Titel: Das photographische Anilindruckverfahren.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. LIX., S. 234
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LIX. Das photographische Anilindruckverfahren. Ueber das Anilindruckverfahren. Nach einer Berechnung des Hrn. Dawson beläuft sich die Auslage für ein Anilinbild von der Größe eines Bogens von 22 × 18 Zoll auf nur 5 Pfennige (ohne das Papier); das Verfahren ist demnach ein äußerst billiges und verdiente gehörig durchstudiert zu werden. Für die Vervielfältigung von Karten, Plänen und Zeichnungen aller Art, direct nach den Originalen, werden Geometer, Architekten und Künstler es sehr werthvoll finden, zumal da es sehr einfach und sicher ist. Auch zu manchen speciell photographischen Arbeiten dürfte es sich empfehlen. Das Papier. – Man wähle ein dickes stark geleimtes Papier mit feiner Oberfläche. Dickes Steinbach'sches Papier ist sehr gut: es kann indeß durch Satiniren zwischen heißen Walzen noch verbessert werden. Rives-Papier eignet sich gar nicht, ebensowenig dünne Papiere, die sich stets ungleichmäßig und fleckig entwickeln, wahrscheinlich weil die Sensitirlösung an einigen Stellen das Papier ganz durchdrungen hat, anstatt an der Oberfläche zu bleiben. Aus diesem Grunde muß dickes gleichmäßig geleimtes Papier genommen werden. Die Sensitirlösung. – Doppelt-chromsaures Ammoniak     5 Theile, Phosphorsäure (Acidum phosphoricum glaciale) 2–6     „ Wasser   48     „ Wegen der unbestimmten Stärke der Phosphorsäure ist in der Vorschrift kein bestimmtes Verhältniß angegeben. Man merke sich, daß mit zu wenig Säure das Bild sich mit röthlicher Farbe entwickelt, während zu viel Säure es grün macht. Die richtige Menge Säure gibt ein schönes Purpurschwarz. Uebrigens braucht man hierbei nicht zu vorsichtig zu seyn, da sich die Farbe später noch beliebig verändern läßt. Das Empfindlichmachen. – Man stiftet das Papier an den Ecken auf ein glatt gehobeltes Bret und trägt die Lösung rasch und gleichmäßig mit einem weichen Pinsel oder Schwamm auf. Dann lasse man rasch trocknen. Beim Schwimmenlassen dringt die Lösung zu tief in das Papier ein. Das trockene Papier lasse man wenigstens zehn Minuten in einer Schublade oder im Dunkelzimmer liegen, damit es hinreichend Feuchtigkeit aus der Atmosphäre anzieht, um im Copirrahmen glatt anzuliegen. Das empfindliche Papier ist tief orangefarben; es sollte am Tage der Präparation gebraucht werden, da es beim Aufbewahren unempfindlich wird. Die Beleuchtung. – Zu beachten ist, daß in diesem Verfahren ein Negativ auch eine negative Copie gibt. Es muß also ein Papier- oder Glaspositiv als Cliché dienen. Man belichte, bis alle dunkeln Theile des Originals sich orangefarben auf Hellem Grund zeigen. Die Belichtungszeit ist fünfmal kürzer als bei Albuminpapier. Die Entwickelung. – Eine niedrige Holzschachtel (etwa 2 Zoll tief) mit einem Deckel eignet sich sehr gut zum Entwickeln. Auf der inneren Seite des Deckels befestigt man zwei bis drei Lagen Fließpapier, die man mit einer Mischung von einem Theil Anilin und acht Theilen Benzin befeuchtet. Auf den Boden der Schachtel legt man soviel Bilder als Platz finden (nicht übereinander); und setzt den Deckel auf. Nach etwa zwanzig Minuten werden die hinabsteigenden Dämpfe das Bild vollständig entwickelt haben. Jetzt erkennt man leicht, ob die Belichtung zu kurz oder zu lang war. Bei etwas zu langer Belichtung erhält man ein sehr schwaches grünes, blaues oder röthliches Bild (der Farbenton richtet sich nach dem Verhältniß der Phosphorsäure); bei viel zu langer Belichtung kommt gar kein Bild, indem dann das Bichromat auch in den Schatten zersetzt wurde. Die Symptome zu kurzer Belichtung sind gerade entgegengesetzt; in diesem Falle entwickelt sich das Bild sehr rasch und die Lichter färben sich fast zugleich mit den Schatten. Zur Entwickelung eines Bildes genügt äußerst wenig Anilindampf. Nach der Entwickelung wascht man das Bild in Wasser aus. Fixirung ist nicht erforderlich. Der Ton läßt sich nach Belieben abändern. Taucht man das Bild in Wasser, welches mit Salpetersäure, Schwefelsäure etc. angesäuert ist, so wird es sofort tiefblaugrün. Nach nochmaligem Waschen in schwach ammoniakalisches Wasser getaucht, nimmt das Bild einen rosigen Purpurton an. Durch nochmalige Anwendung des sauren Bades erhält man ein tieferes Grün. Man wasche das Bild nochmals und tauche es in schwache Auflösung von rothem Blutlaugensalz; das Grün wird darin äußerst zart. Diese chamäleonartigen Farbenveränderungen können immer wieder auf's Neue erzeugt werden; eigenthümlicher Weise wird bei jeder solchen Veränderung der Contrast und Ton schöner und tiefer. Zeichnungen und Photographien, die man in dieser Weise vervielfältigen will, macht man vorher durch Benzin durchsichtig. Das Benzin verdunstet nachher vollständig, wenn man das Blatt an die Luft legt. Bei Kupferstichen etc. ist diese Behandlung etwas gewagt, da Benzin die Druckerschwärze löst. Die obigen Angaben sind verläßlich und führen zu entsprechenden Resultaten. Halbtöne erzielt man allerdings nicht; aber zum Copiren von Zeichnungen ist das Verfahren ausgezeichnet. (Nach dem British Journal of Photography; aus dem photographischen Archiv, März 1866, S. 105.)