Titel: Eisenbahn über den Mont Cenis. – Ueber die Versuche, welche mit Locomotiven nach Fell's System auf einer Probestrecke der Mont-Cenis-Eisenbahn angestellt wurden; der englischen Regierung erstatteter Bericht von Ingenieur-Hauptmann Tyler.
Fundstelle: Band 177, Jahrgang 1865, Nr. CII., S. 432
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CII. Eisenbahn über den Mont Cenis. – Ueber die Versuche, welche mit Locomotiven nach Fell's System auf einer Probestrecke der Mont-Cenis-Eisenbahn angestellt wurden; der englischen Regierung erstatteter Bericht von Ingenieur-Hauptmann Tyler. Aus dem Engineer, 1865, Vol. XIX, No. 495. Bericht über die Versuche mit Fell's Locomotivensystem. Die zur Zeit noch vorhandene Lücke zwischen den Städtchen St. Michel und Susa auf der definitiven Mont-Cenis-Eisenbahn zur Verbindung Frankreichs mit Italien hat eine Länge von 47,6 englischen Meilen (77 Kilometer) und der Postwagen bedarf, um dieselbe zurückzulegen, im Sommer neun und im Winter zehn und eine halbe Stunde. Der Uebergang über den Berg, welcher auf der französischen Seite bei Lanslebourg beginnt, findet auf einer sehr guten 9 bis 10 Meter breiten Straße mit einer durchschnittlichen Steigung von 1 : 13 statt; aber zur Winterszeit ist der Verkehr nicht nur durch den Schnee sehr erschwert, sondern auch oft von großer Gefahr durch den Herabsturz von Lawinen sowie durch die Schwierigkeit, mit welcher schwere Postwagen über Schnee und Eis bergabwärts fahren, bedroht. Einen Theil des Winters hindurch findet zwar der Transport auf Schlitten statt, aber die hierzu erforderliche Zeit ist unbestimmbar, weil sie ganz von den Witterungsverhältnissen abhängt. Um Zeit zu sparen und die Unannehmlichkeiten eines solchen Ueberganges zu beseitigen, wird jetzt bekanntlich zwischen Modane und Bardonnêche der 12220 Meter (7,59 engl. Meilen) lange Tunnel gebaut. Ich benutzte die gebotene Gelegenheit zur Besichtigung dieses Tunnels und fand, daß derselbe von Modane aus 2011 Meter und von Bardonnêche aus 2700 Meter vorgeschritten war, so daß also noch 7509 Meter (ungefähr 4 2/3 englische Meilen) zu durchbohren sind. Die sinnreichen, für diesen Tunnel von den HHrn. Sommeiller, Grandis und Grattoni entworfenen Bohrmaschinen werden bekanntlich mit Luft betrieben, welche durch Wasserräder, die in dem darunter befindlichen Thale, anderthalb engl. Meilen davon entfernt, angelegt sind, auf fünf Atmosphären comprimirt wird; die Ortstöße werden durch auf einander folgende Pulversprengungen mittelst 3 Fuß tief in das Gestein gebohrter, mit der Ladung und Lehm gefüllter Löcher hergestellt. Fünf dieser Wasserräder bei Modane haben bei meiner Anwesenheit 400 PferdestärkenDieß wurde mir an Ort und Stelle mitgetheilt, aber die Zahl scheint etwas zu hoch gegriffen zu seyn. geliefert, um einerseits 27 Pferdestärken zum Betriebe von neun Steinbohrern an der Vorderseite des zu durchbohrenden Gesteins zu beschaffen, andererseits eine genügende Ventilation (mit Ausnahme der Stelle, wo die Bohrmaschine arbeitet) im Innern herzustellen; man hat nämlich kürzlich wenigstens 8000 Pfd. Sterl. für den Bau von cylindrischen kesselförmigen Behältern zur Aufnahme eines solchen Vorrathes von comprimirter Luft verausgabt, daß derselbe für eine halbe Tagearbeit im Tunnel hinreicht. Diese Reservoirs werden in den Pausen, wo die Bohrmaschinen still stehen, gefüllt. Nach den Fortschritten zu urtheilen, welche der Durchstich bisher gemacht hat und nach der wahrscheinlichen Beschaffenheit des Gesteines läßt sich (abgesehen von außergewöhnlichen Schwierigkeiten der Ventilation sowie von der Möglichkeit, daß man auf Wasser trifft, welches bewältigt werden muß) nicht erwarten, daß dieser Tunnel in einer kürzeren Zeit als in sieben bis acht Jahren vollendet werden wird. Auch kommen auf der permanenten Eisenbahn nach dem dermaligen Projecte noch andere Tunnels zur Ausführung, wozu noch manches Jahr erforderlich seyn wird. Unter diesen Umständen hat Hr. Fell, als Vertreter der HHrn. Brassey und Comp., der französischen und italienischen Regierung vorgeschlagen, eine Eisenbahn von St. Michel über den Mont Cenis nach Susa für die Zeit anzulegen, welche noch zu dem Baue des großen Tunnels erforderlich ist und diese Bahn mit den fertigen permanenten Bahnstrecken in Verbindung zu setzen. Hr. Fell hat von keiner der beiden Regierungen eine Geldunterstützung verlangt, da die Gesellschaft, deren Vertreter er ist, die Ueberzeugung hat, daß sie sich während der zur Vollendung des großen Tunnels noch erforderlichen Zeit nicht nur für ihre Auslagen an Capital und Zinsen bezahlt machen, sondern auch noch Nutzen aus dieser Anlage ziehen werde. Die in Betracht gezogenen Steigungen waren jedoch solche, daß sie von einer Locomotive mit einer Last, deren Fortschaffung über gewöhnliche Steigungen man bei dem auf die Schienen von ihr ausgeübten Adhäsionsgewichte als sicher annehmen darf, nicht überwunden werden können; man war daher der Ansicht, daß man am besten die erforderliche Adhäsion erlangen würde, wenn man Gebrauch von einem schon vor längerer Zeit patentirten, aber niemals in Ausführung gebrachten Systeme machte, welches darin besteht, daß zwischen den gewöhnlichen tragenden Schienen noch eine dritte angeordnet wird, gegen welche zwei horizontale, an der Maschine befindliche Treibräder wirken. Es wurde daher nach einer der dem Hrn. Fell patentirten Constructionen eine Locomotive mit zwei Paar horizontaler und zwei Paar verticaler Treibräder gebaut und eine Versuchsstrecke von 800 Yards Länge in Derbyshire auf der Cromford- und High-Peak-Eisenbahn mit Zustimmung und unter Beihülfe der London- und North-Western-Eisenbahngesellschaft hergestellt. Diese Strecke hatte eine Spurweite von 3 Fuß, 7 3/8 Zoll, enthielt 180 Yards gerade Linie mit einer Steigung von 1 : 13,5, und 150 Yards Curven mit Radien von 2 1/2 bis 3 1/2 Kettenlängen (à 66 Fuß) auf einer Steigung von 1 : 12. Die dritte Schiene auf dieser Strecke, welche zwischen die horizontalen Treibräder der Maschine gefaßt werden sollte, wurde auf ihrer Unterlage 7 1/2 Zoll höher als die beiden anderen Schienen gelegt. Bei einer Reihe von Versuchen, welche man vom September 1863 bis zum Februar 1864 anstellte, wurde mit der ersten Maschine, welche gebaut worden war und die mit einer Dampfspannung bis 120 Pfund per Quadratzoll arbeitete, der Zweck nicht ein einziges Mal verfehlt, da dieselbe nach den mir hierüber zugekommenen Mittheilungen eine Last von 24 Tonnen über die oben erwähnten Steigungen und durch die obigen Curven gezogen hat. Die äußeren Cylinder, welche die vier verticalen Räder Umtrieben, die 16 Tonnen trugen, wenn die Maschine mit Allem versehen war, konnten außer dem Eigengewicht der Maschine nur einen beladenen, 7 Tonnen schweren Wagen über die Steigungen ziehen, während die innenliegenden Cylinder, welche auf die horizontalen Räder wirkten, die mit 12 Tonnen gegen die Mittelschiene drückten, die Locomotive in den Stand setzten, an demselben Tage und unter denselben Verhältnissen 24 Tonnen Last über die Strecke zu ziehen. Da die Versuche auf der High Peak-Eisenbahn von so gutem Erfolge waren, so beschloß man dieselben mit Erlaubniß der französischen Regierung in größerem Maaßstabe auf den Abhängen des Mont Cenis fortzusetzen; die italienische Regierung hatte sich nämlich bereit erklärt, der Compagnie die Concession zur Ausführung des Unternehmens auf der Südseite des Berges unter der Bedingung zu ertheilen, daß sie auch eine solche für die Nordseite von der französischen Regierung erlangen würde und letztere hatte nach einiger Zögerung ihre Concession an die Bedingung geknüpft, daß die Ausführbarkeit des Systems zuvor nachgewiesen werde. Die Versuchsstrecke, welche Hr. Fell nun auf dem Mont Cenis gelegt hat, befindet sich zwischen Lanslebourg und dem Gipfel des Berges; sie beginnt in einer Höhe von 1622 Meter und endigt in einer Höhe von 1773 Meter (oder 5815 engl. Fuß) über dem Meere. Dieselbe ist beinahe 2 Kilometer oder 1 1/4 engl. Meilen lang und hat auf ihrer ganzen Länge eine mittlere Steigung von 1 : 13; das Maximum der Steigung ist 1 : 12. Die Strecke ist um eine scharfe Ecks – welche zwei von den Zickzacks der Auffahrt verbindet – auf einer Curve von 40 Metern oder ungefähr 2 Kettenlängen (à 66 Fuß) Radius geführt; mit Ausnahme dieser Stelle ist die Bahn an der Außenseite der Straße angelegt und nimmt auf dieser eine Breite von 3 1/2 bis 4 Metern ein, während für den Straßenverkehr eine Breite von wenigstens 5 Metern frei bleibt. Der für die Fuhrwerke übrig gelassene Theil von der Breite der Straße scheint für den gegenwärtigen Verkehr vollkommen zu genügen. Den Postwagen und anderen Fuhrwerken wird der Uebergang über den Berg durch die Bahn nicht erschwert und sie sind jetzt gegen das Herabstürzen durch die zwischen der Straße und dem Abgrunde angelegte Eisenbahn mehr geschützt. Der Locomotivbetrieb in solcher Nähe der öffentlichen Straße veranlaßte weniger Inconvenienz als man erwartet hatte; und da zum Transport über den Berg meistens dieselben Pferde und Maulthiere verwendet werden, so dürften sich diese immer mehr an den Lärm der Maschine und Züge gewöhnen. Während des dreimonatlichen Betriebes hat kein Unfall stattgefunden. Der Verkehr auf der Straße wird nach der Eröffnung der Eisenbahn natürlich verhältnißmäßig unbedeutend seyn und der für denselben verbleibende Theil von der Straße muß dann um so mehr für alle Zwecke ausreichen. Diese Probebahn ist absichtlich an der schwierigsten Stelle der Straße angelegt worden, an welcher die Eisenbahn dem Projecte nach ohne Bedachung bleiben soll, und dieselbe wurde auf die durch den Schnee erwachsenden Schwierigkeiten während der sehr strengen Witterung in den ersten Monaten dieses Jahres hinreichend erprobt. Ein günstigeres Resultat konnte kaum erwartet werden. Es ergab sich im Winter eine größere Adhäsion an den Schienen als man für den Sommer erwartet hatte. Wenn der Schnee bei ungünstiger Witterung von den Schienen entfernt wurde, so hinterließ er diese trocken und in gutem Zustande, während der eigenthümliche Chausseestaub, besonders wenn er mit Wasser gemischt ist, die Schienen ziemlich fettig und schlüpfrig macht. Diese Probestrecke hat eine Spurweite von 1,10 Meter (oder 3 Fuß 7 5/8 Zoll engl.); die Schienen derselben wurden von der I. Section der Victor Emanuel-Eisenbahn geliehen und der laufende Yard derselben wiegt ungefähr 75 Pfd. engl. Die tragenden Schienen sind an den Stößen mittelst Laschen befestigt und werden von gußeisernen Stühlen getragen, welche mittelst Nägeln in gewöhnlicher Weise auf die 3 Fuß von einander entfernten hölzernen Querschwellen befestigt sind. Die einzige Eigenthümlichkeit besteht (außer den starken Steigungen und scharfen Curven) in der Anordnung einer mittleren Schiene von demselben Querschnitte, welche auf ihrer Unterlage in die Mitte zwischen die beiden anderen Schienen und zwar um 7 1/2 Zoll höher als diese gelegt wird. Diese Schiene ruht theilweise in gußeisernen und theilweise in schmiedeeisernen Stühlen, wovon diejenigen an den Stößen je 20 Pfund und die Mittelstühle je 16 Pfund wiegen. Diese Stühle liegen jetzt auf der geraden Bahn 6 Fuß und auf den Curven 2 bis 3 Fuß von einander entfernt; die Stöße des mittleren Schienenstranges sind noch nicht mittelst Laschen befestigt, aber man beabsichtigt dieselben anzubringen, sobald die provisorische Bahn vollständig hergestellt wird; dann sollen auch die Stühle auf der geraden Bahn 3 Fuß und in Curven 1 Fuß 6 Zoll von einander entfernt gelegt, sowie mittelst durchgehender Schraubenbolzen auf die Langschwellen, auf welchen sie ruhen, befestigt werden. Die Langschwellen sind 8 Zoll hoch, 12 Zoll breit und auf die Querschwellen genagelt; sie erhalten auf diese Weise eine festere Lage in dem Oberbau. Die obigen Schienen sind zur Anwendung als Mittelschienen nicht zweckmäßig, weil die horizontalen Treibräder der Locomotiven nur die hervorstehenden Theile des Schienenquerschnittes fassen und so nicht die erreichbare Adhäsion erzeugen; es war jedoch vortheilhaft, sie im Lande beschaffen zu können und man mag dabei gedacht haben, daß die demnächst zur Herstellung der provisorischen Bahn zu verwendenden Schienen jedenfalls nicht weniger wirksam seyn werden als die auf der Probestrecke benutzten. Für die ganze Strecke von St. Michel nach Susa wird sich (wenn man den Culminationspunkt in der Mitte annimmt) eine mittlere Steigung von 1 : 25,6 ergeben. Die größte Steigung wird 1 : 12 seyn und eine Mittelschiene wird bei der Ausführung der Bahn an allen den Stellen angebracht werden, wo die Steigung größer als 1 : 25 ist. Außer 1960 Metern der Probestrecke sind auf der ganzen Strecke 850 Meter in Curven gelegen; bei 450 Metern derselben variirt der Krümmungshalbmesser von 84 bis zu 40 Metern, während bei den übrigen 400 Metern der Radius 100 und mehr Meter beträgt. Das Curvenverhältniß wird sich daher für die ganze Linie zwischen St. Michel und Susa viel günstiger gestalten, und Hr. Fell machte den guten Vorschlag, die Steigungen in den scharfen Curven zu modificiren und dieselben auf den geraden an die Curven anschließenden Strecken zu vergrößen, jedoch nicht über das Verhältniß von 1 : 12 hinaus. Auf diese Weise wird der Extra-Widerstand, welcher sonst in Folge der Reibung der Maschine und der Wagen beim Durchgange durch die scharfen Curven erzeugt würde, theilweise vermieden und die bei der Fahrt über die verschiedenen Theile der Bahnstrecke stattfindenden Widerstände werden besser ausgeglichen, weil die schärfsten Curven und größten Steigungen so nirgends an demselben Punkte zusammentreffen. Es werden zehn Niveau-Uebergänge über die Straße hergestellt werden, davon sechs auf Steigungen von mehr als 1 : 25. Die Mittelschiene wird an dem Uebergangspunkte von einigen derselben weggelassen werden, bei anderen wird sie wahrscheinlich mittelst Rampen (für die Thiere und Fahrzeuge, welche die Straße benutzen) passirt werden. Die an verschiedenen Theilen des Berges zu überdachenden Strecken werden zusammen eine Länge von 12–15 Kilometern (7 1/2 bis 9 1/3 engl. Meilen) haben, wenigstens ist die letztere Zahl vorgesehen worden. Die Ueberdachungen werden von dreierlei Art seyn, nämlich erstens aus einem hölzernen Dache mit Seitenwänden bestehen für eine Länge von 5 Kilometern, um den ruhig herabfallenden Schnee vom Geleise abzuhalten; zweitens in einer Holzconstruction, welche durch Eisen verstärkt wird, für eine Länge von 7 Kilometern, als Schutz gegen Schneewehen, und drittens in einem starken gemauerten Gewölbe für eine Länge von 3 Kilometern an den Stellen wo die Bahn von Lawinen bedroht wird. Man hat keine genauen Daten über die Schneemenge, welche am Mont Cenis fällt; das Freihalten der Straße von Schnee für den Verkehr kostet aber gegenwärtig jährlich ungefähr 12000 Fr., gegen 31900 Fr. welche für die Straße über den St. Gotthard zu gleichem Zwecke bezahlt werden. Die Kosten für das Freihalten der Eisenbahn von Schnee und die Schwierigkeiten welche der Schnee dem Eisenbahnverkehre verursachen dürfte, werden aus verschiedenen Gründen gegen die bisherigen Kosten und Schwierigkeiten des Straßenverkehrs gering seyn. Denn 1) wird die Eisenbahn an den Stellen des Berges überdacht werden, wo von dem Schnee die größten Gefahren und Nachtheile drohen; 2) wird sich die Eisenbahn in der Regel, wenn sie nicht überdacht ist, an der äußeren Seite der Straße befinden, und 3) werden die Locomotiven die Anwendung von Schneepflügen gestatten, wenn frisch gefallener Schnee dieß erfordert. Die Kosten für das Freihalten der Bahn über den Sömmering von Schnee belaufen sich jährlich auf 200 Francs per Kilometer. Ich werde nun zur Beschreibung der beiden auf dem Mont Cenis probirten Locomotiven übergehen. Bei ihrem Entwurfe waren drei Erfordernisse maßgebend: erstens sollten sie bei möglichst geringem Gewichte ein Maximum von Kraft entwickeln, um von dieser für das Befahren starker Steigungen möglichst viel übrig zu behalten; zweitens sollten sie eine besondere, von ihrem Gewichte unabhängige Adhäsion vermittelst der horizontalen Räder hervorbringen, welche von Federn hinter den Achsbüchsen gegen die erwähnte Mittelschiene gedrückt werden; drittens sollten sie sich mit mäßiger Geschwindigkeit fortbewegen und scharfe Curven durchlaufen. Die Locomotive Nr. 1 wiegt, wenn sie mit Kohks und Wasser versehen ist, 14 Tonnen und 10 Ctr. engl. (290 Ctr.). Ihr Kessel ist 7 Fuß 9 1/2 Zoll lang, hat einen Durchmesser von 2 Fuß 9 Zoll und enthält 100 Heizröhren von 1 1/2 Zoll äußerem Durchmesser; er hat eine Heizfläche von 420 Quadratfuß und eine Rostfläche von 6 Fuß 6 Zoll. Dieselbe hat vier Cylinder, nämlich zwei außenliegende von 11 3/4 Zoll Durchmesser mit einem Kolbenhube von 18 Zoll, welche die vier gekuppelten verticalen Räder von 2 Fuß 3 Zoll Durchmesser, mit einem Radstande von 5 Fuß 3 Zoll, treiben; und zwei innenliegende Cylinder von 11 Zoll Durchmesser mit einem Kolbenhube von 10 Zoll, zum Treiben von vier horizontalen gekuppelten Rädern mit einem Durchmesser von 1 Fuß 4 Zoll und mit einem Radstande von 1 Fuß 7 Zoll. Diese Locomotive übt jetzt einen Druck von 16 Tonnen auf die horizontalen Räder aus – einen um 4 Tonnen größeren als anfangs auf dieselben ausgeübt wurde. An dem hinteren Ende der Maschine wurden auch Führungsräder angebracht, welche die Mittelschiene zwischen sich fassen. Diese Maschine arbeitet unter sehr nachtheiligen Verhältnissen; ihr Bewegungsmechanismus ist nämlich mehr zusammengedrängt als es für eine bequeme Instandsetzung und für die Vornahme von Reparaturen wünschenswerth ist; der Kessel entwickelt für den Schnellzugsverkehr über den Mont Cenis nicht genug Kraft und das Oel fällt aus den Schmierbüchsen auf die horizontalen Räder herab und beraubt diese dadurch theilweise ihrer Adhäsionskraft. Die Maschine hat aber nichts desto weniger genügt, um die Richtigkeit des angewandten Princips zu beweisen und der Erfolg ist mit Rücksicht auf die Neuheit des Unternehmens ein überraschender. Im Verlaufe von zwei Tagen sah ich sechs Probefahrten dieser Maschine auf der Versuchsstrecke (hin und zurück) mit an, wobei sie jedesmal eine Last von 16 Tonnen in drei Wagen einschließlich des Gewichtes der letzteren, fortzog und bergaufwärts legte sie 1800 Meter in 8 1/8 Minuten mit einem Dampfverlust von 14 Pfund zurück, in Folge dessen das Wasser in dem Wasserstandsglase um 5 1/3 Zoll sank; die Dampfspannung im Kessel wechselte dabei im Durchschnitt aller dieser Versuche von 92 bis 125 Pfund per Quadratzoll. Die erlangte Geschwindigkeit war bei jedem Versuche größer als diejenige, welche man bei derselben Belastung für Expreßzüge vorgeschlagen hatte; denn die durchschnittliche Geschwindigkeit betrug, wie wir schon angegeben haben, 13 1/3 Kilometer (oder 8 1/3 engl. Meilen) per Stunde, anstatt 12 Kilometer (oder 7 1/2 engl. Meilen) per Stunde, was als die größte zulässige Fahrgeschwindigkeit in dem der französischen Regierung für diesen Theil der Bahn (den nördlichen) übergebenen Programme angenommen war. Die Witterung war schön und windstill, und die Fahrschienen waren im besten Zustande, aber die Mittelschiene ebenso wie die horizontalen Räder waren ölig und daher in einem zur Erzeugung bedeutender Adhäsion sehr ungünstigen Zustande. Die nachstehende Berechnung zeigt die durchschnittliche Leistung der Maschine Nr. 1 während dreier Probefahrten. Lassen wir vorerst den besonderen, in den scharfen Curven entstehenden Widerstand weg und vernachlässigen ebenso den durch die Atmosphäre erzeugten, so haben wir: Widerstand in Folge der Schwere = (32 × 2240)/13 =  5514 Pfd. Reibung, welche von der Maschine mittelst der     außenliegenden Cylinder erzeugt wird =  16 × 20 =    320 Reibung, welche von der Maschine mittelst der     innenliegenden Cylinder erzeugt wird =  16 × 20 =    320 Reibung vom Zug =  16 × 10 =    160 ––––––––––––– Ausgeübte Zugkraft 6314 Pfd. 1800 Meter = 5906 engl. Fuß wurden in 8 1/8 Minuten oder 727 Fuß in einer Minute zurückgelegt. 6314 Pfd. × 727 Fuß per Minute33000 Fußpfunde per Minute = 139 Pferdekräfte, während sich für dieselbe Last bei 12 Kilometer per Stunde = 125 Pferdekräfte ergeben. Rechnet man hierzu in jedem Falle 10 Proc. für Extra-Widerstand in den scharfen Curven, so erhält man: 139 + 10 Proc. = 153    Pferdekräfte bei 1800 Metern in 8 1/8 Minuten, 125 + 10 Proc. = 137,5 Pferdekräfte bei 1800 Metern in 9 Minuten. ––––––––––––––––   15,5 Pferdekräfte mehr als verlangt worden ist. Der Brennstoffverbrauch während dieser Probefahrten läßt sich kaum bestimmen, weil es nicht möglich war, zwischen der während des Stillstehens der Maschine verzehrten Brennstoffmenge und derjenigen zu unterscheiden, welche unmittelbar zur Ausübung der Kraft gedient hatte. Aber die Maschine hat am ersten Tage ungefähr 3 Stunden und am zweiten 3 1/2 Stunden im Dampfe gestanden und es wurden an diesen Tagen, so weit ich mich überzeugen konnte, beziehungsweise 583 und 653 Pfd. gemischtes Brennmaterial im Ganzen verbrannt. Von der angegebenen Zeit waren ungefähr 97 oder 98 Minuten erforderlich, um bei den Probefahrten auf- und abwärts an beiden Tagen eine Entfernung von im Ganzen 15 engl. Meilen zurückzulegen. Diese Maschine hat bei dem Transporte von Oberbaumaterial etc. schon über 100 engl. Meilen auf der Versuchsstrecke zurückgelegt und hierbei oft Ladungen von 16 bis 20 Tonnen ohne Unfall und Schwierigkeit gezogen. Die Maschine Nr. 2, welche eigens für den Betrieb auf dem Mont Cenis gebaut wurde, besteht theilweise aus Stahl. Ihr Nettogewicht beträgt 13 Tonnen und ihr größtes Gewicht, wenn sie vollständig mit Brennstoff und Wasser versehen ist, 16 Tonnen 17 Ctr., ihr mittleres Gewicht also 16 Tonnen; durch Verstärkung mancher Theile beabsichtigt man aber ihr Maximalgewicht auf 17 Tonnen 2 Ctr. und ihr mittleres Gewicht auf 16 Tonnen 4 Ctr. zu bringen. Der besondere Bewegungsmechanismus für die horizontalen Räder wiegt jedoch nur 2 Tonnen 13 Ctr. Der Kessel ist 8 Fuß 4 1/4 Zoll lang, hat einen Durchmesser von 3 Fuß 2 Zoll und enthält 158 Röhren von 1 1/2 Zoll äußerem Durchmesser. Die Feuerkiste und die Röhren bilden zusammen eine Heizfläche von 600 Quadratfuß; die Rostfläche beträgt 10 Quadratfuß. Die Maschine hat nur zwei Cylinder von 15 Zoll Durchmesser und 16 Zoll Kolbenhub, welche sowohl die vier gekuppelten Horizontalräder als auch die vier gekuppelten Verticalräder in Bewegung setzen, die alle einen Durchmesser von 27 Zoll haben. Der Radstand der verticalen Räder beträgt 6 Fuß 10 Zoll und jener der horizontalen Räder 2 Fuß 4 Zoll. Die' Maximalspannung im Kessel ist 120 Pfd. und der effective Druck auf den Kolben beträgt 75 Pfd. per Quadratzoll. Diese Maschine besitzt in Folge ihres größeren Kessels auch mehr Kraft und hat einen stetigeren Gang als die Maschine Nr. 1; ihr Mechanismus ist leichter zu überwachen und der Druck auf die horizontalen Räder kann von dem Maschinenführer nach Belieben von seinem Platze aus regulirt werden. Dieser Druck wird mittelst einer eisernen Stange ausgeübt, welche durch rechts- und linksgängige Schrauben mit einem Balken auf jeder Seite der Mittelschiene verbunden ist und diese Balken wirken auf Spiralfedern, welche die horizontalen Räder gegen die Mittelschiene pressen. Der bei den Versuchen auf jedes horizontale Rad ausgeübte Druck betrug 2 1/2 Tonnen oder im Ganzen 10 Tonnen; aber der wirklich vorgesehene Druck, welcher im Nothfalle angewandt wird, beträgt auf jedes Rad 6 Tonnen, also auf die vier horizontalen Räder 24 Tonnen. Die verticalen Räder werden indirect durch Kolbenstangen von der Vorderseite und die horizontalen Räder direct durch Kolbenstangen von der Rückseite der Cylinder aus in Bewegung gesetzt. Die zum Anpressen der horizontalen Räder erforderlichen Bewegungen ließen sich vollkommen gut ausführen; aber leider hätten einige von den Theilen an der Vorderseite des Cylinders, welche mit den verticalen Rädern in Verbindung stehen, stärker seyn sollen; es war daher, weil durch eine Beschädigung eine längere Verzögerung hätte entstehen können, nicht rathsam, die Maschine während meiner Anwesenheit zu stark zu belasten, sie überhaupt zu sehr anzustrengen; ebensowenig konnte man warten, bis die neuen in der Anfertigung begriffenen Maschinentheile aus England angekommen seyen. Die Maschine war aber trotzdem im Stande, über 1800 Meter der Probestrecke dieselbe Last wie die vorige Maschine, nämlich 16 Tonnen, in drei Wagen vertheilt, in 6 1/4 Minuten zu ziehen, oder mit einer Geschwindigkeit von 17 1/3 Kilometern per Stunde anstatt mit einer solchen von 12 Kilometern per Stunde, welche dem Programme gemäß die Expreßzüge annehmen sollten. Die Dampfspannung in dem Kessel fiel von 112 auf 102 1/2 Pfd. per Quadratzoll und das Wasser in dem Wasserstandsglase um 3 Zoll, da die Speisung erst wieder gegen das Ende des Versuches begann. Die Maschine Nr. 2 (deren Reibungswiderstand 120 Pfd. weniger als bei der Maschine Nr. 1 beträgt, wenn nur ein Druck von 10 Tonnen auf die horizontalen Räder angewendet wird) übte bei diesem Versuche, wenn man den besonderen in den Curven entstehenden Widerstand wegläßt, eine Kraft von 177 Pferden aus, oder wenn man den Widerstand in den Curven mit 10 Procent hinzurechnet, eine Kraft von 195 Pferden, also mehr als 12 Pferdekräfte auf jede Tonne ihres Eigengewichtes, und nahezu 60 Pferdekräfte mehr als erforderlich war, um dieselbe Last über dieselben Steigungen und durch dieselben Curven mit einer Geschwindigkeit von 12 Kilometern per Stunde zu ziehen, wie dieß in dem Programme vorgeschlagen war. An dem folgenden Tage beobachtete ich, daß eine Dampfspannung von 40 Pfund im Kessel oder ein Drittel der angewandten Maximalspannung) hinreichte um die Maschine allein über eine Steigung von 1 : 12 1/2 zu bewegen, und da da die Reibung von Wagen verhältnißmäßig viel geringer als diejenige einer Maschine ist, so dürfte dieselbe Maschine um so mehr im Stande seyn, eine dreimal so große Last als ihr eigenes Gewicht, nämlich 48 Tonnen, wenn sie mit ihrer größten Dampfspannung arbeitet, über dieselbe Steigung zu ziehen. Der einzige bis jetzt fertig gebaute Personenwagen ist 6 Fuß 4 Zoll breit, 12 Fuß lang und im Lichten 6 Fuß hoch. Derselbe hat einen Durchgang in der Mitte mit sechs Sitzen auf jeder Seite, so daß sich die Passagiere gegenüber sitzen. Die Räder haben einen Durchmesser von 2 Fuß 3 Zoll und man beabsichtigt die Räder von allen Wagen an einer Seite lose auf die Achse zu befestigen. Jedes Fahrzeug wird mit einer Bremse der gewöhnlichen Construction versehen werden, und ein großer Theil der Fahrzeuge auch noch mit Bremsen welche auf die Mittelschiene wirken. Mit dem Straßenverkehre zwischen St. Michel und Susa sind nach den Geschäftsberichten der Victor Emanuel-Eisenbahngesellschaft in den letzten vier Jahren folgende Einnahmen erzielt worden: 1861, 1404771 Fr.; 1862, 1609617 Fr.; 1863, 1715424 Fr. und 1864, 1895543 Fr., was eine durchschnittliche Zunahme von mehr als 10 Proc. jährlich ergibt. Nimmt man an, daß der Verkehr nach Eröffnung der Eisenbahn nur in demselben Verhältnisse zunimmt, so würde die ganze Einnahme in sieben Jahren, von 1867 bis 1873 einschließlich, 27 Millionen Francs betragen; und man ist der Ansicht, daß von dieser Einnahme zu Ende des erwähnten Zeitraumes nach Abzug aller Unkosten, nach Zahlung der Interessen für das ganze Actiencapital von 8 Mill. Francs und Tilgung desselben ein Reingewinn von mehreren Millionen Francs übrig bleiben wird. Der zu Ende des angegebenen Zeitraumes in dem beweglichen Betriebsmaterial der Bahn steckende Werth ist dann dem Gewinne der Gesellschaft noch hinzuzurechnen. Es kann jedoch nicht bezweifelt werden, daß der Personenverkehr nach der Eröffnung der Eisenbahn wegen der großen Zeitersparniß, sowie wegen der größeren Annehmlichkeit und Bequemlichkeit bei dem Transporte über den Berg in einem viel größeren Verhältnisse zunehmen wird, ferner daß nicht nur eine Zunahme des Güterverkehrs stattfinden wird, sondern daß auch Aussicht auf einen Verkehr mit billigen Producten und Mineralien vorhanden ist, welche bisher den Berg noch nicht passiren. Die Unternehmer haben ferner gegründete Hoffnung, die indische Briefpost zu befördern, weil man, wie ich sogleich nachweisen werde, auf diesem Wege für dieselbe 37 Stunden Zeit von England nach Egypten zu ersparen vermag. Für den täglichen Transport von 132 Passagieren und 88 Tonnen Güter von St. Michel nach Susa, und umgekehrt, schlagen die Unternehmer vor, drei Züge nach jeder Richtung gehen zu lassen, nämlich einen Zug mit vierzig Passagieren und deren Gepäck mit einem Gewichte (ausschließlich der Maschine) von 16 Tonnen, welcher die 77 Kilometer lange Strecke mit einer Geschwindigkeit von 18 Kilometern per Stunde zurücklegen soll; einen zweiten Zug mit 26 Passagieren und 20 Tonnen Güter bei einem Gesammtgewichte von 40 Tonnen mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 12 bis 14 Kilometern per Stunde, und einen dritten Zug mit 24 Tonnen Güter bei einem Gewichte von 48 Tonnen und einer mittleren Geschwindigkeit von 10 Kilometern per Stunde. Der erste von diesen Zügen soll dem Vorschlage der Unternehmer zufolge von einer Maschine, jeder der beiden anderen aber von zwei Maschinen gezogen werden. Die Entfernungen von Paris über die Mont-Cenis-Route nach Turin und Genua und von Paris über Marseille ebendahin lassen sich in folgender Weise bestimmen. Die beiden Routen gehen von Paris bis Macon gemeinschaftlich und ihre beiderseitigen Entfernungen von da sind: Ueber Marseille,engl. Meilen. Ueber den Mont Cenis,engl. Meilen. von Macon nach Genua 559 326 von Macon nach Turin 659 226 es ergibt sich also zu Gunsten der Mont-Cenis-Route eine Abkürzung von 233 engl. Meilen nach Genua und von 433 engl. Meilen nach Turin. Die Zeit, welche zu einer Fahrt von England über Paris nach Egypten nöthig ist, kann für die Route über Marseille und für die Route über den Mont Cenis und Brindisi (bis zu welchem Hafen die italienischen Eisenbahnen kürzlich dem Verkehre übergeben wurden) folgendermaßen bestimmt werden: Für die Marseiller-Route: Stunden Von Paris nach Marseille, 864 Kilometer Entfernung, bei einer    Geschwindigkeit von 54 Kilom. per Stunde   16 Von Marseille nach Alexandria, 1460 Seemeilen Entfernung, bei    einer Geschwindigkeit von 10 Seemeilen per Stunde und mit    einem Aufenthalte von 6 Stunden in Malta 152 –––––––– Im Ganzen 168 Für die Brindisi-Route über den Mont Cenis: Stunden Von Paris nach Macon, 441 Kilometer Entfernung, bei 54 Kilomet.    Geschwindigkeit per Stunde        8 ¼ Von Macon nach St. Michel, 237 Kilom. Entfernung, bei 40 Kilom.    Geschwindigkeit per Stunde    6 Von St. Michel nach Susa, 77 Kilom. Entfernung, bei 18 Kilom.    Geschwindigkeit per Stunde         4 ½ Von Susa nach Brindisi, 1159 Kilom. Entfernung, bei 40 Kilom.    Geschwindigkeit per Stunde   29 Von Brindisi nach Alexandria, 822 Seemeilen Entfernung, bei 10    Seemeilen Geschwindigkeit per Stunde       82 ¼ –––––––– Im Ganzen 130 es ergibt sich also auf der Mont-Cenis-Route eine Abkürzung von 38 Stunden. Dieß ist von Bedeutung für die Hebung des Verkehrs zwischen England und Indien und für die Beförderung der indischen Briefpost, wenn auch hierbei, wie wir bemerken müssen, ein Wechsel der Wagen zu St. Michel und Susa nöthig wird. Die Resultate dieser Versuche sind von großer Wichtigkeit für die Zukunft des Eisenbahnbaues in gebirgigen Gegenden, wie ich jetzt durch einige kurze Bemerkungen nachzuweisen suchen werde. So oft es nöthig wird, eine Gebirgskette mittelst einer Eisenbahn zu überschreiten, entsteht die Frage, was weniger kostspielig seyn werde, über den Gipfel des Gebirges hinwegzugehen oder einen mehr oder weniger langen Tunnel zu bauen. Um die Kosten des Baues und Betriebes bei dem anzunehmenden Verkehre für beide Fälle berechnen zu können, ist nothwendigerweise einerseits die Höhe zu bestimmen, welche man nach den gegebenen Localverhältnissen erreichen und andererseits die Länge, welche der zu bauende Tunnel erhalten muß; und das wichtigste Element bei der Berechnung ist die Grenze, bis zu welcher starke Steigungen mit Sicherheit und in ökonomischer Weise befahren werden können. Hr. Fell hat nun praktisch gezeigt, daß bei Anwendung des Systemes, bei welchem horizontale Treibräder auf eine Mittelschiene pressen, Steigungen von 1 : 15 bis 1 : 12 anstatt solcher von 1 : 30 bis 1 : 25, welche bisher als die prakticablen betrachtet wurden, angenommen und bei diesem Systeme auch schärfere Curven mit mehr Sicherheit befahren werden können. Derselbe hat mit anderen Worten nachgewiesen, daß eine Eisenbahn über einen gegebenen Gipfel mit nur der Hälfte der Länge welche bisher nothwendig war und mit weniger als zwei Drittheilen der bisherigen Kosten gebaut werden kann, weil, obgleich der Oberbau bei seinem System kostspieliger ist – die engl. Meile dürfte durchschnittlich auf 3000 anstatt 1800 bis 2000 Pfd. Sterl. zu stehen kommen – durch Anwendung von stärkeren Steigungen und schärferen Curven an schwierigen Punkten die Einschnitte und Dämme vermindert oder vermieden werden und die Ausführung des Baues daher im Ganzen doch billiger seyn wird. Ebenso wie die Baukosten werden auch die Betriebs- und Unterhaltungskosten für dieselbe zu erreichende Höhe geringer seyn; denn es ist nur eine halb so lange Bahnstrecke zu unterhalten und nur die halbe Geschwindigkeit erforderlich, um den Gipfel in derselben Zeit, mit derselben Last und demselben Kraftaufwands zu erreichen, indem die Adhäsion der Locomotiven durch Vergrößerung ihres Gewichtes um nur ein Sechstel verdoppelt wird, wodurch man eine bedeutende Verminderung des todten Gewichtes der Züge erzielt. Die Kosten für die Zugkraft, um eine gegebene Last auf eine gegebene Höhe zu schaffen, welche nahezu die bisherigen seyn müssen, können in Folge der erzielten Ersparniß an todtem Gewicht jedenfalls nicht viel größer werden, und andere Ausgaben werden sich bei einer größeren Geschwindigkeit gegen die bisherigen vermindern, bei einer geringeren Geschwindigkeit aber wegfallen. Eine Bahn über einen Berggipfel kann also aus den angegebenen Gründen leichter, in kürzerer Zeit und billiger als bisher gebaut werden, und es dürfte nicht ohne Interesse seyn beispielsweise für den Mont Cenis eine Vergleichung der Kosten der jetzt im Bau begriffenen Tunnel-Bahn durch den Berg mit denen einer permanenten Bahn über den Berg anzustellen. Ich stelle die Vergleichung aber nicht mit Rücksicht auf den vorliegenden Fall an, da ja die Vollendung der permanenten Tunnel-Bahn nach Ablauf einer Anzahl von Jahren als gesichert angenommen werden kann und die Bahn über den Gipfel von den HHrn. Brassey und Comp. nur als eine provisorische ausgeführt wird, bis jene eröffnet werden kann, sondern weil die Vergleichung für andere Gebirgsübergänge in den Alpen etc. von Wichtigkeit ist. Die Kosten der provisorischen Linie von St. Michel nach Susa sind von dem Civilingenieur Brunlees auf 8 Millionen Francs oder 320,000 Pfd. Sterl., also auf ungefähr 6720 Pfd. Sterl. per engl. Meile veranschlagt worden, während die Tunnel-Bahnstrecke (mit Einschluß von 6 Proc. Zinsen während der Bauzeit) beiläufig 135 Mill. Francs oder 5,400,000 Pfd. Sterl., also per engl. Meile 128,500 Pfd. St., kosten wird. Die letztere ist nämlich 68 Kilometer (42 engl. Meilen) lang, erhält eine Maximalsteigung von 1 : 28, durch die Hälfte des großen Tunnels eine Steigung von 1 : 35 1/2 und für die ganze Strecke eine mittlere Steigung von 1 zu 46, während die erstere Bahnlinie mit einer Länge von 77 Kilom. (47,6 engl. M.) eine Maximalsteigung von 1 : 12 erhält und eine um 2520 Fuß größere Höhe zu erreichen hat. Die zum Durchfahren beider Bahnstrecken zwischen St. Michel und Susa erforderliche Zeit wird einschließlich des Anhaltens bei der Strecke durch den Tunnel ungefähr 3 Stunden, bei der Strecke über den Gipfel 4 1/2 Stunden betragen. Die Kosten einer permanenten und unabhängigen Bahn über den Berggipfel mit einer größeren Geleisweite und günstigeren Curven können per engl. Meile zu 20,000 Pfd. Sterl. oder nahezu dem Dreifachen von dem angenommen werden, was die obige provisorische Bahn kosten wird; und die Extrakosten für den Betrieb über die größere Höhe von 2520 Fuß können, wenn man einen zehnmal so großen Verkehr als den gegenwärtig über den Mont Cenis stattfindenden voraussetzt und die durchschnittlichen Kosten für die Zugkraft nach den Kosten bei der Bahn über den Sömmering und über die schiefe Ebene von Giovi (1/4 Franc oder 2 1/2 Pence per Pferdekraft und Stunde) berechnet und dieselben zu 6 Proc. capitalisirt, auf 13,000 Pfd. Sterl. per engl. Meile veranschlagt werden. Diese zwei Summen addirt, ergeben per Meile 33,000 Pfd. Sterl., etwas mehr als den vierten Theil von 128,500 Pfd. Sterl., welche sich oben für die Tunnel-Bahn per Meile herausgestellt hatten. Diese Berechnung muß natürlich durch die jedesmaligen localen Umstände wesentlich modificirt werden, aber sie dient als Anhaltspunkt für die Vortheile, welche der Bau von Eisenbahnen mit schärferen Curven, als bisher für anwendbar gehalten wurden-, beim Betrieb nach Fell's System, in den Fällen gewährt, wo stationäre Dampfmaschinen und mit Seilen betriebene schiefe Ebenen nicht anwendbar sind. Als die Resultate meiner Beobachtungen und Versuche habe ich schließlich zu bezeichnen, daß dieses System, den Mont Cenis zu überschreiten, meiner Ansicht nach in jeder Hinsicht praktisch ist und daß der Uebergang über den Berg auf diese Weise nicht nur schneller, regelmäßiger und bequemer, sondern auch sicherer als auf die gegenwärtige Weise stattfinden kann. Wenige Personen dürften im ersten Augenblicke des Gefühls sich entschlagen können, daß die Fahrt über so starke Steigungen und durch so scharfe Curven auf dem Bergabhang mit sehr großer Gefahr verbunden sey und daß der Bruch einer Kuppelung oder eines Radreifes, oder das Entgleisen eines Wagens auf einer solchen Bahn von sehr schlimmen Folgen seyn müsse. Bei diesem Systeme von Locomotivbetrieb ist aber ein Sicherheit-Element vorhanden, welches keine andere Eisenbahn besitzt. Die mittlere Schiene befähigt nicht nur die Maschine, die angehängten Wagen über solche Steigungen zu ziehen, sondern sie gewährt auch das Mittel, jede Bremskraft anwenden zu können, welche zum Mäßigen der Geschwindigkeit oder zum Anhalten von Wagen die sich während der Fahrt von der Maschine getrennt haben, erforderlich seyn dürfte, und durch Anwendung horizontaler Führungsräder an den verschiedenen Wagen wird sie der vollkommenste Sicherheitswächter zur Verhinderung des Entgleisens der Maschinen und Wagen. In der That werden die sichersten Strecken der projectirten Bahn diejenigen seyn, wo die Steigung größer als 1 : 25 ist, wo nämlich die Mittelschiene angewendet wird. Die Mittelschiene ist nicht schwierig so anzubringen und zu befestigen, daß sie einen ununterbrochenen Schienenstrang bildet; es fragt sich nur noch, ob es nicht wünschenswerth wäre, ihre Anwendung auf geringere Steigungen als 1 : 25 auszudehnen. Dieß würde offenbar vortheilhaft seyn, nicht nur um eine größere Adhäsion mit verhältnißmäßig geringerem Gewichte und daher eine billigere Zugkraft zu erhalten, sondern auch um eine größere Sicherheit, namentlich in den Curven der Bahn, zu erzielen.