Titel: | Ueber das Entgypsen der Knochenkohle; von Dr. C. Stammer. |
Autor: | Karl Stammer [GND] |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. CXXVIII., S. 452 |
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CXXVIII.
Ueber das Entgypsen der Knochenkohle; von Dr.
C. Stammer.
Stammer, über das Entgypsen der Knochenkohle.
Während man früher die Knochenkohle ausschließlich mit kohlensaurem Natron auskochte, um sie von ihrem Gypsgehalte zu befreien,
ist neuerdings das caustische Natron vielfach als wirksamer zu diesem Zwecke
empfohlen worden. Es ist, so viel bekannt, bisher durch bestimmte Versuche noch
nicht erwiesen worden, wie sich diese beiden Stoffe zu einander in Bezug auf den in
Rede stehenden Zweck verhalten, wohl aber hort man vielfach Zweifel gegen die
Anwendbarkeit des caustischen Natrons überhaupt äußern.
In ganz allgemeiner Weise kann freilich eine Feststellung des Punktes, welche dieser
beiden Substanzen die vorzüglichere sey, nicht geschehen, da sich bei der bekannten
Zusammensetzung der krystallisirten Soda und des Sodasalzes einerseits, und der sehr
ungleichen Zusammensetzung der Halb- und Ganzfabricate und dem Wassergehalt
der reineren caustischen Lauge andererseits, der Preis des wirksamen Aequivalents in
den verschiedenen Fällen sehr verschieden stellen wird.
Früher sah man die betreffende Zersetzung mit kohlensaurem Natron als einen ganz
einfachen chemischen, nach einfachen Aequivalenten stattfindenden Proceß an, und nahm auf jedes
vorhandene Aequivalent Gyps ein Aequivalent Soda.
Später jedoch überzeugte man sich, daß die Entgypsung unter diesen Verhältnissen
nicht vollständig geschieht, und daß man besser thue die doppelte Menge Soda
anzuwenden, und es war bisher die Annahme verbreitet, daß man mit zwei Aequivalenten
Soda bei weitem nicht allen Gyps entfernen könne, daß man aber diesem Ziele durch
Anwendung zweier Aequivalente caustischen Natrons um so viel näher komme, daß es
unter allen Umständen besser sey, selbst bei viel höheren
Preisen letzteren Stoff zu wählen.
Unter diesen Umständen glaubte ich andere Verhältnisse als die beiden erwähnten nicht
prüfen zu müssen, und beschränkte daher die Untersuchungen, deren einzelne
Bestimmungen mein Assistent Herr R. Schnorf ausführte,
auf die Zersetzung von
reinem Gyps durch je 1 und 2 Aequivalente kohlensaures
und je 1 und 2 Aequivalente caustisches Natron,
sowie aus die Zersetzung des Gypses in
Knochenkohle von bekanntem Gypsgehalt mit je 1 und 2
Aequivalenten beider Substanzen des in der Kohle gefundenen Gypses.
Im Allgemeinen ist zu bemerken, daß bei dem kohlensauren Natron in geringerem, bei
dem caustischen in viel höherem Maaße die Menge des während der Zersetzung
angewandten Lösungs- und des nachher zugesetzten Aussüßwassers von großem
Einfluß auf das Resultat, d.h. auf den in löslichere Form übergeführten Antheil Gyps
seyn muß. Da die Bestimmung desselben stets in der abgeführten wässerigen Lösung und
zwar nach der darin vorhandenen Schwefelsäure zu geschehen hatte, so unterliegt es
kaum einem Zweifel, daß es beim Auswaschen „bis zum Verschwinden jeder
Spur Schwefelsäure“ im Waschwasser gelingen werde, allen, oder doch
fast allen Gyps zu entfernen und daß also bei einem so weit getriebenen Auswaschen
ein Unterschied sich in den verschiedenen Untersuchungen allein in der Menge des
erforderlichen Waschwassers darstellen könne.
Da es aber für die Praxis viel eher darauf ankommt, zu wissen, wie viel Gyps unter
sonst gleichen Umständen, also auch bei ziemlich gleichen Mengen Waschwasser durch
die verschiedenen Zusätze löslich gemacht wird, so glaubte ich, die Versuche in der
Richtung anstellen zu müssen, daß in dieser Weise ein
Vergleich der einzelnen Resultate als statthaft zu betrachten sey, und es sind die
nachstehenden Zahlen aus diesem Gesichtspunkte zu beurtheilen. Es ließen sich vielleicht noch andere
Verhältnisse aufstellen, die möglicherweise rationeller, oder auch noch in der einen
oder anderen Weise angemessener erscheinen dürften. Die gewählten sind aber nicht
etwa willkürliche, sondern solche, wie sie aus einer Reihe von Versuchen und
Bestimmungen endlich als leicht festzuhalten und zu begrenzen hervorgiengen. Diese
Bestimmungen aufzuzählen oder die Gründe noch näher hervorzuheben, welche zu der
angenommenen Zusammenstellung leiteten, dürfte hier zu weit führen; von den
Endbestimmungen dagegen mögen die Einzelheiten Platz finden: man wird daraus ohne
Zweifel entnehmen, daß Schlüsse, wie ich sie später formuliren werde, ohne Zweifel
einige Berechtigung haben.
I. Zersetzung des reinen
Gypses.
Der Gyps war durch Zersetzung reinen Chlorcalciums eigens dargestellt und durch
längeres Erhitzen bei 140° C. wasserfrei gemacht. Von dem kohlensauren
Natron, sowie von dem reinen caustischen Natron, war auf alkalimetrischem Wege das
Aequivalent (zu 54 und zu 47) bestimmt worden.
1) Gleiche Aequivalente Gyps und kohlensaures Natron. – 0,54 Grm. kohlensaures
Natron wurden mit 0,68 Grm. Gyps und Wasser zu etwa 70 Kub. Cent. Flüssigkeit
gemischt, dann gekocht, abfiltrirt und bis 70 K. C. Lösung ausgewaschen. Diese
Lösung ergab 1,030 Grm. schwefelsauren Baryt, entsprechend, 0,601 Grm. oder 88,4
Proc. des Gypses in der Lösung.
Das Auswaschen wurde dann so weit fortgesetzt, daß noch 300 K. C. Waschwasser
erhalten wurden; diese ergaben noch 0,011 Grm. schwefelsauren Baryt, entsprechend
0,95 Proc. des vorhandenen Gypses. Im Ganzen waren also in den 370 K. C. Lösung
89,35 Proc. des vorhandenen Gypses entfernt worden.Es bleibt natürlich dahingestellt, welcher Antheil hiervon unverändert als
Gyps in Lösung gegangen, war.
2) 2 Aquivalente kohlensaures Natron auf 1 Aequivalent Gyps. – 0,68 Grm. Gyps,
1,08 Grm. kohlensaures Natron; im Uebrigen wie bei 1). Die 70 K. C. erhaltene Lösung
ergaben 1,06 Grm. schwefelsauren Baryt, entsprechend 0,6187 Grm. Gyps oder 90,9
Proc. des vorhandenen; weitere 300 K. C. Aussußwasser lieferten noch 0,012 Grm.
schwefelsauren Baryt, entsprechend 0,007 Grm. oder 1,03 Proc. des Gypses. Zusammen waren also in
Lösung gegangen 91,93 Proc. des Gypses.
3) Gleiche Aequivalente Gyps und caustisches Natron.
– 0,47 Grm. des oben bezeichneten caustischen Natrons wurden mit 0,68 Grm.
Gyps, und Wasser wie früher, einige Zeit lang kochen gelassen.
70 K. C. Lösung ergaben 1,053 Grm. schwefelsauren Baryt, entsprechend 0,6146 Grm.
Gyps = 90,4 Proc. des angewandten. Weitere 300 K. C. lieferten noch 0,040 Grm.
schwefelsauren Baryt, entsprechend 3,2 Proc.; zusammen wurden also gelöst 93,6 Proc.
des Gypses.
4) 1 Aeq. Gyps, 2 Aeq. caustisches Natron. Im Uebrigen wie oben.
Erhalten in 70 K. C. 1,090 Grm. schwefelsaurer Baryt = 0,636 Grm. Gyps oder 93,6
Proc. des vorhandenen. 300 K. C. Waschwasser lieferten weiterhin 0,034 Grm.
schwefelsauren Baryt oder 2,9 Proc. des Gypses. Zusammen wurden also erhalten 96,5
Proc. des Gypses.
II. Zersetzung des Gypses in der
Knochenkohle.
Oefters gebrauchte und wiederbelebte Knochenkohle wurde mit Gypslösung imprägnirt,
dann wiederholt ausgewaschen und scharf getrocknet. Sie enthielt nun, wie eine
Schwefelsäurebestimmung in der salzsauren Lösung ergab, 0,99 Proc. Gyps.
Bei jedem der folgenden Versuche wurden nun 50 Grm. dieser Knochenkohle fein gerieben
und mit einem oder zwei Aeq. des darin enthaltenen Gypses an kohlensaurem oder
caustischem Natron und einer in allen Versuchen gleichen Menge Wasser gekocht, die
Lösung abfiltrirt und im Ganzen 300 K. C. Lösung einschließlich Waschwasser erzielt.
Bei diesem Punkt war eine Fällung mittelst Chlorbaryum in dem zuletzt ablaufenden
Waschwasser kaum noch bemerklich. Es wurden erhalten:
a) Bei einem Aeq. kohlensaurem
Natron, 0,3535 Grm. schwefelsaurer Baryt, entsprechend 0,413 Grm. Gyps oder 41,7
Proc. des vorhandenen.
b) Bei zwei Aeq. kohlensaurem Natron,
0,546 Grm. schwefelsaurer Baryt = 0,319 Grm. Gyps = 64,4 Proc. des
vorhandenen.
c) Bei einem Aeq. caustischem Natron,
0,404 Grm. schwefelsaurer Baryt – 0,236 Grm. Gyps = 47,6 Proc. des
vorhandenen.
d) Bei zwei Aeq. caustischem Natron,
0,514 Grm. schwefelsaurer Baryt = 0,300 Grm. Gyps = 60,6 Proc. des
vorhandenen.
Es wurden demnach in der Lösung erhalten
I. bei reinem
Gyps:
II. bei
gypshaltigerKnochenkohle:
mit 1
Aequivalent
kohlensaurem
Natron
89,35
41,7
mit 2
„
„
„
91,9
64,4
mit 1
Aequivalent
caustischem
Natron
93,6
47,6
mit 2
„
„
„
96,5
60,6
Procent der zu zersetzenden Gypsmenge.
Berücksichtigt man nun, daß das caustische Natron, wenn es als sogenanntes
Halbfabricat angewandt wird, mit viel fremden Salzen verunreinigt ist, und daß es
schon schwer hält, diese Salze aus der damit gekochten Knochenkohle wieder zu
entfernen, daß also die geeignetste und verhältnißmäßig billigste Form des
caustischen Natrons die der Lösung oder Lauge ist, wie man sie entweder von
chemischen Fabriken bezieht, oder wie man sie durch Zersetzung der Soda mit
Kalkmilch sich darstellen kann, so dürften wohl folgende die aus obigen Versuchen zu
ziehenden Schlüsse seyn, namentlich wenn man geringere Zahlenunterschiede, als nicht
maaßgebend, außer Acht läßt:
1) Die Zersetzung des Gypses geschieht selbst in gepulverter Knochenkohle bei
Anwendung von 1 oder 2 Aeq. kohlensaurem oder caustischem Natron nur unvollständig
und namentlich viel unvollständiger als bei reinem Gyps.
2) Die sogenannten Halbfabricate sind jedenfalls zu verwerfen, da der Mangel an
Reinheit keinenfalls durch erhöhte Wirkung gegen diejenige bei dem reineren
kohlensauren Natron ausgeglichen wird.
3) Bei gleichen Preisen für das Aequivalent kohlensauren und caustischen Natrons und
gleichen Mengen sie begleitender fremder Salze ist es ziemlich gleichgültig welche
von beiden Verbindungen zum Entgypsen angewandt wird. Es dürften dann nur
anderweitige Rücksichten, etwa auf die Löslichkeit anderer Verunreinigungen, für das
caustische Natron sprechen.
4) Ist das caustische Natron, wie dieß wohl an den meisten Orten der Fall seyn wird,
bei nicht verschiedenem Gehalt an fremden Salzen bemerklich theurer als das
kohlensaure, so ist das letztere vorzuziehen.
5) In jedem Falle sind mindestens zwei Aeq. Natron auf ein Aeq. Gyps anzuwenden.
Für andere, nicht unter diese Rubriken passende Fälle ergibt sich das einzuschlagende
Verfahren leicht aus dem Gesagten.