Titel: | Beschreibung einer englischen Holzessigsäurefabrik; von Dr. Georg Lunge. |
Autor: | Georg Lunge [GND] |
Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. XXXVI., S. 142 |
Download: | XML |
XXXVI.
Beschreibung einer englischen
Holzessigsäurefabrik; von Dr. Georg
Lunge.
Lunge, über eine englische Holzessigsäurefabrik.
Zu dem von mir in diesem Journal beschriebenen Bleiwerke von Walker, Perkers und Comp. in ChesterS. 43 im vorhergehenden Hefte. gehört ein Etablissement, in welchem die große Quantität Holzessig, deren
man zur Bleiweißfabrication bedarf, durch trockene Destillation von Holz hergestellt
wird; es scheint mir gerade wegen seiner sehr einfachen, aber großentheils sehr
zweckentsprechenden Einrichtung eine kurze Beschreibung zu verdienen. Zu der
Destillation dienen gußeiserne cylindrische Retorten von 5 Fuß Länge und 3 Fuß Durchmesser,
welche horizontal in einem Ofen eingemauert sind. Die beiden Endflächen
(Stirnseiten) der Retorte schneiden mit dem Mauerwerke gerade ab, sind also der Luft
ausgesetzt. An der einen Stirnseite befindet sich eine in Angeln gehende Thür zum
Einsetzen des Holzes und Herausnehmen der Kohle; sie wird nach dem Einsetzen durch
einen einfachen Keilverschluß befestigt und die Fugen dann mit Lehm verstrichen. Am
anderen Ende der Retorte ist ein 8 Zoll weites Ausgangsrohr für die Gase und Dämpfe
angebracht, welches sich sofort an das Kühlrohr fortsetzt. Dieses letztere ist ganz
gerade, 30 bis 40 Fuß lang, und verjüngt sich gegen das Ende hin ein wenig; es liegt
in einem viereckigen Wassertroge von der Länge des Rohres und etwa vier Fuß breit
und hoch. Das hintere Ende des Kühlrohres mündet in eine große Tonne, in welcher
sich das Condensirte sammelt, während die permanenten Gase durch ein enges Bleirohr
abgeführt werden, welches zu dem Kühltroge zurückgeht und einen Zoll tief in dessen
Wasser taucht. Dieß reicht hin, um die übelriechendsten Bestandtheile der
entweichenden Gase zurückzuhalten und so eine Belästigung der Nachbarschaft zu
verhüten, während doch der dadurch verursachte Druck in den Apparaten zu unbedeutend
ist, um schädlich zu wirken. Selbstverständlich könnte man denselben Zweck
vollständiger und ökonomischer erreichen, wenn man die Gase in die Ofenfeuerung
gehen ließe; zur Verhinderung von Explosionen würde es genügen, eine ganz geringe
Wasserabsperrung, etwa auch mit einem Zoll Druck, einzuschalten.
Die Sammeltonnen der verschiedenen Retorten sind an ihrem Boden durch Bleiröhren
untereinander und mit dem Saugrohre einer Holzpumpe verbunden, vermittelst welcher
man das gesammte Condensat in einen etwas erhöht aufgestellten großen Holzbottich
pumpt, wo sich der Theer von den wässerigen Bestandtheilen beim ruhigen Stehen
absondert und abgezogen wird.
Die klare wässerige Flüssigkeit wird ebenfalls abgelassen und darauf mit Kalkhydrat
versetzt und längere Zeit im Kochen erhalten. Dabei entweichen, namentlich im
Anfange, Aceton, Holzgeist etc., welche man hier in die Luft gehen läßt, obwohl man
jedenfalls ohne große Umstände den rohen Holzgeist, welchen man in England wood naphta nennt, aufsammeln könnte. Das Kochen wird
fortgesetzt, bis die Flüssigkeit die Consistenz eines dünnen Breies (von essigsaurem
Kalk) angenommen hat, und dieser dann in eine Blase geschafft, um mit Schwefelsäure
destillirt zu werden. Die Blase selbst ist von starkem Gußeisen, 6 Fuß im
Durchmesser, der Helm von Kupfer, das Kühlrohr von Blei; es ist in Form einer
gewöhnlichen Kühlschlange; die Kühltonne ist ein Faß von 100 Gallons (400 Quart preuß.)
Inhalt. Die Destillation wird bis zur völligen Trockniß fortgesetzt; das Destillat
ist für den Gebrauch zur Bleiweißfabrication schon hinreichend rein und wird ohne
Weiteres verwendet. Es hat freilich einen stark empyreumatischen Geruch, ist aber
fast vollkommen farblos, und hält sich auch so bei längerer Aufbewahrung.
Von den Nebenproducten fällt die Holzkohle sehr gut aus und ist sehr gesucht; der
Theer dagegen ist schwer zu verwerthen.