Titel: Ueber die Zusammensetzung der nach dem Leblanc'schen Verfahren dargestellten Soda; von J. Pelouze.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. CIV., S. 373
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CIV. Ueber die Zusammensetzung der nach dem Leblanc'schen Verfahren dargestellten Soda; von J. Pelouze. Aus den Comptes rendus, t. LXII p. 314; Februar 1866. Pelouze, über die Zusammensetzung der Soda, welche nach Leblanc's Verfahren dargestellt wird. Das kohlensaure Kali und das kohlensaure Natron wurden bis zum Anfange des neunzehnten Jahrhunderts fast ausschließlich aus der Asche von Holzpflanzen des Landes, bezüglich aus der Asche von See- und Strandpflanzen dargestellt. Jetzt wird ein sehr bedeutender Theil des Kalis aus den Mutterlaugen der Salzteiche und aus der Schlempe der gegohrenen und destillirten Rübenzuckermelasse gewonnen; besonders aber macht die Ausbeutung der in der Neuzeit entdeckten Staßfurter Ablagerungen von Kali-Magnesia-Doppelsalzen den älteren Darstellungsmethoden die mächtigste Concurrenz. Noch mehr als die Kaligewinnung, hat die Soda-Industrie aus den Entdeckungen der neueren Chemie Vortheil gezogen; ein Mann, dessen Name unsterblich bleiben wird, Leblanc, hat eine der wichtigsten Aufgaben gelöst, welche den Chemikern nur gestellt werden können, nämlich die Soda aus ihrem wahrhaften Rohstoffe, dem Kochsalze (Chlornatrium), darzustellen; sein Verfahren hat sich dann ohne Abänderung über alle Länder verbreitet. Das Leblanc'sche Verfahren ist sehr einfach. Es besteht darin, ein Gemenge von schwefelsaurem Natron, kohlensaurem Kalk und Kohle zum Rothglühen zu erhitzen. Die dadurch erhaltene Masse gibt beim Auslaugen einerseits kohlensaures Natron und Aetznatron, andererseits die hauptsächlich aus Schwefelcalcium, kohlensaurem Kalk und Aetzkalk bestehenden Sodarückstände. Die von Leblanc angewendeten quantitativen Verhältnisse schwanken ein wenig; indessen blieb er bei den folgenden stehen, welche allgemein beibehalten worden sind: schwefelsaures Natron 100 Theile kohlensaurer Kalk 105 Kohle 40 bis 50 Das schwefelsaure Natron enthält einige Tausendtel, zuweilen selbst mehrere Procente fremder Substanzen, namentlich das aus Steinsalz dargestellte; allein dasselbe ist auch bezüglich des kohlensauren Kalks der Fall, so daß dadurch eine beinahe vollständige Ausgleichung herbeigeführt und das richtige Verhältniß zwischen beiden Salzen aufrecht erhalten wird. Dieses Verhältniß entspricht ziemlich genau 2 Aequivalenten schwefelsaurem Natron auf 3 Aequiv. kohlensaurem Kalk. In manchen Fabriken hat man die Quantität des Kalksteins so vermindert, daß nur 2,5 oder 2,6 Aeq. desselben auf 2 Aeq. schwefelsaures Natron kommen. Das Schwefelcalcium galt lange als in Wasser löslich; es ist demnach nicht zu verwundern, daß der Sodarückstand, welcher sich in Wasser nicht löst und Kalk enthält, als ein Sulfuret betrachtet wurde, welches in Folge seiner Verbindung mit dieser Basis unveränderlich und unlöslich geworden. Thénard war der erste, der die Gegenwart eines Calciumoxysulfurets annahm. Bald darauf, im Jahre 1830, stellte Dumas dieselbe Hypothese auf und entwickelte sie so vollständig, daß sie ohne Anfechtung angenommen wurde. Auf die von Leblanc angegebenen und von den Fabrikanten in der Praxis angewendeten Mengen von Kalkstein und schwefelsaurem Natron sich stützend, berechnete er die Zusammensetzung jenes Calciumoxysulfurets und gab für dieselbe die Formel 2 CaS, CaO. Dumas selbst hat weder von Rohsoda, noch von Sodarückständen Analysen veröffentlicht. Diesen Punkt muß ich als besonders wichtig hervorheben; denn der Widerspruch zwischen ihm und mir erstreckt sich nur auf theoretische Erörterungen und Resultate, nicht auf Versuche. Gossage und Kynaston waren die ersten Chemiker, welche die Existenz des Calciumoxysulfurets in Abrede stellten und die in Rede stehende Theorie angriffen; die genauesten und bemerkenswerthesten Arbeiten über die Zusammensetzung der künstlichen Soda und über die Theorie ihrer Bildung verdanken wir aber Dubrunfaut Les Mondes, 1864 p. 515. und namentlich Scheurer-Kestner.Polytechn. Journal Bd. CLXXIII S. 130 und Bd. CLXXV S. 290. Die Rohsoda enthält vier Substanzen, welche als für ihre Zusammensetzung wesentlich angesehen werden dürfen und allein eine Rolle bei ihren Reactionen spielen; nämlich kohlensaures Natron, Schwefelcalcium, kohlensauren Kalk und Aetzkalk. Diese Substanzen machen im Ganzen etwa vier Fünftel oder 80 Proc. vom Gewichte der Rohsoda aus. Als fremdartige Bestandtheile oder Unreinigkeiten – wenn auch nicht als zufällige Beimengungen, da sie stets vorhanden sind – kann man die Substanzen betrachten, welche durch die Steinkohlenasche, durch den im Steinsalze und im Kalkstein enthaltenen Thon, durch die Mauersteine der Oefen, durch die eisernen Gezähe etc. in die Rohsoda gelangen. Dahin gehören Kohle, Thonerde, Kieselsäure, Eisenoxyd, Magnesia, Schwefelsäure, Chlorwasserstoffsäure. Die Kohle ist in ganz freiem Zustande vorhanden; sie wird, wie die Kreide und aus demselben Grunde, stets im Ueberschusse angewendet. Die in der Rohsoda sich findende Menge beträgt gewöhnlich 1 bis 4 Proc., in den Rückständen 2 bis 6 Proc. Die als fremdartiger Bestandtheil in der Rohsoda vorhandene Kieselsäure ist zum größten Theil direct in den Säuren löslich. Sie ist mit dem Kalk, der Thonerde, der Magnesia und einer beträchtlichen Quantität Natron verbunden; ein kleiner Theil dieses Alkalis geht in die Flüssigkeiten und die Waschwässer über; der größere Antheil bleibt in den Rückständen und dieses Natron ist für die Fabrication verloren; seine Menge in den Rückständen schwankt zwischen 1 und 4 Proc. Außerdem finden sich in der Rohsoda, wenn auch immer nur in sehr geringer Menge, noch mehrere andere Substanzen, z.B. Ammoniak, Cyan, Mangan u.a.m. Man betrachtet allgemein die Rohsoda als frei von Aetznatron, da durch Alkohol keine Spur von letzterem abgeschieden wird; dagegen ließe sich aber einwenden, daß das Aetznatron in wasserfreiem Zustande vorhanden seyn könne, da es in dieser Form in Alkohol unlöslich ist. Dieser Einwurf wird aber durch folgenden Versuch sofort widerlegt: befeuchtet man Rohsoda mit Wasser, so gibt sie an Alkohol keine Spur von Alkali ab, selbst nicht nach längerer Berührung. Es ist einleuchtend, daß, wenn sie wasserfreies Natriumoxyd enthielte, sich dieses mit dem Wasser verbinden und dadurch unmittelbar in Alkohol löslich werden würde. Die hier ausgesprochenen Behauptungen werden auch durch die nachstehenden Thatsachen bestätigt, welche gleichzeitig beweisen, daß die Rohsoda eine beträchtliche Menge Aetzkalk enthält. Schüttelt man fein gepulverte Rohsoda mit kaltem Wasser und läßt sie mit demselben mehrere Tage stehen, so enthält die Flüssigkeit beinahe ausschließlich kohlensaures Natron und Aetznatron. Ihr Alkaligehalt ist verschieden und schwankt nicht selten in derselben Fabrik von 36° bis 42° des Alkalimeters, und zwar kommen von diesem Gehalte 5° bis 15° auf das Aetznatron, auf das Schwefelnatrium hingegen nur einige Tausendtel. Wäscht man dagegen die Rohsoda, anstatt sie mit dem Wasser umzuschütteln, auf dem Filtrum aus, so zeigt sie, gleichviel aus welcher Fabrik sie stammt, denselben alkalimetrischen Titer, als wie nach längerem Schütteln mit Wasser; allein ihr Gehalt an Aetznatron ist um das Zwei- bis Dreifache geringer wie bei dem vorhergehenden Versuche. Bei ersterem Versuche hatte nämlich der Kalk Zeit, auf das kohlensaure Natron einzuwirken und es in Aetznatron umzuwandeln; im zweiten Falle dagegen wird die in Rede stehende Reaction in Folge des raschen Auswaschens und weil man besorgt ist, die Vervielfältigung der Berührungspunkte zwischen dem Kalk und dem kohlensauren Natron zu vermeiden, sehr beschränkt und ein weit bedeutenderer Antheil des kohlensauren Natrons entgeht der Einwirkung des Aetzkalks. Diese Versuche geben zwei sehr verschiedenartige Rückstände: der erstere, in welchem der Aetzkalk zu kohlensaurem Kalk umgewandelt ist, indem er eine äquivalente Menge kohlensaures Natron in Aetznatron verwandelt hat, übt keine Wirkung auf eine Lösung von kohlensaurem Natron mehr aus. Der zweite Rückstand hingegen entzieht einer solchen Lösung rasch ihre Kohlensäure und veranlaßt die Bildung einer neuen Quantität Aetznatron, welche zusammen mit dem zuerst gebildeten Antheile derjenigen Quantität gleich ist, welche durch längere Berührung der Rohsoda mit dem Wasser unter Umschütteln direct entstanden seyn würde. Es ist den Fabrikanten wohl bekannt, daß die Rohsoda mehr oder weniger Aetznatron liefert, nach der Art, in welcher man sie auslaugt; daher werden sie über die vorhin mitgetheilten Resultate meiner Versuche, falls sie dieselben nicht bereits selbst angestellt haben sollten, nicht erstaunt seyn. Uebrigens muß ich, um gerecht zu seyn, beifügen, daß bereits vor mir Hr. Scheurer-Kestner – durch Versuche, welche unter etwas abweichenden Verhältnissen angestellt wurden – nachgewiesen hat, daß die Bildung von Aetznatron durch die Einwirkung des Wassers nur langsam und mit der Hydratisirung des Calciumoxyds Schritt haltend, vor sich geht. Ich betone diese Versuche, weil sie über den Zustand des Kalks in der Rohsoda und den Sodarückständen klaren Aufschluß geben. Nach der von mir bekämpften Theorie von der Existenz des Calciumoxysulfurets 2CaS, CaO müßte der Kalk, da er nicht in freiem Zustande vorhanden ist, gar keine Wirkung auf das kohlensaure Natron haben, namentlich bei niedrigen Temperaturen, und doch sind die Laugen immer mehr oder weniger caustisch. Dieß wird von Niemanden in Abrede gestellt. Um eine so bestimmt erwieselte Thatsache zu erklären, sind demnach die Anhänger der so eben gedachten Theorie genöthigt, zu der wenig wahrscheinlichen Hypothese ihre Zuflucht zu nehmen, daß der Kalk in der Rohsoda in zwei verschiedenen Zuständen vorhanden sey; nämlich einmal im freien Zustande – dieser Antheil würde das kohlensaure Natron in Aetznatron verwandeln – und zweitens in gebundenem Zustande; letzterer Antheil würde in den Rückständen bleiben. Es gibt jedoch Sorten von Rohsoda, welche nur 3 bis 4 Proc. Kalk in anderer Form als in der von Schwefelcalcium und kohlensaurem Kalk enthalten. Diese geringe Menge Kalk steht aber offenbar in gar keinem stöchiometrischen Verhältnisse zum Schwefelcalcium. Allerdings ergibt die Analyse in manchen Sodasorten bis 10 Proc. freien Kalk; aber ihre Eigenschaft, eine äquivalente Menge kohlensaures Natron in Aetznatron umzuwandeln, beweist klar, daß der Kalk in solcher Rohsoda nicht mit dem Schwefelcalcium verbunden vorhanden ist. Ueberdieß geben diese verschiedenen Sorten von Rohsoda Rückstände, welche gar keinen oder nur einige Tausendtheile freien Kalk enthalten. Die Fabrikrückstände enthalten, je nach der Art in welcher sie ausgelaugt wurden, 0,5 bis 4 Proc. freien Kalk. Ich theile nachstehend eine von mir mit den Rückständen von Chauny angestellte Untersuchung mit, welche als Beispiel für ähnliche Untersuchungen dienen kann. 10 Grm. getrockneter und fein gepulverter Rückstände wurden einige Minuten lang mit 10 Grm. krystallisirtem kohlensaurem Natron und etwa 200 Kub. Cent. Wasser gekocht; dann wurde die Flüssigkeit vom Rückstande abfiltrirt und letzterer ausgewaschen. Die erhaltene Lösung wurde mit überschüssigem Chlorbaryum gefällt, um sie vom kohlensauren Alkali zu befreien; das Filtrat wurde mit dem Waschwasser vermischt und in zwei gleiche Theile getheilt. Die erste Hälfte erforderte zu ihrer Neutralisation 3,2 Kub. Cent. Normalschwefelsäure; sie enthielt demnach 6,4 Alkalimetergrade Aetznatron und Einfach-Schwefelnatrium, die ganze Lösung also 12,8°. Die andere Hälfte wurde in eine mit kaltem Wasser gefüllte Literflasche gebracht und mit verdünnter Schwefelsäure übersättigt; zur Abscheidung des Schwefelwasserstoffs waren 15,8 K. C. einer Lösung von schwefelsaurem Kupferoxyd erforderlich, von welcher 4 K. C. einem alkalimetrischen Grad entsprechen: 15,8/4 = 3,9°. Dieser Titer muß, um den Gehalt der ursprünglichen Flüssigkeit zu repräsentiren, verdoppelt werden, was für die Sulfurete 7,8° gibt. Die erhaltenen 12,8 Alkalimetergrade müssen in folgender Weise vertheilt werden: Sulfuret 7,8° Aetznatron Diese 5° Aetznatron zeigen an, daß der Rückstand 1,425 Procent freien Kalk enthielt. Eine andere Probe desselben Rückstandes, welcher 1,425 Proc. Kalk gibt, durch 5 Alkalimetergrade Aetznatron angezeigt, lieferte, nachdem sie durch längeres Kochen mit kohlensaurem Natron großentheils zersetzt worden war, dieselbe Menge von Aetznatron, nämlich 5° auf 10 Grm. Substanz. Aus dieser Zersetzungsweise können wir auf die Zusammensetzung der Rohsoda schließen. Wird die Rohsoda einige Stunden mit lauwarmem Wasser behandelt, so tritt sie ihre sämmtlichen löslichen Theile an letzteres ab. Nehmen wir an, eine alkalimetrische Probe gebe für 5 Grm. Substanz 40°, eine zweite Probe gebe 8° Aetznatron, und ein letzter Versuch 0,5° Sulfuret, so folgern wir daraus, daß diese Soda enthält: kohlensaures Natron 31,5° Aetznatron   8° Einfach-Schwefelnatrium   0,5° Ein Theil desselben Rohsodamusters, ebenfalls 5 Grm., wird vier Stunden lang mit Wasser gekocht. Das kohlensaure Natron wird dadurch zum größten Theile zersetzt; anstatt 31° desselben bleiben mir nur noch 11,5°, und anstatt 0,5° Sulfuret habe ich 20°. Letztere erhalte ich durch die Zersetzung einer geschwefelten Verbindung; aber der Gehalt an Aetznatron bleibt derselbe, er beträgt stets 8°, und ich schließe daraus, daß die fragliche Soda den Kalk nicht im Zustande von Oxysulfuret enthielt; denn wenn der Kalk in solcher Form darin vorhanden wäre, so würde er ebensogut das kohlensaure Natron in Aetznatron umsetzen können, wie die Kalkmenge, welche durch jene 8° repräsentirt wird. Dieser Versuch, nebst demjenigen, wobei die Kohlensäure im kalten Wasser vom Natron zum Kalk übertritt, scheint mir auf das Klarste und Zuverlässigste zu beweisen, daß weder in der Rohsoda, noch in den Rückständen Calciumoxysulfuret enthalten ist. Diese Behauptung wird auch noch durch die Analyse bestätigt. So fand ich in Rohsoda einen Ueberschuß an Kalk, welcher der Aetznatronmenge entspricht, deren Bildung sie bei genügend langer Einwirkung des Wassers veranlaßt. Andererseits habe ich mich überzeugt, daß ein im Laboratorium durch längere Behandlung einer käuflichen Rohsoda mit Wasser dargestellter Rückstand die hinreichende Menge von Schwefelwasserstoff- und Kohlensäure enthält, um sämmtlichen Kalt zu neutralisiren. Allerdings ist zuweilen zwischen 0,5 und 1,5 Proc. mehr Kalk vorhanden als jene Säuren sättigen können; dieser Umstand ist aber hinsichtlich der mit einander zu vergleichenden und zu beurtheilenden Theorien ohne Bedeutung, weil er ohne Zweifel dadurch bedingt wird, daß sehr geringe Mengen Kalk mit Kieselsäure und Thonerde verbunden sind. Ich habe den Rückstand der Soda von Thann, von dem ich eine Probe der Gefälligkeit des Hrn. Scheurer-Kestner verdanke, der Analyse unterworfen und in demselben, als Mittel aus mehreren sehr gut übereinstimmenden Resultaten gefunden: Schwefel 24,4 Calcium 41,0 Kohlensäure 11,0 entsprechend Schwefelcalcium 54,9 kohlensaurem Kalk 25,0. Scheurer-Kestner hatte bei der Analyse einer anderen, aus derselben Fabrik herrührenden Probe in derselben gefunden: Schwefel 29,0 Calcium 49,1 Kohlensäure 13,7, abgesehen von den fremdartigen Beimengungen (Kohle, Kieselsäure, Thonerde). Dieses Ergebniß stimmt mit den von mir erhaltenen Resultaten vollkommen überein, wie die nachstehende Berechnung auf 100 Gewichtstheile zeigt: Meine Analyse. Scheurer-Kestner. Schwefel 31,9 31,4 Calcium 53,6 53,5 Kohlensäure 14,3 15,0. Diese Analysen entsprechen den von Scheurer-Kestner zur Sodafabrication angewendeten Mengen von schwefelsaurem Natron und kohlensaurem Kalk (100 Glaubersalz und 90 Kreide). Berechnen wir nämlich den Schwefel (24,4) zu schwefelsaurem Natron und das Calcium (41,0) zu kohlensaurem Kalk, so erhalten wir: schwefelsaures Natron 108,0 kohlensauren Kalk 102,5 oder schwefelsaures Natron 100,0 kohlensauren Kalk   90,4. Zu Chauny, wo mehr Kalkstein angewendet wird als zu Thann, erhielt ich bei mehreren Analysen des im Laboratorium durch längere Berührung der Rohsoda mit Wasser erhaltenen Sodarückstandes im Mittel nachstehende Zahlen: Schwefel 20,40 Calcium 38,10 Kohlensäure 15,00 entsprechend Schwefelcalcium 45,9 kohlensaurem Kalk 34,0. Diese Verhältnisse entsprechen 100 schwefelsaurem Natron und 105 Kalkstein, welche zu Chauny angewendet worden. Demnach wird durch die Zusammensetzung dieser Rückstände ebensowohl, wie durch ihre Eigenschaften der Beweis geliefert, daß sie keinen freien Kalk enthalten. Beide Rückstände bestehen aus Schwefelcalcium und aus kohlensaurem Kalk, und weichen nur in den Verhältnissen dieser beiden Substanzen von einander ab. Wenn man im Verhältniß zum Glaubersalze mehr Kalkstein anwendete, so würde man ohne allen Zweifel eine Soda erhalten, welche einen Rückstand geben würde, der an kohlensaurem Kalk noch reicher seyn. aber dennoch nur aus diesem Salze und Schwefelcalcium bestehen würde, denn es gibt keine Ausnahme von der nachstehenden Regel: Jede fabrikmäßig dargestellte Rohsoda gibt nach genügend langer Berührung mit Wasser einen Rückstand, in welchem der Kalk vollständig gesättigt ist. Da der Schwefel und das Calcium, welche in der Rohsoda enthalten sind, beinahe vollständig im Rückstande verbleiben, so bestätigen die im Vorstehenden mitgetheilten Analysen die allgemeine Ansicht der Fabrikanten, daß die aus der in Fluß befindlichen Soda hervordringende blaue Flamme keine schweflige Säure enthält. Wenn sich die Sache anders verhielte, so müßte das ursprüngliche Verhältniß gestört seyn, man würde im Rückstande weniger Schwefel und mehr Calcium finden, wohingegen wir gesehen haben, daß in der Fabrik von Thann, wie in den der Gesellschaft von Saint-Gobain gehörenden Werken dieses Verhältniß genau dem der angewendeten Rohmaterialien entspricht. Es ist von geringer Wichtigkeit, ob der Schwefel während der Sodafabrication verbrennt oder nicht, da die Rückstände nicht benutzt werden; anders aber verhält es sich mit dem Natrium. Es ist anerkannte Thatsache, daß das schwefelsaure Natron bei weitem nicht das theoretisch berechnete Ausbringen an Soda gibt. Manche Fabrikanten sind der Ansicht, daß der bei dem ersten Processe, bei der Darstellung der Rohsoda, stattfindende Verlust, von einer Verflüchtigung von Natrium herrührt. Dieß beabsichtige ich näher zu untersuchen. Feststehende Thatsache aber ist es, daß die Sodarückstände im Allgemeinen 3 bis 4 Proc. Alkali enthalten, welche für den Fabrikanten verloren sind. Das während des Auslaugens sich bildende Schwefelnatrium entspricht einer äquivalenten Menge von kohlensaurem Natron und repräsentirt einen weiteren Verlust. In einer früheren Abhandlung über das Schwefelcalcium wies ich nach, daß diese Verbindung, wenn auch nur in geringem Maaße, durch Wasser verändert wird und daß in Folge dieser Zersetzung ein Schwefelwasserstoff-Schwefelcalcium entsteht, übereinstimmend mit den Angaben von Rose. Da das Bisulfhydrat (Zweifach-Schwefelwasserstoff-Schwefelcalcium) die Eigenschaft besitzt, die Schwefelsäure zu sättigen, so folgt daraus, daß das Probiren der Rohsoda durch Auslaugen derselben schwierig ist und in gewissem Grade unzuverlässige Resultate gibt. Es kann sich nämlich eine gewisse Menge von Schwefelwasserstoff-Schwefelcalcium und selbst von Calciumoxyd den Alkalisalzen zugesellen, so daß man Gefahr läuft, den alkalimetrischen Grad viel zu hoch zu finden und sich sogar um mehrere Procente über diesen Grad zu täuschen. Man geräth hier zwischen zwei Klippen: die Rohsoda entweder zu wenig oder zu viel auszuwaschen. Diese Uebelstände lassen sich auf eine, wenn auch nicht streng genaue, doch sehr genügende Weise vermeiden, wenn man 30 Grm. der zu untersuchenden, durch ein Sieb geschlagenen Rohsoda mit 300 K. C. Wasser eine Stunde lang schüttelt. 50 K. C. der auf diese Weise erhaltenen Lösung entsprechen der zur gewöhnlichen Rohsodaprobe verwendeten Substanzmenge, nämlich 5 Grm.; der Rest dient zur Bestimmung des Aetznatrons und des Sulfurets. Kürzlich haben E. Kopp Seite 136 in diesem Bande des polytechn. Journals. und W. Hofmann, ein auf den Sodawerken zu Dieuze angestellter junger Chemiker, Versuche veröffentlicht, welche, wenn sie ganz richtig wären, die Theorie von der Existenz des Calciumoxysulfurets bestätigen würden. E. Kopp bemerkt, daß ein von W. Hofmann analysirter Sodarückstand mit kohlensaurem Natron nur ganz unbedeutende Mengen Aetznatron gab, obgleich in diesem Rückstande über 12 Proc. Kalk gefunden worden waren. Ich kann natürlich ein Resultat, dessen Richtigkeit zu prüfen nicht in meiner Macht steht, nicht in Abrede stellen; indessen erlaube ich mir zu bemerken, daß ich von zahlreichen verschiedenen Quellen herrührende Sodarückstände untersucht und unter denselben nicht einen einzigen gefunden habe, welcher eine so abnorme Zusammensetzung wie der in Rede stehende besessen hätte; denn außer einer sehr großen Menge von nicht an Schwefelwasserstoff und Kohlensäure gebundenem Kalk enthielt der von Hofmann analysirte Rückstand 7 Proc. Schwefelnatrium.Journal de Pharmacie et de Chimie, Januar 1866. Ich betrachte den Rückstand, von welchem Kopp spricht, als eine Ausnahme und bin überzeugt, daß dieser geübte Chemiker die Zusammensetzung und die Reactionen desselben einer nochmaligen Untersuchung zu unterziehen nicht unterlassen wird. Etwas näher will ich auf die unlängst von W. Hofmann Comptes rendus, t. LXII p. 291; Februar 1866. der Akademie eingereichte Mittheilung über das Calciumoxysulfuret eingehen; denn er bezieht sich auf Versuche, welche Jedermann leicht zu wiederholen und zu beurtheilen im Stande ist. Zur Darstellung von Calciumoxysulfuret glüht Hofmann ein Gemenge von 2 Aequiv. schwefelsaurem Kalk und 1 Aequiv. Aetzkalk mit Kohle. Da er fand, daß die so dargestellte Verbindung nicht fähig ist, das kohlensaure Natron in Aetznatron zu verwandeln, so schloß er daraus, daß sie das Oxysulfuret (2 CaS, CaO) sey, dessen Existenz bisher so sehr bestritten wurde. In Folge davon glaubt er sich berechtigt, in Uebereinstimmung mit Kopp den Sodarückstand als eine mit der in Rede stehenden identische Verbindung zu betrachten. Bei den Versuchen, welche ich bezüglich Hofmann's Resultaten anstellte, überzeugte ich mich jedoch bald, daß sich unter den von ihm angegebenen Umständen Calciumoxysulfuret nicht bildet. Erhitzt man ein Gemenge von 2 Aequivalenten schwefelsaurem Kalk und 1 Aequivalent Aetzkalk mit überschüssiger Kohle zum Rothglühen, so reducirt sich das Schwefelsäuresalz und die eine Hälfte der bei dieser Zersetzung erzeugten Kohlensäure verbindet sich mit dem Kalk, während die andere Hälfte entweicht. Das so entstandene Gemenge von Schwefelcalcium und kohlensaurem Kalk ist natürlich nicht im Stande das kohlensaure Natron zu Aetznatron umzuwandeln. Es ist dieß ohne Zweifel die Substanz, welche Hofmann erhalten und für Oxysulfuret genommen hat. Wird aber das oben angeführte Gemenge stärker erhitzt, so zersetzt sich der kohlensaure Kalk, wovon man sich leicht durch Untersuchung des bei Behandlung der geglühten Masse mit Salzsäure sich entwickelnden Gases überzeugen kann. Dieses Gas enthält keine Kohlensäure mehr; es ist Schwefelwasserstoff, welcher von einem Kupfer- oder Bleisalze vollständig absorbirt wird. Nach der auf solche Weise vollständig bewirkten Zersetzung wandelt das erhaltene Product das kohlensaure Natron in Aetznatron um, und zwar nicht nur mit heißem, sondern auch mit kaltem Wasser; denn es ist in der That ein dem in der Rohsoda enthaltenen gleiches Gemenge von Kalk und Schwefelcalcium. Hofmann stellt ferner die Behauptung auf, daß man seine neue Verbindung durch directes Glühen von Schwefelcalcium mit Aetzkalk erhalte. Diese Behauptung ist aber auch nicht richtig; denn das auf die angegebene Weise erhaltene Product ist ebenfalls ein bloßes Gemenge von Schwefelcalcium und freiem Kalk, welches gleich dem vorher besprochenen, dem kohlensauren Natron die Kohlensäure entzieht. Meine im Vorstehenden mitgetheilten Untersuchungen führen zu folgenden Schlüssen: 1) Die Rohsoda ist ein Gemenge von kohlensaurem Natron, Schwefelcalcium, kohlensaurem Kalk und freiem Kalk. 2) Die nach Leblanc's Verfahren fabricirte Rohsoda gibt bei längerer Berührung mit Wasser, kaltem sowohl als warmem, eine ihrem Gehalte an freiem Kalk entsprechende Menge Aetznatron, und hinterläßt dabei einen Rückstand, worin sämmtlicher Kalk durch Schwefelwasserstoffsäure und Kohlensäure neutralisirt ist. Ein solcher Rückstand ist nicht fähig, das kohlensaure Natron, mit welchem er zusammengebracht wird, in Aetznatron umzuwandeln: er läßt sich durch kohlensaures Alkali zersetzen, ohne daß sich dabei die geringste Menge Aetznatron bildet, was aber unfehlbar geschehen würde, wenn in diesem Rückstande Kalk mit Schwefelcalcium verbunden enthalten wäre. Die im Handel vorkommenden Rohsodasorten enthalten 6 bis 20 Grade Aetznatron, welche einem Gehalte an freiem Kalk von 3,5 bis 11,5 Proc. entsprechen. 3) Da die Sodarückstände, wie sie die Sodafabriken liefern, nicht unter Umständen erhalten werden, unter denen der Kalk auf das in der Rohsoda enthaltene kohlensaure Natron vollständig einwirken muß, so enthalten sie allgemein etwas freien Kalk, dessen Gegenwart und Menge entweder durch die Analyse oder durch ihre Eigenschaft kohlensaures Natron in Aetznatron umzuwandeln, ermittelt werden kann. Auf diese Weise habe ich mich überzeugt, daß manche Rückstände nur Bruchtheile von einem Procent freien Kalks enthalten; gewöhnlich aber enthalten sie 1 bis 3 Proc., zuweilen sogar 3 bis 6 Proc. 4) Je nach dem zum Auslaugen einer Rohsoda angewendeten Verfahren kann im unlöslichen Theile derselben freier Kalk zurückbleiben oder nicht. Dieser Umstand erklärt es, wie manche Sodarückstände das kohlensaure Natron in Aetznatron überzuführen vermögen, während andere, in welchen der Kalk durch Kohlensäure vollständig gesättigt ist, diese Eigenschaft nicht besitzen. 5) Die Existenz des Calciumoxysulfurets (2CaS, CaO) ist bisher ebenso wenig erwiesen, als diejenige irgend einer anderen Verbindung von Kalk und Schwefelcalcium. Die durch Glühen von Schwefelcalcium mit Kalk, sowie von schwefelsaurem Kalk mit Aetzkalk und Kohle erhaltenen Producte zeigen (bei jedem Verhältniß der einzelnen Gemengtheile) alle Eigenschaften eines bloßen Gemenges von Schwefelcalcium und Calciumoxyd.