Titel: Ueber die Anwendungen der mittelst brennbarer Gase und atmosphärischer Luft erzeugten hohen Temperaturen; von Th. Schlösing.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. LVII., S. 224
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LVII. Ueber die Anwendungen der mittelst brennbarer Gase und atmosphärischer Luft erzeugten hohen Temperaturen; von Th. Schlösing. Aus den Comptes rendus, t. LXII p. 187; Januar 1866. Schlösing, über die Anwendungen der Gasfeuerung. In meiner (vorstehenden) Mittheilung über die durch Verbrennung von Leuchtgas hervorgebrachten hohen Temperaturen beschränkte ich mich auf einen Bericht über die von mir angestellten Versuche und enthielt mich, aus denselben die Folgerungen zu ziehen, welche sie gestatten. Im Folgenden erlaube ich mir, auf einige Anwendungen des von mir angegebenen Verfahrens aufmerksam zu machen, welche sich theils schon bewährt haben, theils einer Berücksichtigung werth seyn dürften. Anwendungen im Laboratorium. – Ein kleiner Schmelztiegel kann binnen einigen Minuten auf eine Temperatur erhitzt werden, welche derjenigen, die ein guter Windofen gibt, mindestens gleich kommt; ein Tiegel von 150 bis 200 Kubikcentimeter Inhalt erreicht denselben Hitzegrad binnen einer Viertelstunde. Es ist einleuchtend, daß noch weit größere Gefäße ebenso stark erhitzt werden können – natürlich binnen einer entsprechend längeren Zeit – wenn der Verbrauch an Gas und Luft in richtigem Verhältnisse zu den zu erhitzenden Oberflächen steht. Demnach werden sich in vielen Fällen die Holzkohlen und Kohks durch das Leuchtgas ersetzen lassen; dadurch wird viel an Zeit gewonnen werden und der Chemiker daher die Untersuchungen vervielfältigen können, welche eine sehr starke Hitze erfordern, z.B. diejenigen über das Verhalten der feuerfesten Materialien, über die Schmelzpunkte verschiedener Metalle, wie Eisen, Nickel etc. Wie mir scheint, würden sich auch die Eisenproben auf trockenem Wege mit Anwendung von Gas als Brennmaterial ausführen lassen. Beiläufig bemerke ich noch, daß die Umwandlung des kohlensauren Kalks in Aetzkalk, das Aufschließen der Silicate durch diese Basis, kurz alle im Platintiegel vorzunehmenden Glühungen, welche Weißglühhitze erfordern, mittelst meines Löthrohres sehr rasch und eben so gut sich ausführen lassen, wie bei Anwendung der Deville'schen Schmelzlampe.Beschrieben im polytechn. Journal Bd. CXL S. 429. Anwendungen in der Technik. – Für die Industriezweige, welche werthvolle Substanzen behandeln und daher den Aufwand für Brennmaterial nicht hoch anzuschlagen haben, dürfte die Anwendung eines Verfahrens zur raschen Erzeugung einer hohen Temperatur, welche ohne weitere Vorbereitungen in dem gewünschten Zeitpunkte leicht erhalten und, sobald sie nicht mehr nöthig ist, ebenso leicht wieder beseitigt werden kann, von Vortheil seyn. Uebrigens läßt sich das Gas ebenso gut zum Heizen von Flammöfen, wie von Schmelztiegeln anwenden. Diejenigen Industriezweige freilich, welche mit einem sehr bedeutenden Brennmaterialaufwande zu kämpfen haben, und hoher Temperaturgrade bedürfen, werden das Leuchtgas niemals anwenden; ihnen müssen wirklich technisch verwendbare Gase dargeboten werden. Die Arbeiten Ebelmen's auf diesem Felde, welche für weitere Erfindungen nur wenig Raum lassen, sind zu bekannt, als daß ich besonders an sie zu erinnern nöthig hätte; aber bezüglich einer pyrotechnischen Anwendung des Leuchtgases, welche ich am Schlusse dieser Mittheilung besprechen werde, erscheint es mir von Wichtigkeit, die durch Leuchtgas erzeugten Temperaturen mit denjenigen zu vergleichen, welche durch die Gase erzeugt werden, deren zwei Hauptquellen die mit bloßer Luft und die mit Luft und gleichzeitig mit Wasserdampf betriebenen Gasgeneratoren sind. Ungeachtet der Schwankungen in der chemischen Zusammensetzung des Leuchtgases ist die durch seine Verbrennung mit dem nöthigen und genügenden Luftvolum erzeugte Temperatur doch fast constant; denn der Wasserstoff erzeugt, wenn er durch die genau hinreichende Luftmenge verbrannt wird, eine Temperatur von 2736° C., während der Kohlenstoff unter denselben Verhältnissen 2715°, also beinahe ganz dieselbe Zahl gibt; das Gas mag daher der Luft Kohlenstoff oder Wasserstoff darbieten, so wird die Temperatur nur wenig schwanken. In runder Zahl nehme ich 2700° als Maximum an, indem ich die geringe Menge der im Leuchtgase stets vorhandenen trägen Gase, sowie die durch den Trennungsact der constituirenden Bestandtheile der Kohlenwasserstoffe verzehrte Wärme unberücksichtigt lasse. Jedenfalls ist der Einfluß dieser beiden, eine Temperaturerniedrigung bedingenden Ursachen nicht so bedeutend, daß die Zahl 2700 weit von der Wirklichkeit abweichen könnte; obgleich es immerhin der Fall seyn könnte, daß die von Henri Sainte-Claire Deville nachgewiesenen Erscheinungen der Dissociation die Entwickelung der theoretischen Wärme verhindern. Ich nehme indessen an, daß durch letzteren Umstand die durch Rechnung erhaltenen Zahlen ihren wenigstens relativen Werth nicht verlieren. Bei der Analyse der Generatorgase erhielt Ebelmen unter anderen Resultaten die nachstehenden Zahlen: Gasgenerator mit bloßer Luftund Kohlenlösche betrieben: Gasgenerator mit Luft undWasserdampf betrieben: Kohlensäure   0,5  5,6 Kohlenoxyd 33,3 27,2 Wasserstoff   2,8 14,0 Stickstoff 63,4 53,2 –––––– ––––––– 100,0 100,0 Durch die Verbrennung dieser beiden Gasgemische mit der dazu gerade hinreichenden Luftmenge wird eine Temperatur von bezüglich 1905° und 1966° erzielt, welche also weit unter der für die Verbrennung des Leuchtgases angenommenen bleibt. Allerdings hat man das Hülfsmittel, die Generatorgase und die atmosphärische Luft, durch die verlorengehende Wärme (Ueberhitze) der Oefen zu erhitzen; die Rechnung gibt für Anfangstemperaturen von 300° und 500° folgende Zahlen: 1. Gasgenerator. 2. Gasgenerator. Anfangstemperatur 300°500° 2210°2410° 2290°2490° Es würde daher bloß eine vorläufige Erhitzung um 500° nothwendig seyn, um der Verbrennungstemperatur des Leuchtgases nahe zu kommen. Eine andere Quelle von brennbarem Gase, welche indessen von Ebelmen als für technische Zwecke nicht geeignet verworfen wird, ist die durch Hindurchleiten durch glühende Kohlen bewirkte Zersetzung des Wassers zu Wasserstoff und Kohlenoxyd. Ein Gemisch von gleichen Volumen dieser zwei Gase würde, selbst kalt angewandt, eine Temperatur von 2870° geben, also eine beträchtlich höhere, als die durch Verbrennung von Steinkohlengas erzeugte. Diese Zahl läßt mich hoffen, daß Ebelmen's Urtheil nicht unumstößlich ist, zumal wenn ich in Erwägung ziehe, daß in den Oefen mit hohen Temperaturen die von den in Arbeit genommenen Substanzen consumirte Wärme nur einen kleinen Bruchtheil der Gesammtwärme bildet und daß die entweichenden Gase noch Wärme genug zum Erhitzen der für die Erzeugung des Gemisches von Wasserstoff und Kohlenoxyd beschickten Retorten liefern. Ich muß nun den Grund angeben, welcher mich zu den vorstehenden Vergleichungen veranlaßte. Man hat mit Generatorgasen Roheisen geschmolzen; man würde auch Stahl mit denselben schmelzen können. Wie Ebelmen erwähnt, schmolz das Ofengewölbe nach mehrtägigem Betriebe, wenn die Gase vor der Verbrennung auf 300° gebracht waren; Stabeisen aber schmolz nicht. Mit Steinkohlengas bin ich im Stande, dieses Metall zu schmelzen; ich werde es mit jedem anderen Gase schmelzen können, welches eine gleich hohe Temperatur gibt. Sollte man nicht auch im Stande seyn, es im Großen zu schmelzen, durch technische Erzeugung der Temperaturgrade, deren Erzielung im Kleinen mir gelingt? Die leicht auszuführende Schmelzung mehrerer hundert Gramme Stabeisen in einem Tiegel gestattet die physikalischen Eigenschaften des reinen oder mit fremden Körpern mehr oder weniger verunreinigten Metalles zu studiren und seine chemischen Verwandtschaften im flüssigen Zustande zu ermitteln. – Die obere Fläche der von mir erhaltenen Eisenkönige ist glatt und blank – ein Beweis, daß Stabeisen beim Erstarren keine Gase abgibt. Das Umschmelzen des raffinirten Stabeisens würde ein Mittel seyn, es von beigemengten Unreinigkeiten, von Glühspan oder Schlacke zu reinigen und es homogener zu machen. Müßte man dazu Tiegel anwenden, so könnte die Operation für gewisse, zu besonderen Zwecken bestimmte Stabeisensorten Vortheile darbieten. Würden aber durch Einschmelzen des Eisens während des Raffinirens nicht die chemischen Vorgänge begünstigt werden, durch welche das Roheisen in Stabeisen umgewandelt wird, da man mit einer flüssigen Masse und nicht mehr mit einer teigartigen Substanz zu thun hat, welche immer dicker und zäher wird und daher den zu ihrer Reinigung erforderlichen Reactionen einen immer stärkeren Widerstand entgegensetzt? Erhielte man nicht auf diese Weise ohne Weiteres ein homogenes, reineres Stabeisen, welches sich sogar vergießen lassen würde? Diese Fragen verdienen sicherlich unsere ganze Aufmerksamkeit. Ich beabsichtige, ein näheres Studium derselben mit Aufbietung aller meiner Kräfte zu verfolgen, da ich das Glück gehabt habe, Thatsachen aufzufinden, welche, wie es mir scheint, den Beweis liefern, daß eine Lösung derselben wohl möglich ist. Ich glaube, daß die Hauptschwierigkeit bezüglich der Erreichung des hier angedeuteten Zieles nicht in der Erzeugung genügend hoher Temperaturgrade liegt, sondern im Mangel an Materialien von hinlänglicher Feuerfestigkeit. Indessen scheint mir dieses Hinderniß durchaus nicht derart zu seyn, daß es von jeder weiteren Untersuchung zurückschrecken könnte.