Titel: Ueber die Theorie der Sodafabrication nach dem Le Blanc'schen Verfahren; von E. Kopp.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. XXXIV., S. 136
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XXXIV. Ueber die Theorie der Sodafabrication nach dem Le Blanc'schen Verfahren; von E. Kopp. Aus den Comptes rendus, 1865, t. LXI p. 796. Kopp, über die Theorie der Sodafabrication. In einer an die (französische) Akademie gerichteten MittheilungS. 51 im vorhergehenden Heft. behauptet Scheurer-Kestner: 1) den Beweis geliefert zu haben, daß das Schwefelcalcium an und für sich so wenig löslich sey, daß das kohlensaure Natron sich lösen könne, ohne durch dasselbe zersetzt zu werden; 2) nachgewiesen zu haben, daß die Sodarückstände kein Oxysulfuret enthalten, sondern aus einem in den Verhältnissen wandelbaren Gemenge von Calciumoxyd, kohlensaurem Kalk und Calciumsulfuret bestehen. Die treffliche Arbeit, auf welche Scheurer-Kestner sich bezieht, hat in theoretischer sowohl, als in praktischer Beziehung, viel dazu beigetragen, unsere Kenntnisse hinsichtlich der bei der Sodafabrication stattfindenden Reactionen zu erweitern; indeß glauben wir, daß die beiden oben angeführten Behauptungen noch keineswegs unzweifelhaft festgestellt sind. Die Erzeugung des kohlensauren Natrons mittelst des Sulfats ist weder von der Bildung von Calciumsulfuret oder Calciumoxysulfuret noch von dem Verhältniß des angewendeten Kalksteins abhängig; man wird immer kohlensaures Natron erhalten, allerdings in wandelbaren Mengen und von größerer oder geringerer Reinheit. Zur Feststellung dieser Thatsache haben wir selbst beigetragen, indem wir vor einigen Jahren nachwiesen, daß man das Sodasalz ohne Kalkstein, mittelst eisenhaltiger Rohsoda, fabrikmäßig darstellen kann. Was die wirkliche chemische Constitution der Rohsoda anbetrifft, so ist eine genaue Bestimmung derselben schwierig, da man mit einer complicirt zusammengesetzten, halbgeschmolzenen Masse zu thun hat, welche mit Lösungsmitteln behandelt werden muß. Nun können aber durch verschiedene Lösungsmittel sehr leicht verschiedene Reactionen, welche während des Auslaugens vor sich gehen, hervorgerufen und dadurch muß die Natur des unlöslichen Rückstandes abgeändert werden. Wird die Rohsoda mit Wasser behandelt, so lassen sich die dabei stattfindenden Vorgänge besser nach der von Dumas aufgestellten Theorie, also durch Annahme der Bildung von Calciumoxysulfuret CaO, 2CaS, als nach Scheurer-Kestner's Anschauungsweise erklären. Zur Bekräftigung dieser Behauptung stehen uns nicht allein Laboratoriumsversuche, sondern auch die industrielle Praxis zur Verfügung. Bei einer vergleichenden Untersuchung der Reactionen des reinen Kalkhydrats, des reinen Schwefelcalciums (CaS) und des Sodarückstandes ergaben sich so wesentliche Differenzen, daß die Annahme, der Sodarückstand könne freies Kalkhydrat oder freies Schwefelcalcium enthalten, schwerlich zulässig seyn dürfte. Wir geben nachstehend die von W. Hofmann, Chemiker zu Dieuze (den ich um Prüfung und Controlirung meiner Versuche gebeten habe), erhaltenen Resultate. Die angewendete Probe des Sodarückstandes war gut zerrieben worden und enthielt: SchwefelcalciumKalk 31,6012,35 = etwa 44 Proc.CaO, 2 CaS kohlensauren Kalk 16,10 Schwefelnatrium 7,40 Wasser 19,10 Sand, Kohle, Sulphate, Eisen, Thonerde 13,45 –––––– 100,00 Das angewendete Kalkhydrat bestand aus: Kalk (Ca O) 56,17 kohlensaurem Kalk 1,52 Wasser 42,31 –––––– 100,00 Erster Versuch. – Eine Lösung von kohlensaurem Natron von 30° Baumé (der gewöhnlichen Concentration der Rohsodalaugen) wurde in zwei gleiche Portionen getheilt. Die eine Hälfte wurde mit 32,3 Grm. Kalkhydrat behandelt, die andere mit 155 Grm. Sodarückstand, welche Menge gleichfalls 32,3 Grm. Kalkhydrat enthielt. Bei diesen Mengenverhältnissen vermag sowohl das Kalkhydrat als der im Sodarückstand enthaltene Kalk die ganze Menge des kohlensauren Natrons in Aetznatron umzuwandeln. Beide Lösungen wurden gleich lange Zeit geschüttelt und dann auf ein Filtrum gebracht. Ihre Temperatur war = 25° bis 30° C. Von beiden Lösungen wurde ein gleiches, 5 Grm. reines kohlensaures Natron enthaltendes Volum genommen und auf Aetznatron volumetrisch geprüft. Man fand: Aetznatrongehalt der mit Kalkhydrat behandelten Lösung 39,9°; „    „ Sodarückstand     „ 5,3°. Dieselben Versuche wurden mit einer 10° Baumé starken Lösung von kohlensaurem Natron wiederholt und ergaben: Aetznatrongehalt der mit Kalkhydrat behandelten Lösung 49,3°; „    „ Sodarückstand     „ 5,3°. Demnach ist der im Sodarückstande enthaltene Aetzkalk unfähig, eine Lösung von kohlensaurem Natron in solchem Grade in Aetznatron überzuführen, wie eine gleiche Menge von freiem Aetzkalk. Zweiter Versuch. – Gleiche Volume einer 25° bis 30° C. warmen und 30° Baumé starken Lösung von kohlensaurem Natron wurden auf ganz dieselbe Weise und unter denselben Umständen die eine Portion mit 6,5 Grm. reinem Schwefelcalcium (durch Glühen von reinem schwefelsaurem Kalk mit reiner Kohle dargestellt), die andere mit 21,3 Grm. Sodarückstand behandelt. (In diesen Mengenverhältnissen hätten das Schwefelcalcium und der Sodarückstand sämmtliches Natroncarbonat in Schwefelnatrium überführen können). Nach dem Filtriren wurden gleiche Volume, 5 Grm. gelösten kohlensauren Natrons entsprechend, mittelst salpetersaurem Silberoxyd-Ammoniak auf den Gehalt an Schwefelnatrium geprüft. Die Resultate waren folgende: die mit reinem Schwefelcalcium behandelte Lösung enthielt 1,640 Proc. NaS; die mit Sodarückstand 0,250 Proc. NaS. Demnach vermag das im Sodarückstand enthaltene Schwefelcalcium eine Lösung von kohlensaurem Natron nicht in derselben Weise in Schwefelnatrium überzuführen, wie dieselbe Menge von freiem Schwefelcalcium. Dritter Versuch. – 100 Grm. einer ziemlich neutralen Lösung von Manganchlorür, welche 24 Grm. trockenes Salz enthielt, wurde mit 23 Grm. Kalkhydrat (also der zur vollständigen Ausfüllung des gesammten Mangangehaltes hinreichenden Menge) versetzt und geschüttelt; es blieb keine Spur von Mangan in Lösung. 100 Grm. derselben Lösung wurden genau ebenso lange mit 107 Grm. Sodarückstand (welche dieselbe Menge CaO enthielten, wie 23 Grm. Kalkhydrat) geschüttelt; die Lösung enthielt noch 20 Proc. Manganchlorür, hatte also nur 4 Proc. dieses Salzes abgegeben. Wir müssen dabei berücksichtigen, daß das im Sodarückstande enthaltene Schwefelnatrium zu einer theilweisen Ausfällung von Mangan nicht beitragen konnte. Demnach vermochte der im Sodarückstände enthaltene Kalk das Mangan aus einer Lösung von Manganchlorür nicht so auszufällen, wie dieß durch dieselbe Menge von freiem Kalk geschieht. Ein Gleiches gilt offenbar auch für das im Sodarückstande enthaltene Schwefelcalcium. Ohne es als positiv gewiß hinstellen zu können, scheint sich doch aus mehrfachen Versuchen bereits zu ergeben, daß ein künstlich bereitetes Gemenge von Kalkhydrat und Schwefelcalcium, in dem Verhältniß CaO, 2 CaS, bei der Digestion mit Wasser weder wie freier Kalk, noch wie freies Calciumsulfuret auf das kohlensaure Natron und das Manganchlorür wirkt, daß folglich das Calciumoxysulfuret der Sodarückstände durch bloßes Mengen seiner Bestandtheile dargestellt werden kann, weil letztere unter dem Einfluß des Wassers sich mit einander verbinden. Die aus diesen Versuchen gezogenen Schlüsse finden in den Ergebnissen der industriellen Praxis ihre Bestätigung. Zwar hat Scheurer-Kestner nachgewiesen, daß man den Zusatz von kohlensaurem Kalke bedeutend vermindern und selbst bei Anwendung von schwefelsaurem Natron 25,4 kohlensaurem Kalk 22,8 Rohsoda von sehr guter Qualität darstellen kann. Indessen wissen wir, daß Scheurer-Kestner ein zu geschickter Sodafabrikant ist, als daß er nicht solche Mengen von Kalkstein und Sulfat anwenden sollte, daß die Rückstände Kalk und Schwefelcalcium in dem durch die Formel CaO, 2 CaS ausgedrückten Verhältnisse, also Dumas' Calciumoxysulfuret enthalten. Zu Dieuze sind in großem Maaßstabe und in systematischer Weise zahlreiche Versuche über die in den Oefen am vortheilhaftesten zu verarbeitenden relativen Mengen von Kalkstein und Sulfat abgeführt worden. Ziemlich lange hatte man dort mit ernstlichen Schwierigkeiten im Gange der Fabrication zu kämpfen. Nachdem man aber die günstigsten Verhältnisse der beiden Materialien bestimmt hatte und sich entschloß dem schwankenden Gehalte der Rohstoffe an Feuchtigkeit und fremdartigen Beimengungen genaue Rechnung zu tragen, also demselben entsprechend die Verhältnisse der Gemengtheile abzuändern: seitdem sind jene Schwierigkeiten verschwunden. Die Rohsoda läßt sich nun außerordentlich leicht auslaugen; die Laugen sind klar und schön; die Abdampföfen liefern zunächst große Mengen von fast chemisch reinem kohlensaurem Natron („Sodasalz“ von 90°); das nach demselben aus den Pfannen gezogene, etwas geringer haltige Salz ist farblos, bedarf des Bleichens an der Luft nicht, und liefert, wenn es zur Darstellung von krystallisirter Soda angewendet wird, auch ohne vorherige Calcinirung, Krystalle von untadelhaftem Ansehen. Auch die dort dargestellte calcinirte Soda, sowie das Aetznatron sind so rein und schön, als man nur wünschen kann. Diese regelmäßigen und günstigen Betriebsresultate erhält man aber bei einer solchen Zusammensetzung der Rückstände, daß die Menge des Calciumsulfurets zu der des Kalks in dem der Formel CaO, 2CaS entsprechenden Verhältnisse steht, und der überschüssige Kalk stets von einem Gehalte an Kohlensäure begleitet wird, welcher zur Sättigung desselben genau hinreicht.