren Umstandes ist ohne Zweifel die mechanische Beschaffenheit
des Minerals, welches noch so fein gerieben doch immer noch compacter als das
künstlich dargestellte Präparat ist. Es wurde versucht durch Vermengen desselben mit
staubförmig zerriebenem Quarzsande eine größere Zertheilung zu erlangen, allein der
Erfolg blieb immer unsicher. Daß übrigens die Schwierigkeit nicht in der chemischen
Natur des Minerals begründet ist, geht aus dem Umstande hervor, daß bei Anwendung
desselben in hinreichender Menge die Wirkung erfolgt.
Da man nun in Ermangelung einer zum technischen Betriebe hinreichenden Menge des
natürlichen Minerals auf den künstlich bereiteten kohlensauren Baryt angewiesen ist,
so hat man sich nach einer im Großen ausführbaren möglichst billigen Darstellung
dieses Salzes umzusehen. Aus den oben angeführten Gründen dürften alle bisherigen Bereitungsmethoden kaum
anwendbar seyn. Dagegen scheint folgende unter günstigen Bedingungen hierzu
geeignet:
100 Th. fein geriebener Schwerspath werden mit 20 Th. Kohlenpulver und 5 Th. Harz
innig gemengt in einem Tiegel wenigstens eine Stunde lang stark geglüht. Nach dem
Erkalten wird das erhaltene Product zerrieben und in einem verschließbaren Gefäße
mehrere Male mit kochendem Wasser ausgezogen. Sämmtliche Auszüge, nachdem sie
jedesmal durch Decantiren von dem Rückstande getrennt worden, werden filtrirt und
unter Umrühren mit einem Strome von kohlensaurem Gase behandelt, so lange bis keine
Absorption des eintretenden Gases mehr bemerkbar ist oder eine kleine abfiltrirte
Probe der Flüssigkeit durch einströmende Kohlensäure nicht merklich getrübt wird.
Durch diese Operation wird unter einiger Entwickelung von Schwefelwasserstoff der
meiste Baryt als kohlensaurer niedergeschlagen. Durch Aufkochen der Flüssigkeit wird
noch ein kleiner Antheil der als zweifach-kohlensaurer Baryt in der
Flüssigkeit enthalten war, nachträglich gefällt.
Der gut ausgewaschene Niederschlag enthält noch eine sehr kleine Menge
Schwefelbarium, was daraus hervorgeht daß er mit etwas Bleizuckerlösung übergossen
beim Zusatz von Salzsäure eine leicht bräunliche Farbe annimmt. Diese Verunreinigung
ist jedoch für die beabsichtigte Anwendung von keinem Belange, da bei gewöhnlicher
Temperatur weder kohlensaures Natron noch Kohlensäure das Schwefelbarium zersetzen.
Das mittelst dieses Präparates bereitete kohlensaure Natron gibt mit essigsaurem
Bleioxyd einen vollkommen weißen Niederschlag. Mit Salzsäure vermischt entwickelt es
keine Spur von Schwefelwasserstoff.
Nach diesem Verfahren wird man nahezu die Hälfte des angewandten Schwerspaths von
kohlensaurem Baryt erhalten. Weniger zweckmäßig zeigte sich die in mehreren neueren
Werken angegebene Methode den Schwerspath mit dem Kohlenpulver durch Hülfe eines
Bindemittels (Mehl oder Kleister) in Teigform anzukneten und diesen in kleine Stücke
geformt nach dem Trocknen mit Kohlen geschichtet (ohne Anwendung eines Tiegels) zu
glühen. Durch dieses Verfahren wird immer nur ein kleinerer Antheil des Schwerspaths
zersetzt.
Durchgehen wir nun schließlich den ganzen Cyclus der Sodabereitung mit Einschluß der
ursprünglichen Darstellung des Glaubersalzes, so haben wir Folgendes:
Zuerst wird, wie dieses gegenwärtig wohl meistens geschieht, das Kochsalz durch
Behandlung mit Schwefelsäure in Glaubersalz verwandelt. Die hierbei frei werdende
Salzsäure wird in einen mit kohlensaurem Kalk beschickten Behälter geleitet; die hiedurch
entwickelte Kohlensäure wird, gehörig gewaschen, in die mit kohlensaurem Baryt
versetzte Auflösung von Glaubersalz geführt. Der entstandene schwefelsaure Baryt
wird nach dem Abfiltriren des kohlensauren Natrons ausgewaschen, getrocknet und
durch Glühen mit Kohle wieder zersetzt, wobei zu bemerken daß diese Zersetzung
leichter und vollständiger erfolgt als diejenige des ursprünglichen
Schwerspaths.
Man sieht nach diesem leicht ein, daß bei diesem Verfahren außer der zur Zersetzung
des Kochsalzes erforderlichen Schwefelsäure keine Materialien von belangreichem
Werthe erforderlich sind. Das Feuermaterial, welches eher geringer als bei dem jetzt
üblichen seyn dürfte, möchte wohl das Wesentlichste betragen. Der kohlensaure Kalk
mag kaum in Anschlag zu bringen seyn, wird übrigens unter Umständen als
Chlorcalcium, wenigstens theilweise, Anwendung finden können. Es muß jedoch bemerkt
werden, daß die durch Zersetzung des Kochsalzes erhaltene Salzsäure nicht hinreicht
um die entsprechende Menge von Kohlensäure zur Bildung von kohlensaurem Natron,
welches zunächst als doppelt-kohlensaures Salz gebildet wird, zu erzeugen,
daß also außerdem eine gewisse Menge von Kohlensäure auf andere Art dargestellt
werden muß, wozu jedoch die Technik Mittel genug besitzt.
Frägt man jetzt nach dem ökonomischen Werthe dieser Methode im Vergleich mit der
bisher üblichen, so dürfte es unmöglich seyn eine allgemein passende Antwort zu
ertheilen. Es hängt dieses wie alle chemischen Fabricationen von mancherlei
Umständen ab. Da wo Witherit in Masse zur Hand ist, wird ohne Zweifel dessen
Verwendung das vortheilhafteste Resultat liefern.Es scheint daß dieses Mineral gegenwärtig in großen Massen ausgebeutet wird,
da es im Handel zu sehr billigem Preise, 15 Francs der Centner, zu haben
ist. Da wo dieses nicht der Fall ist, muß der Werth des Feuermaterials so wie
derjenige des Schwerspaths, der jedoch, wie wir gesehen haben, größtentheils wieder
gewonnen werden kann, in Anschlag gebracht werden. Jedenfalls wird, wie mir scheint,
durch dieses Verfahren ein altes in mehreren Beziehungen höchst lästiges durch ein
leichteres rationelleres ersetzt.
Bedenkt man endlich, daß es sich hier um einen der größten chemischen Industriezweige
handelt, so wird wohl nicht zu viel verlangt werden, wenn ich wünsche daß einige
technische Chemiker die Sache einer näheren Prüfung unterwerfen mögen.Nach dem Handwörterbuch der Chemie Bd. VIII S. 32 sollen jährlich in England
über 2 Millionen Centner Soda fabricirt werden, eben so viel in Frankreich,
Deutschland, Belgien, in der Fabrik von Tennant
bei Glasgow allein täglich über 1000 Centner.
Eben so wie schwefelsaures Natron können auch schwefelsaures Kali und schwefelsaures
Ammoniak durch Behandlung mit kohlensaurem Baryt und Kohlensäure in kohlensaure
Salze verwandelt werden, eine Umwandlung, die jedoch von keinem technischen Werthe
seyn dürfte.
Bern, im April 1865.