Titel: Die Fette im Zustande der Emulsion nach Mège-Mouriès und Bedeutung dieses Zustandes für die Verseifung; von Dr. Fr. Knapp.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. LXXXV., S. 309
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LXXXV. Die Fette im Zustande der Emulsion nach Mège-Mouriès und Bedeutung dieses Zustandes für die Verseifung; von Dr. Fr. Knapp. Aus dem Laboratorium für technische Chemie in Braunschweig. Knapp, über die Fette im Zustande der Emulsion nach Mège-Mouriès und Bedeutung dieses Zustandes für die Verseifung. Im Jahre 1864 hat Mège-Mouriès der Akademie der Wissenschaften in Paris Mittheilungen über gewisse Beobachtungen bei der Verseifung der Fette gemacht.Polytechn. Journal Bd. CLXXIII. S. 66. Darnach zeigen die Fette, mittelst Eigelb, Galle, eiweißartiger Körper oder Seife in den Zustand einer Emulsion versetzt, ganz andere Eigenschaften. Er nennt diesen Zustand, – bekanntlich eine Zertheilung der Fette in eine unendliche Menge sehr kleiner Kügelchen – état globulaire.“ Der Talg zeigt in dieser Form nach Mège-Mouriès folgendes Verhalten: Während der Talg in Masse an feuchter Luft sehr bald ranzig wird, halte er sich im état globulaire, sey es als milchige Flüssigkeit, sey es trocken als weißes Mehl, sehr lange. Im état globulaire mit Aetzlauge zusammengestellt, gebe der Talg bei 45–60° C. sein Glycerin in Zeit von 3–4 Stunden vollkommen ab, jedes Talgkügelchen verwandle sich dabei in ein Kügelchen vollkommener, je nach der Temperatur mit mehr oder weniger Lauge gefüllter Seife. – Bei einer Temperatur über 60° C. würden diese Kügelchen durchsichtig, halbflüssig und flößen dann zu einer über der das Glycerin enthaltenden Lauge schwimmenden Schichte geschmolzener Seife zusammen. Dieses in kurzen Zügen und einigermaßen dogmatischer Form niedergelegte Verhalten des Talgs ist von Mège-Mouriès vorzugsweise als Grundlage der Stearinfabrication empfohlen worden und hat in dieser Richtung bekanntlich eine eingehende Discussion über seinen praktischen Werth hervorgerufen.Man s. die Bemerkungen von de Milly und Legrand im polytechn. Journal Bd. CLXXVI S. 145 und 151. Jenes Verhalten ist aber zunächst für die Verseifung der Fette an sich und für die Seifensiederei von großer Wichtigkeit. Es schien mir daher von Interesse, den Begriff und das Wesen des état globulaire, sowie die Rolle, die ihm bei der Verseifung zukommt, durch weitere Beobachtungen näher festzustellen, in welchen mich Hr. Bosse im hiesigen technischen Laboratorium vielfach unterstützt hat. Insofern es sich um die Verseifbarkeit des Talgs handelte, war es angezeigt als Mittel zur Herstellung der Emulsion Seife und andere Fette (des Eigelbs, der Galle) auszuschließen. Man rieb daher den bei 45° C. im erwärmten Mörser geschmolzenen Talg mit Stärkegummi zusammen und verwandelte die Mischung nach dem bekannten pharmaceutischen Handgriffe, d.h. unter allmählichem Zusatz von Wasser der gleichen Temperatur und stetigem Umrühren mit dem Pistill, welches bis zum vollständigen Erkalten fortgesetzt wurde, in eine dünnflüssige Emulsion. Aus der rein weißen, sehr gleichförmigen Flüssigkeit schied sich der zertheilte, inzwischen starr gewordene Talg nach einigem Stehen ziemlich vollständig als ein dicker Rahm an der Oberfläche ab. Durch Decantiren der darunter befindlichen Flüssigkeit, Schütteln mit reinem Wasser, abermaliges Abscheiden des Rahmes und so fort, ließ sich das Gummi wegschaffen, was durch Auswaschen auf dem Filter ungleich mühsamer und schwieriger ist. Man erhält auf diese Art den feinzertheilten Talg in Wasser aufgeschlämmt, in Form einer Emulsion. Unter dem Mikroskop betrachtet, erscheint diese Talgemulsion als ein Hauswerk von kugelrunden durchsichtigen Körperchen mit einer (wohl in Folge ihrer krystallinischen Beschaffenheit) etwas unebenen Oberfläche. Diese Kügelchen sind zwar von verschiedenem Durchmesser, aber im Allgemeinen sehr klein und zwar wenigstens so klein als die feinsten Stärkekörnchen von Hülsenfrüchten. Größere Körnchen finden sich nur sehr vereinzelt. Eine Probe dieser Talgemulsion erhielt sich – im Einklang mit Mège-Mouriè's Angabe – nach einer Aufbewahrung von zehn Monaten noch vollkommen frisch und ohne allen ranzigen Geruch. Diese Haltbarkeit verliert das Befremdende, wenn man erwägt, daß mit der Bildung der Emulsion, diesem Pulverisiren auf nassem Wege, d.h. mit dem hohen Grade der Zertheilung des Talgs, nothwendig auch eine ebenso gründliche Auswaschung des Talgs Hand in Hand gehen muß. Die Kügelchen sind durch diese Auswaschung von denjenigen Stoffen, welche die freiwillige Zersetzung der Neutralfette einzuleiten pflegen (thierische Stoffe, Blutbestandtheile etc.), ganz oder nahezu befreit. Die Versuche mit der Verseifbarkeit der Talgemulsion begannen mit der Wiederholung des Versuches von M. M., und zwar mit einer Lauge, die durch Auflösen von 20 Gewichtstheilen geschmolzenem Aetznatron in 80 Gewichtstheilen Wasser erhalten war, also der stärksten Feuerlauge der Seifensieder entsprach. Eine Portion der Talgemulsion, oder vielmehr (um möglichst wenig Wasser mit einzuführen) des auf der Oberfläche derselben abgeschiedenen Rahms, in einem Ueberschuß dieser Lauge zertheilt und bei einer Temperatur zwischen 45° C. und 60° C. der Ruhe überlassen, bildet nach einigen Stunden eine zusammenhängende, über der Lauge schwimmende Schichte, die sich nach dem Erkalten in eine feste Decke verwandelt. Nach dem Abziehen der Lauge und Abspülen zergieng die Masse mit kaltem Wasser zu einem weißlichen Brei. In der Siedhitze löste sie sich bis auf eine schwache Trübung auf und gestand nach dem Erkalten zu einer weißlichen undurchsichtigen Gallerte. Diese Gallerte, in der Wärme geschmolzen und mit Kochsalz versetzt, schied sich in eine klare Salzlösung und eine darauf schwimmende zähe Schicht, die mit dem Erkalten zu einer festen Gallerte gestand. In Alkohol löste sich die aus der Emulsion unter dem Einflüsse der Lauge entstandene Masse ebenfalls; die Lösung gestand zu einer durchsichtigen Gallerte. Säuren schieden aus der wässerigen Lösung eine in Alkohol lösliche Fettschichte. Kalkwasser, ebenso essigsaures Blei, gaben mit der wässerigen Lösung jener Masse unlösliche Niederschläge. Kurz, das Product der Einwirkung der Lauge auf die Talgemulsion verhielt sich in allen Stücken in Uebereinstimmung mit M. M's Beobachtung als Seife. Bei 45° C. ist der Talg eben flüssig; es fragte sich daher, ob diese oder überhaupt höhere Temperatur und der tropfbar flüssige Zustand des emulsirten Talgs Bedingung seiner Umsetzung in Seife sey. Eine Mischung jener Lauge im Ueberschuß mit Talgrahm, durch Rühren gemischt und ohne Erwärmung bei der gewöhnlichen Temperatur des Laboratoriums im Winter über Nacht stehen gelassen, hatte am Morgen einen Seifenkuchen von gleicher Art wie im vorhergehenden Versuche, nur von etwas mürberer Beschaffenheit gebildet. Die Verseifung des Talgs in feinzertheiltem Zustand findet daher nicht weniger statt, wenn derselbe der Lauge in fester Form und bei gewöhnlicher Temperatur geboten wird. Eine weitere Frage, die sich hieran knüpft, ist die, ob die Verseifung des Talgs, in festen Kügelchen zertheilt, nur mit Lauge von 20 Procent oder auch mit schwächerer Lauge stattfindet. Zu dem Ende verdünnte man 5 Kub. Cent, der 20procentigen Lauge nacheinander mit: 5 10 20 zuletzt 50 K.-C. Wasser und erhielt so Laugen von respective: 11,1   7,7   4,9 und 2,3 Procent Aetznatron. Jede dieser Laugen wurde, in derselben Weise wie die anfängliche stärkste, im Ueberschuß mit Talgrahm in der Kälte zusammengestellt. Die drei ersten Laugen verhielten sich wie die 20procentige, die Talgemulsion war in einen Seifenkuchen verwandelt; bei der 2,3 proc. Lauge dagegen war nur ein wenig mit Weingeist ausziehbarer Seife gebildet. Demnach ist ein Gehalt der Laugen bis herab zu 3 Procent noch hinreichend, Talgemulsion in einigen Stunden und in der Kälte zu verseifen. Zu den bis dahin beschriebenen Versuchen ist zu bemerken, daß die gebildete Seife nach dem Abscheiden der Lauge und Auflösen in kochendem Wasser in keinem Fall einen völlig klaren Seifenleim bildete. Stets erschien der Seifenleim durch eine sehr kleine Menge unverseiftes Fett schwach getrübt. Höchst wahrscheinlich rührt dieser Umstand von den gröberen Talgkügelchen her, welche sich in der Emulsion vertheilt finden. Durch den ganzen Vorgang der Verseifung des festen Talgs in Kügelchen bei gewöhnlicher Temperatur war es nahe gelegt, den Proceß der mikroskopischen Beobachtung zu unterwerfen. Zu dem Ende muß man sich so einrichten, daß die Lauge auf dem Objectträger sich weder durch Eintrocknen noch durch Anziehen von Kohlensäure verändert. Dazu genügt es, den zu beobachtenden Tropfen Lauge auf dem Objectglas mit einem Ring von Paraffin zu umgeben und auf diesen das erwärmte Deckelgläschen aufzukitten. Ferner erleichtert man sich die Beobachtung sehr, wenn man die Emulsion mittelst weiteren Laugezusatzes soweit verdünnt, daß ein Tropfen nur noch wenige Talgkügelchen enthält, die in dem Sehfeld getrennt und weit auseinander liegen. So vorgerichtete Proben wurden von Stunde zu Stunde untersucht. – Anfangs zeigten sich die Talgkörperchen in der Lauge unverändert, wie sie oben beschrieben wurden, als kugelige, etwas krystallinisch-höckerige, aber in der Projection gesehen im Allgemeinen ganz randige Körner. Nach 4 bis 6 Stunden erschien die Kugelform weniger regelmäßig und die Grenze zwischen dem Rand der Körner und der umgebenden Lauge weniger scharf. Dieser Mangel an scharfer Begrenzung nimmt mehr und mehr zu, bis die Talgkörnchen am anderen Morgen statt der Kugelform eine unregelmäßige Gestalt angenommen haben. Sie erscheinen dann im Sehfeld nicht mehr ganz randig, sondern mehr buchtig, von undeutlicher Begrenzung und zugleich mit einem in der Lauge entstandenen Hof umgeben, dessen Breite etwa dem Radius der Körnchen gleichkommt; dieser Hof vergrößert sich noch eine Zeit lang, während die Form des Talgkörnchens verschwommener wird. Am zweiten Tag ist in der Regel keine Aenderung mehr wahrnehmbar. Wie man sieht, findet ein lebhafter Austausch der Bestandtheile des Talgkörnchens mit denen der Lauge statt; die Verseifung greift in jedem einzelnen Korn Platz, sie geht in allen Talgkörnchen gleichzeitig vor sich. Man begreift damit leicht die große Wirksamkeit der „Pulverisirung“ des Talges auf dem nassen Wege der Emulsion und die Umwandlung der Talgkügelchen in Seife ohne daß sie den festen Zustand verlassen. Bei den mikroskopisch kleinen Talgkügelchen reicht der Angriff der Lauge bis in den Mittelpunkt, denn die anfangs gebildete Seifenhülle, bekanntlich in stärkerer Lauge unlöslich, ist stets dünn genug um auch das letzte Fettpünktchen im Innern für die Lauge auf dem Weg der Diffusion erreichbar zu machen. Ein größerer Klumpen Talg würde sich unter den Bedingungen des Versuchs, d.h. in der Kälte mit einer Lage Seife umgeben, die alsbald eine hinreichende Dicke annimmt, um den Zutritt der Lauge zu dem unveränderten Fett im Innern unmöglich zu machen. Diese Wahrheit läßt sich sehr gut aus folgendem Versuch erkennen. Man ließ Baumöl mittelst einer Pipette vorsichtig auf Aetznatronlauge von 20 Proc. laufen, so daß beide ohne sich zu mischen zwei getrennte Schichten bildeten; so blieb das Gefäß ruhig in der Kälte stehen. Am anderen Tag fand sich zwischen dem obenaufschwimmenden Oel und der darunter befindlichen Lauge eine dünne harte Seifenkruste als feste Zwischenwand. Diese Seifenkruste nahm mit der Zeit noch etwas an Dicke zu, aber die Oelschichte blieb von da ab mehrere Wochen unverändert und war selbst nach Monaten noch vorhanden. Als man die Seifenkruste zuletzt mittelst eines Glasstabes durchstieß, zerbrach sie in Scherben wie hartes Wachs. Ganz so wie Baumöl verhielt sich Mandelöl. Die große Wirksamkeit des état globulaire beruht demnach nicht sowohl in der Kugelform der Talgtheilchen, sondern in der mikroskopischen Kleinheit derselben. Eine Zertheilung z.B. in mikroskopische Blättchen würde noch wirksamer seyn. In der That hat nicht bloß die Zertheilung der Fette durch Emulsion, sondern auch die Zertheilung auf irgend beliebigem anderem Weg den gleichen Erfolg, z.B. durch Auflösung. Als man eine Auflösung von Talg in Aether mit Aetznatronlauge von 20 Proc. in der Kälte zusammenbrachte und unter öfterem Umschütteln stehen ließ, hatte sich am andern Tag der Inhalt des Gefäßes in zwei Schichten geschieden: die untere bestand aus der überschüssigen nunmehr gelbgefärbten Lauge, die obere aus einer durchsichtigen Seifengallerte mit dem Aether, der keinen unverseiften Talg mehr enthielt. Unmittelbar über der Lauge war die Seifengallerte zu einer festen Haut verdichtet. Als man den Versuch wiederholte, aber mit der Abänderung daß das Schütteln unterblieb und die ätherische Talglösung unter Vermeidung jeder Vermischung auf die Lauge gebracht wurde, bildeten sich drei Schichten: zu unterst die gelbe Lauge, darüber eine im Ansehen dem Opodeldoc ähnliche warzige Zwischenlage, die dem Schütteln widerstand, ohne zu zerreißen; obenauf eine Schicht Aether, reichlich Talg enthaltend,Es ist bemerkenswerth, daß dieser unverseifte Rückstand nicht mehr den anfänglichen Schmelzpunkt des Talges sondern einen Schmelzpunkt besitzt, der so tief unter dem des Talges liegt, daß der Rückstand kaum zum Gestehen zu bringen ist. Werden die festen Neutralfette (Palmitin etc.) etwa früher verseift als die flüssigen (Olein)? der auch nach längerer Zeit nicht verschwand. – Eine Lösung von Talg in Benzol verhielt sich unter gleichen Umständen ebenso, nur daß zuletzt, auch wenn nicht geschüttelt wurde, der Talg aus der Benzollösung ganz verschwand. Daß die Zersetzung der Neutralfette bei den Versuchen mit emulsirtem Talg durch ätzende Alkalien nicht plötzlich vor sich geht, wie die der kohlensauren Salze durch Salzsäure z.B., sondern mehrere Stunden braucht, liegt lediglich darin, daß gleich bei der ersten Einwirkung ein in der Lauge unlösliches, je nach ihrer Concentration mehr oder weniger dichtes Product (die Seife) entsteht und das noch unzersetzte Fett mit einer Hülle aus Seifen-Gallerte umgibt, durch welche hindurch das Alkali nachher endosmotisch seinen Weg zu nehmen hat. Wählt man statt der Alkalien eine Basis deren Seife nicht gallertartig auftritt sondern aus losen Flocken besteht, durch deren Lücken und Zwischenräume die Lösung der verseifenden Base und das Fett stets in Berührung bleiben, so fällt jenes Hinderniß weg. Schüttelt man z.B. Talgemulsion einige Augenblicke mit einem Ueberschuß von klarem Kalkwasser, so erfolgt sofort eine Art Gerinnung; statt dem milchartig vertheilten Talg sieht man nur noch verhältnißmäßig große geschiedene Flocken von Kalkseife in der Flüssigkeit. Dasselbe geschieht, wenn man das Kalkwasser durch eine Lösung von basisch-essigsaurem Blei ersetzt, nur daß die Flocken orangegelb sind. – Wenn es gelänge die Verseifung in einer Flüssigkeit vorzunehmen, welche Fett, Lauge und Seife gleichmäßig auflöst, innerhalb welcher mithin jene den Fortgang des Processes hemmende Hülle von Seifengallerte von vorn herein unmöglich ist, so müßte die Seifenbildung ohne Verlust an Zeit stattfinden. In der That, wenn man eine Lösung von Ricinusöl und von Aetznatron, beide in Alkohol, zusammengießt, so hört das Gemisch sofort auf durch einen Ueberschuß von Wasser milchig zu werden, enthält mithin kein unverändertes Ricinusöl mehr. Nach dem Verdunsten bleibt eine glänzende durchsichtige Seifengallerte. Bei diesem Versuch wird also Ricinusöl sofort und zwar vollkommen von dem Alkali in Seife und Glycerin umgesetzt, weil jedes Atom Fett so zu sagen nackt dem Angriff der Lauge dargeboten, weil nichts vorhanden ist, was sich zwischen die angreifende Lauge und das Fett einschiebt wie bei jenen Versuchen mit der Talgemulsion die im Anfang gebildeten die Kügelchen umgebenden Seifenhüllen. Diese Seifenhüllen werden bei Anwendung von schwächerer Lauge viel Wasser aufnehmen und dadurch zwar stärker aber auch lockerer und für die Lauge durchdringlicher; bei stärkeren Laugen fallen sie dichter, weniger durchdringlich, aber auch viel dünner aus. Die Stärke der Lauge ist daher auf Talgemulsion durchaus nicht so maaßgebend und läßt einen weiten Spielraum zu, um so mehr als die Lauge in allen Fällen nur einen mikroskopisch-kurzen Weg von der Oberfläche der Kügelchen bis zu ihrem Mittelpunkt zurückzulegen hat. Vergleicht man die Erscheinungen der Verseifung im Kessel des Seifensieders mit denen der mitgetheilten Versuche, so erscheint die Schwierigkeit, die man bei der Arbeit im Großen zu überwinden hat, und der große Aufwand an Zeit im ersten Augenblick paradox. Der Stand der Dinge ist im Beginn des Processes auf beiden Seiten so gleich, daß man keine größere Schwierigkeit im Großen erwarten sollte, wie bei den Versuchen im Kleinen, denn der Seifensieder arbeitet ja im Grunde nie anders als mit Fett –, oder um bei dem vorliegenden Beispiele stehen zu bleiben, mit Talgemulsion. Denn mit den ersten Bewegungen des Rührscheites vermischt sich der geschmolzene Talg mit der Lauge zu einer gleichmäßigen milchigen Masse, die nichts weiter ist, als eine vollkommene Emulsion, welche dadurch vermittelt wird, daß sich augenblicklich bei der ersten Berührung der beiden aufeinander wirkenden Körper ein Antheil Seife bildet. Talg mit viel Wasser, dem man etwas 20procentige Aetznatronlauge zugesetzt hatte, erwärmt bis zum Schmelzen und einen Augenblick geschüttelt, gab eine völlig flüssige gleichförmige Emulsion. Diese Emulsion, sogleich mit etwa dem gleichen Volum Aether geschüttelt, schied sich in zwei Schichten: die obere ätherische enthielt den unveränderten Talg, die untere mußte neben der noch unverbrauchten Lauge die Seife enthalten, wenn sich solche gebildet hatte. Wirklich brachte Salzsäure durch Uebersättigung eine Gerinnung hervor; das Gerinnsel schmolz beim Erwärmen zu Fetttröpfchen zusammen. Insofern nun bei der Verseifung im Großen im ersten Augenblick etwas Seife gebildet und durch Vermittelung dieser der Talg mit der Lauge emulsirt wird, sind alle Bedingungen für den Fortgang der Verseifung ohne weiteres Zuthun gegeben, wie bei den Eingangs beschriebenen Versuchen. Um sich auch davon zu versichern, erwärmte man Talg mit 20procentiger Lauge langsam bis zum Schmelzen, verwandelte das Gemisch durch Umschütteln in eine gleichförmige Emulsion und ließ diese in der Kälte über Nacht stehen. Am anderen Tag hatte sich die Emulsion in einen Kuchen oder feste Masse verwandelt; diese Masse löste sich nach ihrer Trennung von der Lauge im kochenden Wasser (obwohl etwas milchig getrübt), erstarrte beim Erkalten zu einer Gallerte, ließ sich mit Kochsalz aussalzen, kurz, verhielt sich wie Seife. Genau dasselbe ergab sich bei dem gleichen Versuch mit Baumöl, nur war die Lösung des Seifenkuchens in heißem Wasser fast ganz klar und durchsichtig. Wenn das Fett mit dem Beginn der Arbeit im Großen sich in Emulsion verwandelt, die nach einigen Stunden in der Kälte von selbst zu Seife wird, so sollte man denken, müßte die Verseifung im Kessel des Seifensieders unter dem Einfluß der mechanischen Bewegung des Siedens und des Rührscheites, verbunden mit dem der Wärme, um so rascher gehen. Dieß ist in der Wirklichkeit nicht gerade der Fall, aller Wahrscheinlichkeit nach darum, weil die Siedhitze den eigentlichen durch die Bildung von Emulsion errungenen Vortheil wieder aufhebt. In der kalten Mischung schwimmen die Fettkügelchen der Emulsion isolirt, von ihren Seifenhüllen umschlossen, in der Lauge; dem Angriff dieser letzteren sind daher jene Körperchen von allen Seiten frei zugänglich. In der Siedhitze erweichen jene Seifenhüllen, verlieren die gallertige Beschaffenheit, und vereinigen sich, in eine dickliche Seifenlösung übergehend, zu einer einzigen Masse; die isolirte Lage der Fettkügelchen ist verloren gegangen. Damit ist zunächst die vorher höchst ausgedehnte Berührungsfläche mit der Lauge ebenso sehr verkleinert, aber unter den herrschenden Umständen tritt zugleich eine andere Erscheinung ein, welche die Lage der Dinge wesentlich ändert. Seifenlösungen, namentlich concentrirtere Seifenlösungen lösen in der Siedhitze eine erhebliche Menge von Fett auf. In diesem Zustand muß die unvollkommene Seife durch Zusatz von Lauge, also durch allmähliche Sättigung in neutrale verkäufliche Seife übergeführt werden. Diese Sättigung kann nur allmählich und nur mit Lauge mäßiger Stärke geschehen, weil die Seife in stärkerer Lauge unlöslich sich abscheidet und der Einwirkung des Alkalis zu sehr entrückt wird. Wie man weiß, beruht der in der Praxis im Großen erforderliche Aufwand an Mühe und Zeit wesentlich in der Nothwendigkeit jener allmählichen Sättigung der Seife mit Alkali, der ersten Bedingung ihrer Brauchbarkeit. Welchen Werth die vorstehenden Beobachtungen über Fette im Zustand der Emulsion für die praktische Seifensiederei haben, muß vorläufig dahin gestellt bleiben und läßt sich nur durch Untersuchung der quantitativen Zusammensetzung der Producte aus Laug- und Fettemulsion in der Kälte entscheiden, über die ich mir Näheres vorbehalte. Allerdings scheint es Vortheil zu bieten, das Fett, nachdem es durch Mischen mit der erforderlichen Lauge in Emulsion verwandelt ist, längere Zeit ohne Erwärmung oder bei etwa 50° C. stehen zu lassen und die so auf kaltem Weg vorgebildete Seife durch eine kurze nachträgliche Behandlung in der Siedhitze nur zu vollenden.