Titel: | Ueber das Zerfallen von Verbindungen, insbesondere des Wassers, der Kohlensäure und des Kohlenoxyds, unter dem Einflusse höherer Temperaturen; von H. Sainte-Claire Deville. |
Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. LXXV., S. 285 |
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LXXV.
Ueber das Zerfallen von Verbindungen,
insbesondere des Wassers, der Kohlensäure und des Kohlenoxyds, unter dem Einflusse
höherer Temperaturen; von H. Sainte-Claire Deville.Aus Kopp und Will's
Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie, Physik etc. für 1860, 1863 und
1864, mit Berücksichtigung von Deville's neuesten
Mittheilungen.
Deville, über das Zerfallen des Wassers, der Kohlensäure u. des
Kohlenoxyds unter dem Einflusse höherer Temperaturen.
In einer früheren AbhandlungArchives des sciences physiques et naturelles
(Genève), t. IX p. 51. hat H. Sainte-Claire Deville die
Zersetzung der Verbindungen durch die Wärme und das sogenannte Zerfallen derselben
(la dissociation) in allgemeiner Weise betrachtet.
Er hebt hervor, daß die Wärme wohl auf alle Verbindungen zersetzend wirke, daß aber
diese Wirkung stufenweise eintrete und der Entfernung der eine Verbindung
zusammensetzenden Atome bis zu dem Grad, daß die Verwandtschaft derselben zu
einander ganz aufhört, ein allmähliches Voneinandergehen derselben vorausgehe. Er
unterscheidet die Zersetzungen durch Wärme, wo die frei gewordenen Bestandtheile
dann sich nicht wieder vereinigen; er bespricht, daß hierbei nur ausnahmsweise, und
namentlich bei Stickstoffverbindungen, ein Freiwerden von Wärme stattfindet.
– Er unterscheidet weiter die Erscheinungen des Zerfallens von Verbindungen
in der Wärme, deren Bestandtheile, wenn bei dem Erkalten in Berührung mit einander,
wieder zusammentreten können.
Er bespricht namentlich das Zerfallen des Wassers bei
erhöhter TemperaturBei Versuchen, welche Deville gemeinsam mit Debray anstellte und wo mehrere Kilogramme
geschmolzenes Platin in Wasser gegossen wurden (einmal trat eine sehr
heftige Explosion ein), entwickelte sich reichlich Knallgas, welches an der
Oberfläche des Wassers entzündet werden konnte., und daß dazu schon bei etwa 1000°C. (der Schmelztemperatur des
Silbers) Neigung vorhanden ist, während doch bei dem Verbrennen von Knallgas eine
höhere Temperatur, als die Schmelzhitze des Platins, erzeugt wird. Er vergleicht die
Verwandtschaft, welche z.B. die Bestandtheile des Wassers bei niedrigen Temperaturen
zusammenhält, der größeren Cohäsion starrer Körper; den Zustand, in welchem stärker
erhitzte, noch nicht zerfallene aber zum Zerfallen bereits geneigte Verbindungen
sind, dem flüssigen Zustand, und das wirkliche Zerfallen solcher Verbindungen bei
noch stärkerem Erhitzen, dem Uebergang in den gasförmigen Zustand; in dem Zustande,
wo die Bestandtheile einer Verbindung vergleichungsweise wie flüssig leichtbeweglich
an einander sind, genügt, um eine vollständige Trennung dieser Bestandtheile
(derjenigen des Wassers bei etwa 1000 bis 2000°) herbeizuführen, eine
mechanisch wirkende Ursache (Platin bei etwa 2000°), das Absorptionsvermögen
einer Substanz (die des Bleioxyds oder des Silbers für Sauerstoff bei etwa
1000°) oder ein (für sich zur Bewirkung der Zersetzung nicht ausreichendes)
Verwandtschaftsvermögen eines Körpers (des Eisens z.B.) zu Sauerstoff.
In seinen weiteren Mittheilungen über das Zerfallen von Verbindungen unter dem
Einflusse höherer TemperaturenComptes rendus, t. LVI p. 195; Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXXVI S. 184. führt Deville zunächst einige Versuche an, welche
ihm die Permeabilität von Röhren aus Irdenzeug für Gase
bestätigten. Wasserstoff, der in raschem Strom durch eine solche poröse Röhre
geleitet wird, diffundirt vollständig in die atmosphärische Luft, welche, ungeachtet
des in der Röhre herrschenden Drucks, in dieselbe eintritt; das ausströmende, über
der Wanne aufgefangene Gas enthielt 20,8 Proc. Sauerstoff und 79,2 Proc. Stickstoff.
Wird die poröse Röhre mittelst zweier Korke in eine weitere Röhre von PorzellanDie von Deville benutzten, innen und außen
glasirten Porzellanröhren zeigten sich vollkommen undurchdringlich. eingefügt und jede der beiden Röhren mit Gasleitungsröhren in der Weise
versehen, daß ein gesonderter Gasstrom sowohl durch das innere Rohr als durch den
äußeren Zwischenraum von ringförmigem Querschnitt geleitet werden kann, so findet
beim Durchleiten von Wasserstoff durch den inneren und von Kohlensäure durch den
äußeren Hohlraum ebenfalls Diffusion statt: aus der porösen Röhre tritt fast reines
Kohlensäuregas, aus der äußeren dagegen Wasserstoff aus. – Leitet man,
während der Apparat auf 1100° bis 1200° erhitzt wird, Wasserdampf
durch die innere Röhre und Kohlensäure in den äußeren Raum (welcher zu diesem
Versuch mit Stücken von Biscuit auszufüllen ist), und fängt man die ausströmenden Gase
gemeinschaftlich in einer hohen Gasröhre über Kalilauge auf, so sammelt sich in
derselben ein explosives Gemisch von Wasserstoff (aus der äußeren Röhre), Sauerstoff
(welcher nebst der Kohlensäure aus der inneren Röhre tritt), Kohlenoxyd, von der
Einwirkung des Wasserstoffs auf die Kohlensäure herrührend, und Stickstoff, von der
Luft der Gefäße. Auf je 1 Gramm Wasser wurde etwa 1 Kubikcentimeter Knallgas
erhalten; doch war der Sauerstoff gewöhnlich in geringem Ueberschuß. Deville führt dann an, daß Wasserdampf, in einer Röhre
von Platin bis nahe zum Schmelzpunkte dieses Metalles erhitzt, sich in derselben
nicht in bemerkbarer Weise zersetzt oder sich beim Austritt wieder vollständig
reconstituirt, und daß demnach in der Anwesenheit der Kohlensäure der wesentliche
Grund für das Zerfallen in dem angeführten Versuche liegen muß. – Bezüglich
dieses Zerfallens selbst gibt Deville folgende Erklärung:
Oberhalb 2500° findet vollständige Zersetzung des Wassers statt, indem die
Bestandtheile desselben unter Aufnahme von latenter Zersetzungswärme (welche Deville aus bekannten Daten berechnet) in einen Abstand
gerückt werden, welcher größer ist als der Radius ihrer Anziehungssphäre. Theilweise
wird das Wasser jedoch schon weit unterhalb jener Temperatur (bei der Schmelzhitze
des Silbers, 960° bis 1000°) zerlegt. Dieses Zerfallen von
Verbindungen im Allgemeinen bei verhältnißmäßig niederen, d.h. bei solchen
Temperaturen, welche von der für die vollständige Trennung der Bestandtheile
erforderlichen noch beträchtlich abstehen, vergleicht Deville mit dem Verdampfen von Flüssigkeiten unterhalb ihres Siedepunktes.
Diejenige Menge eines Dampfes, welche bei einer gegebenen Temperatur zerfallen kann,
ist seiner (in Millimetern Quecksilberhöhe ausdrückbaren) Dissociationstension
proportional. Ebenso wie Flüssigkeiten in ihrem eigenen Dampfe keine Tension zeigen,
sogleich aber weiter verdampfen, wenn diese Atmosphäre entfernt wird, so ist auch
die Menge des im Porzellanballon z.B. bei 1200° zerfallenen Wasserdampfes
unmerklich, weil die spurweise entstandenen Zersetzungsproducte nicht entfernt
werden; sie wird dagegen erheblich, wenn dieser Bedingung der Elimination der
Zersetzungsproducte entweder durch Diffusion, wie in dem angeführten Versuch, oder
durch Absorption genügt wird.
Nach einer weiteren Mittheilung von Deville
Comptes rendus, t. LVI p. 322; Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXXVI S. 311. kann auch beim Durchleiten von mit Wasserdampf gesättigter Kohlensäure durch
eine Porzellanröhre, die mit reinen ausgeglühten Porzellanstücken vollständig gefüllt ist und mittelst
eines Gebläses möglichst stark erhitzt wird, eine kleine Menge von Wasserdampf
zerlegt werden. In zwei Versuchen betrug das explosive Gasgemisch, in hohen
Glasröhren über Kalilauge aufgefangen, nach zweistündiger Entwickelung 25 bis 30
Kubikcentimeter und enthielt:
I
II
O
46,1
46,8
H
35,4
31,9
CO
12,0
10,7
N
6,5
10,6
Daß in diesen Versuchen die Zerlegung weniger bedeutend ist, als bei Anwendung
poröser Röhren, beruht, wie Deville annimmt, auf einer
theilweisen, an den weniger heißen Stellen des Apparates stattfindenden
Wiedervereinigung des Wasserstoffes und Sauerstoffes, die nicht wie dort durch eine
(als Filter wirkende) poröse Röhre geschieden werden. Daß die Wiedervereinigung
keine ganz vollständige ist, hat seinen Grund einerseits in der Anwesenheit der
verdünnend wirkenden Kohlensäure, andererseits in der Schnelligkeit des Gasstromes,
welcher die Zersetzungsproducte sogleich in Regionen von niedrigerer Temperatur
führt. Ebenso findet Deville die Erklärung für die sich
scheinbar widersprechenden Thatsachen, daß beim Eingießen von geschmolzenem Platin
in Wasser sich Knallgas (mit Stickstoff) entwickelt, während Platin in der
Knallgasflamme geschmolzen wird und reiner Wasserdampf in einer heftig glühenden
Platinröhre nicht zum Zerfallen gebracht werden kann, darin, daß im ersten Falle die
in Berührung mit dem glühenden Metall gebildeten Zersetzungsproducte des
Wasserdampfes sich beim Aufsteigen schnell unter die für die Verbrennung
erforderliche Temperatur abkühlen und zugleich durch das im Wasser gelöst gewesene,
entbundene Stickgas verdünnt werden, während im anderen Falle der Wiedervereinigung
sowohl wegen der Abwesenheit fremder Gase, als wegen der durch die latente Wärme des
Wasserdampfes in allen Theilen des Apparates unterhaltenen hohen Temperatur kein
Hinderniß entgegen steht.
Zerfallen der Kohlensäure. – Deville hat ferner
das Zerfallen der Kohlensäure beobachtet.Comptes rendus, t. LVI p. 729; Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXXVII S. 108. Vollkommen reines Gas, welches mit einer Schnelligkeit von 7,83 Liter in der
Stunde durch eine auf etwa 1300° erhitzte, mit Porzellanstücken gefüllte
Porzellanröhre (diese
war in einer weiteren Porzellanröhre befestigt, welche ihrerseits wieder in ein
eisernes, mit Thon beschlagenes Rohr eingeschoben wurde) strömte, lieferte in einer
Stunde 20 bis 30 Kubikcentimeter eines von Kalilauge nicht absorbirbaren
Gasgemisches von der Zusammensetzung 30,0 Volumprocente O; 62,3 CO; 7,7 N. Dieselbe
Menge Kohlensäure, in derselben Zeit durch den kalten Apparat geleitet, gab einen
unabsorbirbaren Rückstand von nur 1,4 Kubikcentimetern, 14 Vol. O und 86 Vol. N
enthaltend.
Diese Versuche ließen Deville vermuthen, daß die
Zerfallungs-Tension der Kohlensäure bei Temperaturen von ungefähr
1200° eine schon recht starke seyn müsse. Und in der That bewirkt nach seinen
späteren VersuchenComptes rendus, t. LX p. 317; Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXXXV S. 103. der elektrische Funke die Zersetzung der
Kohlensäure in der Art, daß das Volum des Gases nach dreimal vierundzwanzig Stunden
um l Siebentel des ursprünglichen Volums zugenommen hat,
und da die Volumzunahme der Hälfte des Volums der zersetzten Kohlensäure entspricht,
so beträgt die letztere 28 Proc. von dem ursprünglich angewendeten Gasvolum.
Zerfallen des Kohlenoxyds. – Daß Kohlenoxyd ebenso
wie Wasser und Kohlensäure schon bei mäßig hoher Temperatur theilweise zerfällt,
d.h. sich in Kohlenstoff und Sauerstoff spaltet, hat Deville durch folgenden Versuch nachgewiesen.Comptes rendus, t. LIX p. 873; Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXXXIV S. 122;
polytechn. Journal Bd. CLXXVI S.
404. Eine in einem Ofen eingesetzte Porzellanröhre wird an beiden Enden mit
Korken verschlossen, welche eine in der Achse des Porzellanrohres liegende dünne
Messingröhre von etwa 8 Millimeter Durchmesser, die zu beiden Seiten aus den Korken
hervorragt, sowie die erforderlichen Gasleitungsröhren aufnehmen. Zwei im Inneren
des Porzellanrohres angebrachte Diaphragmen grenzen den zu erhitzenden Theil
desselben ab. Leitet man, während der Ofen erhitzt wird, reines (von Luft und
Kohlensäure freies) Kohlenoxydgas durch die Porzellanröhre (4 bis 6 Liter in der
Stunde) und gleichzeitig einen continuirlichen Strom von kaltem Wasser durch das
Messingrohr, so zeigt sich das ausströmende Gas kohlensäurehaltig, sobald der
Apparat lebhaft rothglüht; das Messingrohr (dessen Temperatur an den heißesten
Stellen der Porzellanröhre bei Deville's Versuch nicht
über 10° stieg) beschlägt sich auf seiner unteren Seite mit Kohle. Deville vergleicht diesen Vorgang mit jenem bei der
Einwirkung elektrischer Funken. Er nimmt an, daß das durch Dissociation gebildete Gemenge von
Kohlenstoff und Sauerstoff, indem es in Folge der Erwärmung aufsteigt, an der kalten
Metallfläche seinen Kohlenstoff absetzt und der freigewordene Sauerstoff sich mit
unzersetztem Kohlenoxyd zu Kohlensäure verbindet.
Es geht hieraus hervor, daß das Kohlenoxyd selbst bei Gegenwart von Kohlenstoff sich
theilweise zu Kohlensäure umwandeln muß.
In der That, bringt man nach einem neueren Versuche von Deville
Comptes rendus, t. LX p. 317; Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXXXV S. 100. in ein Rohr aus grünem Glase eine abgewogene Menge Kienruß, welcher lange
Zeit in einer Atmosphäre von Kohlenoxydgas geglüht war, läßt man über diesen Kienruß
vollkommen reines Kohlenoxydgas streichen und läßt endlich das aus dem Apparat
austretende Gas in, Barytwasser oder in die Kalilösung eines Liebig'schen Kugelapparates treten, so constatirt man, daß das Gewicht des
Rohres mit Kienruß in Folge der darin vorgegangenen Ausscheidung von Kohlenstoff
merklich zugenommen hat und daß die absorbirenden Flüssigleiten eine entsprechende
Menge Kohlensäure aufgenommen haben. Dieses Zerfallen ist bei der Schmelztemperatur
des Glases sehr schwach, welche Temperatur man jedoch erreichen muß, was diesen
letztbesprochenen Versuch sehr schwierig macht. Bei einem Versuche, welcher einige
Stunden lang dauerte, schieden sich auch nur 4 Milligrm. Kohlenstoff in dem den
Kienruß enthaltenden Rohre aus, und dabei wurden in den Absorptionsröhren 18
Milligrm. Kohlensäure erhalten. Wendet man aber ein Porzellanrohr an der Stelle des
Glasrohres an und begnügt sich damit, nur die Kohlensäure zu wägen, so kann man, bei
einer unterhalb des Schmelzpunktes des Silbers liegenden Temperatur, sehr rasch
mehrere Decigramme Kohlensäure sich bilden lassen, indem man 10 bis 15 Liter
Kohlenoxydgas über geglühten Kienruß leitet. So beweist man die anscheinend paradoxe
Behauptung daß das Kohlenoxyd bei der Berührung mit zum Rothglühen erhitzter Kohle
theilweise zu Kohlensäure umgewandelt wird.
Der elektrische Funke, welcher in derselben Art wie der
oben besprochene Apparat mit dem heißen und dem kalten Rohr wirkt, zeigt das
Zerfallen des Kohlenoxyds in der deutlichsten Weise. Bringt man in ein Eudiometer
220 Volume reines Kohlenoxydgas und läßt den Funken 72 Stunden lang
hindurchschlagen, so vermindert sich das Volum des Gases auf 217 Vol. In diesem Gas
zeigt Kali 5 Vol. Kohlensäure an,Der Rückstand ist reines, durch Kupferchlorür vollständig absorbirbares
Kohlenoxydgas wornach die Menge des durch den Funken zersetzten Kohlenoxydes nur 22 Tausendtel der
Gesamtmenge dieses Gases beträgt. Die Zerfallungs-Tension des Kohlenoxydgases
ist also bei einer schon sehr hohen Temperatur ungemein klein, wie dieß auch aus den
Versuchen mit dem Apparat aus dem heißen und dem kalten Rohre hervorgeht.