Titel: Ueber das im Roheisen enthaltene Silicium; von Edmund G. Tosh.
Fundstelle: Band 181, Jahrgang 1866, Nr. XV., S. 62
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XV. Ueber das im Roheisen enthaltene Silicium; von Edmund G. Tosh. Aus der Chemical News, vol. XIII p. 145; März 1866. Tosh, über das im Roheisen enthaltene Silicium. Vor einiger Zeit stellte Dr. Phipson die Behauptung auf, daß das Silicium, gleich dem Kohlenstoffe, im Roheisen in zwei allotropischen Zuständen, nämlich als aSi, mit dem Eisen verbunden, und als bSi, in freiem, ungebundenem oder graphitähnlichem Zustande vorhanden seyPolytechn. Journal Bd. CLXXVII S. 388., und später gab er eine Methode zur Trennung dieser beiden Zustände des Siliciums an. Bekanntlich müssen die Roheisensorten, welche sich durch den Bessemerproceß mit Vortheil in guten Stahl verwandeln lassen sollen, den Kohlenstoff vorherrschend in freiem Zustande (als Graphit) enthalten, woraus Phipson folgert, daß in solchem Roheisen auch das Silicium überwiegend in freiem Zustande, als bSi vorhanden seyn müsse. Er führt die Resultate der Analysen von drei verschiedenen Roheisensorten, A, B und C an, die in ihrer procentischen Zusammensetzung fast gänzlich übereinstimmen, obgleich die aus ihnen erhaltenen Stahlsorten in ihren Eigenschaften gänzlich von einander abweichen. A gab einen ziemlich guten, B einen schlechten, C aber einen ganz schlechten, gar nicht verarbeitbaren Stahl. In diesen drei Roheisensorten waren die beiden Modificationen des Siliciums nach Phipson's Angabe in folgendem Verhältnisse enthalten: A. B. C. aSi 0,98 1,81 2,60 bSi 3,22 2,15 1,63 A lieferte einen guten Stahl, weil es nur sehr wenig gebundenes Silicium enthielt; aus dem entgegengesetzten Grunde war der aus C erhaltene Stahl so schlecht. In der letzten Zeit beschäftigte ich mich mit einer ziemlich ausgedehnten Reihe von Untersuchungen der aus „Hämatit“ erblasenen Roheisensorten, von den West-Cumberländischen Hütten, namentlich derjenigen Varietäten derselben, welche sich am besten zur Darstellung von Bessemerstahl eignen. Bevor Phipson's oben erwähnte Abhandlung in meine Hände kam, hatte ich sorgfältig nach graphitähnlichem Silicium gesucht, aber niemals die geringste Spur von demselben gefunden. Bei diesen Versuchen wurden ungefähr 20 Grm. des Roheisens in Form von Bohrspänen mit verdünnter Salzsäure behandelt, bis der größte Theil des Eisens sich gelöst hatte; der ungelöste schwarze Rückstand ward auf einem Filter gesammelt, ausgewaschen, getrocknet, in ein Porzellanschiffchen gebracht und in einem Strom von Sauerstoffgas geglüht. Dadurch wurde der Kohlenstoff verbrannt und es blieb ein nur geringer eisenhaltiger Rückstand. Dieser wurde durch Kochen mit Salpetersalzsäure von Eisen und Mangan, und dann durch zweimaliges Verdampfen zur Trockne mit Fluorwasserstoffsäure von Kieselsäure befreit. Hierdurch erhielt ich jedesmal eine geringe Menge einer leichten braunen Substanz, welche unter dem Mikroskope keine von den physikalischen Eigenschaften des graphitähnlichen Siliciums zeigte, sondern sich bei näherer Untersuchung als Titansäure erwies. Da graphitähnliches Silicium in allen Säuren, mit Ausnahme eines Gemisches von Fluorwasserstoff- und Salpetersäure, unlöslich ist und in einem Sauerstoffstrome selbst der Weißglühhitze ausgesetzt werden kann, ohne im geringsten angegriffen zu werden, so müßte ich es durchaus entdeckt haben, wenn es wirklich zugegen gewesen wäre. Da die von Phipson erhaltenen Resultate den meinigen so direct entgegengesetzt waren, so widmete ich meine Aufmerksamkeit der von diesem Chemiker angegebenen Bestimmungsmethode, welche in Folgendem besteht: Eine abgewogene Portion des Eisens wird mit Salpetersalzsäure behandelt, wodurch beide Modificationen des Siliciums oxydirt werden; die vom aSi herrührende Kieselsäure wird von der Säure gelöst, die vom bSi herstammende jedoch bleibt ungelöst. – Nun ist es aber feststehende Thatsache, daß das Silicium (in jeder Modification), welches einmal der vollen Rothglühhitze ausgesetzt worden ist (wie dieß mit dem im Roheisen enthaltenen freien Silicium doch sicherlich der Fall gewesen), von Königswasser gar nicht angegriffen wird – eine Thatsache, welche von Phipson offenbar übersehen wurde. Indessen stellte ich, die Principien des Verfahrens als richtig annehmend, einige Versuche an, um zu ermitteln, ob der Kieselsäuregehalt des nach der Behandlung des Eisens mit Salpetersalzsäure ungelöst bleibenden Rückstandes constant ist oder nicht. Bei den im Nachstehenden mitgetheilten drei Versuchen wurde dieselbe Eisensorte angewendet. 1. Versuch. – 2,409 Grm. Roheisen in Form von Vohrspänen wurden mit Königswasser (3 HCl + NO⁵), welches mit dem vierten Theile seines Volums Wasser verdünnt worden war, erhitzt, bis es sich so vollständig als möglich aufgelöst hatte. Die saure Lösung ward mit Wasser verdünnt, der ungelöste Rückstand auf einem Filter gesammelt, und die in demselben enthaltene Kieselsäure gewogen; ihre Menge betrug 0,0565 Grm., entsprechend 1,094 Proc. Silicium. 2. Versuch. – 2,39575 Grm. Roheisen wurden mit einem bedeutenden Ueberschusse von starkem Königswasser bei gelinder Wärme behandelt, bis Lösung erfolgt war. Dann wurde mit Wasser verdünnt, das Ungelöste gesammelt und die Menge der vorhandenen Kieselsäure bestimmt. Sie betrug 0,038 Grm. = 0,740 Proc. Silicium. 3. Versuch. – 2,336 Grm. Eisen wurden in Königswasser gelöst, und die Flüssigkeit ward vor dem Filtriren durch vorsichtiges Kochen von dem größten Theile der überschüssigen Säure befreit. Der Kieselsäuregehalt des ungelösten Rückstandes betrug 0,06775 Grm. = 1,353 Proc. Silicium. Die Resultate dieser Versuche zeigen bedeutende Verschiedenheiten, indem die Menge der ungelöst gebliebenen Kieselsäure mit der Stärke der angewendeten Säure und mit der Menge der vor dem Filtriren vorhandenen freien Säure variirte. So beträgt z.B. beim zweiten Versuche, bei welchem ein großer Ueberschuß von freier Säure angewendet wurde, die Menge der ausgeschiedenen Kieselsäure nur etwa die Hälfte von der bei dem dritten Versuche erhaltenen, bei welchem letzteren der größte Theil der überschüssigen Säure verjagt wurde. Resultate von größerer Uebereinstimmung konnte man bei diesem Verfahren, welches auf so falscher Basis beruht, auch nicht erwarten. Das Vorkommen von freiem Silicium im Roheisen steht im Widerspruche mit der allgemeinen Ansicht und den Resultaten der Erfahrung; dagegen dürfte es in dem Roheisen mit verschiedenen anderen Körpern verbunden enthalten seyn. Schafhäutl erwähnt des Vorkommens von Schwefelsilicium und selbst von Kohlensilicium in einem von ihm untersuchten Roheisen. Hahn Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXXIX S. 57. stellte ein Siliciumeisen mit einem Gehalte von 20,29 Proc. Silicium dar, welches sich bei Behandlung mit verdünnter Fluorwasserstoffsäure zum größten Theile auflöste, indem nur ein geringer kristallinischer Rückstand unangegriffen blieb; diese Krystalle erwiesen sich als eine stöchiometrische Verbindung, FeSi². Ungeachtet des außerordentlich hohen Siliciumgehaltes schied sich dennoch keine Spur von Silicium im freien Zustande ab. Bei der Darstellung dieser Verbindung waren nur ganz reine Materialien von bestimmter Zusammensetzung angewendet worden, und man könnte geltend machen, daß durch die Gegenwart der zahlreichen im Gußeisen enthaltenen Substanzen möglicherweise das Verhalten des Siliciums modificirt werde. Allein Caron hat auf das Klarste nachgewiesen, daß die verschiedenen im Gußeisen enthaltenen Elemente auf das Silicium oder seinen Verbindungszustand ohne wesentlichen Einfluß sind. In Folge seiner größeren Verwandtschaft zum Eisen hat das Silicium das Bestreben, andere Substanzen aus ihrer Verbindung mit demselben auszutreiben. Besonders auf den Kohlenstoff wirkt es in dieser Weise und darin liegt der Grund, daß ein an Silicium reiches Eisen niemals zugleich an Kohlenstoff reich ist und daß die geringe Menge des in ihm enthaltenen Kohlenstoffs als Graphit zugegen ist. Chemisches Laboratorium in Göttingen, 19. März 1866.