Titel: Neues Verfahren zur Umwandlung größerer Roheisenmassen in homogenen und blasenfreien Gußstahl; von Galy-Cazalat.
Fundstelle: Band 179, Jahrgang 1866, Nr. LXXXVIII., S. 369
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LXXXVIII. Neues Verfahren zur Umwandlung größerer Roheisenmassen in homogenen und blasenfreien Gußstahl; von Galy-Cazalat. Aus den Comptes rendus, t. LXII p. 87; Januar 1866. Galy-Cazalat, Verfahren zur Gußstahl-Fabrication. Der Gußstahl ist bekanntlich eine Verbindung des Eisens mit einigen Tausendsteln Kohlenstoff, wogegen das Roheisen aus Eisen und etwa 5 Hundertsteln Kohlenstoff, nebst Silicium, Schwefel und anderen Metalloiden besteht. Daraus folgt, daß man Stahl erhält, wenn man durch ein Bad von flüssigem Roheisen Ströme von sauerstoffhaltigen Gasen, namentlich Ströme von überhitztem Wasserdampf leitet. letzterer zersetzt sich, wenn er durch das flüssige Roheisen streicht; sein Sauerstoff verbrennt nach und nach den Kohlenstoff und oxydirt das Eisen, während sein Wasserstoff dem geschmolzenen Metalle den Schwefel, den Phosphor und die anderen Metalloide, welche die Festigkeit des Stahls beeinträchtigen würden, entzieht. Mit der Zunahme der Entkohlung des Roheisens erhöht sich dessen Temperatur rasch über den Schmelzpunkt des Stahls hinaus. Sobald die Farbe der aus allen Theilen des Bades aufsteigenden und dasselbe in wallende Bewegung setzenden Flammen einen angemessenen Grad der Entkohlung anzeigt, schreitet man zum Abstechen des Stahls. Dieses einfachste und wohlfeilste Verfahren, große Massen von Gußstahl darzustellen, ist von mir erfunden und während der allgemeinen Industrie-Ausstellung zu Paris im J. 1855 im Industriepalaste versuchsweise angewendet worden. Seit dieser Zeit habe ich es im Großen ausgeführt und zwar nicht allein in einem Kupolofen, der 5000 Kilogr. Roheisen faßte, sondern auch in einem Flammofen von verbesserter Einrichtung, dessen Ueberhitze zur Erzeugung des zur Entkohlung nöthigen Dampfes benutzt wird. Leider erhielt ich, da die charakteristischen Zeichen zur genauen und sicheren Erkennung des Zeitpunktes, wo das Roheisen vollkommen in Stahl verwandelt ist, unzuverlässig sind, bald reines Eisen, ohne Kohlenstoff, bald ein zusammengeschmolzenes Gemenge von Eisenoxyd und kohlenstoffreichem Stahl, je nachdem zu viel oder zu wenig Wasserdampf durch das flüssige Metall geleitet worden war. Dieser Uebelstand war meinem Verfahren mit dem Systeme Bessemer's gemeinsam, welcher bekanntlich i. J. 1856 die Erzeugung von Stahl mittelst Hindurchleiten von comprimirter Luft durch ein Bad von geschmolzenem Roheisen sich patentiren ließ, ein Verfahren, welches die Anwendung von Maschinen erfordert, die dreißigmal theurer sind als der den Wasserdampf erzeugende Flammofen. Seit drei Jahren endlich existirt die Unsicherheit bezüglich der Anzahl von Minuten, nach deren Verlauf das Zuströmen des entkohlenden Sauerstoffs (in Form von Luft oder Dampf) abgesperrt werden muß, nicht mehr; gegenwärtig geht der Proceß regelmäßig von Statten und man erhält stets gewöhnlichen Stahl, indem die Roheisenbäder durch Luft oder durch Wasserdampf vollständig entkohlt, und dann mit 10 Procent aus Spatheisenstein erblasenem Eisen (Spiegeleisen) versetzt werden, um ihnen durch letzteres den zur Stahlbildung erforderlichen Kohlenstoff wieder zuzuführen. Dieser gegenwärtig hauptsächlich zur Fabrication von Eisenbahnschienen verwendete Stahl muß jedoch, um genügende Homogenität, überhaupt bessere Eigenschaften zu erhalten, umgeschmolzen werden; durch diese zweite Operation, welche man in Tiegeln ausführt, die etwa 20 Kilogr. fassen, wird der Gestehungspreis des homogenen Gußstahls mindestens verdoppelt. Erzeugung größerer Stahlmassen. Bei näherer Prüfung der in den Gußstahltiegeln stattfindenden chemischen Reactionen erkannte ich, daß es für die Wirksamkeit derselben nöthig und hinreichend ist, daß der gewöhnliche, ungleichartige Stahl wenigstens fünfzehn Minuten lang bei einer Temperatur von etwa 1500° C. in ruhigem Flusse erhalten wird; dann wird das Metallbad homogen und die Aggregation seiner einzelnen Theilchen findet in regelmäßiger Weise statt. Diese Thatsache findet darin ihre Erklärung, daß unter den erwähnten Umständen der Sauerstoff des oxydirten Eisens an den freigebliebenen Kohlenstoff des Stahls tritt und als Kohlenoxyd oder als Kohlensäure entweicht. Um den erwähnten wesentlichen Bedingungen zu entsprechen, habe ich dem Flammofen eine verbesserte Einrichtung gegeben, so daß die entkohlenden Luft-, bez. Dampfströme abgesperrt werden können, ohne daß sich die dieselben zuführenden Formöffnungen durch Eindringen des flüssigen Metalles verstopfen. Bei Anwendung dieser verbesserten Construction braucht man nur den Hahn zu schließen, welcher dem überhitzten Dampf den Zutritt durch das Metallbad gestattet, dessen Masse nicht mehr in wallende Bewegung gesetzt wird, und dann einen anderen Hahn zu öffnen, welcher den Dampf in die Esse führt, um die Verbrennung auf dem Roste des Ofens bedeutend zu befördern und dadurch im Ofen eine sehr hohe Temperatur zu erzeugen. Gießen des Stahls unter hohem Drucke. Bekanntlich fallen die in Formen erzeugten Gußstücke von Stahl meistens sehr blasig und löcherig aus, wodurch ihre Festigkeit mehr oder weniger beeinträchtigt wird. Um dem Metalle seine ganze erreichbare Widerstandsfähigkeit zu ertheilen, muß man es einer weiteren Behandlung im Walzwerke oder unter dem Stempelhammer unterwerfen, damit die Stahlpartikelchen einander genähert, mit einander verschweißt und die Löcher und Blasen beseitigt werden. Da das Walzen, besonders aber die Behandlung unter dem Dampfhammer, bedeutende Kosten verursacht und häufig, namentlich bei stählernen Geschützrohren, mit ihren Schildzapfen und Delphinen, unausführbar ist, so kam ich auf den Gedanken, die Löcher und Blasen dadurch zu beseitigen, daß die Gußstücke, während sie in ihren durch eiserne Rahmen zusammengehaltenen Sandformen noch flüssig sind, einem starken Gasdrücke ausgesetzt werden. Zu diesem Behufe wird unmittelbar nach vollendetem Gusse des Geschützrohres der verlorene Kopf desselben mit einer, auf dem Rahmen durch Schließkeile befestigten metallenen Haube hermetisch bedeckt. An dieser Haube befindet sich ein senkrechtes, an seinem unteren Theile mit einem Hahne versehenes, oben aber mit einer als Sicherheitsventil dienenden Membran verschlossenes Rohr, welches 6 bis 10 Grm. eines aus 80 Thln. Salpeter und 20 Thln. Kohle bestehenden Pulvers enthält. Wird der Hahn geöffnet, so fällt dieses Pulver auf das flüssige Metall und entzündet sich; in Folge seiner Verbrennung entstehen sofort per Gramm Pulver 10 Liter Gase, welche, da sie in der Haube eingeschlossen sind, auf die Oberfläche des flüssigen Stahls einen Druck ausüben, der sich augenblicklich und regelmäßig auf alle Theile des Rohres fortpflanzt und die in dem Metalle enthaltenen Blasen und Löcher beseitigt, gleichzeitig aber auch die Tenacität desselben vermehrt, welche durch die ganze Masse hindurch eine gleichmäßige wird.