Titel: | Der Depeschenbläser von Siemens und Halske in Berlin. |
Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. XLV., S. 176 |
Download: | XML |
XLV.
Der Depeschenbläser von Siemens und Halske in
Berlin.
Aus der deutschen Industriezeitung, 1866, Nr.
22.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Siemens und Halske's Depeschenbläser.
Als nach Aufhebung der kgl. preußischen Telegraphenstation zu Leipzig mit Neujahr 1865 für das kgl. sächsische Staatstelegraphenamt
daselbst durch Uebernahme der preußischen Linien eine Verdoppelung der Apparatzahl
und eine beträchtliche Steigerung des Verkehres eintrat, mußte man von Seiten der
kgl. sächsischen Telegraphenverwaltung auf angemessene Erweiterung der
Bureaulocalitäten bedacht seyn. Die für Aufgabe und Beförderung der Depeschen bisher
ausreichend gewesenen Räumlichkeiten im Erdgeschoß des kgl. Hauptsteueramtsgebäudes,
und zwar rechts vom Mitteleingang, konnten, nach einer entsprechenden baulichen
Veränderung, fortan nur noch für die eigentliche Beförderung der Depeschen verwendet
werden, während für Annahme und Ausfertigung derselben die dem preußischen Bureau
zugetheilt gewesenen gegenüberliegenden Locale in demselben Erdgeschosse links vom
Eingang eingerichtet werden mußten. Da nun aber die gänzliche Trennung der
Depeschen-Annahme und Ausfertigung vom Apparatraum ein fortwährendes
Hin- und Hertragen aufgegebener und aufgenommener Telegramme erfordert haben
würde, so mußte man gleichzeitig darauf denken, diese unvermeidliche Hin –
und Herbeförderung möglichst zu erleichtern und zu vereinfachen. Man beschloß zu
diesem Zwecke ein Gebläsewerk anzuwenden, wie ein solches zu gleichem Zweck schon
seit längerer Zeit im kgl. preußischen Central-Bureau der Staatstelegraphen
zu Berlin mit bestem Erfolg benutzt wird, und ließ daher ein solches von Siemens und Halske in Berlin,
welche die erwähnte Maschine gebaut hatten, in den Bureau-Räumen zu Leipzig
einrichten.
Durch diese „Depeschenbläser“ werden
zwei etwa 30 Schritte von einander entfernte Räume, das Apparat – und das
Ausfertigungszimmer, in Verbindung mit einander gebracht, um sowohl die angekommenen
Depeschen behufs ihrer Bestellung aus ersterem in letzteres, als auch umgekehrt die
aufgegebenen Depeschen zur telegraphischen Beförderung aus diesem in jenes
hinüberzublasen. Der Apparat besteht aus zwei in den betreffenden Zimmern
aufgestellten pultähnlichen Vorrichtungen von ganz gleicher Construction, von denen
daher nur das eine P₁ in Fig. 18 dargestellt ist.
Jedes dieser Pulte ist durch ein etwa 1 1/4'' dickes Messingrohr r₁, r₁ mit einem im
entgegengesetzten Zimmer angebrachten, zum Auffangen der durch das Rohr beförderten
Depeschen bestimmten Kasten, wie K₂, in
Verbindung. Die Einrichtung der Pulte ist folgende: Im oberen Theile des Pultes,
dicht unter dessen schrägablaufender Decke, befindet sich ein zur Erzeugung des
erforderlichen Luftdruckes bestimmter Blasebalg B (Fig. 18), der
nach unten durch ein einfaches Hebelwerk H, H mit einem
Bretchen T in Verbindung steht, bei dessen Niedertreten
die im Blasebalg zusammengepreßte Luft aus demselben durch ein inneres
Verbindungsrohr nach oben in den vordersten Theil R des
Leitungsrohres (Fig. 18 und 19) entweicht; dieser ist
etwas dicker als das eigentliche Leitungsrohr, da dieses, wie Fig. 19 zeigt, noch durch
einen hohlen Raum (gleichsam eine doppelte Wand) umgeben ist, welcher durch eine
Verbindungsröhre aus dem darunter befindlichen Blasebalg die Luft aufnimmt und durch
die ringsum auf dem vordersten Kranze des Rohres nach innen mündenden kleinen
Luftlöcher in den vorderen Theil des Rohres, wenn dieses durch die Kapsel k geschlossen ist, einströmen läßt. Die behufs
luftdichten Anschlusses an das Leitungsrohr auf ihrem inneren Kranz mit Kautschuk
ausgelegte Messingkapsel k läßt sich mittelst eines in
der Richtung nach dem Rohre zu (wie der Pfeil in Fig. 18 andeutet)
beweglichen Griffes g von der Rohrmündung R abziehen (Fig. 19) und wird beim
Schließen der Röhre durch einen vermöge seiner schief ansteigenden Spitze den
Anschluß der Kapsel nicht hindernden Widerhaken w,
welchen eine Feder f nach oben drängt, fest an die
Rohröffnung angepreßt, so daß sie nur durch Niederdrücken desselben davon wieder
entfernt werden kann.
Die Depeschen, die durch das Rohr befördert werden sollen, werden zusammengerollt in
eine lederne, an einem Ende geschlossene Hülse von circa 9'' Länge und 14''
Durchmesser (Fig.
20) gesteckt, und zwar gehen, wenn sie knapp gerollt sind, gut 6 Depeschen
auf einmal in eine solche Hülse. Zur Aufbewahrung der leeren Hülsen, deren eine
ziemliche Anzahl vorhanden seyn muß, um die Schnelligkeit der Beförderung nicht zu
beeinträchtigen, dient ein auf der Höhe des Pultes aufgeschraubter länglicher
Holzkasten h. Eine jede Hülse ist an ihrem geschlossenen
Ende noch mit einem ringsum etwas vorstehenden weichen Lederrand versehen, um
dadurch dichter an die innere Rohrwandung anzuschließen und die treibende
Luftschicht vollständiger auffangen zu können. Die mit Depeschen versehene Hülse
wird mit ihrem offenen Ende zuerst in das Rohr R
eingeschoben und sodann dieses durch die Kapsel k
geschlossen; dabei stößt ein senkrecht aus der Mitte der inneren Kapselfläche
vorstehender, circa 1'' langer Metallstift die Hülse so
weit in der Röhre vorwärts, als nöthig ist, um die aus dem Blasebalge emporgepreßte und durch die
Luftlöcher des inneren Rohrkranzes austretende Luft, die sonst wohl leicht an den
Seitenwänden der Hülse herausströmen und wirkungslos entweichen könnte, zum Eintritt
in den engen Raum zwischen der inneren Kapselfläche und dem unteren geschlossenen
Ende der Hülse zu nöthigen und durch ihren vollen Druck auf dasselbe deren
Hinaustreibung aus der Röhre zu ermöglichen. Auf diese Weise vermag schon bei
einmaligem Niederdrücken des Trittbretts die an der inneren Kapselfläche scharf
zurückprallende Luft durch ihren plötzlichen Druck auf die Hülse diese aus dem Rohre
hinauszutreiben; selten wird es hierzu eines mehr als zweimaligen Tretens bedürfen.
Man kann das Rohr auch mit mehreren gefüllten Hülsen zugleich laden, und es läßt
sich somit eine ziemliche Anzahl Depeschen auf einmal befördern; natürlich ist dann
bei stärkerer Ladung des Rohres auch eine Erhöhung des Luftdruckes durch öfteres
Niedertreten erforderlich.
Um die richtige Ankunft der Depeschenhülsen im gegenüberliegenden Zimmer überwachen
und eine etwa noch im Rohr zurückgebliebene Hülse sofort vermissen zu können, ist
bei jeder Maschine noch eine elektrische Klingel E
angebracht, welche durch eine Drahtleitung mit der entgegengesetzten Maschine
verbunden ist, und es wird sowohl bei Abgang, als bei Ankunft einer jeden
Depeschensendung ein Anmeldungs- oder Empfangszeichen durch die Klingel
gegeben. Das Leitungsrohr r₁ steigt vom Pult aus
schief in sanfter Biegung bis nahe an die Zimmerdecke an, läuft dann, durch mehrere
Wände hindurchgehend, hart unter derselben hin, nimmt allmählich wieder eine abwärts
geneigte Richtung an und fällt im Endzimmer in scharfem Bogen ab, bis es senkrecht
in den oberen Theile des Auffangkastens einmündet. Diese Lage des Rohres erleichtert
die Beförderung bedeutend, indem die Hülsen nur etwa bis zur Mitte derselben
lediglich durch den Luftdruck fortgetrieben werden, im späteren Lauf aber zum Theil
von selbst schon auf ihrer glatten Bahn hinabgleiten. Sind nun auch die einzelnen
Röhrentheile möglichst genau ineinander gepaßt und alle inneren Vorsprünge
sorgfältig vermieden oder abgeglättet, so kommt es doch bisweilen vor, daß eine
Hülse, deren Inhalt schlecht gewickelt war, sich festsetzt und die Luft an sich
vorbeigehen läßt; für solche Fälle ist eine Art Räumer vorhanden, der aus etwa
dreielligen starken Drahtstäben zusammengegliedert, sich nach und nach in das Rohr
seiner ganzen Länge nach einschieben läßt und durch eine an seinem Vorderende
befindliche Scheibe von der inneren Weite des Rohres die festsitzende Hülse
fortstößt.
Daß durch diese ganze Einrichtung an Zeit und Arbeit bedeutend erspart wird, läßt sich deutlich
daraus abnehmen, daß während der Messe, wo jede Maschine ihre ausschließliche
Bedienung erfordert, oft an einem einzigen Tag zwischen Aufgabe- und
Apparatzimmer etwa 1200 Depeschen hin- und hergeblasen werden, deren
Hin- und Hertragen gewiß mehr Zeit und Mühe kosten würde. Daher dürfte eine
solche Einrichtung wohl auch an manchem anderen Orte sich mit Vortheil anwenden
lassen, wo leichtere Papiere in größerer Menge hin und her zu befördern sind, wie es
hie und da in gewerblichen, namentlich aber in kaufmännischen Etablissements der
Fall ist. Sind in den Hülsen vorzugsweise kleinere Papiere zu befördern, so möchte
es wohl zu empfehlen seyn, die Hülsen an ihrem vorderen offenen Ende mit einem
kapselartigen Deckel oder mit einem Pfropfen zu verschließen, damit kein
Schriftstück aus ihnen herausfällt.
Th. Steinbach.