Titel: | Ueber das neue transatlantische Kabel. |
Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. CI., S. 417 |
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CI.
Ueber das neue transatlantische
Kabel.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Ueber das neue transatlantische Kabel.
Die große Unternehmung, eine directe telegraphische Verbindung von England mit den
Vereinigten Staaten von Nordamerika, die seit dem Jahre 1857 mit so ungeheurem
Aufwande betrieben wurde, durch ein einziges Kabel herzustellen, ist nach zwei
großartigen Versuchen, die in den Jahren 1858 und 1865 durchgeführt wurden, nunmehr
in ihr drittes Stadium getreten: der große Dampfer „Great
Eastern,“ welcher vermöge seiner complicirten Maschinen den Gebrauch
sowohl der Ruderräder als auch der Schrauben dem ganzen Umfange nach gestattet und
so bei jeder Witterung arbeitsfähig ist, hat von der kleinen Insel Valentia an der
Westküste der irischen Grafschaft Kerry aus das Kabel in den Ocean versenkt, und ist
mit dem anderen Ende der unterseeischen Linie am 27. Juli dieses Jahres Abends 8 3/4
Uhr zu Trinity-Bay auf Neufundland glücklich gelandet. Von den 2730
nautischen oder SeemeilenEine nautische Meile = 6073 englische Fuß. Kabelrollen, von denen ein Theil dem vorjährigen Kabel angehört, hat der
Dampfer „Medway“ 400 Meilen an Bord genommen, und außerdem
wurde die Expedition von einem weiteren Reserve-Dampfer und dem Kriegsschiffe
„Terrible“ begleitet. Die Telegramme werden seit der
Verbindung mit dem Inneren Amerika's bis jetzt sicher befördert, und insoferne sind
also die von den Delegirten der Telegraphen-Compagnie in Aussicht genommenen
Erwartungen in Erfüllung gegangen. In welchem Zustande das Kabel an verschiedenen
Stellen der beiläufig 2000 Seemeilen langen Linie sich gegenwärtig befindet, und
welche Zustände dasselbe nach kürzerer oder längerer Zeit annehmen werde, darüber
lassen sich Vermuthungen anstellen. Zu derartigen Vermuthungen berechtigen
allerdings die bei anderen unterseeischen Linien innerhalb der letzten 10 Jahre
gewonnenen Erfahrungen; vielleicht werden wir bei einer späteren Gelegenheit
derartige Erfahrungen, wie sie uns aus den reichhaltigen Quellen bekannt geworden sind,
zusammenstellen.
Aus einem von W. Thomson in der Royal Society in der jüngsten Zeit gehaltenen VortrageCivil Engineer and Architecht's Journal, April
1866, S. 110. scheint hervorzugehen, daß das Mißlingen der vorjährigen Expedition, bei
welcher es gelungen ist, eine Kabellänge von 1200 Seemeilen von Valentia aus
auszulegen, hauptsächlich dem Umstande zuzuschreiben sey, daß die Geschwindigkeit
des Schiffes zu groß gewesen war; es soll das Kabel erst den Meeresboden erreicht
haben, als das Schiff schon 14 nautische Meilen entfernt war. Den Erörterungen von
Thomson zufolge soll die Kabellegung im Jahre 1858
tadellos stattgefunden haben; nach Vollendung der Linie habe man damals nicht
weniger als 100 verschiedene Depeschen, zusammen mit 4359 Worten befördert, und
hierauf erst sey die Linie in den Zustand der Unthätigkeit gekommen. Es habe sich
also schon damals die Möglichkeit der Ausführung des Unternehmens gezeigt; die
Untersuchungsmethoden für die Isolationsfähigkeit der einzelnen Kabelstrecken und
letztere selbst seyen zu unvollkommen gewesen. Die Delegirten der Atlantic Company
Die Commission bestand aus nachbenannten Mitgliedern: S. Canning, Oberingenieur; J. Anderson, Befehlshaber des „Great Eastern“;
D. Gooch, Präsident der
Schiffs-Gesellschaft; H. Clifford,
Ingenieur; William Thomson, Prof. der Physik an
der Universität Glasgow; Cromwell P. Varley, Rath
in elektrischen Angelegenheiten und Elektriker der International Telegraph Company; W. Smith und J. Despecher. bestätigen unter Anderem, daß sowohl die Isolationsfähigkeit als auch die
Leitungsfähigkeit nicht verschlechtert, sondern wesentlich erhöht werde, wenn das
Kabel in die Tiefen des Oceans versenkt werde, da hier die Temperatur geringer sey
als in seichterem Wasser; daß es bei vier Versuchen gelungen sey, bei der
vorjährigen Expedition das Kabel in einer Tiefe von 2 Meilen mittelst Anker etc.
festzuhalten; daß der Auslegapparat an Bord des „Great Eastern“
tadellos functionirte; daß man mit den jetzigen verbesserten Telegraphenapparaten
mit einer Geschwindigkeit von mehr als 8 Worten per
Minute signalisiren könne; im tiefsten Wasser sey das Kabel von keiner größeren
Traction als 14 Centner in Anspruch genommen worden, während sein Sicherheitsmodul
in der Wirklichkeit 7 Tonnen betrage; Längen von 4 nautischen Meilen des
atlantischen Kabels, die man aus einer Tiefe von 2 Meilen heraushob, ließen bei der
Untersuchung weder eine Verminderung der Isolationsfähigkeit, noch eine durch den
Aushebapparat hervorgebrachte Beschädigung erkennen; die Isolationsfähigkeit des
Kabels vom Jahre 1865 sey wenigstens 100mal besser als die des Kabels vom Jahre 1858, obgleich man letztere
damals als tadellos erklärte; während der Expedition werden die Untersuchungen
beständig mit solcher Genauigkeit und Sicherheit vorgenommen, daß man nicht bloß
jeden eintretenden Fehler entdecken müsse, sondern der Ort des Fehlers sofort
gefunden werden könne, daher etwaige Mängel sogleich auf dem Schiffe wieder
beseitigt werden können und das betreffende Kabelstück dann tadellos auf den
Meeresgrund versenkt werden könne u.s.w.
Aus dem umfassenden Vortrage Thomson's mag es ausreichen,
hier das Wesentlichste hervorgehoben zu haben; dagegen dürfte es nicht uninteressant
seyn, noch einiger anderer Ansichten zu erwähnen, die ebenfalls der jüngsten Zeit
angehören. In einem Vortrage in der Versammlung der Atlantic
Company vom 2. April d. J., welcher Graf Shrewsbury präsidirteCivil Engineer and Architect's Journal, März
1866, S. 59., wurde von der von dieser Compagnie angenommenen Route ganz abgesehen und
dafür ein Vorschlag – dem ähnlich, welcher schon im Jahre 1861 von dem
amerikanischen Obersten Schaffner
Comptes rendus, t. LII p. 1090. der dänischen Regierung etc. vorgelegt wurde – berathen, der unter
Anwendung des von Macintosh construirten Kabels eine
zweckmäßigere Route als jene empfiehlt. Nach den von Macintosh bei jener Gelegenheit gegebenen Erläuterungen sey es am
vortheilhaftesten, die Verbindung von England mit den Vereinigten Staaten, über
Falmouth und Cape Cod herzustellen. Die vorgeschlagene Route würde seichte
Wasserstrecken passiren und in vier Abtheilungen dabei zerlegt werden: Chaucer's
Bank, Milne Bank und Newfoundland Bank berühren, so daß bei eintretenden Unfällen
alle Sicherheit für die Wiederherstellung der Linie gegeben wäre. Das von Macintosh construirte Kabel wurde mit dem Zubehör schon
vor etwa 8 Jahren für England patentirt; ein eigenthümliches neues Isolationsmittel
wurde dabei in Anwendung gebracht, durch welches der Isolationswiderstand im
Vergleiche mit dem vorjährigen atlantischen Kabel so groß sey, daß seine
signalisirende Kraft um 80 Procent stärker würde als die des letzteren; wollte man
diesem den gleichen Vertheilungswiderstand ertheilen, so müßte die
Gutta-percha-Hülle desselben das Fünffache des Gewichtes haben, das
sie bei dem Kabel des Jahres 1865 besitzt. Alle Draht- und Hanfumwickelungen
etc. seyen dabei vermieden, der Leitungskern besteht aus einer Reihe von dünnen,
longitudinal neben einander gelegten und durch das isolirende Material fest unter
sich vereinigten Kupferdrähten, während dieses Drahtbündel in gespanntem Zustande und unter einem
Drucke von mehreren Tonnen von vielfachen, aber dünnen Häutchen des
Isolationsmateriales umpreßt wurde; die Anfertigungskosten des Macintosh'schen Kabels seyen weit geringer als die des atlantischen, so
daß man um die Auslagen, welche das letztere erforderte, drei äquivalente anfertigen
lassen könnte, von denen jedes einem weit größeren Wasserdrucke ausgesetzt werden
dürfe, als das transatlantische. Macintosh machte sich
anheischig, ein transatlantisches Kabel zu liefern, dessen Kosten per Meile nur 100 Pfd. Sterl. betragen. Zum Vergleiche
beider Kabelsorten werden die nachstehenden (mit den unten angeführten Angaben nicht
ganz übereinstimmenden) Elemente angegeben, wobei die in der verticalen Spalte A enthaltenen dem neuen atlantischen, die in der Spalte
M dem Kabel von Macintosh
angehören. Die Leitungsfähigkeit des Drahtkernes ist bei beiden dieselbe.
A
M
Gewicht der isolirenden Hüllen per nautische Meile
400 engl. Pfd.
400 Pfd.
Durchmesser des Kabels
1 1/16 engl. Zoll
1/2 engl. Zoll
Gesammt-Gewicht per
nautische Meile in der Luft
35 3/4 engl. Ctr.
6 Ctr. 28 Pfd.
„
„ „
im Wasser
14
„
1 3/4 Centner
specifisches Gewicht
2,1
1,3
Länge des Kabelstückes das durch sein eigenes
Gewicht
zerreißt
11000 Fäden
17000 Fäden
Gesammt-Gewicht des 2300 Seemeilen langen
Kabels
4111 Tonnen
718 Tonnen.
Bei der von Macintosh vorgeschlagenen Strecke war an
keiner Stelle die See tiefer als 100 bis 200 Fäden, die Distanz zur ersten Bank war
900, zur nächsten 500, zur darauffolgenden 500 und zur letzten 430 engl. Meilen. Der
einzige Nachtheil, den man dieser Linie vorzuwerfen hatte, war der, daß nicht
weniger als 9 Küstenkabel nothwendig wären, deren Instandhaltung mit großen
Schwierigkeiten verbunden sey.
Von einer anderen Seite werden zwar keine neuen Vorschläge gemacht, dieselbe läßt
sich hingegen gelegentlich der Beschreibung des neuen Kabels in eingehende
Betrachtungen ein über das künftige Schicksal desselben.Engineer, Juli 1866, S. 1. Indem hier die aus den Sondirungsarbeiten hervorgegangenen Daten durchgangen
werden, wird unter Anderem besonders hervorgehoben, wie eine Bürgschaft nicht zu
erkennen sey, daß mit der Zeit durch die Meeresströmungen, wie sie namentlich in der
Nähe von Neufundland herrschen sollen, das Kabel nicht über Felsenabhänge auf den
Meeresboden geschleudert
oder unfern von der Küste gegen die Felswände geworfen werde, so daß seine
Beschädigung ebenso wie solche bei anderen unterseeischen Linien schon vorgekommen
sind, wo die stärksten Kabel trotz ihrer panzerartigen Umhüllungen in Folge
derartiger Ereignisse zerrissen wurden, zu befürchten in Aussicht genommen werden
dürfte, und seine Unthätigkeit mit der Zeit ebenso eintreten könnte, wie die der
Linie vom J. 1858. In der Nähe der Küsten von Neufundland sey das Kabel dabei noch
anderen Unfällen ausgesetzt. Es sey nämlich bekannt, daß die durch polare
Meeresströmungen nach dieser Gegend hin geführten Eismassen durch die Einwirkung des
Golfstromes geschmolzen werden, wobei sie beträchtliche Gesteins- und
Erdmassen, die sie mitführen, auf den Grund des Meeres absetzen; wenn diese in der
Nähe des Kabels sich ablagern, so müsse die Conservirung der Kabellinie mindestens
als zweifelhaft erscheinen.
Zum Schlusse dieser vorläufigen Mittheilungen wollen wir nunmehr die Anordnung des
neuen transatlantischen Kabels (nach dem Engineer, Juli
1866, S. 1) betrachten. In Fig. 1 ist ein Kabelstück
in wirklicher Größe seiner äußeren Gestalt nach, in Fig. 2 ein Querschnitt
desselben abgebildet. Als Leitungskern wurde ein Kupferstrang benutzt, der aus
sieben einzelnen Drähten – Nr. 18 des engl. Drahtmaaßes – besteht; um
den innersten longitudinal fortlaufenden Draht sind die sechs übrigen so gewunden,
daß ein Bruch eines einzelnen nicht als wahrscheinlich angenommen werden könne. Das
Gewicht des Kupferstranges beträgt per nautische Meile
300 Pfd. Zunächst ist dieser Strang mit einer Schichte der Chatterton'schen Composition umgeben, und außerdem ist derselbe (Fig. 2) mit
vier Lagen von Gutta-percha umpreßt, wobei zwischen je zwei solchen Lagen
eine Hülle der Chatterton'schen Composition sich
befindet. Auf diese Weise sind Drahtkern und isolirende Hüllen in compacte und feste
Verbindung unter sich gebracht. Der Durchmesser des Kabelkernes mit seiner
isolirenden Umpressung ist 0,464, der Umfang dieses
Gutta-percha-Kabels also nahezu 1,457 engl. Zoll; das Gewicht beträgt
400 Pfd. per Seemeile. So weit ist also das neue Kabel
von dem vorjährigen nicht wesentlich verschieden; seine äußere Umhüllung ist jedoch
etwas anders angeordnet, da die Umpressung mit Kautschukstreifen, sowie die
Anwendung der gewöhnlichen Theermittel dießmal weggelassen worden ist. Das
Gutta-percha-Kabel ist nämlich zunächst mit gewöhnlichem, durch ein
nichtleitendes Schutzmittel präparirtem Hanfgarne umwickelt, und diese Lage wird von
10 Drähten aus sogen. homogenem und nur schwach galvanisirtem Eisen spiralförmig
umpreßt; jeder dieser Drähte ist jedoch für sich vorher mit einem fünffachen Taue von weißem
Manilla-Garn, das wieder zu diesem Zwecke in einer eigenthümlichen, nicht
isolirenden Substanz getränkt wurde, umwunden worden. Das Gewicht der nautischen
Meile des fertigen Kabels beträgt in der Luft 31 Centner, im Wasser 14 3/4 Ctr., und
sein Bruchmodul soll 5,1 Tonnen betragen. Vermöge seiner Anordnung soll das neue
Kabel weit weniger Veranlassung zu Nebenschließungen (im Inneren) geben und außerdem
weit geringere Herstellungskosten erfordert haben als das Kabel vom J. 1865.
Die Methoden, welche angewendet wurden, um die einzelnen Kabelrollen auf dem Schiffe
zu untersuchen, wurden von W. Smiths
Mechanics Magazine, April 1866, S. 211. vorgeschlagen und ausgeführt, und unterscheiden sich von den bekannten im
Allgemeinen durch die Genauigkeit, die sie gestatten. Die Untersuchungsmethode,
welche bei der Kabellegung benutzt wird, ist in dem Schema Fig. 3 erläutert. Hierin
bedeutet B die am Bord des Schiffes aufgestellte
Batterie, deren einer Pol C zur Erde abgeleitet, während
zwischen dem anderen Z und dem Kabelende das
Untersuchungsgalvanometer G eingeschaltet ist. Zwischen
dem Uferende des Kabels (Valentia) und der Erde ist ein Rheostat R mit sehr bedeutendem – fast der ganzen
Kabellänge gleichen – aber unveränderlichem Widerstande eingeschaltet und das
Untersuchungsgalvanometer G', das mit dem an der
Schiffsstation bei G vollkommen übereinstimmend
angeordnet und sehr empfindlich seyn muß. Unter normalen Umständen werden beide
Galvanometer einen bestimmten Ausschlag nach einem Sinne geben; findet aber irgendwo
eine Nebenschließung statt, so erhält die Küstenstation entweder kein Zeichen, oder
der Ausschlag der Galvanometernadel G' wird in
entgegengesetztem Sinne, wie vorher, erfolgen. In einem derartigen Falle kann
– trotz der eingetretenen Fehlerstelle – der Telegraphist der
Küsten- oder Uferstation mit dem Schiffe sich in Communication versetzen. Von
dem Kabelende U aus geht nämlich eine Abzweigung zu
einem Taster K, während von dem in der Nähe des
letzteren isolirt angebrachten Contacte A zur Erde ein
Zweigdraht geht, in welchen ein Rheostat R'
eingeschaltet ist, dessen Widerstand in bestimmter Weise je nach Willkür abgeändert
werden kann. Wird daher der Contact zwischen K und A hergestellt, so kann man je nach der Dauer des
letzteren und unter gehöriger Abänderung – Verkleinerung und Vergrößerung
– des Widerstandes in R' an der Nadel des
Schiffs-Galvanometers Impulse von verschiedener Dauer oder auch Ablenkungen
von verschiedener Größe bewirken, von denen die kürzeren etwa
„Punkte,“ die längeren aber „Striche“
bedeuten, um mittelst Benutzung der Schriftsprache des Morse'schen Telegraphen die zeitweise Correspondenz zwischen der
Küsten- und Schiffsstation ausführen zu können.