Titel: Ueber eine neue, sehr pulversparende Besetzung der Sprenglöcher; von Prof. A. R. v. Miller in Leoben.
Fundstelle: Band 176, Jahrgang 1865, Nr. CIX., S. 361
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CIX. Ueber eine neue, sehr pulversparende Besetzung der Sprenglöcher; von Prof. A. R. v. Miller in Leoben. Aus der österreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1865, Nr. 16. v. Miller, über eine pulversparende Besetzung der Sprenglöcher. Drei Hauptgrundsätze sind es, auf welchen die neue Methode fußt: 1) das Pulver soll einen möglichst kleinen Raum einnehmen, damit sich die Entzündung von der Mitte des Pulversackes möglichst rasch nach allen Richtungen verbreite; 2) die Expansivkraft der Pulvergase soll im Momente der Lossprengung des Gesteins ein Maximum seyn; 3) den Gasen soll in diesem Momente eine möglichst große Druckfläche dargeboten werden. Den Bedingungen 1) und 2) würde am besten durch einen kugelförmigen Pulversack entsprochen werden, in dessen Mittelpunkt sich das untere Ende des Zünders befände. In der That ist auch selbst unter Fachleuten diese Ansicht ziemlich verbreitet, und mir ist ein Fall bekannt, wo man in Kalk mit Salzsäure dem Pulversacke eine annähernd kugelförmige Gestalt zu geben versuchte. Allein diese Form des Pulversackes entspricht am allerwenigsten der Bedingung 3), weil sie statt eines Maximums ein Minimum an Druckfläche ergibt; es ist ihr daher die übliche cylindrische Form desselben, welche dieser Bedingung schon viel besser entspricht, um so mehr vorzuziehen, als mit ihrer Herstellung auch ein Minimum an Handarbeit verbunden ist. Allein die gewöhnliche Besetzungsweise der Bohrlöcher beutet den Vortheil einer großen Druckfläche für die Gase noch immer viel zu wenig aus, was selbstverständlich mit einem bedeutend größeren Aufwande an Pulver verbunden ist. Der übermäßig lange Lehmbesatz verhindert die Gase, auf einen größeren Theil des Bohrlochumfanges zu drücken, als der Pulversack ihnen eben darbietet. Aus dieser Betrachtung folgt nun, daß man den Lehmbesatz möglichst kürzen, im übrigen aber alles so einrichten müsse, daß den Pulvergasen eine möglichst große Druckfläche dargeboten werde, ohne daß jedoch diese wesentlich an Expansivkraft verlieren. Den Lehmbesatz habe ich für 3' bis 3 1/2' tiefe, und 1 1/4'' bis 1 1/3'' weite Bohrlöcher mit 5'' bis 6'' Länge ausreichend befunden; es ist aber immerhin möglich, daß man mit demselben noch weiter herabgehen könne. Für weitere und tiefere Bohrlöcher, wie sie zuweilen bei Abbauen, vornehmlich aber über Tag vorkommen, genügen 7'' bis 8'' Lehmbesatz, dagegen für kurze und enge Löcher beim Streckenbetrieb in festem Gestein dürfte derselbe mit 3'' und vielleicht selbst mit noch geringerer Länge ausreichend befunden werden. Die ganze Tiefe des Sprengloches, welche der Lehmbesatz noch übrig läßt, ist somit bei einer rationellen Verladung für die Druckfläche zu verwenden. Würde man nun aber den Raum zwischen dem Pulver und dem verkürzten Lehmbesatz vollständig frei lassen, so würde zwar die Druckfläche für die Gase wesentlich vergrößert, aber genau in demselben Maaße würde auch die Expansivkraft der Gase, welche sich nunmehr in einem größeren Raume verbreiteten, herabgesetzt werden. Da nun aber der Gesammtdruck der Gase durch ein Product dargestellt wird, dessen einer Factor die Expansivkraft, auf die Flächeneinheit gerechnet, und dessen anderer Factor die Druckfläche ist, so könnte aus einer derartigen Anordnung kein Gewinn resultiren; ja, es würde die vergrößerte Gesteinsfläche, mit welcher nunmehr die heißen Gase in Berührung kommen würden, zur größeren Abkühlung derselben beitragen, und hierdurch die Wirkung des Schusses noch etwas herabgesetzt werden. Textabbildung Bd. 176, S. 361 Aus diesen Folgerungen ist nun die in beistehender Figur dargestellte neue Besetzungsweise hervorgegangen. a, d ist das in gewöhnlicher Weise abgebohrte Sprengloch; a, b das Pulver, von welchem ein später zu erwähnendes Quantum abgebrochen wird; e, f der Zünder, der mit seinem unteren Ende wie gewöhnlich bis in die Mitte des Pulversacks hineinreicht; c, d ist endlich der auf die unumgänglich nothwendige Länge beschränkte Lehmbesatz. Der Raum b, c, welcher zwischen dem letzteren und dem Pulver verbleibt, wird nun mit einem oder mehreren massiven Metallcylindern ausgefüllt, welche für den Zünder, wenn er nicht sehr dünn seyn sollte, eine Spur, und dabei einen solchen Durchmesser besitzen, daß zwischen ihnen und der Bohrlochswand eben noch so viel Spielraum bleibt, daß sie eben noch ziemlich leicht in's Bohrloch hineingehen. Dadurch, daß das Pulver auf einen möglichst kleinen Raum beschränkt bleibt, wird der Eingangs erwähnten Bedingung 1) entsprochen; nach Bedingung 3) besitzen die Pulvergase aber eine möglichst große Druckfläche, indem sie sich nicht nur im Pulversacke, sondern auch in dem leer gebliebenen Raume zwischen dem Cylinder und der Bohrlochswand verbreiten. Weil aber dieser Raum möglichst klein gehalten wird, kann die Expansivkraft der Gase nicht stark sinken, und es wird dadurch nach Thunlichkeit der unter 2) ausgesprochenen Bedingung entsprochen. Es sey gestattet, den vorliegenden Fall durch eine einfache Rechnung darzustellen. Es sey e die Spannkraft der Gase, welche diese erlangen würden, wenn nach gewöhnlicher Weise verladen würde, folglich nach obiger Figur der ganze Raum von b bis d mit Letten besetzt wäre: R sey der Halbmesser des Sprengloches und H die Höhe des Pulversackes; r sey der Halbmesser und h die Höhe der massiven Cylinder. Es ist somit πR²H der Rauminhalt des Pulversackes, und π (R² – r²) h der Inhalt des leeren Raumes um den Cylinder; daher die durch den letzteren herabgesetzte Spannkraft die Pulvergase nach dem Mariotte'schen Gesetze Textabbildung Bd. 176, S. 362 Die Druckfläche dagegen wäre bei gewöhnlicher Ladung = 2 RH; da aber nunmehr ein Raum von der Höhe h und gleichem Durchmesser R zugewachsen, so ist die Druckfläche bei der neuen Besetzungsweise = 2 R (H + h); somit ist der Gesammtdruck als Product aus Spannkraft und Druckfläche Textabbildung Bd. 176, S. 362 Da man nun annehmen kann, daß für gewöhnliche Verladung und übrigens gleiche Umstände die Spannkräfte der Gase sich verhalten wie die Pulvermengen, so repräsentirt in diesem Ausdrucke e eine zum Pulverquantum Proportionale, und dieser selbst gibt zugleich mit einer Constanten multiplicirt, die bei der neuen Besetzungsweise zu verwendende Pulvermenge, welche somit theoretisch um so geringer wird, je größer h die Höhe des Cylinders ist, und je näher dessen Halbmesser r dem Bohrlochhalbmesser R kömmt, oder je länger und je enger der rings um den Cylinder verbliebene leere Raum ist. Praktisch jedoch wird die wirklich verwendete Pulvermenge immer größer, daher das Pulver-Ersparniß geringer seyn müssen, als es sich nach dieser Formel ergibt, weil die heißen Pulvergase mit einer ansehnlich größeren Gesteinsfläche in Berührung kommen, als bei der gewöhnlichen Besetzungsweise, demnach auch stärker abkühlen und dadurch an Wirkung etwas einbüßen müssen. Wie viel man aber von der üblichen Pulvermenge brechen dürfe, darüber konnten nur Versuche entscheiden. Ich führte also drei Versuchsreihen durch: in ziemlich mildem Gestein (milder Tertiärsandstein und Serpentin), in mittelfestem (compacter Glanzkohle) und in festem Gestein (Eisenspath und körnigem Kalk), wobei die Löcher 2' bis 3 1/2' tief und entsprechend weit waren, und folgendes Resultat ergaben: In mildem Gesteine, in welchem die Versuche begannen, und sehr stark an Pulver gebrochen wurde, mißlang eine verhältnißmäßig große Anzahl Sprengschüsse; es liegt aber der Grund hiervon vornehmlich in dem Umstande, daß hier erst die Erfahrungen gesammelt wurden, wie stark man überhaupt das Pulver verringern dürfe. In compacter Glanzkohle fielen dagegen die Versuche sehr gut aus, und mißlangen fast gar keine derselben; nur zeigte sich, daß die Pulvermenge, wenn sie bloß die Hälfte des üblichen Quantums betrug, doch etwas schwach bemessen sey. Mit 2/3 derselben gelangen alle Versuche. In festem Gestein, wo die Schüsse allemal mit 2/3 der üblichen Pulvermenge geladen wurden, gelangen alle Versuche mit Ausnahme eines einzigen, wo der Schuß überhaupt mit viel zu starker Gesteinsverspannung gebohrt war. Die erste Versuchsreihe hat somit gar keinen Werth, weil sie nur zur eigenen Orientirung diente; auch die zweite besitzt einen geringeren, als es den Anschein hat, weil hier die Häuer überhaupt nicht sparsam mit dem Pulver umgingen, und somit ein Theil der Ersparung imaginär und auf Rechnung der Ueberladung der Schüsse zu setzen ist. Eigentlich entscheidenden Werth besitzt die dritte Versuchsreihe (am Vorderberger-Erzberg ausgeführt), wo die Schüsse sämmtlich starkes Vergeben und auch theilweise starke Verspannung besaßen und die Häuer mit dem Pulver ökonomisch umzugehen gewohnt sind. Welches Ersparniß an Pulver sich bei der neuen Methode für minder tiefe und enge Löcher herausstelle, darüber besitze ich noch keine Erfahrung; ohne Zweifel aber wird es procentuell geringer seyn, als bei tiefen und weiteren Löchern; immerhin dürfte es aber auch hier für Bergbaue, welche viel Pulver consumiren, eine nicht unansehnliche Jahresziffer darstellen. Ich erlaube mir daher, die verehrten Fachgenossen wiederholt aufzufordern, auch ihrerseits Versuche zu machen, und wenn sie das Resultat derselben, wie ich gar nicht zweifle annehmbar finden, diese neue Besetzungsmethode in die bergmännische Praxis einzuführen. Allerdings werden sich die Häuer gegen diese Verbesserung sträuben, weil ihnen das Hervorziehen der Cylinder (die übrigens unmittelbar vor der Arbeitsbrust unter das Hauwerk fallen) eine kleine Mühe verursacht, und weil sie wohl wissen, daß eine Pulverersparung – auch wenn sie im Gedinge arbeiten – nicht ihnen, sondern dem Bergbaubesitzer zu Gute kommt. Ein energischer Wille jedoch wird dieses Hinderniß leicht zu überwältigen wissen. Die anfänglich von mir angewendeten Lade-Cylinder waren von hartem Holze, wurden aber von den Pulvergasen stark elliptisch zusammengedrückt, so daß sie bei einer zweiten Verwendung zu viel Zwischenraum gelassen hätten. Ich verwendete hierauf weiches Eisen zu denselben, das ich zur Vermeidung des Feuerreißens mit Fett bestrich und zum Ueberfluß noch in geleimtes Papier einwickelte. Wollte man diese Zuthaten vermeiden und in hartem Gestein ganz sicher gehen, so würde man wohl Blei oder Zinn zu denselben verwenden müssen. Auch waren die von mir verwendeten Metallcylinder von verschiedener Länge, so daß ich jederzeit die gewünschte Länge durch Zusammensetzen aus einzelnen Stücken erhalten konnte. Nun sey mir zum Schlusse noch gestattet, meine Ansicht über das Hohlladen (Raumschießen) und über das Mengen des Pulvers mit anderen Substanzen beizufügen. Wenn beim Hohlladen der hohle Raum über oder unter dem Pulver den gleichen Durchmesser mit dem Pulversacke besitzt, so pflegt man zur Offenerhaltung desselben hölzerne Hälter in das Bohrloch einzubringen, und der körperliche Inhalt dieser Hälter ist es, welcher bewirkt, daß die Druckfläche der Gase stärker wächst, als der von den letzteren eingenommene Raum, somit eine günstigere Wirkung des Schusses resultiren kann, als beim gewöhnlichen Besetzen. Wird aber das Bohrloch unter dem Pulversacke enger fortgebohrt und auf den dadurch entstandenen Absatz die Pulverpatrone aufgesetzt, so zeigt die Rechnung, daß ebenfalls eine günstigere Wirkung resultiren müsse, als beim Verladen auf gewöhnliche Weise, und daß dieselbe für eine gewisse Größe des engeren Durchmessers ein Maximum werde. Beide Arten hohl zu laden müssen aber immerhin noch Resultate geben, welche weit hinter jenen der neuen oben beschriebenen Methode zurückstehen. Wird das Pulver mit anderen zerkleinerten Substanzen, als: trockenen Sägespänen, Sand u. dgl. gemengt verwendet, so nimmt das Gemenge mehr Raum ein, als das Pulver für sich allein einnehmen würde; es wird somit ebenfalls die Druckfläche vergrößert, während der von den Pulvergasen eingenommene Raum nur wenig zunimmt, und der daraus erwachsende Vortheil kann möglicherweise größer seyn, als der aus der stärkeren Vertheilung des Pulvers erwachsende Nachtheil der langsameren Entzündung desselben. Nur so läßt sich ein (nicht etwa von früherer Ueberladung herrührendes) Ersparniß an Pulver erklären, wo überhaupt durch dieses Mittel ein solches erreicht wurde.