Titel: Neue Beobachtungen über die fetten Oele; von J. Nicklés.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. CVIII., S. 393
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CVIII. Neue Beobachtungen über die fetten Oele; von J. Nicklés. Aus dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, t. XXXVI p. 88; Februar 1866. Nicklés, über die fetten Oele. Im Handel kommt unter dem Namen Aprikosenöl ein aus dem Süden zu uns gelangendes Fettöl vor, welches dem sogenannten Süßmandelöle Zur Gewinnung des Süßmandelöles wählt man frische Mandeln aus und nimmt ohne Unterschied süße und bittere Mandeln; denn alles in ihnen enthaltene Fettöl ist, welchen Geschmack sie auch selbst haben mögen, süß. Gewöhnlich gibt man den bitteren Mandeln vor den süßen den Vorzug, da sie billiger sind und die Parfümeurs die Preßrückstände wegen ihres feinen Geruches gerne kaufen. (Vgl. „Die Fette. Lehre von den natürlichen Fettkörpern, welche technische Anwendung finden. Nach Theod. Chateau bearbeitet von Dr. Hugo Hartmann. Leipzig 1864.“) gleicht, und, obgleich es billiger ist als dieses, die wesentlichsten Eigenschaften desselben besitzt. Es ist daher nicht zu verwundern, daß das aus dem Droguenhandel oder aus Apotheken bezogene Süßmandelöl stets eine mehr oder weniger bedeutende Menge Aprikosenöl enthält. Ich selbst war in der Lage, von der Richtigkeit dieser Thatsache mich überzeugen zu können, und zwar bei einer Streitigkeit über ein Mandelöl, welches die eine der Parteien für tadellos erklärt hatte, während die Gegenpartei einen starken Verdacht bezüglich der Reinheit des Oeles ausgesprochen hatte, ohne jedoch denselben thatsächlich begründen zu können. Im Verlaufe der Untersuchungen, welche ich zu diesem Behufe anstellen mußte, fand ich eine Reaction auf, welche allerdings auch andere Fettöle zeigen, die aber dem Aprikosenöl in sehr hohem Grade eigen ist, nämlich mit gepulvertem Kalkhydrat Das angewendete Kalkhydrat wurde in reinem Zustande einfach durch Löschen von gebranntem Kalk mit destillirtem Wasser dargestellt. Das erhaltene Product war pulverförmig und enthielt 24 Proc. Wasser, entsprechend der Formel CaO, HO. eine Emulsion zu bilden, welche, selbst in der Kälte, nach und nach eine salbenartige Consistenz annimmt. Mandelöl hingegen bildet mit dem genannten Reagens keine Emulsion, sondern bei ruhigem Stehen scheidet sich das Kalkpulver allmählich wieder ab und das Oel nimmt seine frühere Klarheit wieder an. Enthält aber das Mandelöl eine gewisse Menge Aprikosenöl, so bildet es beim Umrühren mit Kalkhydrat eine Emulsion und setzt nach einiger Zeit eine salbenartige Substanz ab, welche sich in der Kälte abfiltriren läßt; dieselbe entsteht aus dem fremden Oele, denn in reinem Mandelöle bildet sie sich nicht, auch dann nicht, wenn vorher mit Aprikosenöl versetztes Mandelöl von diesem Oele durch Behandlung mit Kalkhydrat und kaltes Filtriren befreit worden war. Mittelst des Kalkhydrats ist man demnach im Stande, nicht allein die Gegenwart von Aprikosenöl im Mandelöle nachzuweisen, sondern auch beide Oele von einander zu trennen. Wenn nun aber eine solche Trennung in chemischer Hinsicht von Nutzen seyn kann, so ist dieß vom ökonomischen Standpunkte aus keineswegs der Fall, indem die Behandlung mit Kalkhydrat diese Fettkörper zum Ranzigwerden prädisponirt. Die salbenartige Substanz, welche weder ein Oel, noch eine Seife ist, schmilzt im Wasserbade zu einer klaren, beim Erkalten erstarrenden Flüssigkeit, welche leichter ist als Wasser und daher auf kochendem Wasser in einer zusammenhängenden Schicht schwimmt. In heißen Oelen löst sie sich, scheidet sich aber beim Erkalten derselben in Form einer mehr oder weniger starken weißen Trübung wieder aus, die sich durch Filtriren beseitigen läßt. Da sie im Wasserbade schmilzt, so kann man sie vom überschüssigen Kalke leicht und einfach durch Filtriren in der Wärme mit Anwendung eines dazu eingerichteten Trichters (z.B. mit dem Plantamour'schen Wasserbadtrichter) befreien. In diesem Zustande ist die in Rede stehende salbenartige Substanz in Schwefelkohlenstoff löslich, namentlich wenn sie in einem Oele suspendirt ist. Von Mineralsäuren wird sie bei Anwendung von gelinder Wärme zersetzt, indem die Säuren sich mit der Kalkerde verbinden; dann wird das Aprikosenöl wieder frei, hat aber die Eigenschaft, mit Kalkhydrat eine Emulsion zu bilden, nicht verloren. Bei der Untersuchung eines Mandelöls, welches des Versatzes mit einer merklichen Menge Aprikosenöl verdächtig ist, verfahre ich, um die Gegenwart des letzteren nachzuweisen, folgendermaßen: Etwa 10 Grm. des zu prüfenden Oeles schüttle ich mit einer geringen Menge (etwa 1,5 Grm.) Kalkhydrat, erhitze dann im Wasserbade oder auf andere Weise, aber vorsichtig, so daß das Oel nicht über 100° C. erwärmt wird, und filtrire nun warm, entweder in einem Trockenschranke oder durch einen Wasserbadtrichter, damit die salbenartige Substanz in Lösung bleibt. In den meisten Fällen wird die ölige Flüssigkeit nach dem Filtriren beim Erkalten trübe und weiß, was man natürlich durch Eintauchen des das Oel enthaltenden Probirgläschens in kaltes Wasser oder besser noch in Eis, beschleunigen kann. Ist die Trübung einmal da, so kann man sie nach Belieben durch Erwärmen und Abkühlen zum Verschwinden bringen und wieder erscheinen lassen, so daß man mit einem solchen Präparate eine Art von Thermometer anfertigen kann, dessen äußeres Ansehen gewisse feste Temperaturgrenzen erkennen läßt. Das Aprikosenöl wird in Südfrankreich im Großen dargestellt. Da es billiger ist als Mandelöl, so wird es diesem gewöhnlich zugesetzt, wenn es nicht rein und einfach als solches verkauft wird. Allerdings sind beide Fälle vorgekommen; allein die Mandelöle enthalten als die feineren häufig eine gewisse Menge Aprikosenöl und geben dann natürlich die beschriebene Reaction, was bei dem durch Auspressen der bitteren und süßen Mandeln erhaltenen reinen und unverfälschten Mandelöle nicht der Fall ist. Mittelst des beschriebenen Verfahrens ist man leicht im Stande, einen Zusatz von 1 Proc. Aprikosenöl zu entdecken; die im Handel vorkommenden Mandelöle enthalten indessen stets weit mehr, denn sonst würden sie zu höheren Preisen verkauft werden. Eine andere Methode, beide Oele von einander zu unterscheiden beruht auf ihrem verschiedenen Verhalten gegen Kupfer. Bringt man einen Tropfen des einen oder des anderen dieser Oele auf ein Messingblech, so erscheinen sicher beide nach wenigen Stunden grün gefärbt. Wenn aber das zu prüfende Oel vorläufig in der geeigneten Weise mit Kalkhydrat behandelt wurde, so zeigt sich ein auffallender Unterschied. Das Aprikosenöl färbt sich nämlich immer noch binnen achtzehn bis vierundzwanzig Stunden grün, während das Mandelöl auf dem Messingbleche in dieser Zeit unverändert bleibt und Tage, ja selbst Wochen, vergehen, ohne daß sich die geringste Veränderung bemerken läßt. Da Mandelöl in der Kälte nicht gerinnt, so könnte man sich versucht fühlen, dasselbe bei feinen mechanischen Arbeiten, z.B. in der Uhrmacherei, als Schmieröl anzuwenden, weil es, nachdem es mit Aetzkalk behandelt worden, das Messing nicht angreift; allein man möge sich davor wohl hüten, denn das Mandelöl ist, selbst wenn es mehrere Wochen über Aetzkalk oder Aetzbaryt gestanden hat, doch immer noch etwas trocknend und wird später dick. Dieser Zeitpunkt tritt, so viel ich bemerkt zu haben glaube, in spätestens drei Monaten, nachdem das Oel auf das Messing gebracht wurde, ein. Die Eigenschaft, in Berührung mit Kupfer sich grün zu färben, besitzen bekanntlich alle Fettsubstanzen; diese Färbung kann durch Behandlung mit Kalk- oder Baryterdehydrat verzögert werdenDurch Einwirkung der Sonnenstrahlen lassen sich diese Oele ziemlich gut entfärben; ich besitze Proben von Oliven- und Süßmandelöl, welche in Folge einer längere Zeit fortgesetzten Insolation vollkommen farblos geworden sind.; ist aber die mineralische Basis durch Filtriren abgeschieden, so wird das Oel rascher grün, als wenn die Basis in ihm suspendirt bleibt. Kohlensaure Alkalien verhindern dieses Grünwerden nicht, sie scheinen es vielmehr zu begünstigen. Wenn auch alle Fettöle die Eigenschaft besitzen, mit Kalkwasser eine Emulsion zu bilden, so zeigen sie doch nicht das gleiche Verhalten gegen gepulvertes trocknes Kalkhydrat. Das Süßmandelöl ist übrigens nicht das einzige Oel, welches diese Ausnahme macht; denn ebenso verhalten sich Olivenöl und Colzaöl. Hanföl, Mohnöl, Erdnußöl, Wallnußöl und Leinöl geben mit Kalkhydrat mehr oder weniger von dieser salbenartigen Masse; Baumwollsamenöl gibt aber nur sehr wenig.Ueber das Baumwollsamenöl s. m. polytechn. Journal Bd. CLXXVI S. 233. Ich muß indessen bemerken, daß ich hinsichtlich des Ursprungs und der Reinheit dieser Oele weit weniger sicher bin, als dieß bezüglich des Olivenöls, des Colzaöls, des Süßmandel- und des Aprikosenöls, welche ich zu meinen Versuchen angewendet habe, der Fall ist. Ricinusöl bildet mit Kalkhydrat binnen kurzer Zeit ein sehr dickes Coagulum. Ebenso verhält sich das Harzöl, welches allerdings nicht zu den Fettkörpern gehört. Aus diesen Untersuchungen ergibt sich, daß bei einer Temperatur unter 100° Celsius: 1) pulverförmiges Kalkhydrat auf Colzaöl, Olivenöl und Süßmandelöl ohne Wirkung bleibt; 2) dieses Reagens in anderen Oelen, besonders in Aprikosen- und Ricinusöl, ein mehr oder weniger dickes Coagulum bildet, welches in heißen Fettölen löslich ist, sich aber aus denselben beim Erkalten wieder ausscheidet; 3) dieses Coagulum durch Filtriren sich abscheiden und isoliren läßt, so daß es möglich ist, das theurere Oliven- und Süßmandelöl von dem billigeren Aprikosenöl zu befreien; 4) dieses Coagulum selbst dann noch entsteht, wenn das nicht coagulirbare Oel nur etwa ein Procent Aprikosenöl enthält. Diese Thatsachen können in allen den Fällen verwerthet werden, wo nachgewiesen werden soll, ob ein durch Kalkhydrat nicht coagulirbares Oel mit einem durch dieses Reagens gerinnenden oder eine Emulsion gebenden Oele versetzt worden ist. Ein Beispiel dieser Verfälschung haben wir im Mandelöle gehabt; auch Olivenöl und Colzaöl sind derartigen Versätzen nicht weniger unterworfen.