Titel: Zur Theorie der Wasserräder, nach de Pambour.
Fundstelle: Band 178, Jahrgang 1865, Nr. CXV., S. 425
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CXV. Zur Theorie der Wasserräder, nach de Pambour. Aus der deutschen Industriezeitung, 1865, Nr. 46. Zur Theorie der Wasserräder, nach de Pambour. Bei den unterschlägigen Rädern im Schnurgerinne wird die Bewegung nur durch den Stoß des Wassers hervorgebracht. Das Rad nimmt anfänglich eine sehr schwache Geschwindigkeit an, die ganz allmählich zunimmt, bis die größte der vorhandenen Wassermenge entsprechende erreicht ist. Die erlangte Geschwindigkeit bleibt dann gleichförmig und es ist also Gleichgewicht zwischen Kraft und Widerstand vorhanden. Kommt das Wasser mit der Geschwindigkeit V beim Rad an und hat das Rad am äußeren Umfang die Geschwindigkeit v, so wirkt das Wasser proportional der Differenz zwischen den Geschwindigkeiten V und v. Ist P das Gewicht des Betriebswassers pro Zeiteinheit, g die Beschleunigung der Schwere, so ist die Intensität des Stoßes = P/g (V – v). Um alle Kräfte unter sich vergleichbar zu machen, bezieht man sie gewöhnlich auf die äußere Radperipherie; auch für den Druck des Betriebswassers nimmt man dieß ohne Weiteres an, obgleich es nicht richtig ist. Denn das Wirkungscentrum des Wassers auf die Schaufeln liegt nicht im äußeren Radumfang, sondern in der Mitte des in das Wasser eingetauchten Theiles der Schaufel. Nennt man ρ den äußeren Radhalbmesser und e' den Radius bis zur Mitte des eingetauchten Theiles, so wird die auf den Radius ρ' bezogene Stoßintensität = ρ'/ρ . P/g (Vv), wobei e' nicht constant, sondern je nach der Wassergeschwindigkeit und Radgeschwindigkeit variabel ist. Die durch den Stoß ausgeübte Wirkung hängt, wie erwähnt, von der zur Erzeugung des Stoßes verwendeten Wassermenge ab. Dabei ist natürlich nur der zur Wirksamkeit kommende Theil des Wassers verstanden. Nun läuft aber bei diesen Rädern zwischen Schaufeln und Boden und Seitenwänden des Gerinnes stets eine gewisse Menge Wasser unbenutzt ab. Ist a die eingetauchte Schaufelfläche, ω der Querschnitt des schädlichen Raumes, also a + ω der Gesammtquerschnitt des abfließenden Wassers, so verhält sich der wirksame Theil des Wassers zur ganzen Wassermenge wie a : a + ω, und es geht somit die Formel für die Stoßintensität über in: (ρ'/ρ) . a/(a + ω) . P/g (Vv), wobei a/(a + ω) ebenfalls wie ρ'/ρ veränderlich ist. Der Widerstand besteht aus allen Kräften und Verlusten, welche der Stoßwirkung entgegentreten. Es gehört hierher 1) der Widerstand durch die Arbeit, welche das Rad auszuführen hat, der durch ein am äußeren Radumfang ρ wirkendes Gewicht r ausgedrückt werden kann; 2) der Luftwiderstand gegen die bewegten Schaufeln, der proportional der Stoßfläche und dem Quadrat der Geschwindigkeit ist und daher, auf den äußeren Radumfang bezogen, ausgedrückt werden kann durch: ns(ρ''/ρv²; in diesem Ausdrucke, der der Einfachheit wegen mit ∑v² bezeichnet werden möge, ist v die Geschwindigkeit des äußeren Radumfanges pro Secunde, s die gesammte, dem Stoße der Luft ausgesetzte Schaufelfläche, ρ'' die Entfernung des Schaufelmittelpunktes von der Radachse und n eine Constante; 3) die Reibung des unbelasteten Rades, die, auf den äußeren Radumfang bezogen, mit f bezeichnet werde; 4) die Zapfenreibung durch Belastung des Rades oder irgend einen Bewegungswiderstand, die, auf den Radumfang bezogen, mit f' bezeichnet werde. Zu diesen vier Widerständen kommt noch der Effectverlust durch die Anstauung des Wassers im Gerinne bei der Ankunft an den Schaufeln, eine Anstauung, die dadurch verursacht wird, daß das Wasser mit der Geschwindigkeit V auf das Rad trifft, aber mit einer kleineren Geschwindigkeit v durch dasselbe strömt. Sie ist durch die Stoßwirkung des Wassers auf das Rad bedingt, bei der eine Differenz in der Geschwindigkeit des zufließenden und des wirkenden Wassers unvermeidlich ist. Ist ε' die Wasserhöhe im Aufschlaggerinne und k die Höhe des Wassers beim Durchgang durch die Schaufeln, so wird der Schwerpunkt der Wassermasse gehoben um (ε – ε')/2, und da diese Wirkung zwar für das gesammte Aufschlagwasser gilt, aber nur für das wirklich wirksame schädlich wirkt, so ist der dadurch verursachte Verlust (ρ'/ρ) . (a/aω) . P(εε'/2), wofür einfacher μP(ε – ε'/2) gesetzt werde. Der diesem Arbeitsverluste entsprechende Kraftverlust, auf den äußeren Radumfang bezogen, beträgt μP(ε – ε'/2) . 1/v. Setzt man nun die gesammten Widerstände der Betriebskraft gleich, so hat man: Textabbildung Bd. 178, S. 427 Die Nutzleistung ist daher, wenn man r aus (1) berechnet und mit v multiplicirt: Textabbildung Bd. 178, S. 427 Die Leistung, ohne Rücksicht auf Reibung und Luftwiderstand, ist: Textabbildung Bd. 178, S. 427 Es sind nun noch die Variabeln μ, ε und ε', sowie die Constanten ∑, f und f' zu bestimmen. Da der Wasserverlust durch a/(a + ω) ausgedrückt wird, a und ω aber von der Höhe der Schaufeleintauchung abhängen, die mit i bezeichnet werde, so ist zunächst diese zu bestimmen. Da man das Gewicht P und folglich das Volumen P' des Aufschlagwassers kennt und die Geschwindigkeit desselben beim Durchgang durch die Schaufeln = v ist, so erhält man den Querschnitt des Wasserstrahles = P'/v und daraus durch Division mit der Gerinnbreite L die Wasserhöhe unter den Schaufeln ε = P'/vL. Zieht man hiervon den Spielraum j zwischen Rad und Gerinnboden ab, so ist der Rest die Höhe der Schaufeleintauchung i = ε – j, und multiplicirt man diese durch die Schaufelbreite l, so erhält man die eingetauchte Schaufelfläche: a = (ε – j)l. Der schädliche Raum ω besteht aus dem an den Seiten und dem unter dem Rade. Ersterer hat zur Breite den doppelten Spielraum des Rades, zur Länge die Eintauchungshöhe; sein Querschnitt ist also = 2ij für den letzteren, der mit der Lage der untersten Schaufeln gegen die Verticale durch die Achse veränderlich ist, besteht, wenn die zwei untersten Schaufeln gleich weit von dieser Verticale abstehen, die Höhe aus dem Radspielraume plus dem auf den äußeren Radumfang bezogenen sinus versus des halben Winkels = ϑ, zwischen beiden Schaufeln. Kommt dagegen die zweite Schaufel in die verticale Lage, so ist diese Höhe nur gleich dem Spielraum des Rades, im Mittel ist sie also = j + ρ/2 sin vers. ϑ/2. Multiplicirt man diese Höhe mit der Gerinnbreite L und fügt den schon berechneten Verlust an den Seiten hinzu, so ergibt sich ω = (j + ρ/2 sin vers. ϑ/2)L + 2ij. Das Verhältniß ρ'/ρ läßt sich leicht finden, da ρ' gleich ist dem Radhalbmesser vermindert um die halbe Schaufeleintauchung, ρ' = ρi/2 und darnach ergibt sich auch μ = a/(a + ω) . (ρ'/ρ). Die Wasserhöhe ε' im Aufschlaggerinne, wo die Wassergeschwindigkeit = V ist, berechnet sich ähnlich wie ε, sie ist: ε' = P'/VL. Was die Constanten ∑, f und f' betrifft, so ist in der oben gegebenen Formel für Metermaaß n nach Thibault = 0,0625 Kilogr. zu setzen; f ist nach Morin 0,08 bis 0,07 des Radgewichtes; die Reibung f' fand de Pambour bei Locomotiven = 0,14 der Belastung oder des Widerstandes und nach Morin's Versuchen über Zapfenreibung könnte man für sie auch hier diesen Nerth nehmen; nach Pambour's Versuchen an Wasserrädern (mitgetheilt in den Comptes rendus der französischen Akademie von 1865) ist sie aber = 0,12 zu setzen. Das wichtigste Element zur Ermittelung der Leistung von Wasserrädern ist also μ, das selbst wieder aus zwei variablen Brüchen besteht, und es läßt sich daher wohl sagen, daß die Theorie der Wasserräder so lange stabil geblieben ist, weil man diese Variabilität nicht berücksichtigte; außerdem aber hatten die früheren Formeln auch die zusätzliche Reibung f' und die Wasserstauung nicht beachtet. Zur Vergleichung des Resultates, welches die neuen Formeln geben, mit den Versuchsresultaten, sind die bekannten Versuche Smeaton's an einem unterschlägigen Wasserrad, bei denen die Geschwindigkeit des zufließenden Wassers und die Aufschlagmenge direct gemessen wurden, nach Formel (3) berechnet. Für das Modell war ρ = 0,303 Meter, Schaufelzahl = 24, l = 0,1524 Meter, L = 0,1550 Met., j = 0,0013 Meter, ρ sin. vers. 7°30' = 0,0026 Meter. Nr. Wassermengeper Secunde Geschwindigkeitdes zufließendenWassers. Radgeschwindigkeit. Leistungnach derneuen Formel. GefundeneLeistung. Leistung nachder bisherigenTheorieberechnet. Kilogr. Meter. Meter. Kilogrammtr. Kilogrammtr. Kilogrammtr. 1 2,075 2,785 0,950 0,257 0,262 0,369 2 1,998 2,720 0,951 0,237 0,242 0,343 3 1,835 2,595 0,885 0,195 0,202 0,283 4 1,775 2,470 0,876 0,173 0,174 0,253 5 1,615 2,370 0,820 0,143 0,141 0,210 6 1,505 2,218 0,744 0,114 0,107 0,168 7 1,350 2,060 0,740 0,089 0,086 0,134 8 1,217 1,900 0,696 0,068 0,063 0,104 9 1,012 1,645 0,602 0,042 0,041 0,065 10 0,861 1,330 0,507 0,023 0,022 0,037 11 2,580 2,660 0,974 0,307 0,287 0,432 12 2,242 2,560 0,917 0,242 0,226 0,344 13 2,153 2,280 0,823 0,185 0,189 0,263 14 2,092 2,090 0,792 0,153 0,148 0,219 15 1,767 1,995 0,792 0,118 0,105 0,172 16 1,518 1,771 0,728 0,079 0,075 0,118 17 1,265 1,456 0,665 0,044 0,040 0,068 18 2,840 2,280 0,918 0,258 0,234 0,362 19 2,490 2,090 0,845 0,188 0,169 0,267 20 1,925 1,835 0,775 0,111 0,106 0,161 21 1,722 1,520 0,743 0,068 0,060 0,101 22 2,717 2,150 0,885 0,217 0,218 0,306 23 2,500 1,835 0,830 0,149 0,154 0,213 24 1,980 1,520 0,775 0,079 0,074 0,117 25 2,680 1,900 0,864 0,168 0,150 0,240 26 2,315 1,582 0,778 0,101 0,086 0,148 27 2,720 1,582 0,823 0,120 0,102 0,173 ––––––––––––––– ––––––––––– ––––––––––– ––––––––––– Summe 3,928 3,758 5,670 Die letzte Columne ist nach der älteren Formel berechnet: rv = P/g (Vv) v Bei seinen Versuchen ließ Smeaton, nachdem er für jede Versuchsreihe den Wasserverbrauch per Secunde bestimmt und die Geschwindigkeit des zufließenden Wassers beobachtet hatte, das Rad mit verschiedener Belastung arbeiten, indem er gleichzeitig die Geschwindigkeit beobachtete. Indem er dann jede Geschwindigkeit mit der entsprechenden Last multiplicirte und die Producte unter einander verglich, fand er die Geschwindigkeit, die bei den gegebenen Verhältnissen zu der größten Leistung führte. Die in der Tabelle angegebenen Zahlen sind die Geschwindigkeit und die Last der Maximalleistung. Man könnte meinen, daß eine Theorie, die für diese bestimmten Fälle passe, sich nicht gleich gut für den allgemeinen Fall eigne, wo man kein bestimmtes Verhältniß zwischen Last und Geschwindigkeit voraussetzen darf. Smeaton gibt aber in einer zweiten Tabelle die Einzelwerthe einer seiner Reihen, auf die man nun die neue Theorie anwenden kann. Da jedoch die Resultate hier nicht die Gesammtleistung, sondern die Nutzleistungen sind, so ist die Formel (2) anzuwenden. Die nachstehende Tabelle zeigt, wie wenig die berechneten Resultate von den Versuchsresultaten abweichen. Nr. Wasserverbrauchper Secunde Geschwindigkeitdes zufließendenWassers. Radgeschwindigkeit. Nutzleistungnach derneuen Theorie GefundeneNutzleistung. Kilogr. Meter. Meter. Kilogrammtr. Kilogrammtr. 1 1,998 2,720 1,425 0,166 0,156 2 1,330 0,181 0,181 3 1,150 0,198 0,188 4 1,070 0,201 0,204 5 0,951 0,202 0,207 6 0,840 0,196 0,206 7 0,697 0,190 0,190 8 0,523 0,148 0,157 ––––––––––––––– ––––––––––– ––––––––––– Summe 1,482 1,489 Berücksichtigt man die Reibung und den Luftwiderstand, so findet man zwischen Versuchs- und Rechnungsresultat eine Differenz von 0,32 der Rechnung oder 0,47 des Versuches. Es ist also ziemlich dieselbe Zahl wie für die obigen 27 Versuche, wo die bisherige Formel ein um 50 Proc. höheres Resultat gibt als der Versuch.