Titel: Regulirapparate für kleine und große Maschinen, von C. Wilhelm Siemens in London.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. CXI., S. 409
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CXI. Regulirapparate für kleine und große Maschinen, von C. Wilhelm Siemens in London. Aus Armengaud's Génie industriel, April 1866, S. 199. Mit Abbildungen auf Tab. VIII. Siemens, Regulirapparate für kleine und große Maschinen. Die Herstellung einer gleichförmigen Rotationsbewegung ist ein wichtiges Problem der praktischen Mechanik. Das Pendel, der exacteste Apparat für chronometrische Zwecke, ist nicht unter allen Umständen anwendbar, namentlich, wenn es sich um die Angabe sehr kurzer Zeitintervalle handelt, zum Beobachten von Theilen einer Secunde, da hier die Gleichförmigkeit und die Unveränderlichkeit der Rotation unerläßlich ist. Die Balance, wie sie für die Federuhren benutzt wird, ist bezüglich ihrer Anwendbarkeit ohnehin auf enge Grenzen beschränkt. Das conische Pendel, das sich namentlich für die Herstellung einer gleichförmigen und constanten Rotationsbewegung eignet, ist bei seiner Anordnung für diese Zwecke ein empfindlicher Apparat; seine rotirende Bewegung kann unter Umständen auch in eine elliptische übergehen. Was endlich die übrigen Apparate für derartige Zwecke betrifft, so beruht bei denselben die Art und Weise die Rotation zu reguliren, auf dem Widerstande der Luft; diese Apparate lassen bekanntlich sehr viel zu wünschen übrig, und namentlich dürfte, abgesehen davon, daß ihre complicirte Anordnung schon für sich die Veranlassung zu Störungen geben kann, die fortwährend andauernde Aenderung der Dichte der Atmosphäre die Hauptursache ihrer unregelmäßigen Thätigkeit ausmachen.Eine wichtige Verbesserung hat vor einigen Jahren die Anordnung des Windfanges als Regulator durch Siemens und Halske gefunden; man s. Zeitschrift des deutsch-österreichischen Telegraphenvereins, Bd. IX S. 205 (Encyklopädie der Physik Bd. XX S. 955). Die von Wilhelm Siemens getroffene Anordnung gestattet eine große Regelmäßigkeit der Rotation und empfiehlt sich ihrer Einfachheit wegen und namentlich deßhalb, weil sie für die meisten Zwecke anwendbar ist. Durch zwei in der vorliegenden Quelle angegebene Einrichtungen wird gezeigt, wie man das von Siemens erdachte Princip einmal für kleine und dann für große Maschinen in Anwendung bringen kann. Bei dem in Fig. 1, 2 und 3 dargestellten Apparate, welcher die Gestalt einer Uhr hat, ist der Elektromagnetismus als bewegende Kraft benutzt. Dieser Apparat ist in Fig. 1 in einem Verticalschnitte, in Fig. 2 in einer Seitenansicht, und nach der Richtung der Linie 1, 2 (Fig. 1) in Fig. 3 in einem Horizontalschnitte dargestellt. Der Haupttheil dieses Regulators ist ein becherartiges Gefäß C, welches unten und oben offen und dessen oberer Durchmesser größer ist als der untere; an seiner inneren Wand ist dieser Becher mit vier Armen a versehen, welche radial von der Hülse b ausgehen, die über die verticale Stange A gelegt, mit dieser rotiren, aber eine Verschiebung längs dieser Achse dabei annehmen kann. Die verticale Rotationsachse A ist an ihrem oberen Ende mit einer elastischen Stahllamelle oder Feder S versehen, welche diese Achse fest umschließt, und an ihren abgewendeten Enden mittelst der Winkelstücke c den Becher C zu tragen hat. In Folge dieser Anordnung wird, wenn der verticalen Achse eine rotirende Bewegung beigebracht wird, der Becher ebenfalls diese Bewegung annehmen; hierbei kann er in verticalem Sinne von oben nach unten sich innerhalb gewisser Grenzen noch frei bewegen, insoweit die elastische Kraft der Feder, welche dabei eine Biegung erfährt, dieß gestattet. Bezüglich der Anordnung der verticalen Achse A mag erwähnt werden, daß ihr oberes Ende in einer centralen Dille, welche aus dem unteren Theile, dem Boden des Gefäßes V, ausgearbeitet ist, seine Führung hat, während das untere Ende in einem Schraubenlager D ruht, das eine gehörige Regulirung der Achse gestattet. Der äußere Cylinder V ist aus Glas, um die Thätigkeit des Apparates beobachten zu können; er umschließt vollständig den rotirenden Becher C und enthält eine Flüssigkeit, gleichviel ob Wasser, Oel oder Quecksilber, deren rotirende Bewegung dadurch verzögert oder ganz vermieden wird, daß der Boden dieses Umhüllungsgefäßes V entweder mit radialen oder mit spiralförmigen Rinnen versehen ist. Mittelst der Regulirungsschraube D kann die Achse A so weit gehoben oder gesenkt und überhaupt so eingestellt werden, daß der untere Rand des Bechers C in die Flüssigkeit eintaucht. An der verticalen Achse A ist die Eisenplatte B in fixer Weise so angebracht, daß sie nahe an den Polen des Elektromagnetes E rotirt; durch letzteren wird in gleichen Intervallen die rotirende Bewegung immer wieder zur Anregung gebracht und fortdauernd unterhalten, wenn beim Beginn der Thätigkeit des Regulators der Achse eine rotirende Bewegung momentan beigebracht wird. Die Intervalle, innerhalb welchen die Transmission des elektrischen Stromes stattfinden soll, werden durch den Contacthebel d geregelt, welcher seine Bewegung durch ein excentrisches Rad e erhält, das an der Drehungsachse E angebracht ist. Als Stromquelle wird hierbei eine Kette von Marié-Davy, aus 1 oder 2 Elementen bestehend, verwendet, welche in dem Sockel des Apparates untergebracht wird und hermetisch verschlossen bleiben muß, um das Ausfließen und namentlich das Verflüchtigen der Anregungsflüssigkeit zu verhindern. – Die drehende Bewegung der verticalen Achse A wird durch eine Schraube ohne Ende dem Räderwerke W mitgetheilt, und durch dieses werden die an dem Zifferblatte angebrachten Zeiger die gleichförmige Bewegung annehmen. Man kann also von letzterer, und da der ganze Apparat von Glaswänden umschlossen ist, auch von der Thätigkeit des Regulators fortwährend sich überzeugen. Diese Thätigkeit geht beiläufig in folgender Weise vor sich: Wird die verticale Achse A in Drehung versetzt, so wird diese Bewegung durch die Wirkung des Elektromagnetes unterhalten; in Folge der Rotation des Bechers C muß daher, da nunmehr die in seinem Inneren befindliche Flüssigkeit der Einwirkung der Centrifugalkraft unterworfen ist, durch letztere eine Flüssigkeitssäule emporgehoben werden, und es kann, wenn die Rotationsgeschwindigkeit groß genug ist, die Flüssigkeit bis zum Rande des Bechers emporsteigen. Würde von diesem Augenblicke an die Beschleunigung der rotirenden Bewegung aufhören, also letztere gleichförmig werden, so würde die Flüssigkeitssäule ihre letzte Gleichgewichtslage beibehalten, bei welcher ihre Oberfläche innerhalb des Bechers die Gestalt eines Paraboloides annehmen würde, von welchem der Scheitel im Niveau der äußeren Flüssigkeit, nämlich an der Berührungsstelle des unteren Randes des Bechers mit der Flüssigkeit im Gefäße V sich befindet. Da die beweglichen Organe nur geringe Hindernisse, nämlich die Reibung und den Widerstand des unteren Randes des Bechers in der Flüssigkeit zu überwinden haben, so ist vorausgesetzt, daß die der Welle übertragene bewegende Kraft gering sey. Die zum Herstellen der gleichförmigen Bewegung oder des Beharrungszustandes nothwendige Kraft wird daher von der zur Anwendung kommenden bewegenden Kraft immer übertroffen werden, und die Beschleunigung wird also noch andauern, wenn die Flüssigkeit den oberen Rand erreicht hat; es wird folglich von jetzt an die Flüssigkeit an dem Rande in feinen Fäden auszufließen beginnen und gegen die inneren Wände des umschließenden Cylinders V herabfallen. Da der untere Theil des Bechers offen ist und die Flüssigkeit an seinem oberen Rande abströmt, so wird er nach abwärts sich bewegen, und das Abfließen wird nunmehr constant, jedoch im Verhältniß zu dem Ueberschusse der wirkenden Kraft. Dieser Ueberschuß wird jetzt von der in Strahlenform herausgeworfenen Flüssigkeit gleichsam absorbirt, und die Beschleunigung der Rotation des Bechers soll damit aufhören. Betrachtet man wieder die Rotationsgeschwindigkeit in dem Augenblicke, wo die Flüssigkeit den oberen Rand des Bechers berührt, ohne dabei abzufließen, so findet man, daß diese Stellen der Einwirkung zweier Kräfte ausgesetzt sind, die sich jetzt das Gleichgewicht halten; die eine ist die Centrifugalkraft am oberen Rande, die andere ist der Flüssigkeitsdruck, mit welchem das Abfließen am unteren Ende stattfinden soll: sind daher diese beiden Kräfte im Gleichgewichte, so wird die Rotationsgeschwindigkeit ungeändert bleiben, und es muß folglich auch gleichgültig seyn, von welcher Dichtigkeit die angewendete Flüssigkeit ist, daher man eine passende Oelsorte oder Quecksilber benutzen kann. Findet jedoch ein Ausströmen der Flüssigkeit am oberen Rande des Bechers statt, so muß die Geschwindigkeit zugenommen haben, und da einerseits eine geringe Zunahme der Höhe ein Abströmen zur Folge hat, andererseits diese Zunahme mit dem Quadrate der Rotationsgeschwindigkeit wächst, so wird selbst die geringste Aenderung in der Rotationsgeschwindigkeit vom Apparate angezeigt, da von diesem Augenblicke an ein Abströmen der Flüssigkeit eintritt. – Die Conservirung der constanten Geschwindigkeit wird durch den Apparat selbst bewerkstelligt, und die hierbei eintretenden Ungleichheiten in der Stärke der bewegenden Kraft werden dadurch compensirt, daß der obere Rand des Bechers vermöge seiner Suspension in demselben Verhältnisse nach abwärts sinkt, in welchem die Menge der ausströmenden Flüssigkeitsstrahlen zunimmt. In Folge der durch dieses Ausströmen erzeugten Reaction wird der Becher, welcher beständig der elastischen Kraft der Feder das Gleichgewicht zu halten hat, dabei immer tiefer in die Flüssigkeit des Gefäßes V eintauchen. Die Adjustirung der Feder sowohl, als auch die der größten Einsenkungstiefe des Bechers in die äußere Flüssigkeit, welche innerhalb gewisser Grenzen bezüglich der bewegenden Kraft ausgeführt werden muß, damit die geringste Zunahme der letzteren durch die ausströmende Flüssigkeitsmenge absorbirt wird, hat man an dem Apparate vorzunehmen, ehe dieser in Thätigkeit versetzt wird. Auf den in Rede stehenden Apparat haben Temperaturveränderungen im Allgemeinen nur geringen Einfluß, und selbst diese können durch einfache Compensationsmittel unwirksam gemacht werden. Daß eine Veränderung der Dichtigkeit der Flüssigkeit in Folge eintretender Wärmeänderungen die Rotations-Geschwindigkeit des Bechers nicht afficiren kann, geht schon aus den oben gegebenen Erörterungen hervor. Der eben beschriebene Regulator kann seine Anwendung finden bei Uhrwerken, und namentlich wird die Benutzung desselben auf Schiffen große Vortheile darbieten, da der Apparat selbst dann noch sicher functionirt, wenn die Achse A selbst aus der verticalen Lage gebracht wird, nur darf hierbei die Abweichung von der Verticalen nicht zu bedeutend seyn. Weitere Vortheile dürfte er bei seiner Anwendung für solche Telegraphenapparate finden, bei welchen der synchronistische Gang der Uhrwerke an zwei oder mehreren Stationen (wie dieß bei den Copir- und Typendruck-Telegraphen der Fall) eine nothwendige Bedingung ist; nicht minder dürfte dessen Anwendbarkeit auf die Apparate auf den Leuchttürmen, sowie auf astronomische und magnetische Registrirungs-Apparate u.s.w. sich ausdehnen lassen. – Daß man hierbei als bewegende Kraft entweder den Elektromagnetismus, wie dieß bei dem in Rede stehenden Regulator der Fall ist, oder je nach den gegebenen Umständen ein Uhrwerk und selbst hydraulische Mittel in Anwendung bringen kann, leuchtet ohnehin aus den gegebenen Darlegungen hervor. In Fig. 4 und 5 ist ein Apparat dieser Art dargestellt, wie er als Regulator für Dampfmaschinen eingerichtet seyn könnte. H stellt hierbei die Hauptwelle und K das Dampfregister der Maschine vor. Der Regulator besteht auch hier – wie es das Princip von Siemens erfordert – in einem um eine verticale Achse drehbaren Becher C, der jedoch größere Dimensionen wie in dem vorher beschriebenen Falle haben muß; dieser Becher ist an seinem äußeren Umfange mit 12 oder einer größeren Anzahl von Flügeln oder Zellen g versehen, die an dem oberen Theile desselben in einem bestimmten Umfange angeordnet sind. Ein conischer Ring y, welcher an dem Deckel des Gefäßes V sich befindet, ist an seinem inneren Boden mit radialen Rinnen versehen; diese Anordnung hat den Zweck, die bei der Rotation aufsteigende Flüssigkeit, wenn sie gegen diese Canäle stößt, vertical gegen die Zellen g herabgelangen und so zum Ausflusse kommen zu lassen. Die Beschleunigung wird hierdurch von der ausfließenden Flüssigkeit gleichsam absorbirt und zwar in demselben Verhältnisse, in welchem die Rotationsgeschwindigkeit zunimmt. Der die Flüssigkeit enthaltende Cylinder V wird von den vier Stützen i, i, die von der Grundplatte k ausgehen, getragen, und letztere ist durch das Fußgestell F mit dem Boden fest verbunden. Der verticale Wellbaum G empfängt seine drehende Bewegung von der Hauptwelle H der Dampfmaschine mittelst der Winkelräder l und m, und trägt an seinem oberen Ende das auf der inneren Seite gezahnte Rad n, welches hier in Gestalt einer Büchse angebracht ist. Diese Welle G endigt in der Mitte der eben erwähnten Kapsel und um dieselbe ist, ohne daß ihre rotirende Bewegung dadurch gehindert wird, ein Querstück o in fixer Weise gelegt, an welches in der in Fig. 4 und 5 angezeigten Weise die beiden Räder p und p', unter dem Namen Planeten- oder Hypocykloiden-Räder bekannt, so angebracht sind, daß sie mit dem Rade n zum Eingriffe kommen können. Die Rotationsachse A des Bechers C hat in der Mitte der Büchse von n ihr Schraubenlager und trägt an ihrem unteren Ende in fixer Weise das Getriebe g, welches mit den Walzen-Rädern p und p' in Eingriff steht. Die Achse eines dieser Räder ist mit der Bleuelstange T, die an ihrem abgewendeten Ende mit der Kurbel s versehen ist, verbunden, und diese Anordnung ist es, welche in Verbindung mit dem Gegengewichte W die Regulirung des Dampfregisters, wie sie durch den neuen Regulator bewerkstelligt wird, zu besorgen hat. Der Arm, an dem sich das Gegengewicht befindet, bildet mit der Kurbel s einen Winkelhebel und steht parallel zur Achse der Hauptwelle H, wenn das Register ganz geöffnet ist; durch Einwirkung der Räderwerke g und p kann – wie man aus der Abbildung (Fig. 5) ohnehin deutlich sieht – das Gegengewicht W gehoben und damit das Register K mehr oder weniger geschlossen werden. Wie nun, wenn in der angedeuteten Weise die rotirende Bewegung von der Welle G auf die Rotationsachse A übergetragen wird, durch die Rotation des Bechers C mit der in Centrifugalbewegung versetzten Flüssigkeit jede Veränderung in der Geschwindigkeit der Bewegung der Maschine durch die Veränderung der Lage des Gegengewichtes W in seiner Einwirkung auf das Register K ausgeglichen werden kann, daß ferner die Gegenkraft, welche es durch sein Moment auf die übrigen Organe ausübt, um die Bewegungshindernisse, die an dem Regulator vorkommen, außer Wirksamkeit zu setzen etc., ist ohnehin aus der vorliegenden graphischen Darstellung leicht zu erkennen. Es mag daher nur noch bemerkt werden, daß der Gang des Hebels s durch die beiden Gegenfedern t und t' begrenzt wird, welche an zwei der beiden Stützen i, i befestigt sind; die eine dieser Begrenzungsstellen entspricht jener Lage der Kurbel, bei welcher das Dampfregister geschlossen, die andere Haltstelle aber jener Lage, in welcher das Dampfregister ganz geöffnet ist. Die Anordnungen, um die Differentialbewegung zwischen dem rotirenden Becher und der Maschine hervorzubringen, können durch verschiedene andere Constructionen ersetzt werden, so daß die gleichen Functionen wie vorher ausgeübt und dabei erhalten werden; man kann z.B. die Anordnung großentheils auf die Anwendung von Winkelrädern beschränken, oder man könnte die Schraube ohne Ende hierbei benutzen u.s.w.“