Titel: | Mittel zur Vermeidung der Haverei großer Schraubenmaschinen; von Admiral Paris. |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. I., S. 1 |
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I.
Mittel zur Vermeidung der Haverei großer
Schraubenmaschinen; von Admiral Paris.
Aus den Comptes rendus, t. LX p. 1258; Juni
1865.
Paris, über Verwendung der Haverei großer
Schraubmaschinen.
Als ich vor zwei Jahren der (französischen) Akademie eine Abhandlung über die
Panzerschiffe einreichteMitgetheilt im polytechn. Journal Bd. CLXXV
S. 169., besprach ich darin vorzugsweise das starke Rollen derselben und die Formen,
welche zur Beseitigung dieses Fehlers dienlich zu seyn scheinen. Dagegen berührte
ich kaum eine weitere Veränderung, welche durch zahlreiche, in den Zeitungen
besprochene Unfälle wichtig geworden ist und in der Anwendung von Zwillingsschrauben
besteht, die, zu beiden Seiten des Schiffshintertheiles angebracht, dort an Stelle
einer einzigen Schraube in dem dafür gelassenen Raume des Schiffszimmerwerkes thätig
sind.
Die Idee, zwei gleichzeitig arbeitende Schrauben anzuwenden, ist nicht neu; Ericsson hat dieselbe schon seit längerer Zeit auf
Canälen zur Anwendung gebracht und die „Etoile“ befuhr die
Seine bereits vor zwanzig Jahren mit zwei Propulsoren. Seit Kurzem ist diese Idee
von den Engländern auch auf große Schiffe übertragen wordenDie Vortheile, welche die Anwendung zweier Propellerschrauben bei den
Dampfschiffen gewährt, sind in einer Mittheilung im polytechn. Journal Bd. CLXXVII S. 164 besprochen.A. d. Red. und es haben sich dabei erhebliche Vortheile, namentlich auch für das
Evolutioniren herausgestellt, indem beide Schrauben, in einem einander
entgegengesetzten Sinne sich drehend, das Schiff eben so rasch wenden können, als ob
man bei voller Fahrgeschwindigkeit den größtmöglichen Winkel des Steuerruders zur
Anwendung gebracht hätte.
Diese Anordnung ersetzt bei großer Einfachheit also auch vollständig die
Wendevorrichtungen (évolueurs), welche man für
große Kriegsschiffe namentlich in dem Falle verlangen zu müssen glaubte, wenn
dieselben nebenbei auch selbst als Projectile in der Form von Widdern dienen sollen. Ich glaube
indessen, daß die Leichtigkeit, auf der Stelle wenden zu können, der Vertheidigung
noch mehr als dem Angreifenden zum Vortheile gereicht.
Dieses ist jedoch keineswegs der einzige Gesichtspunkt, von welchem aus ich auf
dieses neue System aufmerksam machen möchte; es kommt in dieser Beziehung auch noch
der Umstand sehr in Betracht, daß die Maschinen bei den hohen Anforderungen, welche
jetzt an ihre Kraftleistungen gemacht werden, aufgehört haben zuverlässig zu seyn,
wofür in letzterer Zeit die Beweise zur Genüge geliefert wurden.
Den Grund hiervon wird man leicht einsehen, wenn man bedenkt, daß der Widerstand
eines Schiffes von dessen Größe abhängig ist und bei einmal gegebenen Verhältnissen
eben so wenig als sein Tiefgang geändert werden kann. Es ist damit also auch für den
Durchmesser der Schiffsschraube, welche weder über den Wasserspiegel hervorragen,
noch auch unter den Schiffskiel hinabreichen darf, eine Grenze gegeben, und ebenso
kann auch die Steigung der Schraubenlinie ein bestimmtes Maaß nicht überschreiten.
Man wird hiernach, den Rücklauf mit in Rechnung gezogen, dem Schiffe nur durch die
Raschheit der Schraubenumdrehungen diejenige Geschwindigkeit geben können, welche
dem Zwecke, wozu es gebaut worden ist, entspricht. Zur Ertheilung solcher
Rotationsgeschwindigkeiten der Schraube sind aber unter Umständen ganz ungeheure
Kräfte erforderlich, welche gegenwärtig schon in mehr als 4000 Pferdekräften von je
75 Kilogramm-Metern zur Anwendung kommen müssen. Wie ist nun eine solche
Kraft hervorzubringen, während der die Schraube schnell treibende Kolben doch nur 2
Meter in der Zeitsecunde zurücklegen kann? Hierzu muß offenbar eine Vergrößerung der
Kolbenfläche in Anspruch genommen werden und darnach haben denn auch die Ingenieure
in England und Frankreich verfahren, so daß gegenwärtig Maschinen im Gange sind, bei
denen der Kolbenweg nicht zwei Drittheile des Cylinderdurchmessers überschreitet.
Die Maschinen haben sich also beinahe in Kolben umgewandelt, welche zersprengend auf
die Bleche und aufbauchend gegen die Vernietungen wirken. Es sind auf diese Weise
Kolben von 2,1 Meter, mit ihrem Zubehör 25 Tonnen wiegend, entstanden, welche, in
einer Minute ihre Bewegungsrichtung 110 Mal ändernd, 60000 Kilogramme Kraft ausüben.
Die Schraubenwelle hat hierbei natürlich verstärkt werden müssen; sie ist bereits
bei einem Durchmesser von 450 Millimetern angelangt und zeigt, da ihre Lager sie
seitlich nicht genügend unterstützen können, auf den wirklich fahrenden Packetbooten
bereits Erhitzungen und Brüche. Die Dauer der ungeheuer groß gewordenen
Maschinenstücke zeigt sich im Allgemeinen gegen diejenige der kleineren verringert, so daß, während
Maschinen von 400 Pferdekräften nun schon lange Zeit unausgesetzt thätig sind, die
von 900 und 1000 Pferdekräften bereits Beschädigungen ernster Art aufzuweisen haben.
Bei der vor drei Jahren angestellten Vergleichsprobe von Panzerschiffen kamen drei
gesprungene Cylinder und andere Unfälle vor. Der „Solferino“
hat noch kürzlich, als er die blauen Fluthen des Mittelmeers etwas zu rasch
durchlaufen wollte, zwei Cylinder gesprengt. Auch andere derartige Schiffe haben in
derselben Weise Haverei erlitten. Das Auswechseln so großer Stücke beansprucht aber
viel Arbeit und Zeit, so daß in solchen Fällen bis zum Wiedereintritt in den Dienst
fünf bis sechs Monate vergehen können. In Friedenszeiten wird hierdurch nur Geld
verloren; im Kriege aber dürften solche Schiffe genommen werden, oder, wenn sie
entwischten, würde ihr Werth von 7 Millionen Francs sechs Monate lang
brachliegen.
Angesichts dieser, dem Seemanne zur Genüge bekannten Thatsachen glaubte ich die so
nothwendige Gebrauchssicherheit der Maschinen in einer anderen Zusammenstellung
derselben, nämlich in einer Vertheilung ihrer Kräfte auf zwei Propulsoren suchen zu
müssen, wobei die bereits erprobten Maschinen zur Anwendung kommen, und zwar unter
günstigen Bedingungen. Man hat allerdings, zur Entwickelung einer großen Kraft,
früher schon vier hintereinander liegende Cylinder auf eine einzige Schraube
einwirken lassen, indem dieselben an einer und derselben Welle angriffen, hierbei
aber mit einer nachtheiligen Länge der Welle, sowie mit der Schwierigkeit, ihre vier
Lager in eine gerade Linie zu bringen, zu kämpfen gehabt und schließlich mußte immer
die letzte Kurbel die Totalwirkung aufnehmen. Diese Anordnung ist deßhalb schon seit
mehreren Jahren wieder verlassen worden, und es steht sehr zu bezweifeln, ob der
Vermittelungs-Vorschlag, drei nebeneinanderliegende Cylinder anzuwenden,
besseren Erfolg haben wird, da es sich auch hierbei um ein Vereinigen der Kraft nach
dem Theilen derselben handelt.
Durch Anwendung von Zwillingsschrauben dagegen wird die aufgewendete Kraft
vollständig getheilt, jede der beiden Schrauben hat ihre Maschine von 500
Pferdekräften. Wird der größeren Einfachheit wegen hierbei noch festgesetzt, daß
Durchmesser und Gangsteigungswinkel der Schrauben wie bisher bleiben, so erlangt man
damit einen Vortheil, welchen die Fachmänner zu schätzen wissen werden; man theilt
in diesem Falle die treibende Kraft in zwei gleiche Theile, ohne daß sich die
Geschwindigkeit des Kolbens geändert hat, hingegen wurde dessen Fläche verkleinert,
und die Lager tragen nur die Hälfte des früheren Druckes. Anstatt sich also dem
Zerbrechen der Maschine zu nähern, gelangt man durch diese Unordnung fast zur Gleichheit
zwischen dem Schübe und dem Durchmesser des Kolbens, wie bei allen alten Maschinen.
Die relative Länge der Kurbel ist daher verdoppelt. Die Schraubenwelle, welche bei
dieser Einrichtung nur noch die Hälfte der früheren Rotationskraft ausübt, hat auf
ihren Lagern auch nur noch halb so viel Druck als früher auszuhalten und leidet
nicht mehr unter einem Uebermaaß von Kolbeneinwirkung. Alle Maschinentheile stehen
wieder in den Verhältnissen zu einander, welche sich an den, seit 20 bis 25 Jahren
jährlich hundert Tage lang in Betrieb befindlichen Apparaten der Packetboote bewährt
haben, und der Hauptunterschied ist die Schnelligkeit ihrer Bewegung. In dieser
Weise würde man also mit sicheren Apparaten arbeiten, anstatt von den Maschinen eine
Kraftanstrengung zu verlangen, welche bis jetzt nur versuchsweise geleistet werden
konnte und nur zu häufig schon Haverei verursacht hat.
Da die Woolf'schen Dampfmaschinen, wie zahlreiche Versuche
beweisen, beträchtliche Vortheile in ökonomischer Hinsicht darbieten, weßhalb sich
dieselben auf der See immer mehr verbreiten, so würden dieselben auch für
Doppelschrauben in einer ganz vorzüglichen Weise anwendbar seyn, wie ich das schon
vor drei Jahren veröffentlicht habe.
Wenn ich von Neuem auf die Nothwendigkeit hinweise, die Triebkraft der großen Schiffe
zu theilen, um zur nothwendigen Gebrauchssicherheit der Maschinen zu gelangen, so
liegt die Veranlassung dazu in den zahlreichen, durch die Zeitungen veröffentlichten
Beispielen, die beweisen, welchen Zufällen unsere jetzigen Schiffe im Falle eines
Krieges ausgesetzt seyn würden.
Eine detaillirte Auseinandersetzung meines Vorschlags enthält die Broschüre, welche
ich der Akademie vorzulegen die Ehre habe.