Titel: | Untersuchungen über die Hefe; von Dr. I. C. Lermer, Brau-Techniker. |
Autor: | Johann Karl Lermer [GND] |
Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. LXII., S. 223 |
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LXII.
Untersuchungen über die Hefe; von Dr. I. C. Lermer,
Brau-Techniker.
Lermer, Untersuchungen über die Hefe.
I. Bau und chemischer Charakter der
Hefenzellen.
Unter Hefe versteht man einen vegetabilischen Organismus, welcher aus einzelnen oder
zusammengereihten Zellen besteht, in gährungsfähigen Flüssigkeiten, die bestimmte
organische Stoffe gelöst enthalten, lebt und sich darin durch Theilung
fortpflanzt.
Der gänzliche Mangel an Chlorophyll in den Hefenzellen und ihre Ernährung durch
organische Substanzen hat die Botaniker bestimmt, diese vegetabilischen Organismen
zu den Pilzen zu stellen.
Bis in die neueste Zeit hielt man die Hefe für einen selbstständigen, d.h. für einen,
keine weiteren Entwickelungsformen darbietenden Pilz.
Durch die gründlichen Untersuchungen von Hoffmann
Botanische Zeitung von 1865 und 1866., Bail
Flora von 1857. und Berkley ist die Frage über die Natur der Hefe
in ein ganz neues Stadium getreten. Die drei genannten Forscher haben durch directe
Versuche constatirt, daß die Hefe nur aus Entwickelungsformen der Schimmelpilze, und
zwar bloß aus den Fortpflanzungs-Zellen (Sporen) besteht, welche sich an den
Fruchtästen dieser Pilze entwickeln und die, in gährungsfähige Flüssigkeiten
gebracht, sich selbstständig durch Theilung fortzupflanzen vermögen.
Durch die Untersuchungen Pasteur's und Anderer wurde
endgültig constatirt, daß die chemische Action bei der Gährung mit den
Lebensvorgängen der Hefe
in unmittelbarster Verbindung steht, daß die chemische Wirkung, die wir in gährenden
Flüssigkeiten vor sich gehen sehen, auf jenen chemischen Vorgängen beruht, die im
Gefolge des Lebensactes der Pilze stehen.
Hefe, die zu leben, d.h. sich zu organisiren aufgehört hat, ist nicht mehr im Stande
den Gährungsproceß auszuführen.
Je nach dem Endproducte des zersetzten Substrates unterscheidet man Alkoholhefe,
Essigsäurehefe und Milchsäurehefe.
Die vorliegende Untersuchung bezieht sich zunächst auf die Alkoholhefe (Bierhefe).
Alkoholhefe ist nach Hoffmann, Bail und Berkley ein Abkömmling der gemeinsten Schimmelpilze,
deren Sporen allenthalben in der Atmosphäre vorkommen. In zuckerhaltige
Flüssigkeiten gerathen, pflanzen sich die Sporen selbstständig durch eine Art
Theilung fort, die man seit langer Zeit mit dem Ausdrucke
„Knospung“ bezeichnete. Nach Hoffmann finden sich in der Alkoholhefe vorzüglich die Sporen der
Schimmelpilze: Penicillum glaucum, Ascophora Mucedo,
Ascophora elegans und Periconia hyalina
vor.
In neuester Zeit hat auch Hallier
Botanische Zeitung von 1865 und 1866. eine bisher unbekannt gebliebene Abstammung der Hefe zur Kenntniß gebracht,
die von hohem Interesse ist.
Bringt man nach Hallier Hefe auf concentrirte
Nahrungsflüssigkeiten, z.B. auf saftige Früchte (angeschnittene Kirschen, Citronen
etc.), so platzen die Hefenzellen und es treten aus denselben kleine Körnchen
hervor, die unter Umständen zu Hefenzellen auswachsen, oder sich zu langen
fadenförmigen Pflänzchen entwickeln, welche man früher als selbstständige Organismen
beschrieb und mit dem Namen Leptothrix belegte.
Leptothrix ist aber keine selbstständige Pflanze,
ebensowenig wie Hefe, sondern eine Entwickelungsform der Schimmelpilze.
Im Nachfolgenden werde ich außer der Bezeichnung „Leptothrix,“ welche für die eben genannten fadenförmigen
Gebilde gilt, auch noch die Bezeichnung „Leptothrix-Körner“ gebrauchen. Hierunter versteht
man seit Hallier die kleinen Körnchen, welche aus den
platzenden Hefenzellen hervortreten, und entweder zu Hefe oder zu Letothrix werden.
Die Bierhefe, Hormiscium cerevisiae (Bail), gab das Material für vorliegende Untersuchungen.
Ihre Zellen haben durchschnittlich 1/100 Millimet. Durchmesser und sind im normalen Zustande
von rundlicher oder etwas elliptischer Form. Nur bei unregelmäßiger Gährung treten
elliptische oder lange Zellen auf, in welchem Falle selten eine völlige Klärung des
Bieres erfolgt.
Die Hefenzelle besteht im fertigen, ausgewachsenen Zustande aus der Zellwand, dem der
Zellwand anliegenden Primordialschlauche, ferner aus einer körnig-schleimigen
Substanz, dem Protoplasma, und einer wässerigen Zellflüssigkeit, die in mehr oder
minder großen Tropfen (Vacuolen) im Protoplasma liegt.
Die Vacuolen erscheinen entweder ganz homogen, oder es befinden sich in denselben
kleine Körnchen, welche in mehr oder minder zitternder lebhafter Bewegung begriffen
sind.
Die Zellwand der ausgebildeten jungen Zelle ist structurlos. Die Erscheinung
concentrischer Schichtung im Momente des Aufquellens bei Einwirkung concentrirter
Chromsäure ist nur optisch, denn bei Anwendung des Polarisations-Apparates
konnte ich kein positives Resultat erhalten.
Die Membran besitzt eine ziemlich große Elasticität, indem sich die Zellen unter dem
Compressorium ziemlich stark platt drücken lassen, ehe ein Aufreißen der Membran
erfolgt, wie sich auch noch daraus ergibt, daß die Zellen auf dem Objectträger, bei
hinreichend dichter Aneinanderlagerung, einem aus sechsseitigen Zellen bestehenden
Parenchym-Gewebe gleichen.
Die Zellwand besteht aus Cellulose; da sie aber mit Jod und SO³ nicht die
bekannte Blaufärbung zeigt, hat man sie mit dem Namen Pilzcellulose belegt. (De Bary.)
Der Primordialschlauch (Mohl) oder die Hautschichte (Pringsheim) liegt der Zellwand enge an. Er ist ein sehr
zartes, aus Eiweißkörpern bestehendes Häutchen, welches das Protoplasma umkleidet,
und aus letzterem entstand. Jod färbt dasselbe deutlich braungelb.
Das Protoplasma ist eine schleimig-körnige, aus Eiweißkörpern bestehende
Substanz, welche besonders bei älteren Zellen eine (optisch) grünlichbläuliche bis
hellbläuliche Färbung zeigt. Das Protoplasma jugendlicher Hefenzellen besteht aus
einer sehr feinkörnigen, fast hyalinerscheinenden körnigen Masse, an welcher man
erst nach Einwirkung verdünnter Säuren die körnige Beschaffenheit wahrnimmt.
Bringt man jugendliche Zellen mittelst des Compressoriums zum Platzen, so findet man
das Protoplasma aus vielen rundlichen Zwischenräumen (Kammern) bestehend, die mit
Flüssigkeit gefüllt sind und die Plasmakörner enthalten. Besonders deutlich ist dieß
an älteren Hefenzellen wahrnehmbar, an welchen ebenfalls eine stete hin- und herrückende Bewegung
der Plasmakörner sichtbar ist. Beim Platzen der Zellen eilen die Körner unter
wimmelnder Bewegung aus ihren Kammern davon und zerstreuen sich in die
Flüssigkeit.
Mit dem Altern der Zelle verschwindet successive das Protoplasma, indem es zum Aufbau
der Plasmakörner verwendet wird, wobei diese nicht selten eine so beträchtliche
Größe annehmen, daß zwei oder mehrere den Inhalt der Mutterzelle ausfüllen.
Die Protoplasmakörner sind sehr stark lichtbrechend; in ihrem Inneren konnte ich
keine weitere Structur erkennen, wohl aber bemerkte ich, daß sie häufig kleine
Knöspchen tragen und sohin wahrscheinlich schon in der Mutterzelle wieder
abschnüren, wofür auch die Thatsache spricht, daß Hefenzellen mit großen Vacuolen in
frischer Bierwürze ihre Vacuolen allmählich mit Körnchen füllen, so daß die Vacuolen
gänzlich verschwinden.
Bei sehr starker Vergrößerung gewährt man, daß die Protoplasmakörner meist eine
längliche Gestalt haben, und zwar tritt dieß besonders deutlich beim Platzen der
Zelle vor Augen.
Das Protoplasma von Zellen in frischer Bierwürze ist der Sitz kräftigster
Neubildung.
Zu Reagentien und anderen Flüssigkeiten zeigte die Hefe folgendes Verhalten:
Durch längeres Verweilen der Hefe in Wasser werden die
Vacuolen auffallend vergrößert, und reichen dann nicht selten ihre Grenzen bis nahe
an die Wand der Zelle. Die Vergrößerung der Vacuolen steht im Zusammenhange mit
einer Aufquellung der Hefenzellen. Beide Erscheinungen beruhen auf dem Proceß der
Membran-Diffusion, in Folge welcher nicht nur Wasser von der Zelle
aufgenommen, sondern auch Flüssigkeiten des Zellinhaltes an das umgebende Medium
abgegeben werden.
Eine derartige Hefe hat, wie den Praktikern längst bekannt ist, viel von ihrer
zuckerzersetzenden Eigenschaft eingebüßt. Jodlösung färbt die Zelle nur mehr schwach
gelblich, Zucker und SO³ bringen eine kaum mehr unterscheidbare, rosenrothe
Färbung hervor, was wohl schließen läßt, daß die Menge der Eiweißkörperchen durch
Einwirkung des Wassers bedeutend vermindert wurde.
An einigen Zellen löst sich der Primordialschlauch von der Zellwand ab, indem der
Zellinhalt contrahirt wird; in anderen haben sich die Plasmakörner beträchtlich
vergrößert und erscheinen nun (optisch) grünlich-bläulich gefärbt.
Hefe mit größeren und gleichzeitig farbig erscheinenden Körnern satz ich niemals mehr zur Abschnürung
kommen. An solchen Hefenzellen färben sich durch Jod nur mehr die Plasmakörner
braungelb; vom schleimig-körnigen Protoplasma ist auch nichts mehr zu sehen.
Chromsäure löst die Membran allmählich unter Hinterlassung einer sehr geringen Menge
Plasma oder der Körner auf. Eine Contraction des Primordialschlauches ist hier
seltener zu sehen; Jodlösung contrahirt hier manche Zellen.
Kalilauge färbt die in Wasser aufgeschwemmte Hefe
bräunlich. Die Zellen erhalten hierbei ein hyalines Aussehen und die Körner des
Plasmas treten deutlich unter Annahme einer (optisch) grünlich-gelblichen
Färbung hervor.
Nach längerer Einwirkung von Kalilauge scheint eine Verflüssigung des Protoplasmas
einzutreten, indem die früher in demselben gebetteten Körner nun unbehindert und oft
ziemlich lebhaft sich zu bewegen beginnen.
Bei Anwendung stärkerer Lauge nehmen die Hefenzellen ein bis auf die Plasmakörner
ganz gleichartiges Aussehen an. An einer so veränderten Zelle ist die Membran nicht
zu sehen, tritt aber auf Zusatz von Jod alsbald wieder hervor. Dieses Reagens
bewirkt nämlich an der Hefenzelle eine Contraction des sich braungelb färbenden
Protoplasmas, wobei die Membran mindestens theilweise freigelegt wird.
Der plasmatische Inhalt erhält an seiner Peripherie eine gezahnte Contour, eine
Gestaltänderung, die, wie ich mich überzeugt habe, hin und wieder auch die Membran
ergreift. Diese Gestaltveränderung der Hefenzellen erinnert sehr an die sternförmige
Verschrumpfung der Blutkörperchen, welche bekanntlich bei deren Eintrocknung
auftritt.
Zusatz von SO³ entfärbt die Zellen wieder oder macht sie in eine Unzahl
kleiner Körnerchen zerfallen, die mit Körnchen von ausgeschiedenem Jod untermischt
sind. Concentrirte Kalilauge löst die durch längere Zeit bei erhöhter Temperatur
digerirten Zellen vollständig auf.
In einer, mit kalkhaltiger Kalilauge vermischten, in Wasser aufgeschwemmten Hefe
scheiden sich eine Menge Krystalle von oxalsaurem Kalk in Quadrat-Oktaedern
ab. Im Faßgeläger finden sich aber stets Krystalle von oxalsaurem Kalk, oft die
Größe der Hefenzellen mehrmals übertreffend.Ich habe den oxalsauren Kalk schon vor mehreren Jahren in Ausscheidungen
sowohl während der Haupt- als der Nachgährung gefunden und mich
überzeugt, daß in der Gerste keiner, in dem fertigen Malze nur Spuren, im
gegohrenen Biere aber stets größere Mengen von ihm auftreten und deßhalb
wahrscheinlich ein Product der Gährung sind.
Chromsäure wirkt auf die Zellen sehr energisch und ist,
in verschiedenen Concentrationsgraden angewendet, allen anderen Säuren
vorzuziehen.
Concentrirtere Chromsäure-Lösung bewirkt augenblickliche Contraction aller
Hefenzellen; dabei wird die oft sehr feinkörnige Structur des Protoplasmas
jugendlicher Zellen deutlicher sichtbar. Nach einigen Minuten löst sich die Membran
vom Zelleninhalte los und dieser zieht sich immer mehr zusammen. Nach einiger Zeit
sieht man nur mehr kleine, regelmäßige, runde Ringe mit Vacuolen, welche später auch
noch vollständig gelöst werden, während die Zellmembran nicht unbeträchtlich
aufquillt, und dann rasch in Lösung übergeht.
Bei Anwendung dieses Reagens in nicht zu verdünnter Lösung ergab sich auch die sehr
interessante Beobachtung, daß ganz jugendliche Hefenzellen noch keine Membran
besitzen; die Membran der Mutterzelle grenzt nur bis an die Verbindungsstelle der
Protoplasma-Masse der Mutter- und Tochterzelle. Deßgleichen findet an
den größeren Körnern in den Hefenzellen bei Anwendung des genannten Reagens wohl
Contraction der Körner, aber keine Abscheidung einer Membran statt, und erscheinen
diese Körner selbst bei 3–5000 facher Vergrößerung als gleichartige, stark
lichtbrechende Körner ohne irgend welche Structur im Inneren.
Unter den verschiedenen Salzen bewirken besonders Chlorzink und Chloraluminium Contraction unter
Freilegung des Primordialschlauches; weniger energisch wirken salpetersaures Silber, schwefelsaures Kupfer etc. auf die Hefenzellen
ein.
Kupferoxyd-Ammoniak bewirkt nur an manchen Zellen
eine bläulichgraue Färbung.
Von indifferenten Stoffen bewirken concentrirte Zucker- und Glycerinlösungen
Contraction des Primordialschlauches; weniger kräftig contrahiren concentrirte
Dextrinlösung und sehr concentrirte Bierwürze. Reine Candiszucker-Lösung,
selbst in sehr verdünntem Zustande (2–8 procentige), contrahirt die
Hefenzellen und beeinträchtigt ihre gährungsfähige Wirkung. Ebenso wie Reagentien
wirken Temperatur-Erhöhungen alterirend auf die Hefenzellen ein; junge Hefe
wird schon bei 27°C. granulös, während dieß bei alter Hefe erst bei
40°C. und darüber stattfindet.
Bierwürzen, über 45°C. erhitzt, hören zu gähren auf und wird auch über dieser
Temperatur bei mehrtägiger Digestion keine Gährung mehr eingeleitet, während mit
Hefe versetzte Würze bei 35°C. schon in einer halben Stunde lebhaft Gasblasen
entwickelt.
Absoluter Alkohol contrahirte die Hefenzellen
beträchtlich und in
Folge von Wasserentziehung bauchten sich die Zellen von einer Seite stark ein, so
daß sie ein napfförmiges Ansehen bekamen; andere hatten die Zellwand aufgesprengt
und einen Theil des Protoplasmas entlassen.
Durch Wasserentziehung werden die Zellen gänzlich getödtet, weßhalb auch Trocknen der
Hefe zur Conservation nicht mit Vortheil angewendet werden kann. Bringt man
künstlich getrocknete Hefe mit Wasser zusammen, so bemerkt man an den meisten Zellen
ein Aufreißen derselben; nur die in größeren Klumpen eingeschlossene und also nicht
vollständig ausgetrocknete Hefe ist unverändert, und es ist nur diese, welche noch
Gährung einzuleiten vermag. Selbst gewöhnlicher Branntwein wirkt alterirend auf die
Hefenzellen ein. Zusatz von alkoholischen Flüssigkeiten, wie Arrack, Kirschengeist
etc. zur Hefe beim Zeuggeben, zu vermeintlicher Kräftigung derselben, erscheint
somit als nicht gerechtfertigt.
Von Tinctionen sind es besonders Carmin und Anilin, welche sich für das Studium der
Hefenzellen eignen. Sehr intensiv färbt Anilin, jedoch nicht alle Zellen, sondern
nur die jüngeren. Ebenso werden auch die Leptothrix
Fäden sehr intensiv gefärbt.
II. Fortpflanzung der Hefe.
Die Fortpflanzung der Hefe findet auf zweierlei Weise statt:
1) durch Knospenbildung (Knospung, Sprossung) schon vorhandener Hefenzellen;
2) durch Auswachsen von Körnchen (Leptothrix-Körner), welche aus platzenden Hefenzellen hervortreten.
Die Sprossung der Bierhefe ist, wie ich gefunden habe, an allen Orten der Zellgrenze
möglich; doch ist nicht zu verkennen, daß sie am häufigsten am schmalen Ende der
Zellen eintritt. Hier erfolgt sie entweder geradezu an den Endpunkten der großen
Achse oder etwas seitlich.
Hat die Tochterzelle (d. i. die durch Knospung entstandene Zelle) etwa die Größe der
Mutterzelle erreicht, so ist sie wieder fortpflanzungsfähig u.s.w.
Die Erscheinungen, welche während dieses Knospungs-Vorganges beobachtet werden
können, sind folgende:
In einer Zelle mit ziemlich großer Vacuole verschwindet diese letztere ziemlich
vollständig; an ihre Stelle tritt sodann eine feinkörnige Masse; die in der
Hefenzelle ursprünglich schon vorhanden gewesenen Protoplasmakörner, sowie die Zelle
selbst vergrößern sich etwas und mit dem Voranschreiten des Wachsens der Zelle
vermehrt sich auch die Bewegung der Protoplasmakörner. Im Inneren der Hefe
concentrirt sich nicht selten an irgend einer Stelle diese körnige compactere Masse.
An einer solchen Zelle
tritt sodann alsbald Knofpung ein, und zwar bildet sich die Knospe stets an jener
Seite der Zelle, wo die genannte compactere Körnermasse liegt. Das Knöspchen
erscheint in Form einer Ausbauchung oder eines Stecknadelköpfchens.
Von dem körnigen Protoplasma der Mutterzelle treten nun erst die feineren, später
auch größeren Körnchen in die junge Zelle hinüber. Die Körnchen in der jungen Zelle
bewegen sich nach allen Richtungen in selber herum, ohne jedoch nach bestimmten
Richtungen zu strömen.
Wenn die jugendliche Zelle etwa die halbe Größe, oder etwas mehr, der Mutterzelle
erreicht hat, trennt sich das Protoplasma an der Verbindungsstelle zwischen
Mutter- und Tochterzelle, und in kurzer Zeit schnürt auch die Tochterzelle
wieder ab. Die Sprossungen der jungen Zellen gehen sehr rasch vor sich, so daß man
innerhalb zwei Tagen oft schon ein ganzes Haufwerk von Zellen, die noch mechanisch
aneinander haften, vor sich hat.
Gegen Ende der Hauptgährung im Großen, wenn das Bier schon anfängt sich zu klären,
schwimmen solche conglutinirte Hefenmassen, welche oft aus bloß einer Mutterzelle
hervorgegangen sind, und häufig aus mehr als hundert Zellen bestehen, als
Flöckenmassen in der Flüssigkeit herum.
Die Dauer der Abschnürung einer Knospe in gährungsfähigen Flüssigkeiten liegender
Hefenzellen hängt selbstverständlich von der Natur der Hefe, des Substrates und der
Temperatur ab, erfolgt aber in den meisten Fällen in etwa zwei Stunden. Alte
Hefenzellen, wie die des Faßgelägers brauchen hierzu die doppelte Zeit, hingegen
kleine Sprossen bloß 1–1 1/2 Stunde. Bedeutend rascher erfolgt die
Entwickelung der Hefe bei Anwendung eines heizbaren Object-Tisches. Erwärmt
man den Tisch auf 30–35°C., so ist schon nach Ablauf von einer
Viertel- oder halben Stunde eine Abschnürung beendet.
In alten Hefenzellen, wie solche z.B. im Faßgeläger sich häufig finden, existirt kein
Protoplasma mehr; dasselbe wurde zum Aufbau der Membran und Protoplasmakörner
verbraucht. Im Inneren solcher Zellen finden sich eben nur einzelne große Leptothrix-Körner vor, die im wässerigen Zellsafte
suspendirt sind.
Die zweite Art der Fortpflanzung der Hefenzellen durch Auswachsen der Leptothrix-Körner ereignet sich vorzugsweise an
alten Hefenzellen, bei welchen die Zellmembran die zur Knospenbildung erforderliche
Elasticität nicht mehr besitzt, und kann am besten bei Anstellung von Würze mit
Faßgeläger verfolgt werden.
Die in der Würze liegenden Hefenzellen vergrößern ihr Volumen sich, und nun erst treten sie
aus der berstenden Membran aus, so daß es den Anschein gewinnt, als könnte die
erstarrte Membran die neugebildete Körnermasse nicht fassen. Das Aufreißen der
Membran erfolgt in verschiedener Weise, manchmal bloß durch einen kurzen, manchmal
durch einen, die ganze Länge der Hefenzelle ablaufenden Riß. Das körnige Protoplasma
wird oft auf der doppelten Länge des Durchmessers der Zelle als ununterbrochene
Masse herausgeschleudert, wobei die Zelle fast um die Hälfte kleiner wird, und sich
auch meist der Primordialschlauch von der Zellwand ablöst.
Die in die Würze austretende Körnermasse vertheilt sich in die Flüssigkeit umher, das
Phänomen der Molecularbewegung zeigend; ein anderer Theil bleibt in Ruhe und wächst
innerhalb 4–6 Tagen zu Hefenzellen aus.
Bei dieser Entwickelung von Hefe findet man aber meist viele Leptothrix-Fäden und Ketten von Leptothrix-Körnern in der Flüssigkeit.
In einer mit Faßgeläger angestellten Würze findet man nach Beendigung der
Hauptgährung Hefenzellen verschiedener Abstufung bis zur normalen Größe der
Mutterzelle.
Das Phänomen der freiwilligen Gährung beruht auf einem Entwickelungsproceß der Leptothrix-Formen, weßhalb ich Veranlassung
nehmen will, hier einige meiner einschlägigen Beobachtungen mitzutheilen.
Die freiwillige Gährung tritt bekanntlich stets ein, wenn eine gährungsfähige
Flüssigkeit unter sonst für die Gährung günstigen Verhältnissen in unmittelbarer
Berührung mit der Atmosphäre steht. Wie ich finde, treten in derartigen, der
Selbstgährung überlassenen Flüssigkeiten anfänglich kleine Körnchen (Leptothrix) auf, welche sich allmählich vergrößern und
nun erst zu Hefe werden. Ob Leptothrix aus der
Atmosphäre in die Flüssigkeit wandert, oder ob in die Flüssigkeit gerathene
Hefenzellen platzen und ihres körnigen Inhaltes sich entledigen, konnte ich nicht
entscheiden.
Die bei der freiwilligen Gährung auftretende Hefe kann der mikroskopischen
Beobachtung sehr leicht entgehen, indem ihre Zellen nahezu dieselben
Brechungsexponenten besitzen, wie die Bierwürze. Durch Einwirkung von Jod tritt
jedoch diese Hefe alsogleich hervor. Genannte Hefe besteht aus länglichen Zellen und
ist reichlich mit Leptothrix-Körnern und Leptothrix-Fäden untermischt.
Im atmosphärischen Staube findet man stets Sporen, am häufigsten von Penicillum glaucum und Leptothrix-Körnern; Staub, wie er sich in Kühlhäusern findet, enthält
vorzüglich Sporen von Penicillum glaucum und Mucor Mucedo, deren Mycelien, dann Hefenzellen, Leptothrix-Körner und -Fäden.
Dieser Staub ist es, der die sogenannte freiwillige Gährung einzuleiten im Stande
ist.
In solchen freiwilligen Gährungen treten außer den Hefenzellen, welche fast immer
eine mehr elliptische Gestalt besitzen, große Mengen Leptothrix-Fäden auf. In allen von mit untersuchten Würzen, in
denen sich elliptische oder gar längliche Hefenzellen und Leptothrix-Fäden vorfanden, erfolgte eine vollständige Klärung des
Bieres. An Leptothrix reiche Hefe oder lange Hefenzellen
sind bei Anstellung von Gährung, wie ich mich auch durch Versuche im Großen
überzeugte, immerhin zu beseitigen, da sie keine völlige Klärung des Bieres zur
Folge haben.
Zum günstigen Verlaufe der Gährung ist unbedingt der Zutritt atmosphärischer Luft
erforderlich; bei gehemmtem Luftzutritt jedoch scheint die Entwickelung der Leptothrix ebenfalls zu erfolgen, wie sich aus
nachstehendem Versuche schließen läßt.
Gekochte, dann erkaltete Würze kam in einer verkorkten Flasche nach zwei Monaten bei
mittlerer Temperatur nicht zur Gährung, wohl aber hatte eine große Entwickelung von
Letothrix-Fäden stattgefunden.
Zur Ausführung meiner vorliegenden und weiterer, später zu veröffentlichenden
Untersuchungen war ich vorerst bedacht, mit die besten optischen Hülfsmittel
anzuschaffen, welche gegenwärtig zu Gebote stehen, nämlich das große Mikroskop von
Hartnack in Paris mit dem Immersions-System
Nr. 11, und dann das große, sehr ausgezeichnete Mikroskop von Powell und Lealand in London, mit dem Systeme
1/50, wovon bis jetzt nur sieben Exemplare gefertigt wurden, deren ganz vorzügliche
Leistungsfähigkeit auf dem Continente noch wenig bekannt zu seyn scheint und worüber
ich später besonders berichten werde.
Zu den Beobachtungen über das Wachsen der Hefenzellen und der Pilzsporen, welches oft
wochenlange zu verfolgen nothwendig wird, habe ich mit nach mehreren Versuchen in
folgender Weise einen passenden Object-Träger
zusammengestellt:
Derselbe ist eine Platte von reinem weißem Glase, 78 Millimeter lang, 52 Millimet.
breit und 3 Millimet. dick. In der Mitte der Breitenachse dieser Platte ist am
vorderen Rande eine Vertiefung (Reservoir) von 15 Millimet. Durchmesser und 1 1/2
Millimet. Tiefe eingeschliffen.
In die Mitte des Object-Trägers bringt man das zu beobachtende Object, bedeckt
es mit einem dünnen Deckglase von 30 Millimit. Durchmesser, so daß ein Theil des Deckglases
circa 5 Millimet. über das Reservoir hinreicht, und
legt dann, indem man das Reservoir überschüssig mit Nahrungsflüssigkeit füllt, zur
Beschwerung ein größeres Glas, 50 Millimet. lang, 38 Millimet. breit und 2 Millimet.
dick, in dessen Mitte eine Oeffnung von 20 Millim. angebracht ist, darüber auf.
Der so vorgerichtete Object-Träger gestattet die Anwendung von Luft-
sowohl als Immersions-Linsen und hat den sehr wesentlichen Vortheil daß, wenn
mittelst auf einem verschiebbaren kleinen Stativ stehenden Niveau-Fläschchens
von circa 50 Kub. Centim. Inhalt constantes
Flüssigkeits-Niveau in dem Reservoir unterhalten wird, man Gegenstände
wochenlang unter dem Mikroskop verfolgen kann.
(Die Fortsetzung folgt.)