Titel: Ueber die Oxydation des Kautschuks, von J. Spiller.
Fundstelle: Band 176, Jahrgang 1865, Nr. XLIX., S. 159
Download: XML
XLIX. Ueber die Oxydation des Kautschuks, von J. Spiller. Aus dem Mechanics' Magazine, März 1865, S. 135. Spiller, über die Oxydation des Kautschuks. Bereits vor vier Jahren theilte Dr. A. W. Hofmann der Chemical Society seine Beobachtungen über die Veränderungen mit, welche die Gutta-percha an freier Luft, namentlich in heißen Climaten, erleidet und wies nach, daß das Verderben des isolirenden Ueberzugs der Drähte des ostindischen Telegraphen von einer allmählichen Oxydirung des Gummis herrühre.Polytechn. Journal Bd. CLVIII S. 77. Spiller beschreibt, an diese Mittheilungen sich anschließend, ein interessantes Beispiel der allmählichen Veränderung des Kautschuks, welches er an einem, unter dem Namen „patentirter wasserdichter Filz“ bekannten Handelsartikel beobachtete. Dieser Artikel dient als billiges Verpackungsmaterial namentlich für Seide und andere werthvolle Fabricate, Papeterien und viele ähnliche Producte, welche durch Feuchtigkeit leicht beschädigt werden; er kommt in Stücken von etwa 1 Yard Breite und bedeutender Länge in den Handel und wird, dem Anschein nach, dargestellt, indem Baumwollenfaser mittelst eines Kautschukteigs oder einer Kautschuklösung zusammengeleimt und die Masse nach Verdampfung des Lösungsmittels durch Walzen passirt wird, wodurch man ein wasserdichtes, sogenanntes endloses Fabricat erhält. Vor etwa sechs Jahren kaufte Spiller eine Quantität dieses „wasserdichten Filzes“ und benutzte denselben zum Theil zu photographischen Zwecken, während er einen anderen Theil bei Seite legte. Als er diesen letzteren vor Kurzem näher untersuchte, wurde er gewahr, daß der Stoff nicht mehr die frühere Festigkeit, die geschlossene Textur und die Wasserdichtheit des ursprünglichen Fabricats besaß. Darauf stellte er eine genaue Vergleichung der Eigenschaften dieses alten Fabricats mit denen von neuem Material an und untersuchte das verdorbene Fabricat auf dieselbe Weise, in der er es vor sechs Jahren geprüft hatte, indem er nämlich den Kautschuk mit Benzol auszog und die Beschaffenheit der nach dem Verdampfen des Lösungsmittels zurückbleibenden Haut näher prüfte. Bei dieser Behandlung gab das ursprüngliche, unveränderte Fabricat eine schön weiße Baumwollenlocke, und eine Lösung, welche nach dem Verdampfen ein vollkommen elastisches Häutchen von reinem Kautschuk hinterließ. Gleiche Resultate erhielt Spiller bei der Untersuchung einer Probe des erst vor Kurzem fabricirten Stoffes. Als dagegen das alte, veränderte und für seine ursprüngliche Bestimmung verdorbene Fabricat mit heißem Benzol behandelt wurde, gab es eine mißfarbige Baumwolle und eine Lösung, welche beim Verdampfen eine bräunlichgelbe spröde Substanz hinterließ, die große Aehnlichkeit mit Schelllack zeigte. Zur näheren Untersuchung dieses interessanten Körpers wurde das Fabricat mit heißem Alkohol ausgezogen, wobei neben der Baumwolle noch eine geringe Menge unveränderter Kautschuk zurückblieb, der sich leicht abfiltriren ließ. Von einem Quadratfuß des verdorbenen Fabricats erhielt Spiller auf diesem Wege – nach vollständigem Verdampfen des Alkohols im Wasserbade – 74 Gran des spröden Harzes. Er stellte sich mittelst des angegebenen Verfahrens eine größere Menge dieses veränderten Kautschuks dar und untersuchte die Eigenschaften desselben näher. Der Körper ist leicht löslich in Alkohol, zumal in heißem; ferner in Holzgeist, Chloroform und Benzol; fast gar nicht dagegen in Aether, Schwefelkohlenstoff und Terpenthinöl. Von Alkalien wird er leicht gelöst und läßt sich aus den Lösungen durch Neutralisiren derselben mit Säuren wieder ausfällen. Gleich dem unveränderten Kautschuk läßt sich das Harz durch Eintauchen in Aetzammoniak bleichen; es schmilzt noch unterhalb 100° C.; wird es in einer Retorte stärker erhitzt, so geht ein bernsteingelbes Oel von angenehm empyreumatischem Geruche über, außerdem noch Wasser – ein Beweis, daß es Sauerstoff enthält. Bei gewöhnlicher Temperatur ist es außerordentlich spröde und sehr stark elektrisch, so daß es sich in einem unbedeckten Mörser nicht ohne Verlust pulvern läßt. Mit Seide gerieben, läßt die Substanz alle Erscheinungen der Harzelektricität wahrnehmen. Eine Analyse dieses Harzes, bei welcher dasselbe durch Kupferoxyd verbrannt wurde, ergab folgende Zusammensetzung: Kohlenstoff 64,00 Wasserstoff 8,46 Sauerstoff 27,54 –––––– 100,00Zum Vergleich führt Spiller die Resultate einer von Hofmann's Analysen von Gutta-percha an: Kohlenstoff62,79Wasserstoff9,29Sauerstoff27,92––––––100,00 Aus den von Hofmann in seiner Mittheilung über die Oxydation der Gutta-percha angegebenen Gründen unterließ Spiller die Aufstellung einer Formel, indem er die Substanz als ein aus Kautschuk durch unmittelbare Absorption von Sauerstoff aus der Atmosphäre – in derselben Weise, wie sich aus ätherischen Oelen und anderen Kohlenwasserstoffen Harze bilden – entstandenes Oxydationsproduct betrachtet. Warren de la Rue bemerkte zu der vorstehenden – in der Versammlung der Chemical Society vom 16. Febr. d. J. gemachten – Mittheilung, daß er früher einmal Gelegenheit gehabt habe, die Fabrication des „wasserdichten Filzes“ zu Manchester aus eigener Anschauung kennen zu lernen, und daß das dortige Verfahren im Wesentlichen das von Spiller angedeutete sey. Der mittelst Benzols oder eines anderen Lösungsmittels zu einem dicken Teige erweichte oder aufgequollene Kautschuk werde durch Walzen auf die Baumwollfasern aufgetragen. Das gewöhnliche Material enthalte keinen Schwefel; er besitze indessen Proben von dergleichen Stoff, welche bereits vor achtzehn Jahren fabricirt und durch Zusatz von Schwefel und nachheriges Erhitzen vulcanisirt worden seyen, und sich während dieser langen Zeit vollkommen gut gehalten und nicht im mindesten verändert hätten. Abel erwähnt, er habe vor neun Jahren Veranlassung gehabt, mehrere Kautschukfabricate, welche aus dem Krimfeldzuge nach England zurückgebracht waren, einer näheren Untersuchung zu unterwerfen und habe in mehreren Fällen eine Art Harz, dem Schelllack sehr ähnlich, gefunden, dasselbe aber damals für einen Beweis von Verfälschung der Waare gehalten. Dieses Harz sey ihm aber nur in nicht vulcanisirtem Material vorgekommen und nach Hofmann's und Spiller's Untersuchungen könne es keinem Zweifel unterliegen, daß die beobachtete Veränderung Folge der Einwirkung des Sauerstoffs auf den Kautschuk sey, welche durch den porösen Zustand desselben, veranlaßt durch die große Menge der ihm beigemischten mineralischen Substanzen, sehr begünstigt werde. Spiller theilte ferner mit, daß es ihm gelungen sey, Verbindungen oder Gemenge von Kautschuk mit dem beschriebenen Harze auf die Weise darzustellen, daß er Kautschukblätter mit Lösungen des letzteren imprägnirte und dann die Lösungsmittel verdampfen ließ. Solche Verbindungen ständen indessen in Bezug auf Weichheit und Elasticität dem reinen Kautschuk nach. Odling machte darauf aufmerksam, daß die bräunlichgelbe Färbung des in Rede stehenden Harzes wohl nur zufällig sey und daß weiße Gutta-percha, wie sie durch Fällung einer alkoholischen Lösung dargestellt werden könne, möglicherweise ein weißes Harz liefern würde. Vielleicht existire das Harz – ebenso wie Schelllack – in zwei Modificationen, in einer weißen und in einer gefärbten.