| Titel: | Zymotechnische Miscellaneen; von Dr. J. C. Lermer, Brau-Techniker. | 
| Autor: | Johann Karl Lermer [GND] | 
| Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. CXVIII., S. 471 | 
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                        CXVIII.
                        Zymotechnische Miscellaneen; von Dr. J. C. Lermer,
                           Brau-Techniker.
                        (Fortsetzung von S. 143 dieses Bandes.)
                        Lermer, über gefrorenes Bier.
                        
                     
                        
                           VII. Ueber gefrorenes Bier.
                           Man kann mit Recht sagen, daß die Anwendung der Wärme die Grundlage der Industrie
                              ist. Es liegt dieß zum großen Theil in dem Umstande, daß wir uns verhältnißmäßig
                              leicht Wärme verschaffen können. Wäre ein Gleiches hinsichtlich der Kälte der Fall,
                              so würde diese, wie die neuesten Thatsachen hinlänglich beweisen, ein eben so großer
                              Hebel in der Industrie werden, und liegen bereits die ersten Schritte nach dieser
                              Richtung hinter uns.
                           Die jetzt so bedeutende Anwendung des Eises im Brauwesen gehört gleichwohl der
                              Neuzeit an. So nahe das Mittel auch lag, war es doch bis vor einigen Jahren noch
                              wenigen Brauern eingefallen, dasselbe in ihrem Betriebe zu verwenden. In der
                              Jetztzeit können wir uns aber kaum mehr vorstellen, wie man ohne Benutzung von Eis
                              ein den Anforderungen genügendes Product überhaupt zu erzeugen und das ganze Jahr
                              hindurch verfügbar zu erhalten vermöchte.
                           Nachdem in den letzten Jahren Maschinen von beträchtlichen Dimensionen hergestellt
                              worden waren, um das Eis für den allgemeinen Gebrauch künstlich zu erzeugen, kam man
                              auch auf den Gedanken, gefrorene Biere darzustellen; ich satz mich dadurch –
                              bei den sparsamen wissenschaftlichen Untersuchungen in diesem Betreff – zu
                              einigen Versuchen mit gefrorenem Biere veranlaßt, welche den Gegenstand vorliegender
                              Mittheilung bilden.
                           Man weiß, daß absoluter Alkohol, um aus dem flüssigen in den festen Zustand
                              überzugehen, eine außerordentliche Abkühlung erfordert. Noch ist zwar nicht
                              festgestellt, welchem Grade der Thermometer-Scala diese Abkühlung entspricht;
                              daß sie jedoch sehr beträchtlich ist, geht aus den Angaben Mitchell's und Faraday's hervor, von denen
                              ersterer den absoluten Alkohol einer durch Verdunstung eines Gemisches von fester
                              Kohlensäure und Aether im Vacuum hervorgebrachten Kälte von – 99° C.
                              aussetzte, letzterer von 110° C., wodurch in beiden Fällen der Alkohol jedoch
                              nur dickflüssiger wurde, ohne wirklich zu erstarren. Löwig will aber durch neuere Versuche gefunden haben, daß absoluter
                              Alkohol bei 98° C. erstarre.
                           
                           Mischungen von Alkohol und Wasser (Weingeist) gefrieren hingegen leichter und um so
                              leichter, als sie weniger Alkohol enthalten. In Mitchell's Versuchen gefror Weingeist von 57 Procent Alkoholgehalt noch
                              leicht. Dieses Gefrieren geht jedoch in der Weise vor sich, daß das Wasser aus der
                              Mischung auskrystallisirt und ein stärkerer Weingeist, wie er für die gegebene
                              Temperatur-Erniedrigung noch beständig ist, so zu sagen als Mutterlauge übrig
                              bleibt.
                           Dasselbe Verhalten beim Gefrieren zeigt auch das Bier, als eine schwach weingeistige
                              Flüssigkeit. Welchen Einfluß das Gefrieren aber auf die übrigen, den Alkohol im
                              Biere begleitenden Bestandtheile hat, werden wir aus den nachfolgend mitgetheilten
                              Versuchen ersehen.
                           Ich exponirte im Monat Januar des vorigen Jahres einen Eimer (= 42,5 österr. Maaß =
                              circa 60 Liter) dreizehnprocentiges Schwechater
                              Lagerbier einer Temperatur von im Mittel – 8° C. während einer Dauer
                              von sechs Tagen. Die dadurch an die Faßwandung angelegte Eiskruste wurde beim
                              Spundloche durchbohrt und das Bier auf Flaschen abgezogen.
                           Man nahm nun das Faß auseinander, und der hohle Eisblock, der noch genau die Form des
                              Fasses hatte, wurde nach der Richtung eines Schnittes durch die Längsachse
                              auseinander gehauen. Die fünf Zoll dicke Eiskruste bestand nach innen aus
                              unregelmäßigen, 1 bis 2 Millimeter dicken Eisblättchen. Gegen die Außenseite war
                              dieselbe vollkommen farblos und dicht; nach dem Inneren zu zeigte sie sich dagegen
                              allmählich bräunlicher gefärbt und die einzelnen Eiskrystalle waren stufenweise
                              lockerer aggregirt.
                           Der flüssig gebliebene Antheil des Bieres hatte eine tiefbraune Farbe und ziemlich
                              dickflüssige Beschaffenheit. Es schwammen darin noch krystallinische
                              Eispartikelchen, und hatte das Bier, zum Theil wohl durch diese bedingt, ein trübes
                              Ansehen. Nachdem dasselbe kurze Zeit im warmen Zimmer gestanden hatte, klärte es
                              sich. Die Eisnadeln hatten sich gelöst und am Boden der Flaschen fand sich eine
                              geringe Menge organischer, stickstoffhaltiger Materien, offenbar in Folge der bei
                              der Abkühlung eingetretenen sogen. Glutintrübung (Habich's), wie wir sie ja auch bei weniger starker Abkühlung
                              antreffen.
                           Das Ergebniß der chemischen Untersuchung, welche nach den früher von mit (S. 134 in
                              diesem Bande des polytechn. Journals) mitgetheilten
                              Methoden ausgeführt wurde, war folgendes:
                           
                              
                                 
                                 Vor dem Gefrieren.
                                 Gefrorenes Bier.
                                 
                              
                                 Spec. Gewicht   
                                     1,0243
                                       1,0489
                                 
                              
                                 Extractgehalt
                                     5,68 Procent
                                     15,21 Procent
                                 
                              
                                 Alkoholgehalt
                                     3,5   Procent
                                       9,43 Procent
                                 
                              
                           
                           Der Stickstoffgehalt des gefrorenen Bieres stellte sich in vier Bestimmungen, in
                              denen das eine Mal das Ammoniumplatinchlorid, das andere Mal das Chlorammonium
                              direct zur Wägung kam, wie folgt heraus:
                           
                              
                                 1)
                                 als
                                 Ammoniumplatinchlorid gewogen   
                                 1,13 Proc.
                                 des
                                 Extracts
                                 an Stickstoff
                                 
                              
                                 2)
                                 „
                                                 
                                    „                    
                                    „
                                 1,26    „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 3)
                                 „
                                 Chlorammonium gewogen
                                 1,14    „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 4)
                                 „
                                             
                                    „              
                                    „
                                 1,004  „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 im
                                 Mittel also
                                 1,13    „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           Leitet man aus diesem Stickstoffgehalt, wie a. a. O. angegeben, die Menge der
                              eiweißartigen Stoffe ab, so erhält man, diese zu 15,5 Proc. Stickstoffgehalt
                              angenommen, Proteinoide:
                           
                              
                                 in 100 Theilen Extract
                                 7,29 Procent
                                 
                              
                                 in 100 Theilen gefrorenen Bieres   
                                 1,11 Procent.
                                 
                              
                           Ein Vergleich dieses Stickstoffgehaltes mit dem desselben Bieres, bevor es dem
                              Einflusse des Gefrierens ausgesetzt war, führt zu dem Ergebniß, daß durch das
                              Gefrieren die Hälfte der Proteinoide aus dem Biere entfernt wurde; ein solcher
                              Austritt derselben war auch nach der bekannten Glutintrübung der unter die
                              Temperatur ihres Gährungsraumes erkälteten Biere vorauszusehen.
                           Ich will hier auch noch die Aschenanalyse des gefrorenen Bieres anfügen. Die
                              Aschenmenge betrug darin 3,27 Proc., und die nähere Zusammensetzung der Asche ergab
                              die Analyse in folgender Weise:
                           
                              
                                 Kali
                                 26,29 
                                 
                              
                                 Natron
                                 2,00 
                                 
                              
                                 Chlornatrium
                                 7,57 
                                 
                              
                                 Kalk
                                 1,89 
                                 
                              
                                 Magnesia
                                 9,89 
                                 
                              
                                 Thonerde
                                 0,15 
                                 
                              
                                 Eisenoxyd
                                 0,39 
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 3,08 
                                 
                              
                                 Phosphorsäure      
                                 40,20 
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 7,09 
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                 1,33 
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 99,88.
                                 
                              
                           Die Kieselsäure war in schwacher Kalilauge löslich.
                           Wenn es nun feststeht, daß durch das theilweise Gefrieren des Bieres der flüssig
                              bleibende Rest alkoholreicher wird, wenn man außerdem durch die unmittelbare
                              Anschauung wahrnimmt, daß die Farbstoffe des Bieres sich gleichfalls in dem flüssig
                              gebliebenen Antheile anhäufen, so drängt sich dann weiters die Frage auf: ob
                              Extractmenge und Alkoholgehalt sich in letzterem in demselben Verhältnisse zu einander
                              vorfinden, wie im ursprünglichen Biere, oder ob dieses Verhältniß gestört wurde.
                           Balling ließ bereits im Jahre 1850 Bier von Liebigitz in
                              Böhmen für den Zweck der chemischen Untersuchung gefrieren. Dasselbe wurde am 7.
                              Januar geprüft und dann einer Kälte von 6° R. ausgesetzt. Das dabei erhaltene
                              verstärkte Bier ließ man nochmals und zwar bei – 10° R. gefrieren. Die
                              Untersuchung der sonach vorliegenden drei Biere ergab folgenden Gehalt:
                           
                              
                                 
                                 Alkohol.
                                 Extract.
                                 
                              
                                 Normales Bier
                                 2,994
                                 3,900
                                 
                              
                                 erste Concentration
                                 4,178
                                 5,850
                                 
                              
                                 zweite Concentration   
                                 4,918
                                 6,681.
                                 
                              
                           Berechnet man nun auf Grund dieser Angaben, wie viel Extract in den einzelnen Stadien
                              der Concentration auf 1 Gewichtstheil Alkohol kommt, so findet man folgende
                              Verhältnißzahlen:
                           
                              
                                 
                                 Alkohol.
                                 
                                 Extract.
                                 
                              
                                 Im normalen Biere
                                 1
                                 :
                                 1,302
                                 
                              
                                 in der ersten Concentration
                                 1
                                 :
                                 1,400
                                 
                              
                                 in der zweiten Concentration   
                                 1
                                 :
                                 1,385.
                                 
                              
                           In diesem Versuche hatte also zunächst der Alkoholgehalt, verglichen mit dem
                              Extractgehalte, eine geringere Vermehrung als der letztere erlitten; durch das
                              zweite Gefrierenlassen war hingegen wieder ein gegentheiliges Verhältniß
                              eingetreten.
                           Bei einem von mit angestellten Versuche war die Anreicherung an Extract eine noch
                              beträchtlichere, nämlich:
                           
                              
                                 
                                 Alkohol.
                                 
                                 Extract.
                                 
                              
                                 Normales Bier
                                 1
                                 :
                                 1,623
                                 
                              
                                 gefrorenes
                                    Bier      
                                 1
                                 :
                                 1,641.
                                 
                              
                           Der heurige Winter war ausgedehnteren Versuchen über die aufgeworfenen Fragen wenig
                              günstig; doch will ich hier noch eines Versuches gedenken, den ich aus dem
                              angegebenen Grunde in zwei ineinander gesteckten Blechcylindern ausführte, deren
                              Zwischenraum mit Kochsalz und Schnee ausgefüllt wurde. Ich erlangte dabei rasch eine
                              Temperatur des Bieres von – 15° C. und es waren anderthalb Maaß
                              Schwechater Bier binnen einer Stunde zum hinlänglich großen Antheile gefroren.
                              Dieses rasche Gefrieren hatte jedoch zur Folge, daß viel Bier von den Eiskrystallen
                              eingeschlossen blieb, wodurch die ganze Eismasse braun gefärbt war. Für das Studium
                              des reinen Vorganges ist daher ein ruhiges Gefrieren offenbar günstiger, und hoffe
                              ich hierfür auf den nächsten Winter.
                           
                           Ich erhielt in diesem Versuche circa 1/2 Maaß eines
                              flüssig gebliebenen Rückstandes von 9,43 Procent Alkoholgehalt und 7,83 Proc.
                              Extract. Hier war also das Verhältniß zwischen beiden ein ganz anderes wie zuvor,
                              indem der Alkoholgehalt die Extractmenge überwog, so daß auf 1 Theil Alkohol nur
                              0,830 Extract kommen. Es wäre von großem Interesse, wenn auch an anderen Orten
                              ähnliche Versuche ausgeführt würden, bei denen man namentlich die Menge des jedesmal
                              flüssig gebliebenen Antheils genau bestimmte, um auf solche Weise die Frage zur
                              Entscheidung zu bringen, ob Alkohol und Extract sich in demselben Verhältnisse, und
                              zwar im ganzen Verlauf des Gefrierprocesses anhäufen, oder ob deren gegenseitiges
                              Verhältniß alterirt wird und eine Unstetigkeit im Voranschreiten der Concentration
                              eintritt.
                           Von dem Biere, dessen Untersuchung ich hier zuerst mittheilte, hatte ich eine Flasche
                              von etwa 750 Kub. Centim. Inhalt in meinem Arbeitszimmer bis Mitte August, wohl
                              verkorkt und gesiegelt, aufbewahrt. Beim Oeffnen derselben zeigte das Bier nicht die
                              geringste Gasentwickelung. Es war glanzhell, moussirte beim Herausschenken ziemlich
                              stark und war vollkommen klar. Am Boden der Flasche hatte sich die bereits oben
                              erwähnte flockige Masse abgesetzt. Das so weit abgelagerte Bier hatte einen viel
                              milderen, angenehmeren, schwachbitteren Geschmack – an Madeira erinnernd
                              – und war stark geistig.
                           In Folge der starken Concentration, und wohl zusammenhängend mit der Entfernung
                              stickstoffhaltiger Bestandtheile, hatte eine weitere Vergährung während der sechs
                              Monate nicht stattgefunden.
                           Da ein derartig concentrirtes Bier sich also auch bei höherer Temperatur sehr gut
                              aufbewahren läßt, ja nicht unwahrscheinlich selbst mehrere Jahre lang, worüber meine
                              Versuche noch fortdauern, so wäre dieses Concentrationsverfahren wohl für den
                              Versandt in wärmere Klimate zu empfehlen, selbstverständlich wenn der Kostenpunkt
                              hierbei nicht wesentlich den Ausschlag gibt. Das Eigenthümliche dieser
                              Concentrationsmethode durch Gefrierenlassen, wodurch sich dieselbe wesentlich von
                              den üblichen Verfahren für den gleichen Zweck unterscheidet, ist eben die Entfernung
                              eines großen Antheils der eiweißartigen Stoffe.
                           Durch das Gefrieren werden aus dem Wasser fast sämmtliche unorganische Bestandtheile
                              ausgeschieden; nur wenn eine größere Menge organischer Stoffe darin enthalten ist,
                              scheinen bei theilweisem Gefrieren auch gewisse unorganische gelöst zu bleiben.
                              Dieses auf das gefrorene Bier angewendet, müssen sich in demselben die unorganischen
                              Bestandtheile gleichfalls anhäufen, was eine vergleichende Aschenbestimmung auch
                              bestätigte.
                           
                           Als Parallelversuch ließ ich gleichzeitig Wasser und Eis aus der Schwechat schöpfen
                              und bestimmte in beiden den Gehalt an organischen und unorganischen
                              Bestandtheilen.
                           Es hinterließen 500 Kub. Centim. dieses Bachwassers 0,213 Grm. Trockenrückstand und
                              0,135 Grm. Asche. Dieselbe Menge von geschmolzenem Eise herstammenden Wassers
                              hinterließ dagegen nur 0,010 Grm. Trockenrückstand und 0,004 Grm. Asche.
                           Aus diesen Daten ist der Einfluß des theilweisen Gefrierens auf den Gehalt an
                              gelösten Bestandtheilen im flüssigbleibenden Rückstand gleichfalls auffallend
                              ersichtlich.