Titel: Bemerkungen über das Verfahren von Mège-Mouriès zur Darstellung von Fettsäuren für die Kerzen- und Seifenfabrication; von A. de Milly.
Fundstelle: Band 176, Jahrgang 1865, Nr. XLV., S. 145
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XLV. Bemerkungen über das Verfahren von Mège-Mouriès zur Darstellung von Fettsäuren für die Kerzen- und Seifenfabrication; von A. de Milly. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, 1864, t. XI p. 406. de Milly, über Darstellung von Fettsäuren zur Kerzenfabrication nach dem Verfahren von Mège-Mouriès'. Hr. Mège-Mouriès hat eine Abhandlung über die Verseifung der neutralen Fette veröffentlicht,Mège-Mouriès über die Darstellung von Fettsäuren für die Kerzen- und Seifenfabrication, im polytechn. Journal Bd. CLXXIII S. 66. welche die Aufmerksamkeit in hohem Grade erregt, indem sein neues Verfahren in der Seifen- und Stearinkerzenfabrication eine außerordentliche Vereinfachung und sehr beträchtliche Ersparnisse hoffen läßt. Ob diese Hoffnungen der Art sind, daß sie sich wirklich erfüllen lassen – das wollen wir im Folgenden näher untersuchen. Das von Mège-Mouriès empfohlene Verfahren zur Verseifung der Fette besteht darin, den Talg mit Wasser, welches 5 bis 10 Proc. Seife in Lösung enthält, auf 45° C. zu erhitzen. Dadurch wird das Fett in kugelförmigen Zustand versetzt, in welchem es die zur Verseifung erforderliche Menge Natronlauge unmittelbar aufzunehmen vermag. Zu dieser Absorption ist eine Zeit von zwei bis drei Stunden hinlänglich. Die Seifenfabrication mit Anwendung neutraler Fettkörper, wie sie z.B. in Marseille mit fetten Pflanzenölen, oder an anderen Orten mit Anwendung von Thierfetten betrieben wird, ist offenbar langwierig und complicirt, da sie bei Verarbeitung größerer Massen von Rohstoffen die successive Erneuerung der Laugen erforderlich und bedeutenden Aufwand an Zeit und Arbeitskräften ganz unerläßlich macht; man wird sich daher anfänglich durch das von Mège-Mouriès in Vorschlag gebrachte Verfahren leicht verführen lassen, weil dasselbe wegen der durch seine Anwendung ermöglichten großen Vereinfachung des Fabricationsprocesses, bedeutende Vortheile gewähren müßte. Mège-Mouriès glaubt daß die Verseifung des Talgs nach seinem neuen Verfahren auch zur Darstellung von Fettsäuren angewendet und letztere durch dasselbe zu weit billigerem Preise und von besserer Qualität als bisher erhalten werden könnten. Wir betrachten diese Ansicht durchaus nicht als gegründet; weßhalb, wollen wir nun erklären. Mège-Mouriès verseift 2000 Kilogr. Talg binnen drei Stunden; die Zersetzung beansprucht eine Stunde, zur Schmelzung sind nach seiner Angabe drei, zur Krystallisation acht, zum Pressen vier, im Ganzen also neunzehn Stunden erforderlich. Hier liegt ein bedeutender Irrthum vor. Daß bei einem Laboratorium-Processe solche Resultate möglich sind, kann man bis zu einem gewissen Grade zugeben; bei einer im Großen ausgeführten Operation sind sie aber unmöglich. Zunächst trägt Mège-Mouriès der zum Schmelzen von 2000 Kilogr. Talg bei einer niedrigen Temperatur, dann der zum Auswaschen mit Wasser – welchen Theil des Processes er unerwähnt läßt –, ferner der zum Umfüllen oder zum Transport des Materials, zum Einschöpfen desselben in die Preßsäcke und zum Beschicken der Presse erforderlichen Zeit keineswegs genügend Rechnung. Der die Verseifung mit Kalk bewirkende Stearinsäure-Fabrikant hat hinsichtlich des Aufwandes an Zeit und Handarbeit, bis auf die kalte Pressung einschließlich, sehr analogen Bedingungen wie den von Mège-Mouriès angegebenen zu genügen. Von der Zeitersparniß wollen wir jetzt ganz absehen, da die Differenz derselben beim Mège-Mouriès'schen Verfahren, gegenüber der Verseifung mit Kalk gering ist, ebenso wenig wollen wir hier von den Kosten reden, indem wir auf diesen Punkt zurückkommen werden. In Folge der niedrigen Temperatur, bei welcher die nach seinem Verfahren nöthigen Operationen ausgeführt werden, hat Mège-Mouriès ungefärbte Fettsäuren erhalten. Dieser Punkt läßt sich nicht in Abrede stellen, doch darf der mit dieser Farblosigkeit verknüpfte Vortheil nicht überschätzt werden. Unter den sehr zahlreichen Stearinsäure-Fabrikanten dürfte sich vielleicht kein einziger finden, welchem es unbekannt wäre, daß man durch Zersetzung von Kalkseife bei einer 80° C. nicht übersteigenden Temperatur Fettsäuren erhält, die nicht merklich stärker gefärbt sind, als der zu ihrer Darstellung verwendete Talg. Wenn der Zersetzung der Kalkseifen bei Siedhitze der Vorzug gegeben wird, so liegt der Grund darin, daß dieses Verfahren sowohl bequemer ist, als auch rascher zum Ziele führt, indem dabei Dampf angewendet werden kann, welcher eine doppelte Wirkung hat, insofern er die Masse, in welche er eingeleitet wird, nicht allein erhitzt, sondern gleichzeitig auch umrührt, sie mechanisch in Bewegung setzt. Da die Schwefelsäure gegen Stearinsäure sich indifferent verhält, so bleibt ihre gelbfärbende Wirkung auf die Oelsäure beschränkt; durch diese Färbung aber wird weder die Qualität, noch der Handelswerth der letzteren beeinträchtigt: denn sie wird trotz derselben zur Fabrication von Natron- und Kaliseifen, sowie zum Entfetten der Wolle – nach dem Alcan-Peligot'schen Verfahren – verwerthet. Offenbar ist die Annahme, daß Seifenfabrikanten oder Wolledegraisseurs für ungefärbte, weiße Oelsäure einen höheren Preis zahlen werden, als für das gewöhnlich angewendete, denselben Zweck erfüllende, gelbe Product, nicht begründet. Mège-Mouriès gibt sich ferner offenbar einer Täuschung hin, wenn er glaubt, weiße Oelsäure werde den Handelswerth des Olivenöls erreichen können, da dieses letztere ganz abweichende Eigenschaften besitzt und zu ganz anderen Zwecken angewendet wird. Während demnach eine Färbung der Oelsäure von nur untergeordneter Bedeutung ist, erweist sich dagegen eine möglichst blendende Weiße der zur Kerzenfabrication bestimmten Stearinsäure als von hervorragender Wichtigkeit. Diese Eigenschaft muß mit möglichster Trockenheit und vollkommener Geruchlosigkeit gepaart seyn. Bisher ist den Fabrikanten die Erreichung dieser Qualitäten nur durch eine doppelte Pressung unter sehr kräftigen hydraulischen Pressen möglich gewesen, indem einmal kalt, und das zweite Mal warm gepreßt wird. Durch die warme Pressung soll die Masse eine theilweise Schmelzung erleiden, soll gewissermaßen in ihrer eigenen Substanz gewaschen, dadurch von den letzten, etwa noch vorhandenen Spuren von Oelsäure und gleichzeitig von jedem Geruch befreit werden. Manche Fabrikanten wenden allerdings nur eine kalte Pressung an, liefern aber auch Producte von geringerer Qualität. Bekanntlich sind die durch Destillation der Fettkörper erhaltenen Producte blendend weiß, sie sind vollkommen frei von Basis (Kalkerde) und ihr krystallinischer Zustand läßt nichts zu wünschen: Eigenschaften, welche für eine leichte Trennung der flüssigen Substanz von der festen höchst günstig sind. Gleichwohl ist es noch nie gelungen, sie durch bloße kalte Pressung vollständig von einander abzusondern; wir sind also zu der Frage berechtigt, ob man von der von Mège-Mouriès vorgeschlagenen Verseifung Resultate erwarten kann, deren Erzielung unter den mit der Destillation verbundenen so günstigen Umständen bisher nicht möglich war. Bei den destillirten Producten ist die heiße Pressung durchaus nöthig; für die nach dem neuen Verseifungsverfahren dargestellten Producte wird sie gleichfalls unerläßlich seyn. Die kalte Pressung liefert stets schön weiße Stearinsäure von sehr hohem Schmelzpunkt, wenn die Fettsäuren vollkommen präparirt und glycerinfrei sind; dieses Resultat wird mittelst der kalten Pressung aber nur bei Anwendung sehr dünner Fettsäureschichten erzielt. Letzteres Verfahren war in der Kindheit der Stearinindustrie üblich; später ward es abgeändert; die kalte Pressung wurde zur Abscheidung des größeren Theils der Oelsäure, die heiße Pressung aber zur Darstellung sehr starker, vollkommen weißer Preßkuchen angewendet; jede Pressung beansprucht mit Einschluß des Beschickens und des Entleerens der Pressen kaum eine Stunde Zeit. Die Anwendung der heißen Pressung ist demnach ein wirklicher Fortschritt zur Darstellung der Fettsäuren von guter Qualität, gleichviel auf welche Weise sie erzeugt wurden; das Aufgeben derselben würde ein offenbarer Rückschritt seyn. Einen für die Praxis höchst wichtigen Punkt, die Gestehungskosten, müssen wir zunächst näher in's Auge fassen. Mège-Mouriès ersetzt bei der Verseifung den Kalk durch Natron; machen wir also die Rechnung, so erhalten wir: 2000 Kilogr. Talg à 100 Kil. 100 Fr. 2000 Fr.   280    „ Aetznatron à 100 Kil. 65 Fr.   182  „   400    „ Schwefelsäure von 66° B. à 100 Kil. 13,50 Fr.     54  „ ––––––– 2236 Fr. Die Verseifung durch Kalk hingegen erfordert: 2000 Kil. Talg à 100 Kil. 100 Fr. 2000 Fr.   240  „ Kalk à 100 Kil. 5 Fr.     12  „   480  „ Schwefelsäure à 100 Kil. 13,50 Fr.     64  „   80 Cent. –––––––––––––– 2076 Fr. 80 Cent. Aus diesen, der Praxis entnommenen Zahlenangaben ergibt sich, daß die von Mège-Mouriès empfohlene Verseifung mit Natron auf 2000 Kil. Talg um 160 Fr. theurer zu stehen kommt, als die in den meisten Fabriken übliche Methode; eine nothwendige Folge der Anwendung eines theuren Alkalis, welches mit einer Base von so geringem Werthe, wie der Aetzkalk, zu concurriren hat. In der Hoffnung, durch sein Verfahren die heutzutage übliche Fabricationsmethode ersetzen zu können, wirft Mège-Mouriès einen Blick auf die Destillation der Fette und schlägt dieselbe nicht hoch an. Wir theilen seine Ansicht nicht, und verschmähen keineswegs ein Mittel, welches die Gewinnung von Stearinsäure aus allen beliebigen Fettkörpern gestattet; wir verachten durchaus nicht ein Verfahren, dessen Ausführung allerdings von Schattenseiten nicht frei ist, welches aber jedenfalls der Industrie wesentliche Dienste leistet und einen Fortschritt in sich schließt, welchen die letztere nicht mehr aufgeben kann. Ein Vergleich zwischen der Verseifung durch Alkalien und der mit nachfolgender Destillation verbundenen durch Schwefelsäure, würde von größtem Interesse seyn, seine nähere Erörterung indessen die Grenzen dieses Aufsatzes überschreiten.Hinsichtlich der Fettsäuredarstellung durch Schwefelsäure und nachherige Destillation verweisen wir auf die Abhandlung von Prof. Stas zu Brüssel im polytechn. Journal Bd. CLXXV S. 68.A. d. Red. Während nun Mège-Mouriès von der Destillation der Fette nichts wissen will, spricht er sich auch über die Verseifung im Autoclav oder Papin'schen Digestor, bei einem Drucke von 8 bis 10 Atmosphären, nicht günstiger aus, indem er behauptet, daß der Proceß nur unvollständig vor sich gehe und eine Stearinsäure von sehr niedrigem Schmelzpunkte liefere. Seine Einwürfe gegen dieses Verfahren dürften zu strenge seyn. Hätte er über dasselbe genauere Erkundigungen eingezogen, so würde er nicht unberücksichtigt gelassen haben, daß die mit Anwendung des Autoclavs dargestellten Fettsäuren keine Spur von Neutralfetten mehr enthalten, daß sie, mit Baryt oder Magnesia und dann auf's Sorgfältigste und Genaueste mit Alkohol und Aether behandelt, nicht den kleinsten Rückstand von Neutralfett geben, daß folglich die vollständigste Verseifung stattfindet. Er hätte ferner wissen müssen, daß die Verseifung im Digestor vielleicht noch rascher vor sich geht, als bei der Anwendung seines eigenen Verfahrens; daß das Füllen und Entleeren des Autoclavs mittelst der Hähne auf das Bequemste geschieht, und daß nachher die Zersetzung mit sehr geringen Schwefelsäuremengen fast augenblicklich vor sich geht. Ueberdieß- und dieß ist ein Punkt von größerer Bedeutung – kann die Verseifung im Digestor, wenn einerseits bei dem Verfahren von Mège-Mouriès weder Verlust noch Abgang stattfindet, ebenfalls weder Verlust noch Abgang verursachen; indem die letztere die beliebige Anwendung von Kalk, Natron oder Kali gestattet, gibt sie unmittelbar Fettsäuren von nur schwacher Färbung, vorausgesetzt daß man die Vorsicht beobachtet, dieselben nachher mit der Schwefelsäure nur bei einer unter der Siedhitze liegenden Temperatur in Berührung zu bringen. Die Kosten der Verseifung im Autoclav stellen sich folgendermaßen: 2000 Kil. Talg à 100 Kil. 100 Fr. 2000 Fr.     60  „ Kalk à 100 Kil. 5 Fr.       3 „   120  „ Schwefelsäure à 100 Kil. 16,15 Fr.     16 „ 15 Cent. –––––––––––––– 2019 Fr. 15 Cent. Demnach findet bei Anwendung dieses Verfahrens gegen dasjenige von Mège-Mouriès bei der Verarbeitung von 2000 Kil. Talg eine Ersparniß von 217 Fr. 85 Cent. statt; gleichzeitig bietet das erstere bezüglich der raschen Ausführung der verschiedenen Operationen und des erforderlichen Arbeitsaufwandes wirkliche Vortheile dar. Ueberdieß muß beachtet werden, daß man bei der Anwendung des Autoclavs Glycerin erhält, welches gereinigt und concentrirt im Handel bedeutenden Absatz findet, während man bei Befolgung der Mège-Mouriès'schen Methode dieses Nebenproduct nicht würde gewinnen können. Aus dem Vorstehenden dürfte sich ergeben, daß die französische Stearinsäure-Industrie, gegenüber derjenigen des Auslandes, nicht auf den untergeordneten Standpunkt gerathen ist, den man ihr zuschreibt. Wäre dieß der Fall, so würde eine Ueberschwemmung des französischen Marktes mit den ausländischen Producten die unausbleibliche Folge seyn. Es findet aber das Gegentheil statt; die französischen Stearinkerzen und die mit Oelsäure fabricirten französischen Seifen werden nach allen Weltgegenden ausgeführt. Unsere bezüglichen Fabriken sind sehr zahlreich und deren Ausdehnung nimmt täglich zu. Wir könnten eine dieser Fabriken anführen, welche – im Seinedepartement gelegen – das ganze Jahr hindurch täglich zehn bis zwölf Tausend Pakete Kerzen erster Qualität liefert. Dabei darf man nicht etwa glauben, daß dieser blühende Zustand Folge von Prohibitiv- oder wenigstens Schutzzöllen auf derartige ausländische Products ist: unsere Stearinsäure-Industrie schützt sich vielmehr durch sich selbst, und die Eingangssteuer von fremder Stearinsäure beträgt bei uns nur 50 Procent des Werthes. Diese Steuer wiegt die Vortheile, welche unsere nächsten Concurrenten – Engländer und Belgier – voraus haben, bei weitem nicht auf, indem sie, namentlich die letzteren, Arbeitskräfte und Brennmaterial zum halben Preise gegen uns haben. Schließlich sprechen wir unsere Ueberzeugung dahin aus, daß die von Mège-Mouriès und Anderen in Vorschlag gebrachte Verseifung der Fette durch Aetznatron bei niederer Temperatur nach vorhergehender Behandlung derselben mit einer Seifenlösung, mit schwachen Laugen oder mit schwefelsaurem Wasser, vielleicht in der Seifenfabrication Platz greifen kann, daß dagegen bei ihrer Anwendung zur fabrikmäßigen Darstellung der Stearinsäure die Gestehungskosten vermehrt, die Gewinnung eines nützlichen Nebenproducts, des Glycerins, unmöglich und im Ganzen ein Rückschritt gemacht werden würde.