Titel: Ueber ein neues Mittel zur Unterscheidung des Rohrzuckers vom Traubenzucker; von J. Nicklès.
Fundstelle: Band 179, Jahrgang 1866, Nr. LXXVIII., S. 315
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LXXVIII. Ueber ein neues Mittel zur Unterscheidung des Rohrzuckers vom Traubenzucker; von J. Nicklès. Aus den Comptes rendus, t. LXI p. 1053; December 1865. Nicklès, über ein Reagens auf Rohrzucker. Das Kohlenchlorid (Zweifach-Chlorkohlenstoff), wie es mittelst Zersetzung von Schwefelkohlenstoff durch Chlor bei Gegenwart von Wasserdampf dargestellt wird, verhält sich gegen die genannten beiden Zuckerarten nicht auf gleiche Weise; man kann sogar sagen, der in dieser Beziehung stattfindende Unterschied sey der des Weiß von Schwarz, insofern unter Bedingungen, welche wir näher kennen lernen werden, der Rohrzucker sich schwarz färbt, während der Traubenzucker seine Farbe beibehält. Setzt man Rohrzucker mit wasserfreiem oder wasserhaltigem Kohlenchlorid in einem verschlossenen Glasrohre einige Zeit einer 100° C. nahe liegenden Temperatur aus, so verändert die zuckerhaltige Substanz allmählich ihr Ansehen; an einzelnen Punkten bedeckt sie sich mit braunen Flecken, welche nach und nach größer werden, und zuletzt zusammenfließen, so daß die ganze Masse eine mehr oder weniger dunkle Farbe annimmt. Dauert die Reaction länger, so erhält die Masse ein theerähnliches Ansehen, und wenn anstatt pulverförmigen Zuckers krystallisirter Rohrzucker angewendet wird, so erhält man Kandis, welcher eine je nach der Dauer der Reaction mehr oder weniger dunkel schwarze Färbung zeigt. Glykose dagegen behält, auf diese Weise behandelt, ihre Farbe bei und wird, selbst bei längerer Dauer des Versuchs, nicht braun. Dieser Unterschied in der Einwirkung des Kohlenchlorids wird, wie es mir scheint, von der Bildung einer kleinen Menge Chlorwasserstoffsäure bedingt, welche, wie P. Boullay zeigte (Journal de Pharmacie, t. XVI p. 172), den Rohrzucker so leicht schwärzt. Auch tritt die schwarze Färbung des Rohrzuckers im Glasrohre nicht ein, wenn dem gepulverten Zucker etwas Magnesia beigemengt worden ist. Es ist mir sehr wohl bekannt, daß die Chlorwasserstoffsäure in concentrirter Lösung auch den Traubenzucker schwärzt und ihn in huminartige Producte verwandelt (Malaguti in den Annales de Chimie et de Physique, t. LIX p. 407); allein bei dem Versuche, mit welchem wir hier zu thun haben, ist die Gegenwart von Wasser ausgeschossen, und wenn sich bei demselben Chlorwasserstoffsäure bildet, so ist dieß nur in sehr geringer Menge der Fall. Es ist demnach erklärlich, daß der Stärkezucker bei dieser Probe nicht angegriffen wird, während der Rohrzucker, welcher durch Säuren weit leichter verändert wird, durch die kleine Menge Chlorwasserstoffgas, welche sich bilden kann, eine theilweise Zersetzung erleidet. Obgleich sich Kohlenchlorid bei einer Temperatur von 98° C. nicht zersetzt, so läßt sich doch annehmen, daß bei dem angegebenen Versuche etwas Chlor frei wird, welches auf die organische Substanz einwirkt und in Folge davon zu Chlorwasserstoffsäure wird. Diese letztere träte demnach nur als secundäres Product auf und die durch sie hervorgerufene braune Substanz wäre schon durch eine vorangegangene Wirkung des Chlors erzeugt, welches letztere, wie wir seit Priestley wissen, den Zucker verändert und braun färbt. Daß aber bei dem in Rede stehenden Versuche Chlor und dann Chlorwasserstoffsäure gebildet wird, scheint mir durch folgende Beobachtung bewiesen zu werden. In einer vor der Lampe zugeschmolzenen Glasröhre wurde mittelst des Dampfbades erhitzt: a) trockener Traubenzucker und Kohlenchlorid; b) trockene Weinsäure und Kohlenchlorid. Nach Verlauf von fünf Stunden war bei beiden Apparaten keine Veränderung des Inhaltes wahrzunehmen. Hierauf wurde ein Gemenge von trockenem Traubenzucker und trockener Weinsäure in einem dritten Rohre mit Kohlenchlorid zusammengebracht; das Gemenge färbte sich unter starkem Aufblähen entschieden braun und im Rohre war freies Chlor vorhanden. Da sich das Kohlenchlorid in Gegenwart von Traubenzucker und von Weinsäure, wenn es mit jedem dieser Körper für sich allein in Berührung steht, nicht zersetzt, so müssen wir annehmen, daß diese Zersetzung durch die Elemente des Wassers hervorgerufen wird, welche sich während der Bildung der Glykoweinsäure im nascirenden Zustande getrennt haben. Fassen wir das Gesagte kurz zusammen, so ergibt sich, daß das Kohlenchlorid in Gegenwart von Traubenzucker weit weniger leicht zersetzbar ist, als in Gegenwart von Rohrzucker, welcher letztere durch jenes Chlorid geschwärzt wird. Das Kohlenchlorid verhält sich unter diesen Umständen wie bei dem berühmten Versuche von A. W. Hofmann, bei welchem es toluidinhaltigem Anilin durch seinen Chlorgehalt Wasserstoff entzieht und dadurch die Entstehung von Rosanilin bewirkt.